Stärken des Ansatzes - UK-Online

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Institut für Völkerkunde, Universität zu Köln
Einführungsseminar WS 2004/05
Lioba Lenhart
17.11. und 22.11.2004
10. und 11. Sitzung:
Ethnologische Theorien
Peoples & Bailey, Kapitel 5: „The Development of Anthropological Thought“
Themen:
(1) Theoriebegriff und
Theorienentwicklung
im Überblick
(2) Evolutionismus
(3) Diffusionismus
(4) Historischer Partikularismus
(5) Kultur- und Persönlichkeitsforschung
17. und 22.11.2004
(6)
(7)
(8)
(9)
(10)
(11)
Funktionalismus
Strukturalismus
Neoevolutionismus
Neomarxismus
Kulturmaterialismus
Symbolische/Interpretative Ethnologie
(12) Postmoderne Ethnologie
Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart):
Ethnologische Theorien
2
(1)
Theoriebegriff und Theorienentwicklung im Überblick
Theorie
• umfasst Aussagen, die über die Beschreibung eines Einzelfalls
hinausgehen - ist vom Einzelfall abstrahierte und systematisierte
Erkenntnis;
• ist ein System von Begriffen, Definitionen und Aussagen, um
Erkenntnisse über einen Bereich von Sachverhalten zu ordnen,
Tatbestände zu erklären und wissenschaftlich begründete Prognosen zu
treffen.
Theoriebegriff der Kultur- und Sozialwissenschaften
zu unterscheiden sind
• Theorien, die sich auf begrenzte Bereiche beziehen und begrenzte
raum-zeitliche Gültigkeit beanspruchen  Theorien mittlerer
Reichweite;
• Theorien, die möglichst keine raum-zeitlichen Beschränkungen
enthalten, sondern Hypothesen formulieren, die den Charakter von
Gesetzeshypothesen besitzen (analog den Naturwissenschaften)
 formale Theorien.
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Ethnologische Theorien
3
… Theoriebegriff
•
•
•
In der Ethnologie dominieren Theorien mittlerer Reichweite.
Von einem Teil der Fachvertreter/innen werden aber ebenfalls formale
Theorien angestrebt.
Andere bezweifeln hingegen, dass sich menschliches Verhalten analog
den naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten verallgemeinern lässt
und fragen, ob nicht vielmehr historische Kontexte, situative Bedingungen,
individuelle und andere Faktoren diesem Ansinnen zuwiderlaufen.
In den nächsten 5 Minuten bitte über beide Positionen
nachdenken, diese mit den unmittelbaren Banknachbar/innen
diskutieren und eine diesbezügliche Stellungnahme
formulieren.
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Ethnologische Theorien
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… Theoriebegriff
Ethnologische Theorien
• beinhalten kein an allen Stellen lückenlos begründetes, analog
naturwissenschaftlichen Standards formulierbares Gebäude aus
Axiomen und Gesetzen;
• sind eher ein Denkrahmen, oft auch Paradigma oder Forschungsansatz genannt, der folgende charakteristischen Elemente enthält:
• zu klärende Fragen,
• Grundkonzepte,
• Annahmen über Zusammenhänge,
• Methoden, um die gestellten Fragen zu klären,
• beispielhafte Anwendungsfälle.
Hiermit beschäftigen wir uns noch detailliert in einer der folgenden
Seminarsitzungen: Seminarsitzung zur Wissenschaftstheorie.
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Ethnologische Theorien
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Theorieentwicklung in der Ethnologie
Die Ethnologie etablierte sich als wissenschaftliche Disziplin ab der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie zeichnet sich seit ihrem
Entstehen durch eine Theorienvielfalt aus.
• Manche der älteren ethnologischen Theorien sind heute noch
aktuell, andere gelten als überholt bzw. sind in neuere Theorien
eingeflossen.
• Die Kenntnis der wichtigsten Theorien ist trotzdem nötig, um
den Stand und die Anliegen der heutigen Ethnologie besser zu
verstehen,
alte Irrwege nicht noch einmal zu beschreiten.
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Ethnologische Theorien
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… Theorieentwicklung in der Ethnologie
• Im Lehrbuch von Peoples und Bailey werden die ethnologischen
Theorien chronologisch - als Ideengeschichte - präsentiert.
