Kein Folientitel - Bundesamt für Gesundheit

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Kompetenznetz Depression, Suizidalität
Depression leichter erkennen und besser behandeln
- Ein interaktiver Workshop für Hausärzte -
Konzept:
David Althaus
Rita Schäfer Ulrich Hegerl
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
der Ludwig-Maximilians-Universität München
Ablaufplan
Gliederung
•
•
•
•
•
•
Gesundheitsökonomische Relevanz
Symptomatik
Diagnose
Patientenaufklärung und -führung
Therapie
Umgang mit Suizidalität
1.
Epidemiologie und
gesundheitspolitische
Bedeutung der Depression
Gewichtetes Maß: Beeinträchtigung / Lebensjahre
Belastung durch Krankheiten in den
entwickelten Ländern
12000
10000
8000
6000
4000
2000
0
(WHO-Studie von Murray & Lopez 1997)
Epidemiologie in Deutschland
ca.
5%
•
Bundesgesundheitssurvey 98/99:
4-Wochen Prävalenz: 6,3%
•
Frauen doppelt so häufig betroffen
wie Männer
•
Erkrankung betrifft alle
Altersgruppen
Ca. jede 4. Frau und jeder 8. Mann erkranken im Laufe des
Lebens an einer Depression.
Häufigkeit beim Hausarzt
•
Was schätzen Sie: Wie hoch ist der Anteil depressiver
Patienten in Ihrem Wartezimmer?
•
„Hausarztstudie“ in 400 Arztpraxen (Wittchen et al. 2000): über
10% der Hausarztpatienten leiden unter Depressionen (Männer:
9,4%; Frauen:11,9%)
•
50% der Betroffenen suchen keinerlei Behandlung gegen
die Depression auf!
•
Für die Hälfte derjenigen, die Hilfe suchen, ist der Hausarzt
noch vor dem Psychiater und dem Psychotherapeuten der
erste Ansprechpartner!
Warum bleiben 90% der Erkrankten ohne
ausreichende Behandlung?
Depression bleibt oft unerkannt

Viele Betroffene erkennen die eigene Depression nicht

Körperliche Symptomatik überdeckt häufig die Depression
Depression wird unzureichend behandelt

Viele Betroffene haben Angst, sich in psychiatrische Behandlung zu
begeben (vor allem Vorbehalte gegen Psychopharmaka)

Auch bei „geeigneter“ Medikation viele Anwendungsfehler:

unzureichende Aufklärung,

zu niedrige Dosierung,

frühzeitiges Absetzen der Medikation (Compliance-Probleme).
2.
Symptomatik und
Diagnosekriterien
Kasuistik (Video)
Beobachtungsaufgabe:

Welche Symptome schildert die Patientin?

Wie ist der zeitliche Verlauf der Erkrankung?

