Claudia Kernbichler 13Ve1 Implizites Lernen … umfasst mehrere Formen des Lernens, die ohne Beteiligung des Bewusstseins und häufig beiläufig und ohne gezielte Lernabsicht ablaufen. Implizites Wissen ist eine gänzlich andere Art von Wissen mit weniger kontrollierbaren Auswirkungen auf Verhalten und Handeln des Lernenden. Diese Form des Lernens führt dazu, dass die gelernten Regeln erfolgreich angewendet werden, ohne dass sie verbal beschrieben werden können. Implizites Wissen steuert das Verhalten unabhängig von den Intentionen des Lernenden, es kann also weder vorgetäuscht noch unterdrückt werden. Begriffserklärung: Deklaratives (explizites) Wissen: Wissen über die Welt, das dem Bewusstsein zugänglich ist, Fakten (Ereignisse aus dem Leben) Prozedurales (implizites) Wissen: Handlungswissen, das dem Bewusstsein nicht unbedingt zugänglich ist (Binden einer Schleife) Der Lernprozess folgt eigenen Gesetzmäßigkeiten: Der Lernerfolg kann nur durch die Häufigkeit der Wiederholungen gesteigert werden. Implizites Wissen bleibt über lange Zeiträume erhalten und ist nur schwer löschbar. Implizites Lernen hängt stark von der Sinnesmodalität ab. Ist der Reiz z.B. visuell oder akustisch, dann kann der Lernerfolg nur in derselben Sinnesmodalität geprüft werden. Es ist weniger abhängig vom Alter, der kognitiven Leistungsfähigkeit und von der Beanspruchung durch andere Aufgaben. Fehlende Zugänglichkeit zum Bewusstsein. Der Lerner verfügt nicht über Wissen darüber, was und wie viel er bereits gelernt hat. Einflüsse auf das Verhalten. Implizites Wissen steuert das Verhalten unabhängig von den Absichten oder Zielen des Lerners. Der Lerner kann die Wirkung nicht bewusst kontrollieren. Indirekte Erfassung der Lernleistung. Die Ergebnisse können nicht auf direktem Weg (z.B. durch Abfragen) überprüft werden, sondern nur auf indirektem durch Steigerung der Effizienz von Lerninhalten (z.B. eine Leistungssteigerung nach einigen Durchgängen bei einem Computerspiel). Implizites Regellernen … ist eine spezielle Form des impliziten Lernens und bezieht sich auf den Erwerb von Regelwissen oder Wissen über regelhafte Strukturen komplexer Systeme. Es erfolgt ohne bewusste Lernabsicht, ohne bewusste Steuerung der Aufmerksamkeit, ohne bewusste Wahrnehmung der Komponenten des Systems oder Regewerks. Die gelernten Regeln werden, ohne dass sie verbalisiert werden können, erfolgreich angewendet. Die Frage, ob implizites Regellernen immer unbewusst abläuft, ist jedoch noch nicht endgültig geklärt. Claudia Kernbichler 13Ve1 Bsp. Erwerb der Muttersprache: Alle Kinder lernen in frühem Alter geradezu beiläufig die komplexen Regeln zur Benutzung der Sprache. Dieses Lernen erfolgt ohne bewusste Absicht, aber höchst effizient. Nach wenigen Jahren werden unzählige Regeln der Muttersprache sicher beherrscht, ohne dass sie erklärt werden könnten. Zur Erfassung der Lernleistung sind indirekte und verhaltensbezogene Methoden notwendig. Diese sind … Sequenzlernaufgaben (serielle Reaktionszeitmessung): Die Reaktionszeiten der Teilnehmer werden bei einer scheinbar zufälligen Abfolge von Reizen kürzer, auch wenn ihnen nicht bewusst ist, dass sich die Abfolge der Reize wiederholt. Dies belegt, dass implizites Wissen über die Abfolge der Reize gewonnen wurde. Künstliche Grammatik: Mit einer künstlichen Grammatik werden Buchstabenfolgen (Zahlen, Symbole, Kunstwörter) konstruiert. Obwohl den Teilnehmern nicht mitgeteilt wird, dass ein Regelwerk existiert, können sie nach einer Lernphase diese erlernte Grammatik mit überzufälligem Erfolg auch auf andere Buchstabentests übertragen. Computerunterstützte Steuerung komplexer Systeme: Durch motivierende Computerspiele werden Teilnehmern schwer durchschaubare Regelsysteme präsentiert. Nach mehreren Durchgängen ist eine Leistungssteigerung