• Andere Möglichkeiten der Präsentation sind denkbar:
• z. B. nach heutiger wissenschaftlicher Relevanz;
• oder nach den Bereichen, mit denen sich die jeweiligen Theorien
bevorzugt beschäftigen.
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Ethnologische Theorien
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Theorienentwicklung im Überblick
im Folgenden betrachtete
theoretische Ansätze:
• 19. und frühes 20. Jahrhundert
Unilinearer Evolutionismus,
Diffusionismus
• Anfang bis Mitte des
20. Jahrhunderts
Historischer Partikularismus,
Kultur- und Persönlichkeitsforschung,
Funktionalismus,
Strukturalismus,
Neoevolutionismus
• spätes 20. Jahrhundert
bis heute
Neomarxismus,
Kulturmaterialismus,
Symbolische/Interpretative
Ethnologie,
Postmoderne Ethnologie
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(2) Unilinearer Evolutionismus
 erster umfassender theoretischer Ansatz, bestimmte von 1850-1900
die ethnologische Forschung in Großbritannien und den USA (war aber
nicht auf die Ethnologie alleine beschränkt!)
 Fokus: Entwicklung aller Kulturen vom Einfachen zum Komplexen
im Durchlaufen derselben Stadien der Entwicklung
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Entwicklung des Evolutionismus: Hintergrund
Die Ethnologie etablierte sich als wissenschaftliche Disziplin ab der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Im 19. Jahrhundert entstanden
• erste wissenschaftliche Gesellschaften (um die Jahrhundertmitte),
• erste Lehrstühle (kurz vor der Jahrhundertwende).
Das ethnologische Interesse wurde ausgelöst durch
• prähistorische Funde,
• Kontakte mit und Berichte über außereuropäische, meist
kolonialisierte Kulturen, die sich sehr stark von
euroamerikanischen Gesellschaften unterschieden.
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Entwicklung des Evolutionismus: Hintergrund
Zuvor war die Entwicklung menschlicher Kultur wesentlich in
Bezugnahme auf die Bibel begründet worden,
 z.B. Degenerationstheorie: Annahme, dass „Naturvölker“ auch Kinder
Gottes wären, die allerdings im Laufe der Zeit von einem höheren
Stadium der Kulturentwicklung zurückgefallen und unter den Einfluss
des Teufels geraten wären.
Dieser Erklärungsrahmen wurde durch naturwissenschaftliche
Entdeckungen erschüttert:
• In den Naturwissenschaften wurde bis 1800 (ebenfalls auf der
Grundlage der Bibel: Altes Testament) geringes Erdalter und simultane
Schöpfung der vorhandenen Arten angenommen;
• dann aber:
• Entdeckung der Gleichförmigkeit und Langsamkeit
geologischer Prozesse durch Hutton und Lyell (Uniformitarismus)
 Nachweis, dass die Erde nicht , wie die Bibel angibt, nur einige
tausend Jahre alt ist.
• Fossilienfunde.
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… Entwicklung des Evolutionismus: Hintergrund
Auf Basis dieser Erkenntnisse formulierte Charles Darwin seine
Evolutionstheorie („On the Origin of Species“, 1859), die mit den
„Schöpfungstheorien“ im Widerspruch steht:
• die vorhandenen Arten haben sich sehr langsam per
Mutation/Variation-Selektion-Reproduktion aus älteren Arten
und letztendlich aus einer gemeinsamen Wurzel entwickelt;
• die Selektion wird durch Erfolg der Anpassung (fitness) an
Lebensräume bestimmt.
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Evolutionismus in der Ethnologie des 19. Jahrhunderts
Darwins Ansatz wurde auf Kultur übertragen, in Bezugnahme auf die
Vielfalt der zeitgenössischen und (prä-)historischen Kulturen:
 Verschiedene Kulturen stehen demnach auf unterschiedlichen
Stufen in einem vorgegebenen Entwicklungsprozess;
 gegenwärtige „primitive“ Kulturen (z.B. Australier) sind
Repräsentanten („survivals“) älterer Stufen der Evolution, die
abendländische europäische und US-amerikanische Kultur stellt
das vorläufig höchstmögliche Stadium der kulturellen Entwicklung
dar;
 „primitive“ Völker befinden sich auf einer früheren Stufe der
Evolutionsleiter, sind aber nicht prinzipiell anders als die „zivilisierten“
Völker: der Entwicklungsprozess verläuft für alle Kulturen in
gleicher Weise.