Wie wirkt die Patientin auf Sie (z.B. Körpersprache)?
Anschließend sammeln der Beobachtungen im Plenum (Flipchart).
Haupt- und Nebenkriterien nach ICD-10
Suizidgedanken /
Suizidale
Handlungen
Negative und
pessimistische
Zukunftsperspektiven
Verlust von
Interesse u.
Freude
Depressive
Stimmung
Gefühl von
Schuld und
Wertlosigkeit
Verminderter
Antrieb
Schlafstörungen
Vermindertes
Selbstwertgefühl
und Selbstvertrauen
Appetitminderung
Verminderte
Konzentration und
Aufmerksamkeit
Somatisches Syndrom: bei 4 von 8 Symptomen
Deutlicher Verlust von
Freude und Interesse bei früher
angenehmen Aktivitäten
Suizidgedanken /
Suizidale
Handlungen
Morgentief
Negative und
pessimistische
Zukunftsperspektiven
Mangelnde
Fähigkeit
emotional zu
reagieren
Gefühl von
Schuld und
Wertlosigkeit
Verlust von
Interesse u.
Freude
Depressive
Stimmung
Vermindertes
Selbstwertgefühl
und Selbstvertrauen
Appetitminderung
Erhöhte
Ermüdbarkeit
Schlafstörungen
Starker Appetitverlust
Früherwachen
Verminderte
Konzentration und
Aufmerksamkeit
Psychomotorische
Hemmung oder
Agitiertheit
Deutlicher
Libidoverlust
Gewichtsverlust > 5%
Diagnoseziffern nach ICD-10
F31
Depressive Phase im Rahmen einer bipolaren affektiven Störung
(manisch/depressiv)
F32
Depressive Phase, monophasisch (unipolare Depression)
F32.0
Leicht: 2 Haupt-Symptome + 2 Zusatz-Symptome länger als 2 Wochen
F32.1 Mittelgradig: 2 Haupt-Symptome + 3-4 Zusatz-Symptome länger als 2 Wochen
F32.2
Schwer: 3 Haupt-Symptome + 4 Zusatz-Symptome länger als 2 Wochen
F33
Depressive Phase, rezidivierend (unipolare Depression)
Schweregrad wie F32: (F33.0-F33.2); wiederkehrende Phasen
F34
Dysthymie
F06.32
Organische depressive Störung
milde (nicht rezidivierende), im jungen Erwachsenenalter
beginnende, über mindestens 2 Jahre anhaltende
depressive Verstimmung
Beschreibung: Arten und Verlauf
Einzelne depressive Episode (knapp die Hälfte der
Betroffenen erlebt nur eine einzelne depressive Phase)
Zeit
dauerhaft beschwerdefrei
 durchschnittl. Dauer einer Episode: 4-8 Monate
 Wiedererkrankungsrate > 50 %
Beschreibung: Arten und Verlauf
Schwere Depression (phasisch, unipolar, Major Depression)
(wenige Monate bis
mehrere Jahre)
Dysthymie („neurotische Depression“)
Beschreibung: Arten und Verlauf
Manisch Depressive Erkrankung (Bipolare affektive Störung):
Neben depressiven Phasen treten Zustände von übermäßiger
Aktivität, gehobener Stimmung und allgemeiner Angetriebenheit,
manchmal auch Gereiztheit auf.
Bipolare Störungen erfordern DRINGEND medikamentöse Behandlung!
Erscheinungsbilder
Je nach Zusammensetzung der Symptome können
unterschiedliche Syndrome im Vordergrund stehen:
 Gehemmte Depression
 Agitierte Depression
 Somatisierte „larvierte“ Depression
 Wahnhafte Depression
3.
Erklärungsansätze der
Depression
Psychische und körperliche Ursachen:
2 Seiten einer Medaille
Psychosoziale Aspekte
Vulnerabilität z. B. negative Lebenserfahrungen, Persönlichkeit
Neurobiologische Aspekte
z. B. genetische Faktoren
Auslöser
z. B. akute psychosoziale Belastung,
Stress
z. B. Überaktivität der
Stresshormonachse
Depressiver
Zustand
depressive SymptoMatik (Erleben und
Verhalten)
z. B. neurochemische
Dysfunktionen,
Überaktivität der
Stresshormonachse
Therapie
Psychotherapie
Pharmakotherapie
Serotonerges Neurotransmitter-System:
Ursprungsorte und Zielgebiete
Biochemisches Korrelat von Depressionen
somatodentritischer Autorezeptor 5-HT1A
Zellkörper
in den Raphekernen
Terminaler Autorezeptor 5-HT1D
Transporter für 5-HTWiederaufnahme
postsynaptische Rezeptoren
Genetische Faktoren von Depression

Erkrankungsrisiko um das Dreifache erhöht, wenn ein Elternteil
oder Geschwister depressiv erkrankt ist.

Zwillingsuntersuchungen:
Eineiige Zwillinge: Konkordanz = 35-42%
Zweieiige Zwillinge: Konkordanz = 15-20%

