Medizinische Psychotherapie

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Basiscurriculum
Medizinische Psychotherapie
Block 2
23.3.2012
Peter Fischer
Block 1
• Univ.Prof. DDr. Gabriele Sachs
– Biologische Grundlagen, Neurobiologie der
Psychotherapie
– Störungsorientierte versus schulenspezifische
Psychotherapie
• Prim. DDr. Christine Butterfield-Meissl
– Allgemeine Wirkfaktoren in der psychotherapeutischen
Medizin und Psychotherapie
– Ethische Aspekte
Psychiatrie und Psychotherapie
Geschichtliches
• 17. Jhd: Descartes (Dualist) vs Spinoza
• 18. Jhd: Pinel, Gall, Tissot, Lavater
• 19.Jahrhundert: Reil (Psychiatrie),
Lombroso, Heinroth (Psychosomatik),
Feuchtersleben, Leidesdorf, Meynert,
Wernicke, Ganser, Kahlbaum, Kraepelin
• Kraepelin, Freud, Duerckheim, E.Bleuler
N. Elias. Über den Prozess der Zivilisation 1 & 2, Suhrkamp, 1939
Neurobiologie der Psychotherapie
• Allen Verhaltensstörungen, psychischen
Leidenszustände und psychischen Störungen
(den Krankheiten der Psychiatrie) liegen
neurobiologische Mechanismen zu Grunde.
• Auch unser bewusstes und unbewusstes
Denken, Fühlen, Wollen, Handeln spielt im
Organ Gehirn, wahrscheinlich in den Synapsen.
• Dieses Gehirn ist bis ins hohe Alter hinein
plastisch, verändert sich also ständig.
Literaturempfehlungen
Neurobiologie der Seele
• Panksepp J. Affective Neuroscience. NY, Oxford
University Press, 1998
• Damasio AR. Ich fühle also bin ich. List, 2000
• Kaplan-Solms K, Solms M. Neuropsychoanalyse.
Klett-Cotta, 2003
• LeDoux J. Das Netz der Persönlichkeit. Wie unser
Selbst entsteht. Walter, 2003
• Wiest G. Hierarchien in Gehirn, Geist und
Verhalten. Ein Prinzip neuraler und mentaler
Funktion. Springer, 2009
Literaturempfehlungen
Medizinische Psychotherapie
• Reik T. Listening with the Third Ear. Farrar, Straus & Co.
NY, 1949
• Benedetti G. Klinische Psychotherapie. 2. Auflage.
H.Huber 1980
• Winnicott DW. Familie und individuelle Entwicklung.
Fischer, 1984
• Ciompi L, Durwalder HP. Zeit und Psychiatrie. H.Huber,
1990
• Mentzos S. Psychodynamische Modelle in der
Psychiatrie. Vandenhoeck & Ruprecht, 1991
• Mentzos S. Depression und Manie. Vandenhoeck &
Ruprecht, 1995
• Green Hannah. Ich hab dir nie einen Rosengarten
versprochen. 1965, dtsch 1978, rororo Taschenbuch
Curriculumsinhalte lt. Rasterzeugnis
Geschichte der Psychotherapie
Allgemeine Wirkfaktoren
Biologische Grundlagen
Emotions -, Kognitions -, Volitionstheorien
Gesundheitslehre und Krankheitslehre
Ethik der Psychotherapie
Subjektive KHerfahrung, KHverarbeitung, ..