Die Unterteilung der Entwicklungsstufen erfolgte auf der Grundlage von
technologisch-ökonomischen und geistigen Merkmalen.
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Lewis Henry Morgan: Kriterium der technologischen
Innovationen
Der US-Amerikaner Lewis Henry
Morgan formuliert in seinem Buch
„Ancient Society“ (1877)
Entwicklungsstufen, die sich über
technologische Fähigkeiten
definieren und die jeweils
vorhergehende voraussetzen.
Lewis Henry Morgan
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Entwicklungsstufen nach Morgan
Morgan unterschied drei Stufen, von denen sich zwei in weitere Stadien
untergliedern: Wildheit, Barbarei, Zivilisation
Technologische Innovation
Entwicklungsstadium / -stufe
–
Feuer
Pfeil und Bogen
Töpferei
Domestikation von Pflanzen und Tieren
Eisen
Schrift
lower savagery
middle savagery
upper savagery
lower barbarism
middle barbarism
upper barbarism
civilization
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Wildheit
Barbarei
Zivilisation
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Edward B. Tylor: Kriterium der Religion
Der Brite Edward B. Tylor
formulierte in seinem Buch
„Primitive Culture“ (1871)
Entwicklungsstufen, die sich über
geistige, nämlich religiöse
Vorstellungen definieren und die
jeweils vorhergehende
voraussetzen.
[In der Einleitung von
„Primitive Culture“ findet sich
seine berühmte Definition
von Kultur  vgl. Sitzung
vom 20.10.2004]
Edward Tylor
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Entwicklungsstufen nach Tylor
Tylor problematisierte im Zusammenhang mit der Entwicklung von
religiösen Überzeugungen folgende Phänomene:
• Unterschied zwischen einem Lebenden und einem Toten,
• Ursprung der Bilder, die Menschen in ihren Träumen, in
Trancezuständen und während Visionen sehen.
Die diesbezgl. Fragen lagen der Entstehung des Animismus
zugrunde, aus dem sich dann weitere Stufen herauskristallisierten.
Stufen:
Animismus  Polytheismus  Monotheismus.
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… Entwicklungsstufen nach Tylor
•
Animismus – Vorstellung von der beseelten Welt:
Basis: Erfahrung des Todes und Träume von Toten
Annahmen:
Menschen haben eine Seele; wenn diese den Körper verlässt, stirbt der
Mensch.
Die Dinge, die man in Träumen und während Trancezuständen sieht, sind
existent, sie sind nicht Produkt von Imagination.
Menschen träumen von Toten; alle Trauminhalte sind real und das bedeutet
in dem Kontext, dass die Welt voller Totenseelen / Totengeister ist.
•
Polytheismus – Entstehung des Glaubens an viele Götter
Polytheismus ist das Ergebnis der Herausbildung von Hierarchien
einzelner dieser Seelen/Geister, deren Spitzen dann Götterstatus haben
(Sonnengott, Mondgott usw.).
•
Monotheismus – Entwicklung der Dominanz nur einen Gottes:
Dieser verdrängt alle anderen, die zu „falschen Göttern“ erklärt werden.
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James Frazer: Kriterium der Religion
Der Brite James Frazer argumentiert wie Tylor, allerdings schiebt er
zwischen Animismus und Polytheismus noch die Entwicklungsstufe des Totemismus ein:
• Totemismus ist die rituelle
Identifikation einer
Verwandtschafts- oder
anderen Gruppe mit einem
Schutztier/-wesen.
James Frazer
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Unilinearer Evolutionismus: Kritik
Die Annahmen des Evolutionismus wurden in der Folgezeit empirisch
widerlegt.
 bzgl. Annahme der Stufenfolge:
Es gibt z. B. Kulturen ohne Töpferei, die aber die - laut Morgan
höher stehende - Domestikation von Pflanzen und Tieren kennen
und praktizieren.
 bzgl. Auswahl der Stufenkriterien:
Diese sind willkürlich: die australischen Aborigines wären laut
Morgan „savages“, haben aber Verwandtschaftssysteme und
Mythologie von kaum zu übertreffender Komplexität.