bipolare Störung zeigt eine noch größere Heredität

Kein einzelnes Hauptgen für Depression verantwortlich

Die Genetik ist allerdings nicht das einzige entscheidende
Kriterium (auch bei eineiigen Zwillingen erkrankt nur in 58-65%
der Fälle nur einer der beiden)
4.
Die Depression in der
Hausarztpraxis
erkennen
Beschwerdeprofil von Depressionspatienten
in der Hausarztpraxis
31%
andere
69%
körperliche
Beschwerden
Kopfschmerz
Rückenschmerz
69% der Patienten mit Depression
suchen ihren Hausarzt ausschließlich aufgrund von körperlichen
Beschwerden im Rahmen der
Depression auf
Erschöpfung
Herzklopfen
Nackenverspannungen
Beklemmungen in der Brust
Abdominelle Beschwerden
Magenbeschwerden
Schwindel
Simon et al. (1999): Studie an 1146 Patienten
Körperliche Beschwerden sind
Teil des Teufelskreises
Körperliche
Funktionsstörungen, z.B.
Depression
Pessimistische
kognitive
Verarbeitung
- Inaktivität
- Schlafstörungen
- Muskeltonus ↑
- Appetitlosigkeit
- Ösophaguskontraktilität
- Luftnot / Atembeschwerden
Körperliche
Beschwerden, z.B.
- Rückenschmerzen
- Kopfschmerzen
- Obstipation
- Retrosternales Brennen
Beispiel für Screening: WHO-5 (Bech 1998)
In den letzten beiden
Wochen
1. Ich war froh und
guter Laune
Die
ganze
Zeit
Meistens
Über die
Hälfte
der Zeit
Weniger
als die
Hälfte
der Zeit
Ab und
zu
Zu
keinem
Zeitpunkt
5
4
3
2
1
0
2. Ich habe mich
ruhig und entspannt
gefühlt
5
4
3
2
1
0
3. Ich habe mich
aktiv und voller
Energie gefühlt
5
4
3
2
1
0
5
4
3
2
1
0
5
4
3
2
1
0
4. Beim Aufwachen
habe ich mich frisch
und ausgeruht
gefühlt
5. Mein Alltag war
voller Dinge, die
mich interessieren
Wenn Sie in der
Summe  13
Punkte erreichen,
liegt möglicherweise eine
Depression vor.
Wir empfehlen
Ihnen in diesem
Fall zur weiteren
Abklärung Ihren
Hausarzt, einen
Nervenarzt oder
einen Psychotherapeuten
anzusprechen.
WHO-5: Well-Being Questionnaire
• Aufwand beim Ausfüllen und Auswerten sehr gering
• bei Depression: hohe Erkennungsrate (> 90 %)
• aber: nur mittlere Spezifität (falsch positive Ergebnisse)
ERGO: WHO-5 ist ein ökonomisches Screening-Instrument zum
Einsatz im Wartezimmer.
Beim Punktwert ≤ 13 sollte genauer entsprechend der ICD10 Kriterien nachgefragt werden (jeder 3. Patient mit einem
Wert unter 13 leidet an einer Depression).
Algorithmus zur Depressionsbehandlung
WHO-5-Fragebogen
zum Wohlbefinden
(Wartezimmer)
Score < 13
Klinischer
Eindruck
v.a. depressive Erkrankung
Abfrage depressiver
Kernsymptome und
Nebensymptome
+
ggf. weitere Abklärung
andere psych. oder
somat. Erkrankungen
• Verlust von Interesse / Freude
• Depressive Stimmung
• verminderter Antrieb
• Schlafstörungen
• Mangelndes Selbstwertgefühl
depressive Erkrankung
• Appetitstörungen
• Insuffizienz u. Schuldgefühle
• Pessimist. Zukunftsperspektive
• Konzentrationsstörungen
• Suizidalität
Überweisung ?
© Hegerl
Differentialdiagnose
Ausschluss anderer körperlicher Ursachen:

endokrine Störungen (z.B. Schilddrüsenüberund -unterfunktion)

neurologische Erkrankungen

Viruserkrankungen

Tumore

Autoimmunerkrankungen

medikamentöse Ursachen
Fallbeispiel
Frau Meyer (50 Jahre) kommt in die Praxis.
Seit dem Tode ihres Mannes vor 6 Wochen zeigen sich folgende
Veränderungen:
• sie fühlt sich niedergeschlagen und traurig
• leidet unter Schlafstörungen
• sieht keinen Lebenssinn mehr und klagt viel
• sie hat das Interesse an ihrer Arbeit (Lehrerin) verloren
• sie fühlt sich erschöpft und müde
Hat Frau Meyer eine Depression? Begründung?
Fehleinschätzung als „Befindlichkeitsstörung“
Für die depressive Erkrankung spricht:

Affektstarre und mangelnde Schwingungsfähigkeit (meist
spürbar im direkten Kontakt)

Gefühl der Gefühllosigkeit

Trauer steht nicht in Vordergrund

Schuldgefühle und Ausmaß an Hoffnungslosigkeit

keine Ablenkbarkeit

Suizidalität

Wahnsymptomatik (Versündigung, Verarmung)

Verlauf (gab es bereits früher depressive Episoden?)