Diagnose, DD, Indikation, Planung, Therapie
Psychotherapie und bio-psycho-soziales Modell
„soweit sie auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht“
Der Beruf des Psychiaters
Dr. Ruth Naske (1928 – 2008)
„Diese Arbeit kann nur getan werden,
wenn sie vom Respekt vor jedem
Menschen, vor seiner Persönlichkeit
und seinen individuellen Erfahrungen
und Entwicklungen getragen wird“
Gemeinsames zwischen Psychotherapie
und Medizinischer Psychotherapie
Psychotherapiegesetz §1 Abs. 1:
„.. erlernte, umfassende, bewusste und geplante
Behandlung von psychosozial oder auch
psychosomatisch bedingten Verhaltensstörungen und Leidenszuständen ...... mit dem
Ziel, bestehende Symptome zu mildern oder
zu beseitigen, gestörte Verhaltensweisen und
Einstellungen zu ändern und die Reifung,
Entwicklung und Gesundheit des Behandelten
zu fördern“
„Überschneidungen zwischen Psychiatrie & Ψ“
Medizinische
Psychotherapie
Psychische Störungen
Psychologische
Psychotherapie
Psychische Gesundheit
Theorie
Medizinische
Psychotherapie
Psychologische
Psychotherapie
Psychische Gesundheit
Psychische Störungen
Praxis
Diagnosen der 2009 aufgenommenen 1160
Patienten der Psychiatrie des Donauspitals
Angststörungen
Belastungsstörungen F 4
Persönlichkeitsstörung F 6
5%
11%
12%
Affektive
Störungen
F3
Organische
Störung F 0
33%
10%
Substanz
bezogene Sucht
F1
28%
Schizophrenie
F2
Contribution (%) by different diseases* to
disability adjusted life-years worldwide 2005
Prince M et al, Lancet 2007;370:859-877
% Psychotherapie
Schwere des Realitätsverlustes
ICD-10 Diagnosen, Psychotherapie und
medizinische Psychotherapie
F0
F1
F2
F3
F4
ICD-10 Diagnosengruppen
F5
F6
Unterschiede zwischen Psychotherapie
und Medizinischer Psychotherapie
• Patienten
– Diagnosen, Schwere der Realitätsstörung, …
– Freiwilligkeit, Zwangsmaßnahmen, Sedierung, …
• Methoden
–
–
–
–
Störungsspezifische Ansätze
Länge der Therapien
Dauer der Therapien (Tragung, L.Binswanger, 1957)
Medikation und Psychotherapie
• Ziele
• Aktivität des Therapeuten
Medizinische Psychotherapie
Wo ?
Wer ?
Wann ?
Wie lange ?
Wie oft ?
Wen (Alter, Geschlecht, Bildung)?
Wie ?
Glaube an die verdeckte Seite des
Patienten
Gewollte Zusammenarbeit zwischen einem
Patienten und einem Therapeuten
oder
Ringen eines Therapeuten um den
ablehnenden, sich verschließenden, sich
schämenden, …. Geisteskranken
G. Benedetti, 1964
„Das Rad des Lebens dreht durch“
Während menschliches Leiden Beziehungen
oft vertieft, lässt psychische Krankheit
diese zerbrechen. Der Patient entfremdet
sich von sich selbst und seinen Nächsten.
Der Kranke vermisst gerade das am
meisten, was er am meisten nötig hätte:
Bestätigung, Anerkennung, Stützung,
Trost, Zuwendung, Liebe, …
G. Benedetti, 1964
Psychotherapie als Haltung
Ich weiß um dich, ich kann manches was in
deinem Leben geschehen ist und geschieht,
zur Zeit noch besser als du überblicken.
Weil ich die größere Distanz, die tiefere
Erfahrung von vielen psychisch Kranken
und das Interesse an deinen Eigenschaften,
Symptomen, Erfahrungen, Ängsten, .. habe.
Der Mensch existiert zuerst als abhängiges
Wesen. In der mitmenschlichen Zuwendung
wird er zu sich selbst.
G. Benedetti, 1964
Gaetano Benedetti (geb. 1920)
Klinische Psychotherapie, 1964
• Wir möchten die Psychotherapie als
Grundlage aller psychiatrischen Therapie
aufgefasst wissen (und nicht als Methode
unter anderen).
• Ohne die Psychotherapie verleugnet sie
(die Psychiatrie) ihr wahres Wesen.
• Die Psychotherapie ist letztlich eine
Haltung, nicht nur eine Methode.
Grundzüge der Arzt-Patient-Beziehung
Die psychiatrisch-psychotherapeutische Untersuchung
• Vom rechten Hören
•
•
•
•
•
•
Die verdeckte Seite des Leidens
Die Heimatlosigkeit des psychisch Kranken
Die Erkenntnis des Menschen
Das Individuelle im Allgemeinen
Die Sprache des Kranken
Das Hören auf den Ursprung
• Vom sinngemäßen Fragen
• Auf Inhalt, Art und Tempo der Fragen kommt es in jeder
Exploration sehr an. Durch unsere Fragen lernt sich der
Patient nicht weniger kennen, als durch unsere Deutungen.