Stärken des Ansatzes:
•
die Betonung der psychischen/mentalen Einheit und damit
prinzipiellen Gleichheit der Menschheit („psychic unity of mankind“)
 anti-rassistisch!,
•
die Etablierung der komparativen Perspektive (Kulturvergleich) in
der Ethnologie.
Schwächen des Ansatzes waren:
•
Die Hypothesen sind von der kolonialen Weltsicht geprägt,
•
ihnen fehlt eine abgesicherte empirische Basis,
•
Rekonstruktionen sind äußerst spekulativ.
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… Kritik:
Ein wesentlicher Grund für die Fehler der Evolutionisten lag in ihrer
spekulativen Datenbasis.
Die Evolutionisten waren mehrheitlich „Lehnstuhlethnologen“
(armchair anthropologists):
sie argumentierten auf der Basis von Berichten von Missionaren,
Reisenden, Kolonialbeamten u. ä., die häufig keine oder nur geringe
ethnologische Vorbildung hatten.
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… Kritik:
Der Eurozentrismus der Modelle entspricht der überzogenen euro-/USamerikanischen Selbsteinschätzung im Zeitalter der Industrialisierung und
des Kolonialismus;
aber nicht nur der Eurozentrismus macht sie falsch, sondern die
faktischen Unstimmigkeiten !
!
Wichtig: alle heutigen Kulturen sind zeitgenössisch, keine von ihnen
ist „lebendes Fossil“, „Steinzeitvolk“ oder ähnliches.
!
Vulgärevolutionismus mit eben solchen Annahmen ist außerhalb der
Ethnologie heute leider noch häufig anzutreffen.
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… Kritik:
! Merke: Der ethnologische Evolutionismus ist nicht
darwinistisch, denn:
• Kulturen sind keine Arten (können z. B. einzelne ihrer Elemente
untereinander austauschen, was mit Genen nicht geht;
Einzelmenschen können neue Kulturelemente übernehmen, aber
nicht neue Gene);
• Darwin geht nicht von einer Stufenleiter mit bekanntem
Endpunkt, sondern von einem sich ausfächernden Baum mit
unbekannten Endpunkten aus;
• Evolutionismus folgt eher dem Ontogenese-Modell (Entwicklung
des Individuums vom Säugling bis zum Erwachsenen) als dem
Darwinschen Phylogenese-Modell (Entwicklung der Arten).
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(3) Diffusionismus
 ca. 1900-1950, Großbritannien, Deutschland, Österreich
 in Deutschland und Österreich auch als Kulturkreislehre bekannt
 Fokus: Kulturelle Entwicklung durch Entlehnung/Übertragung von
Kulturmerkmalen, die sich von bestimmten Zentren aus im Zuge
von Kulturkontakt/Migration verbreitet haben
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Diffusionismus: Vertreter
SCHMIDT
RIVERS
ELLIOT-SMITH
Berühmte Vertreter:
in Großbritannien George Elliot-Smith, W.H.R. Rivers; in Deutschland
Fritz Graebner, Leo Frobenius, Pater Wilhelm Schmidt
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Zentrale Thesen
•
•
•
•
•
Ähnlichkeiten von Kulturen sind das Ergebnis von Diffusion (und
nicht/nur in sehr seltenen Fällen Ergebnis unabhängiger, paralleler
Erfindungen).
Kulturen mit ähnlichen Merkmale haben sich ausgehend von
wenigen kulturellen Zentren (z. B. altes Ägypten) verbreitet oder
wurden von einer/mehreren anderen Kultur/en im Verlauf von
historischen Wanderbewegungen übertragen/übernommen.
Kulturen mit ähnlichrem kulturellen Inventar lassen sich zu
Kulturkreisen zusammenfassen.
Die Entwicklung verläuft keineswegs immer - wie im
Evolutionismus behauptet – vom Einfachen zum Komplexen; es
sind auch Rückschritte möglich.
Aufgabe der Forschung ist, die Wanderwege auf der Basis des
Kulturvergleichs zu rekonstruieren.
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Kritik:
Stärken des Ansatzes:
• vergleichende Methode,
• Problematisierung von Kulturkontakt/Migration und kultureller
Entlehnung,
• Wandelaspekt: Veränderung von übertragenen/entlehnten
Elementen in neuer Umgebung, an die sie sich anpassten,
• eigene Datenerhebungen im Zuge von Expeditionen.