Persönlichkeitsveränderung
Demonstration und Rollenspiel
Wie kann ich das Thema „Depression“ ansprechen?
Aufgabe:

Einfühlsames Erfragen der Symptome (z.B. vor dem
Hintergrund der Screening-Ergebnisse)

Diagnose stellen (mit Hilfe von Algorithmus) und behutsam
mitteilen

Knappe Aufklärung über Symptome, Ursachen, Therapie (z.B.
Broschüren, Videos, CD-ROM mitgeben)

Besprechen des weiteren Vorgehens: Behandlung oder
Überweisung an Facharzt / Psychotherapeut?
Auswertung Rollenspiel
Auswertung der exemplarischen Demonstration eines Gesprächs
zwischen Patient und Arzt.
Beobachtungen aus dem Plenum:
 Wahrnehmung und Einordnung eigener Eindrücke / Gefühle.
 Was hat der Arzt gut gemacht, was sehen Sie kritisch?
 Wie schätzen Sie den Fall ein?
Zusammenfassung 1

Depression ist eine schwere Erkrankung, die den Betroffenen
fundamental beeinträchtigt

Jeder 10. Patient im Wartezimmer leidet unter Depression

Systematisches Screening erleichtert das Erkennen depressiver
Patienten

Oft ist die Depression von körperlicher Symptomatik überlagert

Depression wird zu häufig übersehen oder als
„Befindlichkeitsstörung“ verharmlost
5.
Therapiemöglichkeiten
Die Behandlung der Depression
Zentrale Behandlungssäulen:
•
Arzt-Patient-Beziehung
•
Medikamentöse Behandlung (v.a. Antidepressiva)
•
Psychotherapie
•
(Wirksamkeit v. Verhaltenstherapie und
Interpersoneller Therapie am besten belegt)
Psychoedukation und Einbindung Angehöriger
Weitere Behandlungsverfahren (im Einzelfall indiziert)
•
•
•
•
•
Lichttherapie
Wachtherapie
EKT
Soziotherapie
Sport
Wirkung nur bei saisonaler Depression belegt
meist nur im Rahmen stationärer Therapie mögl.
bei schwerer therapieresistenter Depression
z.B. bei Wiedereingliederungsmaßnahmen
kann für einen Teil der Patienten hilfreich sein
Medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva hat im
hausärztlichen Bereich die größte Relevanz!
Wichtigste Medikamentengruppen
1. Beruhigungsmittel / Tranquilizer (z.B. Valium):
 wirken sehr schnell / wichtig für akute Krisen
 dämpfen und machen schläfrig
 nicht antidepressiv, können aber Wirklatenz von AD überbrücken helfen
 Gewöhnungseffekt und bei längerer Anwendung Suchtgefahr
2. Neuroleptika (z.B. Haldol, Fluspirilen / Imap®, Olanzapin):
 bei Psychosen / Schizophrenien unverzichtbar!
 zusätzlich zu Antidepressiva bei wahnhaften Depressionen
 zur Monotherapie der Depression nicht geeignet
 ältere Präparate haben typischerweise motorische Nebenwirkungen
3. Antidepressiva:
 keine Veränderung der Persönlichkeit, keine Suchtgefahr
 Wirklatenz von 2-4 Wochen
Antidepressiva

Tri- und tetrazyklische Antidepressiva (TZA)

Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)

Neue Substanzen (z.B. NARI; SSNRI; NaSSA)