G. Benedetti, 1964
Grundzüge der Arzt-Patient-Beziehung
Die psychiatrisch-psychotherapeutische Untersuchung
„Wenn die routinierte Gleichgültigkeit, mit der
mancher explorierende Arzt schablonenhafte
Fragen stellt, um die Antworten in ein klinisches
Schema zu pressen, den Kranken verletzt und
eine eigentliche Kommunikation (Beziehung)
vielleicht für immer unterbindet, so gibt
umgekehrt eine ärztliche Unsicherheit in der
Exploration dem Kranken das ohnmächtige
Gefühl, dass da kein Führer am Steuer ist.“
Ohne Zeit keine therapeutische Beziehung: „Der
explorierende Arzt (Psychotherapeut) ist ein
Künstler des Wartens“
G. Benedetti, 1964
Grundzüge der Arzt-Patient-Beziehung
Die psychiatrisch-psychotherapeutische Untersuchung
„Der psychotherapeutisch ausgebildete Arzt wird
lediglich dazu imstande sein, das psychiatrische
Gespräch – sei es die kurze Untersuchung oder
die längere (wochenlange) Behandlung – in
einer für den Patienten nicht verletzenden Weise
zu führen.“
„ … und dass wir die Berechtigung seiner
Befürchtungen, seiner Ängste, seines
Schweigens, seines Misstrauens zunächst
anerkennen“
G. Benedetti, 1964
Grundzüge der Arzt-Patient-Beziehung
Gaetano Benedetti, 1964
• Vom adäquaten Antworten
•
•
•
•
•
Das Fragen des Patienten – das Antwort Verweigern
Die Bestätigung des Patienten
Die Antwort auf den Sinn der Frage
Das Aushalten als Antwort – „Aushalten ist Halten“
Das Werden des Patienten an uns
• Anpassung als gegenseitige Aufgabe
• Die Übertragung
• Die Deutung
Die Komplementarität in der Psychotherapie
Gaetano Benedetti, 1964
Personale und objektivierende Haltung
Die Zeit
Der Raum
Einspringende und vorausspringende Fürsorge
Offenheit und Verschwiegenheit
Nähe und Distanz
Versagung und Erfüllung
Aufgabe und Gewährung
Autorität und Freiheit
Trost und Strenge
Handeln und Hören
Die Parteinahme für den Patienten oder „die Mitte“
Kritik und Verteidigung
Das Problem des Willens in der Psychotherapie
Die Erweiterung des Horizonts
Die Überwindung der Not als Annahme oder Widerspruch
Teilhaben am Unzulänglichen und diesem Entgegentreten
H. Strotzka, 1968
Die Lebenszeit ist unser größter Reichtum, sie
sinnvoll zu gestalten die wichtigste
Lebensaufgabe.
Dass dieses Problem zu gleicher Zeit mit
Trennung und Tod untrennbar verbunden
ist, stellt eine Facette der alles Menschliche
umfassenden Ambivalenz dar
Zeit und Psychiatrie
• Zeiterleben und Beziehungserlebnis sind eng
aneinander gekoppelt
• Zeiterleben ist an das Gedächtnis gebunden
• Wahrnehmung von Beziehungskonstanz –
Trennungserlebnis – Zeiterlebnis
• Beschränkte Zeitperspektive beim Kind
Der Jugendliche lebt in der Zukunft
Der alte Mensch lebt in der Vergangenheit
• Wiederholungszwang
• „Suche nach der verlorenen Zeit“
• Der richtige Zeitpunkt
L.Ciompi‘s 10 Thesen zum Thema
Zeit in der Psychiatrie (1990) 1-5
•
•
•
•
•
Alle psychischen Störungen gehen mit
Veränderungen des Zeiterlebens einher
Wir können unsere Patienten erst „mit der Zeit“
verstehen
Die Psychiatrie ist die Disziplin der Geduld, der
Langmut
Der therapeutisch günstigste Moment ist die
Krise
Das Langsame ist wichtiger als das Schnelle
L.Ciompi‘s 10 Thesen zum Thema
Zeit in der Psychiatrie (1990) 6-10
•
•
•
•
•
Höhere Geschwindigkeit bringt keinen
Zeitgewinn, bloß mehr Hektik
Wir sind ja schon so ungeheuer lange
unterwegs
Jeder hat seine eigene Zeit
Jede Kultur hat ihren eigenen Begriff von
Zeit
Aus dem Chaos entsteht Ordnung „mit
der Zeit“
In der gemessenen Zeit altern wir, in der
gelebten Zeit reifen wir (E.Blum, 1947)
•
•
•
•
•
•
•
•
Sozialstatus
Verlustproblematik
Näherrücken des Todes
Entschärfung sozialer Konflikte
Abnehmen der Kräfte, des Tempos
Abnahme der sexuellen Potenz
Abnahme der sexuellen Libido
Mehr Zeit Haben
Was wird aus neurotischen Störungen
und Persönlichkeitsstörungen ?