Schwächen des Ansatzes:
• Einseitigkeit: von Kulturkontakt unabhängige Innovationen sowie
Nicht-Entlehnung trotz Kulturkontakt werden ignoriert,
• Rekonstruktionen von Wanderbewegungen sind spekulativ,
• Bereitet Rassismus den Boden, da nur wenigen, vermeintlich
überlegenen Kulturen ein Entwicklungspotenzial zuerkannt
wird.
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(4) Historischer Partikularismus
 ca. 1900-1940, USA
 Fokus: Einzigartigkeit jeder Kultur, die das Ergebnis einer
spezifischen historischen Entwicklung ist.
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Historischer Partikularismus: Vertreter
SAPIR
KROEBER
LOWIE
BOAS
Vertreter: Franz Boas und seine erste amerikanische Schülergeneration,
u.a. Alfred Kroeber, Robert Lowie und Edward Sapir.
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Zentrale Thesen:
Der historische Partikularismus entstand in Abkehr vom Evolutionismus,
dessen Annahmen als spekulativ und willkürlich verworfen wurden.
Grundannahmen:
Jede einzelne Kultur
• ist das Resultat einer besonderen Geschichte,
• kann in ihrer historischen Entwicklung nur aus sich heraus
verstanden werden,
• kann nur aus sich heraus bewertet werden (Kulturrelativismus).
 Folglich sind Vergleiche zwischen Kulturen und die Suche nach
kulturübergreifenden Gesetzmäßigkeiten problematisch.
• Für die ethnologische Forschung notwendig ist eine nichtspekulative Datenbasis auf der Grundlage von Feldforschungen,
die vergangene Zustände dokumentieren.
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Boas: Kritik des biologischen und sozialen Rassenkonzepts
•
•
•
Ausgehend von anthropometrischen Untersuchungen bei Immigranten
und deren Nachfahren wies Boas nach, dass individuelle Unterschiede
größer sind als Rassenunterschiede und Intelligenzunterschiede nicht
auf biologischen Unterschieden beruhen.
Zudem betonte er, dass es aufgrund von Zwischenheiraten gar keine
„reinen“ Rassen gibt und die Vermischung keine negativen Folgen zeitigt.
Dies verband er mit folgender politischer Analyse und Forderung:
Ein grundlegendes Problem der US-amerikanischen und anderen
Gesellschaften ist die soziale Schichtung aufgrund von rassischen
Kriterien – ein Antagonismus, der ein Ende haben muss!
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Kritik:
Stärken des Ansatzes:
• Der historische Partikularismus brachte die Vorstellungen der
kulturellen Vielfalt und des Kulturrelativismus in die ethnologische
Diskussion ein.
• Wichtig waren zudem:
• Insistieren auf Datenqualität: Fokus auf Empirie/breite Datenbasis
als Ergebnis von Feldforschungen,
• Verbindung von Partikularismus und Holismus: Die detaillierte
Untersuchung spezifischer Gesellschaften muss der gesamten
Bandbreite des kulturellen Verhaltens Rechnung tragen.
Schwächen des Ansatzes:
• kein Kulturvergleich, keine kulturübergreifenden
Generalisierungen,
• damit werden Möglichkeiten einer allgemeinen Kulturwissenschaft in Frage gestellt.
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Zusammenschau: Evolutionismus, Diffusionismus,
historischer Partikularismus
Trotz aller Unterschiede:
Evolutionismus, Diffusionismus und historischer Partikularismus teilen das historische Interesse:
• Es geht um die Rekonstruktion geschichtlicher Werdegänge;
• Dies gilt auch für den historischen Partikularismus:
Auch die Feldforschungen der historischen Partikularisten bezogen
sich auf (vermeintlich) ursprüngliche, d. h. noch nicht durch
Kolonialismus, Reservatsdasein u. ä. beeinflusste Zustände.
Ab etwa 1920
Nun setzte sich eine synchrone Orientierung der ethnologischen
Forschung stärker durch: man suchte nicht mehr so sehr nach den
historischen Wurzeln, sondern konzentrierte sich auf die Gegenwart und
die Faktoren, die rezente Kulturen zusammenhalten.