MAO-Hemmer

Johanniskrautpräparate (wirksam nur als hochdosierte
Extrakte

Phasenprophylaktika: (z.B. Lithium)
Algorithmus zur Depressionsbehandlung
WHO-5-Fragebogen
zum Wohlbefinden
(Wartezimmer)
Score < 13
Klinischer
Eindruck
v.a. depressive Erkrankung
Abfrage depressiver
Kernsymptome und
Nebensymptome
+
ggf. weitere Abklärung
andere psych. oder
somat. Erkrankungen
Psychotherapie
Response
Erhaltungstherapie
(6 Monate)
Rezidivprophylaxe ?
• Verlust von Interesse / Freude
• Depressive Stimmung
• verminderter Antrieb
• Schlafstörungen
• Mangelndes Selbstwertgefühl
depressive Erkrankung
• Appetitstörungen
• Insuffizienz u. Schuldgefühle
• Pessimist. Zukunftsperspektive
• Konzentrationsstörungen
• Suizidalität
Überweisung ?
Antidepressivum für 2 Wochen
Non-response
Überweisung?
Höhere Dosierung für 2 Wochen
Non-response
Überweisung?
Wechsel auf Antidepressivum anderer Wirkklasse für 4 Wochen
Non-response
Überweisung!
© Hegerl
Selektive Serotonin Wiederaufnahmehemmer (SSRI)
und selektive Serotonin-Noradrenalin
Wiederaufnahmehemmer (SSNRI)
SSRI:
Substanzgruppe
Handelsname
Citalopram
Cipramil®, Sepram®
Escitalopram
Cipralex®
Fluoxetin
z.B. Fluctin®
Fluvoxamin
z.B. Fevarin®
Paroxetin
Seroxat®, Tagonis®
Sertralin
Gladem®, Zoloft®
SSNRI: Venlafaxin
Duloxetin
Trevilor®, Efexor®
Cymbalta®
Nebenwirkungen unter SSRI und SSNRI
 Übelkeit (meist nur in den ersten Tagen)
 innere Unruhe, Schlafstörungen
 Kopfschmerzen
 sexuelle Funktionsstörungen
 inadäquate ADH-Sekretion
Vorurteile und Ängste
bezüglich Antidepressiva
Bei einer repräsentativen Befragung von 1426 Personen glaubten
69%
80%
Zudem:
dass Antidepressiva die Persönlichkeit verändern
dass Antidepressiva abhängig machen
Obwohl Antidepressiva in den meisten Fällen gut
verträglich sind, glauben 71% der Befragten, sie hätten
starke Nebenwirkungen!!
Unterscheidung verschiedener
Therapiephasen

Akuttherapie (Initial bis zum Eintreten der Remission; 4-8
Wochen)

Erhaltungstherapie (Fortführung der Medikation über
weitere 6 Monate; ansonsten große Rückfallgefahr)

Rückfallprophylaxe (bei wiederkehrenden Depressionen
ohne Phasenprophylaxe: Wiedererkrankungsrisiko drastisch
erhöht; 80% statt 20%)
Drei kritische Zeitpunkte für Therapieabbrüche
Einsetzen der
Medikation
Remission
Rückfall
Wiedererkrankung
Krankheit
Gesundheit
Remission
2
3
Ansprechen
1
unbehandelt
4-8 Wochen
Akuttherapie
4-6 Monate
Erhaltungstherapie
Monate – Jahre
Langzeittherapie
Genaue Aufklärung des Patienten über die Medikation und die
einzelnen Therapiephasen ist Voraussetzung für erfolgreiche
Behandlung (siehe Infomaterial)!
Indikation für fachärztliche
bzw. stationäre Behandlung
•
schwere Depression mit massiver Unruhe und Verzweiflung,
völligem Rückzug, Nahrungsverweigerung
•
Depression mit Wahn
•
tiefe Hoffnungslosigkeit mit Suizidalität
•
bedeutsame Begleiterkrankungen und Begleitmedikationen,
die die Behandlung komplizieren (z.B. MS)
•
bipolare affektive Störung
•
Therapieresistenz
Psychotherapie
 Auch das ärztliche Gespräch ist bereits „Psychotherapie“
 Zur „Richtlinienpsychotherapie“ (von Krankenkasse erstattet)
zählen die Verhaltenstherapie und die Tiefenpsychologisch
fundierte Therapie (inkl. Psychoanalyse)
Vorgehen innerhalb der kognitiven Verhaltenstherapie:
 Aufbau angenehmer Aktivitäten, Abbau von Belastungen
 Tagesstrukturierung
 Korrektur fehlerhafter Überzeugungen
 Verbesserung des Sozial- und Kommunikationsverhaltens
 Problemlösetraining
Überblick: Umgang mit dem Patienten
 Gute Arzt-Patient-Beziehung
 Nach Diagnose: sorgfältige Aufklärung des Patienten (Infomaterial!)
 Günstig: Einbeziehung der Angehörigen zur Compliance-Steigerung
 Empfehlungen an Patienten: Belastungen reduzieren, angenehme
Aktivitäten fördern, Tagesstruktur planen
 Krankschreibung muss individuell überlegt werden (Arbeitsstruktur
wirkt potentiell antidepressiv!)
 Wiedereinbestellung nach 2 Wochen (bei starken Nebenwirkungen
früher)
Zusammenfassung 2