• Lebenslauffragen in klassischer
Psychotherapieforschung kaum behandelt
• Lebenslauffragen in Psychiatrie wenig
behandelt (M Bleuler, Ch Müller, L Ciompi,
….., J Angst)
• Was wird epidemiologisch aus
Sozialphobie, Agoraphobie, Borderline, ..
% Genesung
Langzeitverlauf psychischer Störungen
F0
F1
F2
F3
F4
F5
F6
ICD-10 Diagnosengruppen
mod. nach Christian Müller, 1990
Langzeitverlauf der BorderlinePersönlichkeitsstörung (BPS) (Baseline: n=290
BPS-Patientinnen (%)
Patientinnen, 10 Jahres-Katamnese).
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
100
65
32
25
12
Baseline
nach 2
Jahren
nach 4
Jahren
nach 6
Jahren
nach 10
Jahren
Zanarini et al. Am J Psychiatry 163 (2006): (27-32)
Roland, 31 J
Paranoid-halluzinatorische Schizophrenie
•
•
•
•
•
•
•
Erstkontakt Psychiatrie
Zwang
Erstkontakt Psychotherapie
Freiwilligkeit
Wunsch pharmakologischer Behandlung
Hilfe zur Selbsthilfe
„Wechsel der Ziele der Behandlung“ aller
Beteiligten (Patient, Arzt, Pfleger, Eltern)
Judith, 21 J
Paranoid-halluzinatorische Schizophrenie
•
•
•
•
•
•
•
Erstkontakt Psychiatrie
Zwang
Erstkontakt Psychotherapie
Freiwilligkeit
Wunsch pharmakologischer Behandlung
Hilfe zur Selbsthilfe
„Wechsel der Ziele der Behandlung“ aller
Beteiligten (Patient, Arzt, Pfleger, Eltern)
Herr Mag. ökon. G., 25J
•
•
•
•
•
•
Erstkontakt Psychotherapie, freiwillig
Erfolglosigkeit
Erstkontakt Psychiatrie unter Druck
Erfolglosigkeit
Wunsch pharmakologischer Behandlung
Interaktionen (Zusammenarbeit) Arzt und
Psychotherapeutin
• „Wechsel der Ziele der Behandlung“ aller
Beteiligten (Patient, Arzt, Pfleger, Eltern)
Frau Dr. juris N., 65 J
•
•
•
•
•
Erstkontakt Psychiatrie
Zwang
Erstkontakt Psychotherapie
Freiwilligkeit
Wunsch psychotherapeutischer
Behandlung
• „Hilfe zur Selbsthilfe“
• Psychotherapie
Psychotherapie alter
Menschen
Peter Fischer
Psychiatrische Abteilung
Donauspital / SMZ-Ost
Literatur:
H.Radebold. Psychodynamik und Psychotherapie Älterer
Monatsjournal: Psychotherapie im Alter, Psychosozial-Verlag
Syndrome
• Depression, Dysthymie
• Generalisierte Angststörung
• F4 Neurotische Störungen
–
–
–
–
–
Akute Belastungsreaktionen
Anpassungsstörungen
Posttraumatische Belastungsstörung
Dissoziative Störungen
Somatoforme Störungen
• F6 Persönlichkeitsstörung
– Histrionische Persönlichkeitsstörung
– Ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung
alt werden
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
bleibt einem selbst erspart
Glaube an Allmacht der Vorsorgemedizin
Glaube an Allmacht der Sexualität
Glaube an Allmacht des Individuums
Defizitmodell – Kompetenzmodelle
Reife, Toleranz, Einsicht, Weisheit
Sterben
Vereinsamung, Armut
Immobilität, Osteorporose, Inkontinenz
Hörverlust, Sehverlust, Demenz
Realisieren – Akzeptieren – Maßnahmen setzen
Sigmund Freud 1904 (im 49.Lj)
„Das Alter der Kranken spielt bei der
psychoanalytischen Behandlung insofern eine
Rolle, als bei Personen nahe an oder über
fünfzig Jahre einerseits die Plastizität der
