Lisa Pascher : Die Wichtigkeit der Muttersprache für den Erwerb der Zweitsprache. Bachelorarbeit, Pädagogische Hochschule OÖ, Linz 2012, S24ff 2.9 Die Bedeutung der Erstsprache Viele Menschen machen Aussagen über die Zweisprachigkeit und über den Wert von Muttersprachen von Kindern mit Migrationshintergrund die eigentlich nicht der Wahrheit entsprechen. Um sich als Volksschullehrerin oder als Volksschullehrer gegen diese Behauptungen schützen zu können, werden diese kurz erwähnt und erklärt. „Ich will nicht, dass mein Kind Türkisch (Kroatisch, Serbisch, Bosnisch, ...) etc. lernt. Es soll so schnell wie möglich Deutsch lernen. Da schadet es nur, wenn es den muttersprachlichen Unterricht auch noch besucht.“ (Cilia 2011, S. 3) Diese Behauptungen, dass der Muttersprachenunterricht schadet und dass die Muttersprache automatisch beherrscht wird, sind fälschlich getroffene Annahmen. Nachweislich hört die sprachliche Entwicklung nicht bei der oder nach der Einschulung auf. Die Sprache nur innerhalb der Familie zu sprechen, reicht nicht für eine optimale Entwicklung aus. Eine nicht ausgereifte Entwicklung der Erstsprache kann schwere und gravierende Folgen bezüglich emotionaler und intellektueller Entwicklung des Kindes mit sich bringen. „Seine Muttersprache kann das Kind ohnehin, die braucht es nicht zu lernen. Die sprechen wir ohnehin in der Familie.“ (Cilia 2011, S. 3) Dass die Muttersprache das Erwerben und Erlernen der deutschen Sprache behindere ist ebenfalls eine Fehlannahme. Wird die Muttersprache nicht genug berücksichtigt und gefördert, so kann dies wie oben erwähnt emotionale und psychische Störungen hervorrufen, doch auch negative Auswirkungen auf die schulische Laufbahn und eine so genannte Halbsprachigkeit kann entstehen. „Man muss den ausländischen Kindern verbieten, sich untereinander in ihrer Sprache zu unterhalten. Das hindert sie am Erlernen der deutschen Sprache.“ (Cilia 2011, S. 3) Die deutsche Sprache kann nur dann gut und fundiert erlernt werden, wenn sie entweder bilingual oder auf eine gute Erstsprache aufgebaut werden kann. Das heißt, die Kommunikation zwischen den Kindern würde unterstützend wirken. Es Lisa Pascher Pädagogische Hochschule 25 hilft nichts, den Kindern zu verbieten sich in ihrer Muttersprache, sei es in der Pause oder im Unterricht, zu unterhalten. Es könnte auch sein, dass die Kinder über den Unterrichtstoff sprechen oder sich gegenseitig helfen. „Kroatisch- (Türkisch-, Serbisch-, Bosnisch-, ...) kenntnisse bringen den Kindern ja nichts, sie sollen lieber ordentlich Deutsch und Englisch lernen. Das können sie später brauchen.“(Cilia 2011, S.3) Sprachliche Vielfalt und mehrere Sprachen zu beherrschen ist ganz bestimmt immer ein Vorteil. Wird die Muttersprache von Migrantenkindern gut gefördert, kann diese in den verschiedensten Branchen in vielen Sozialberufen oder Dienstleistungsberufen wie zum Beispiel bei der Polizei oder in Krankenhäusern eingesetzt werden. Dies wäre im Berufsleben ein zusätzlicher Vorteil und eine Aufwertung der Persönlichkeit gegenüber anderen Arbeitssuchenden. (Vgl. Cilia 2011, S. 7) Die Erstsprache ist ein wichtiger Bestandteil der persönlichen Entwicklung eines Kindes. Sie hat eine prägende Funktion für das Selbstwertgefühl und auch eine Sozialisationsfunktion. Sie ist nicht nur die Muttersprache, sondern auch die Kultur- und Familiensprache. Es ist zu erwähnen, dass die Muttersprache keinesfalls eingeschränkt oder nur als Hilfssprache für den Erwerb einer Zweitsprache gesehen werden soll. Dies kann zu einer emotionalen, sozialen und sprachlichen Beeinträchtigung führen. Darüber hinaus besteht sogar die Gefahr, eine negative Einstellung zu einer Zweitsprache zu schüren. Auch im 30. Artikel der UN- Kinderkonvention wird dies betont: „In Staaten in denen es ethnische, religiöse und sprachliche Minderheiten oder Ureinwohner gibt, darf einem Kind, das einer solchen Minderheit angehört oder Ureinwohner ist, nicht das Recht vorenthalten werden, in Gemeinschaft mit anderen Angehörigen seiner Gruppe, seine eigene Kultur zu pflegen, sich zu seiner eigenen Religion zu bekennen und sie auszuüben oder seine eigene Sprache zu verwenden.“ Viele Kinder die in den Kindergarten kommen und noch nicht einmal ihre Erstsprache in allen Strukturen beherrschen, werden dazu gedrängt (für die Schule) eine Zweitsprache zu erlernen. (Vgl. Günther&Günther 2007, S. 152f) Lisa Pascher Pädagogische Hochschule 26 Obwohl der Erwerb der Kerngrammatik der Erstsprache zum Schuleintritt schon erfolgt ist, muss die Weiterbildung der Erstsprache in der Schule vorangetrieben und nicht unterbrochen werden. Diese Unterbrechung geschieht jedoch sehr oft. Kinder die beispielsweise aus Bosnien, Albanien oder der Türkei stammen, werden aufgrund des Schuleinstiegs auf Deutsch alphabetisiert und werden so, auf eine Halbsprachigkeit getrimmt. Gründe hierfür sind, dass weder die eine noch die andere Sprache voll ausgebildet wird und daher auch die Spracherwerbsfähigkeit unter ungünstigen Bedingungen oder durch fehlende sprachliche Sozialisation leidet. (Vgl. Cilia 2011, S. 3f) Entsprechend schlecht ist es auch, wenn Eltern ihre Kinder fördern wollen, indem sie mit ihnen zu Hause Deutsch sprechen, obwohl sie diese Sprache gar nicht richtig beherrschen. Dies wirkt sich negativ auf den Sprach- und Schriftspracherwerb aus, da eine der bedeutendsten Grundlagen dafür Kenntnisse und gute Kompetenz in der Erstsprache ist. Je besser die Fertigkeiten und Fähigkeiten in der Erstsprache ausgebildet sind desto leichter fällt der Erwerb einer Zweitsprache. (Vgl. Grammel 2010, S. 3f) Das heißt, positiv für den Spracherwerb, wirkt sich das verfügbare Vorwissen über Sprachen, die Begriffsbildung sowie der Grad des Schriftspracherwerbs der Erstsprache auf den Erwerb der Zweitsprache aus. Beeinflussend dazu wirkt jedoch die Nähe der beiden Sprachen zueinander. (Vgl. Rösch 2003, S. 18-21)