Depressionen sind mit Antidepressiva und/oder Psychotherapie
meist gut behandelbar

Das ärztliche Gespräch ist dabei immer von großer Bedeutung

Nach der Akuttherapie muss Erhaltungstherapie (mind. 6 Monate!)
und evt. Phasenprophylaxe durchgeführt werden

Ängste und Vorurteile gegenüber einer psychiatrischen Diagnose
und einer medikamentösen Therapie beeinträchtigen die
Behandlung. Genaue Aufklärung wichtig!
6.
Suizidalität
Depression und Suizidalität
10-15 %
mit rezidivierender Depression versterben durch Suizid
20-60 %
weisen einen Suizidversuch auf
40-70 %
leiden an Suizidideen
bei 90 %
der Suizidenten psychiatrische Erkrankung im
Vorfeld, am häufigsten Depression (40-70 %)
Wenn eine Depression vorliegt, dann sollte die Suizidalität
immer aktiv exploriert werden!
Todesursachen im Vergleich: 2001
Suizid
11000
Drogen
1835
Verkehr
7100
Mord
914
Aids
900
(Daten des Bundesamtes für Statistik und BMI)
Suizidraten in Deutschland 2002
120
100
Männlich
Weiblich
80
60
40
20
0
(Daten des Bundesamtes für Statistik)
Akute Suizidalität: Risikogruppen
•
für Suizid: ältere Männer
•
für Suizidversuch: junge Frauen (14-24 Jahre)
•
Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen (Depression
Suchterkrankungen, Psychosen)
•
akute krisenhafte Ereignisse (z.B. Arbeitslosigkeit, Schulden,
Scheidung, Inhaftierung, Verlusterlebnisse, Traumatisierung)
•
Mangelnde Unterstützung durch Angehörige oder Freunde. Keine
Einbindung in feste Strukturen, soziale Isolierung
•
Zeit nach der Entlassung aus stationär psychiatrischer Behandlung
•
Chronische körperliche Erkrankungen
•
Suizidversuche in der Vorgeschichte oder in der Familiegeschichte
•
Hohe narzisstische Kränkbarkeit
•
starke Verleugnungstendenz und mangelndes Hilfesuchverhalten („mir
geht es gut; ich brauche keine Hilfe..“)
Indikatoren für akute Suizidgefahr

Drängende Suizidgedanken

Große Hoffnungslosigkeit und starke Schuldgefühle

Starker Handlungsdruck („ich halte das nicht länger aus!“)

Massive narzistische Kränkung

starke Impulsivität (erhöhte Gefahr bei Drogen- oder Alkoholkonsum)

Zunehmender sozialer Rückzug

Verabschiedung von Menschen, Verschenken von Wertgegenständen
Regelung letzter Dinge (Testament, Versicherungen, Papiere)

Offene und verdeckte Ankündigung von Suizid („es wird aufhören, so
oder so...“)

Patient reagiert gereizt, aggressiv oder ist agitiert

Konkrete Suizidpläne oder Vorbereitung suizidaler Handlungen
Die eigenen Erfahrungen mit Suizidalität
10 Min Austausch zu zweit:

Wo und wie ist Ihnen Suizidalität begegnet (beruflich oder privat)?

Was waren die beteiligten Gedanken und Gefühle?

Wie haben Sie damals reagiert?