seelischen Vorgänge zu fehlen pflegt, auf
welche die Therapie rechnet – alte Leute sind
nicht mehr erziehbar -, and als andererseits das
Material, welches durchzuarbeiten ist, die
Behandlungsdauer ins Unabsehbare verlängert.“
Psychotherapie
• Junger Patient: Analyse des bedrohlichen
Vergangenen und Schließen von
Kompromissen für die Zukunft mit den Zielen
„Liebesfähigkeit & Arbeitsfähigkeit“
• Alter Patient: Die Zukunft selbst ist es, die
bedrohlich wird. Ziel: Verarbeitung von
Verlusten (ICH-Kränkungen)
• Wiedergewinn von Selbstwert und
Selbstbestimmung trotz körperlicher Verluste
Psychotherapie im Alter
•
•
•
•
•
•
•
Gruppentherapie versus Einzeltherapie
Kurztherapie versus lange Therapien
Einsicht leichter (weniger Bindungen)
Kontakt leichter, weil Patienten isolierter
Einstieg: biographische Exploration
Methode: Verständnis für die Verluste
Probleme
– Die Therapeutin, der Therapeut
– Die Patientin, der Patient
– Spezielle (Gegen)Übertragungs-Phänomene
Biographische Anamnese
•
•
•
•
•
•
•
•
Kindheit, Jugend, Adoleszenz
Erwachsenenalter, Partnerschaften, Kinder
Ausbildung, Beruf, Karriere
Ereignisse (Krieg, Krankheiten, ..)
Altern
Selbstbild
Lebensstil
Kontakte
Psychotherapie im Alter
Häufige Fehler
•
•
•
•
•
Nichtbeachten körperlicher Klagen
Unterschätzen der Einsamkeit des(r) Alten
Unterschätzen der Armut
Trösten durch Verleugnung der Verluste
Harmonisierende, resignative und
aggressive Gegenübertragungen
• Es gibt nicht „das Altern“
Psychotherapie im Alter
Probleme des(r) TherapeutIn
•
•
•
•
•
•
•
•
Der Wert des alten Menschen
Die eigene Einstellung zum alt werden
Die eigene Einstellung zum Tod
Lebensgeschichtliches Neuland
Projektionen Patient – Elternteil
„Eigene Eltern nicht therapierbar“
Einfühlen in das Alter
Regression des Patienten/der Patientin
Psychotherapie im Alter
Die Therapie aus Sicht des Patienten
• „Ich werde nicht akzeptiert, weil ich alt bin“
• „Ich sollte der Weisere sein, der diesem(r)
Jungen da Ratschläge geben könnte“
• „Was weiß denn der/die vom 2. Weltkrieg“
• Anderer politischer Hintergrund (Toleranz)
• „Was weiß denn der/die vom Tod“
• „Scham wegen des Alters“
• „Neid auf die Jugend“
Major Depressive Disorder
Belmaker RH, Agam G
NEJM 2008; 358: 55-68
Diagnose: Syndrom über > 2 Wochen
Störung von Arbeit u/o Familie
Inzidenz: 17% Lebenszeit (20% vs 12%)
Sehr unterschiedliche Verläufe
Sehr heterogenes Therapieansprechen
Der Kern der Depression
• Jaspers (1913) Kern der Depression ist „eine tiefe
Traurigkeit“ und „eine Hemmung allen seelischen
Geschehens“
• Bleuler (1916): 3 Grundsymptome
– 1. Depressive Verstimmung
– 2. Hemmung des Gedankenganges
– 3. Hemmung der zentrifugalen Funktionen (Entschließen,
Handeln, psychische Motilität)
– akzessorische Symptome: Wahnideen,
Halluzinationen
nervöse (körperliche) Symptome
• ICD-9, DSM-III, DSM-IV: Störung der Stimmung
• ICD-10: Störung von Stimmung + Antrieb
Depressive Episode im ICD-10