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(5) Kultur- und Persönlichkeitsforschung
 bei Peoples und Bailey „configurationalism“
(eher unübliche Bezeichnung)
 ca. 1930-1960, USA
 Fokus: Prägung der Persönlichkeit durch Kultur
Das Aufwachsen in einer bestimmten Kultur prägt in
entscheidender Weise die psychische Disposition einer Person,
führt zu bestimmten kulturspezifischen Persönlichkeitstypen.
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Kultur- und Persönlichkeitsforschung
Die Forschung zu Kultur und Persönlichkeit setzt beim Individuum an.
Im Vordergrund stehen
• der Prozess des Heranwachsens in einem spezifischen
sozialen/kulturellen Umfeld,
• die damit einhergehende Entwicklung von persönlicher und
sozialer/kultureller Identität.
Auf dieser Basis werden Generalisierungen in Bezug auf
kulturspezifische Persönlichkeitsstrukturen/-typen angestrebt.
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Vertreterinnen:
Ruth Benedict und Margaret Mead, USA
- waren beide Schülerinnen von Boas,
- waren beide auch außerhalb der Ethnologie äußerst bekannt und
geschätzt.
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Ruth Benedict: Zentrale Thesen
Benedict fokussierte dominante kulturelle Muster und kulturspezifische Persönlichkeitstypen.
Die Muster spezifischer Kulturen (fundamentale, verhaltensrelevante
Ideen und Werte) unterscheiden sich.
• Sie werden von ihren Mitgliedern im Prozess der Enkulturation und
aufgrund von Sanktionen im Falle gegenläufigen Verhaltens gelernt;
• und sie wirken sich prägend auf ihre Persönlichkeit aus.
Trotzdem gibt es Variationen innerhalb einer Kultur  abweichendes
Verhalten:
Devianz – für Benedict: Konflikt zwischen der individuellen Persönlichkeit und den Werten einer Gesellschaft – nicht universelles
Phänomen: Eine Person, die in einer Gesellschaft als deviant gilt, kann in
einem anderen kulturellen Kontext hoch geachtet sein.
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Ruth Benedict: Kulturspezifische Persönlichkeitstypen
Unterscheidung gegensätzlicher Typen am Beispiel nordamerikanischer
Indianer:
• Apollonischer Typus: ruht in der Tradition, ist gemeinschaftsorientiert, zurückhaltend, beherrscht, bescheiden, maßvoll
 Pueblo-Indianer: Zuňi, Hopi.
• Dionysischer Typus: sucht Grenzüberschreitung, ist egoorientiert,
individualistisch, konkurrierend, exzessiv
 Apachen und andere nordamerikanischen Indianer.
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Margaret Mead: Zentrale Thesen
Margaret Mead interessierte sich für die Art und Weise, in der das Kind
Kultur erwirbt und den Einfluss von Kultur auf die PersönlichkeitsEntwicklung  frühkindliche Sozialisation(Enkulturation.
In dem Zusammenhang untersuchte sie die Prägung der Persönlichkeit
von Individuen durch kulturspezifische Sozialisationspraktiken unter
anderem am Beispiel von heranwachsenden Mädchen in Samoa
und interpretierte ihre Ergebnisse vor dem Hintergrund US-amerikanischer Sozialisationspraktiken:
 Pubertät ist in Samoa wenig belastend, in den USA aber sehr wohl;
 Dies beruht nicht auf biologischen Faktoren, sondern hat kulturspezifische Ursachen.: In Samoa wachsen Jugendliche freizügig auf,
während die Pubertät in westlichen Gesellschaften durch Stress,
Rebellion und konfliktive Ablösung von den Eltern gekennzeichnet ist.
17. und 22.11.2004
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Mead-Freeman-Kontroverse
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FREEMAN
17. und 22.11.2004
MEAD
Berühmte Kontroverse zwischen
Margaret Mead und Derek
Freeman über Adoleszenz in
Samoa:
Laut Mead ist diese erstaunlich
unproblematisch, was Freeman
später anzweifelte.
Er wirft Mead vor, wichtige Aspekte
der samoanischen Kultur ignoriert
und ihre Kultur mit den Augen einer
jungen US-amerikanischen, auf
Emanzipation drängenden Frau
idealisiert zu haben.