Wie beurteilen Sie rückblickend die Situation?
Stadien der Suizidalität
Anzahl betroffener Menschen
Mäßige
Suizidgefahr
Passive
Todeswünsche
Erwägung
Hohe
Suizidgefahr
Suizidgedanken
Suizidideen
Suizidpläne
Vorbereitungen
Ambivalenz
Suizidale
Handlungen
Entschluss
Depression und Suizidalität: Kernfragen
Offen und präzise nach Suizidalität fragen!
 Todeswunsch?
 Abstrakte Suizidgedanken, -absichten?
 Konkrete Suizidideen?
 aktive Planung?
 Suizidankündigungen?
 frühere Suizidversuche?
 wie ist akuter Handlungsdruck einzuschätzen?
Abklärung von Suizidalität: Formulierungshilfen

„Gibt es in ihrer derzeitigen schwierigen Situation auch Gedanken
an den Tod?“

„Was genau meinen Sie damit, dass Todsein besser wäre?“

„Denken Sie dabei auch an Suizid?“

„An was denken Sie genau, wenn Sie sagen, sie könnten sich
umbringen?“

„Haben Sie sich die ... (z.B. Medikamente) schon besorgt?“

„Wie oft und wie lange kommen die Gedanken an Suizid?“

„Haben Sie darüber schon mit jemandem gesprochen?“

„Haben Sie schon einmal versucht sich das Leben zu nehmen?“

„Gibt es denn auch Dinge, die Sie noch am Leben halten?“
Mögliche Schritte bei akuter Suizidalität

Suizidalität offen ansprechen

Kurzfristige Wiedereinbestellung

Antisuizidpakt schließen

Facharzt hinzuziehen

Angehörige hinzuziehen

Kontinuierliche Betreuung zu Hause sicherstellen

medikamentöse Entlastung (kurzfristig v.a. Benzodiazepine)
Vorgehen bei Einweisung gegen den Willen des
Betroffenen
Falls akute Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegt und sich der
Patient nicht als kooperativ zeigt:
 Polizei verständigen, die dann vor Ort entscheidet, ob die
betreffende Person in eine Klinik gebracht wird.
 Fast immer folgen die Beamten dabei der Empfehlung des Arztes
 Patienten wird von Polizei und Sanitätern in eine psychiatrische
Klinik gebracht.
 Fachärztliche Urteil entscheidet über Unterbringung in einer
geschlossenen Abteilung.
 In den meisten Bundesländern kann Patient gegen seinen
Willen nur 24 Stunden in einer Klinik untergebracht werden.
 Eine längere Unterbringung gegen den Willen des Patienten ist
nur durch richterlichen Beschluss möglich, der innerhalb der 24
Stunden durch die Klinik eingeholt werden muss.
Zusammenfassung 3

Jeder 10. Patient im Wartezimmer leidet unter Depression

Systematisches Screening erleichtert das Erkennen depressiver
Patienten

Depression wird zu häufig übersehen (somatische Beschwerden)
oder als „Befindlichkeitsstörung“ verharmlost

Depressionen sind mit Antidepressiva und/oder Psychotherapie
meist gut behandelbar

Ängste und Vorurteile gegenüber einer psychiatrischen Diagnose
und einer medikamentösen Therapie beeinträchtigen die
Behandlung. Genaue Aufklärung wichtig!

Bei depressiven Patienten ist stets die Suizidalität abzuklären

Bei akuter Suizidalität: sofortiges Hinzuziehen fachärztlicher Hilfe
Literaturverzeichnis

Hegerl U., Althaus D., Reiners H. (2005) Das Rätsel Depression – Eine
Krankheit wird entschlüsselt. Beck Verlag, München

Der suizidale Patient in Klinik und Praxis. Suizidalität und Suizidprävention.
WVG: Stuttgart.

Möller H.-J. et al (2000) Psychopharmakotherapie: ein Leitfaden für Klinik und
Praxis. Kohlhammer Stuttgart
Für Betroffene:.

Reiners, H. (2002). Das heimatlose Ich. Aus der Depression zurück ins Leben.
Kösel Verlag, München Wolfersdorf, M. (2000).

Andrew Solomon (2001) Saturns Schatten. Die dunklen Welten der
Depression. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main

Homepage des Bündnisses geg. Depression: www.buendnis-depression.de
Für Angehörige:

Rosen L.E., Amador X.F. (2002). Wenn der Mensch, den du liebst, depressiv
ist. Wie man Angehörigen oder Freunden hilft. Rowohlt Taschenbuch, Reinbek.
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