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Gedrückte Stimmung
Interessensverlust (Freudlosigkeit)
Antriebsminderung bzw. Ermüdbarkeit
Konzentrationsminderung,
vermindertes Selbstwertgefühl,
Schuldgefühle,
pessimistische Zukunftsperspektiven,
Suizidalität,
Schlafstörungen,
Appetitstörung
Das somatische Syndrom der
Depression im ICD-10
„wenigstens 4 der 8 Symptome“
• Freudlosigkeit
• Herabgesetzte
Affizierbarkeit
• Frühmorgendliches
Erwachen
• Morgentief
• Psychomotorische
Hemmung oder
Agitiertheit
• Deutlicher
Appetitverlust
• Gewichtsverlust (5%
des KG im letzten M)
• Deutlicher
Libidoverlust
ICD-10: F32 depressive Episode
• Dazugehörig: einzelne Episoden der
- depressiven Reaktion
- psychogenen Depression
- reaktiven Depression
• F32.2 schwere depressive Episode
Dazugehörig: - agitierte Depression
- majore Depression
- Melancholie
• F32.3 schwere dep Episode mit psychotischen S
Dazugehörig: psychotische Depression,
psychogene (reaktive) depressive Psychose
ICD-10: F43.2 Anpassungsstörung
• „nach einer entscheidenden Lebensveränderung
oder nach belastenden Lebensereignissen wie
auch schwerer körperlicher Krankheit“
• „überzeugende Gründe, dass die Störung ohne
Belastung nicht aufgetreten wäre“
• F43.2 leichter depressiver Zustand
• Dazugehörig: Kulturschock, Trauerreaktion
• Kurze depressive Reaktion:
0 – 1 Monat
längere depressive Reaktion: 1 – 24 Monate
Depressive Episode (DSM-IV)
major depression 5-9 Symptome, minor depression 2-4
subsyndromale depression 2 - 7 Symptome
•
•
•
•
•
•
Depressive
Verstimmung
Freudlosigkeit/
Interesselosigkeit
Gewichtsab(zu)nahme
Schlaflosigkeit, ..
Apathie oder Agitiertheit
Antriebsmangel
1. oder 2. für major depression
und minor depression obligat
„subsyndromale depression“
ohne 1. oder 2.
• Schuldgefühle oder
Gefühle der Wertlosigkeit
• Konzentrationsstörung od.
Entscheidungsschwäche
• Todesgedanken, Suizidvorstellungen, SMV
Symptome der Depression
• Es gibt typische, aber keine obligaten
Symptome des Depression: auch die
Traurigkeit ist kein obligates Symptom
Schulte (1965) „Nicht traurig sein können“
• DSM-IV: Symptom 1 oder 2 + 3,4,5,6,7,8,9
sodass in Summe 5 Symptome (Major D.)
227 mögliche Syndrome
4 Symptome (minor d.): +91=318 Syndrome
Individuelle Syndrome
• Individuelle PatientInnen haben bei ähnlich
schwerer Depression in der Regel ähnliche
Symptome (z.B. Schlaf-, Appetitstörung, …)
• Dies scheint beim individuellen Patienten
auch unabhängig vom aktuellen Auslöser
der Depression zu sein
• Spezifische Auslöser führen hingegen interindividuell nicht zu ähnlichen Syndromen
• Es gibt psychopathologisch zahlreiche
unterschiedlich depressive Menschen, aber
gibt es unterschiedliche Depressionen ?
Major Depressive Disorder
Belmaker RH, Agam G
NEJM 2008; 358: 55-68
Komplexe genetische Faktoren: „nur“ 37%
höherer genetischer Einfluss bei Patienten
mit frühem Beginn, sehr schweren Depr. &
häufigen depressiven Phasen
5-HTTLPR + life stress predicts later depr.