feststellbar. Prozedurales Lernen … ist ein stufenartiger Prozess, der sich auf alle Veränderungen im Bewegungsrepertoire einer Person bezieht. Dabei werden kognitive oder motorische Fertigkeiten durch Übung und Wiederholung schrittweise erworben, indem bewusste Prozesse allmählich durch unbewusste Prozesse ersetzt werden. Erwerb motorischer Fertigkeiten: Motorisches Lernen bedeutet den Erwerb der Fähigkeit, Bewegungen präzise und flexibel den aktuellen Erfordernissen anzupassen. Dazu gehören Sportarten, handwerkliche Arbeiten und künstlerische Ausdrucksformen. Motorische Fertigkeiten besitzen immer perzeptive, motorische und kognitive Komponenten. Motorisches Lernen vereinigt Merkmale des deklarativen und des prozeduralen Lernens. Eine Messung des Lernfortschrittes erfolgt mit standardisierten Tests (z.B. Pursuit Roboter, Schreiben in Spiegelschrift). Die beiden Faktoren Übung und Rückmeldungen bestimmen den Lernfortschritt wesentlich. Beim Üben spielen häufiges Üben und die Verteilung der Übungseinheiten eine wichtige Rolle. Nach anfänglich schnellem Lernzuwachs werden jedoch zunehmend mehr Wiederholungen nötig. Viele kurze Übungseinheiten wirken sich günstiger auf den Lernfortschritt aus als wenige lange. Längere Zeiträume zwischen den Übungen scheinen den Lernerfolg zu vergrößern (ev. durch Erholung). Rückmeldungen über den Erfolg sind bei komplexeren Tätigkeiten (z. B. Autofahren) notwendig, um beim nächsten Versuch Korrekturen vornehmen zu können (ähnlich wie Verstärkung beim Konditionieren). Zu Beginn eines Lernprozesses sind häufige, zeitnahe (besser einige Sekunden verzögerte als unmittelbare) Rückmeldungen lernförderlich. Anschließend ist auf häufige Rückmeldung zu verzichten, um die Selbstständigkeit bei der Beurteilung der eigenen Leistung und die Transferfähigkeit zu fördern. Claudia Kernbichler 13Ve1 Erwerb kognitiver Fertigkeiten: Kognitive Fertigkeiten sind Mechanismen, mit deren Hilfe kognitive Probleme gelöst werden (z.B. mathemat. Problem, Reparatur eines techn. Gerätes, Kreuzworträtsel). Sie werden auch durch häufiges Üben verbessert, automatisiert und ohne bewusste Kontrolle durchgeführt. Zur Lösung solcher Probleme können entweder Standardprozeduren (durch Instruktion erworben und immer auf die gleiche standardisierte Weise durchgeführt) oder heuristische Strategien (flexible Such- und FindeVerfahren für verschiedenen Standardprozeduren zur Problemlösung komplexerer Alltagsprobleme wie z.B. Planen einer Urlaubsreise mit Familie), verwendet werden. Vom deklarativen zum prozeduralen Lernen Beiden Wissenstypen liegen unterschiedliche Lernmechanismen zugrunde. Deklaratives Wissen wird durch Prozesse der verbalen Enkodierung erworben. Prozedurales Wissen wird auf der Basis von viel Übung und korrigierenden Rückmeldungen aufgebaut. Beide Lernformen lassen sich nicht immer scharf trennen, da sie sich bei fast allen komplexeren Lernvorgängen vermischen. ACT-Modell von Anderson (Adaptive Control of Thought): Bei der Aneignung von Fertigkeiten findet ein Übergang vom deklarativen zum prozeduralen Lernen statt. Zu Beginn wird explizites Wissen über die Aufgabe und über die Regeln erworben (Arbeitsgedächtnis). In der nächsten Phase des prozeduralen Lernens kommt es durch praktischen Erprobung und Übung nach und nach zu einer Automatisierung (Langzeitgedächtnis). In der dritten Stufe erfolgt eine Feinanpassung (Tuning). Durch Generalisierung und Unterscheidungslernen werden die erworbenen Fertigkeiten auf andere Bereiche übertragen. Rein implizite Lernprozesse: Handlungsregeln können auch vollständig ohne bewusste Beteiligung gelernt werden, da beim expliziten und impliziten Lernen unterschiedliche Hirnregionen beteiligt sind (Patienten mit Gedächtnisstörungen können motorische Fertigkeiten erlernen).