Major Depressive Disorder
Belmaker RH, Agam G
NEJM 2008; 358: 55-68
TCA, SSRI, .. : Monoaminmangel-Hypothese
Depression ist keine Monoaminmangel-KH !!
aber: 5-HT/NA mechanismen spielen eine
Rolle bei Therapie mit Antidepressiva
Cortisolhypothese vielfach belegt
„Antidepressiva wirken gegen Auswirkungen
von chronischem Stress“
Nosologische Einteilung der
Depressionen (historisch)
• Einteilung
nach Zustandsbild
nach Genese (Ätiologie)
nach Verlauf
• Ätiologisch unterschieden fast alle Schulen
1. somatogene Depressionen
primäre=organische, sekundäre=symptomatische Depress.
2. endogene Depressionen
monopolare, bipolare = zyklische Depressionen
3. psychogene Depressionen
• Weitbrecht (1957): fehlende Spezifität
psychopathologischer Syndrome der Depression
Einteilungen der Depressionen
• Alle nosologischen und ätiologischen
Einteilungen der Depressionen widerlegbar
• Versuche, die Überlappungen zu benennen:
endoreaktive Dysthymie (Weitbrecht, 1952)
endoneurotische Depression (Hole, 1984)
• Versuche, die Situation zu benennen, wie:
Wochenbettdepression, Schwangerschafts-,
klimakterische D., Erschöpfungs-, Burn-Out,
Entwurzelungs-, Entlastungs-, existentielle
D., melancholische D., Involutions-D.
post-stroke depression, vascular depression
Denkfehler
• Psychogenese der Depression: also wirkt
Psychotherapie; also wirken biologische
Therapien (Psychopharmaka, EKT) nicht
• Somatogenese der Depression: also wirkt
Psychotherapie nicht; also wirken
biologische Therapien
• Depression ohne Auslöser: „endogen“
• Depression mit Auslösern: nicht „endogen“
Lösungen des Klassifikationsdilemmas
bei Depressionen
• Die Klassifikationsdebatte verebbt seit Einführung
der Antidepressiva (?) und seit Aufkommen
zahlreicher Belege der „Stresshypothese“
• CRF, Cortisol, DST, Genetik, Tiermodelle,
• „final common pathway“ Akiskal, 1975
• „endogene“ Depr = „reaktive (psychogene)“ Depr
• Dimensionale statt kategoriale Diagnostik
• Dimensionen: 1) Schwere der Depression
2) Dauer der Depression
• Therapieansprechen der Depression: TRD
Continuum of severity of depression
Psychotic depression
Psychiatric in-patients
Severe depression
Moderate depression
Psychiatrists
Neurologists
Mild depression
Other specialists
General practitioner
Minor depression
Psychotherapy
Subsyndromal depression
Psychology
.....
Normal sadness
Wann und wie wird aus Traurigkeit eine
psychiatrische Störung (Krankheit) ?
Mario Maj
British Journal of Psychiatry
2011; 199: 85-86
Jeder Mensch kann depressiv
werden
Jules Angst, ETH Zürich, 2008
Ursachengefüge der Depression
ENDOGENITÄT
Genetik
EXOGENITÄT
funktionell
strukturell
SOMA
SOMA
- - - - - - - - - - - - - - - - Depressive Symptome - - - - - - - - - - - - - - - - - - PSYCHE
PSYCHE
Psychische
Altlasten
Psychosoziales
Milieu
REAKTIVITÄT
Life Events
„Verluste“
Gibt es in therapeutischer Sicht
unterschiedliche Depressionen ?
•
•
•
•
•
•
•
•
Schulddepression
Fordernde Depression
Anaklitische Depression
Selbstzerstörerische Depression
Leere Depression – innerlich unruhige D.
Stuporöse Depression, agitierte Depression
Depression mit psychotischen Symptomen
Bipolare Depression
Depression und klinische
Brauchbarkeit der Diagnose
• Zeitkriterium 2 Wochen nie validiert
• Schwelle „2 von 3 Symptomen des ICD-10“
und Schwelle der 4 bzw. 5 Symptome des
DSM-IV wurde nie validiert
• Behinderung durch Depression ab 2 Sympt.
• Überlegenes Ansprechen der Antidepressiva
ab 6-7 Symptomen bzw. HAM-D > 20
• Hilfe durch Psychotherapie ab 2 Symptomen
• Vorhersage weiterer Episoden: ab 7 Sympt.
Depression und klinische
Brauchbarkeit der Diagnose
• Es gibt eine Schwelle ab der Depression
erkannt werden sollte, um Psychotherapie
(i.e. Prävention) zu initiieren bzw. Leiden zu
reduzieren
• Es gibt eine Schwelle ab der medikamentös
behandelt werden muss
• Vergleich: Diabetes mellitus, Hypertonie, …
Psychoanalyse und Depression
• Abraham K (1911): Aggressionshemmung,
Wendung sadistischer Rachsucht nach innen
• Freud S (1917): Objektverlust, „Introjektion“,
Selbstgefühlsminderung
• Rado S (1928): Selbstwertgefühlregulation
Schuld – Buße – Verzeihung (sinnvoll!)
• Bibring E (1953): Gefühlte Hilflosigkeit des Ich
führt zu Herabsetzung des Selbstwertgefühls
und zur Schwäche des Ich; nicht nur bei
Objektverlust, sondern bei vielen anderen
möglichen Frustrationen
S. Freud: Trauer und Melancholie
• Cave: einzelne psychogene Depressionen
• bei einzelnen Personen mit Disposition,
kann aus Trauer Depression werden
• Trauer nicht krankhaft; ab wann wird
Trauer zu Depression und damit krankhaft
• Trauer nur deshalb nicht als krank zu
bezeichnen, weil wir sie erklären können
• Melancholie ist Trauer + Störung des
Selbstgefühls
S. Freud: Trauer und Melancholie
• Trauerarbeit: Libido wird in innerer Arbeit
aus dem Ich abgezogen; das Ich befreit
• Bei der Trauer ist der Verlust bewußt
• Bei der Melancholie ist Verlust unbewußt
• Bei der Trauer ist die Welt arm geworden,
bei der Melancholie ist es das Ich selbst
• Ein Teil des Ichs werten einen anderen
Teil des Ichs kritisch: Gewissen
• Oder gibt es toxische Verarmung am Ich ?
E.Bibring: Das Problem der D.
• Depression ist der Ausdruck des Zustands
der Hilflosigkeit des Ichs („der kleine Hans“)
• Depression ist Spannung im Ich selbst
• Zusammenbruch der Mechanismen, die das
narzisstische Gleichgewicht bewirken
• Wunsch „geliebt – gut - stark“ zu sein
• Depression::Auslöser::Restitutionsversuche::
Komplikationen: Oralität, Aggression, SMV; ::
sekundärer Nutzen (Gebrauch) der Depress
Psychoanalyse und Depression
• Klein M (1940): normale depressive
Position als Entwicklungsstadium (5.LM)
• Sandler J & Joffe WG (1965): Verlust des
Gefühls der narzisstischen Integrität.
Die Depression des Klinikers ist eine
abnorm langlebige Variante der
fundamentalen psychobiologischen
Reaktion „depressiv“
• Jacobson E (1991): zentral ist die
Herabsetzung des Selbstwertgefühls
Mentzos, St. 1995
Depression und Manie
Depression und narzißtisches Gleichgewicht
• 1. Säule: Grundkapitalkonto
Größenselbst bis reifes Ideal-selbst
• 2. Säule: Beziehungskonto
Eltern, Leitbilder bis reifes Ideal-Objekt
• 3. Säule: Girokonto
archaisches, ödipales bis reifes Über-Ich
Therapie der Depression
• Psychotherapie wirkt gut, aber es gibt
Non-responder (schwere, wahnhafte Depr)
• Pharmakotherapie wirkt, aber es gibt Nonresponder (leichte D., bipolare D., Dauer?)
• Kombination Pharmako- & Psychotherapie
• Phasenprophylaxe mittels Pharmaka wirkt
• Phasenprophylaxe mittels Psychotherapie
wirkt und sollte immer angestrebt werden !
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