Allerdings hegte Freeman tiefe
Ressentiments gegen Mead, die in
seiner Kritik durchscheinen, welche
er erst nach Meads Tod vorbrachte.
40
Kultur- und Persönlichkeitsforschung: Kritik
Stärken des Ansatzes:
• erstmalig systematische Untersuchung des Zusammenhangs von
Kultur- und Persönlichkeit,
• Holismus,
• Kulturrelativismus.
Schwächen des Ansatzes:
• Teilweise mangelnde historische Einbettung der Fallbeispiele
(Benedict),
• kein Kommentar zum Warum der Entscheidung für bestimmte
kulturelle Merkmale und gegen andere und damit zum Entstehen
der konstatierten Typen.
17. und 22.11.2004
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Ethnologische Theorien
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(6) Funktionalismus
 ca. 1920-1960, Großbritannien
 Fokus: Betrachtung von Kultur als System, das sich idealer Weise
im Gleichgewichtszustand befindet und in dem alle Teile
miteinander verbunden sind; kulturelle Merkmale sollen im
Hinblick auf ihre Funktion für das Wohlbefinden des Einzelnen
bzw. ihres Beitrags zum Erhalt der Struktur der Gesellschaft
erklärt werden.
 Zwei Richtungen:
• Biopsychologischer Funktionalismus
• Strukturfunktionalismus
17. und 22.11.2004
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Biopsychologischer Funktionalismus
Zentrale Thesen:
Kulturelle Merkmale können im
Hinblick auf ihre Funktion für
die Erfüllung der physischen
und psychischen Bedürfnisse
des Menschen erklärt werden.
Begründer und Vertreter:
Bronislaw Malinowski
17. und 22.11.2004
Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart):
Ethnologische Theorien
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… Biosychologischer Funktionalismus, Zentrale Thesen:
• Der Ausgangspunkt zur Erklärung von Kultur sind die
Grundbedürfnisse (basic needs) des Einzelnen, z.B. Ernährung,
Reproduktion, Schutz, Gesundheit;
• Individuen müssen sich zu Gruppen zusammenschließen, um diese
primären Bedürfnisse befriedigen zu können.
• So entstehen abgeleitete Bedürfnisse (derived needs), die sich auf
das Gruppenzugehörigkeitsempfinden und den Erhalt / die
Reproduktion der Gruppe richten; diese sind durch Normen, Werte
oder Rituale usw. untermauert.
17. und 22.11.2004
Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart):
Ethnologische Theorien
44
Biopsychologischer Funktionalismus: Kritik
Stärken des Ansatzes:
Betonung des Individuums als letztendlicher Instanz aller
Bedürfnisse und Kultur.
Schwächen des Ansatzes:
Da die biologisch bedingten Grundbedürfnisse überall auf der Welt
identisch sind, ergibt sich keine Erklärung für kulturelle
Unterschiede.
17. und 22.11.2004
Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart):
Ethnologische Theorien
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Strukturfunktionalismus
FIRTH
EVANSPRITCHARD
RADCLIFFE-BROWN
Wichtige Vertreter: A. R. Radcliffe-Brown, E. E. Evans-Pritchard,
Raymond Firth und Edmund Leach
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Strukturfunktionalismus: zentrale Thesen
Nicht das Individuum und seine Bedürfnisse stehen im Vordergrund, sondern
das soziale System:
• Kulturelle Merkmale oder Institutionen (regelmäßig auftretende
Verhaltensstandards) haben die Funktion, die Struktur des Systems –
d.h. das Netzwerk der sozialen Beziehungen zwischen Individuen und
Gruppen – aufrecht zu erhalten.
• Die Sozialstruktur ist normalerweise im Gleichgewichtszustand
(Equilibrium). Mögliche Konflikte werden durch bestimmte Institutionen
entschärft (z. B. Meidungsregeln).
Organismusanalogie:
Die Gesellschaft wird wie ein lebender Organismus gesehen (social body):
Individuen entsprechen den Zellen, Gruppen den Organen – Zellen erneuern sich beständig, Organe bleiben erhalten; so auch die Gesellschaft,
deren Personal sich ständig austauscht, da Menschen sterben und
neue geboren werden, deren Struktur aber nichtsdestotrotz überdauert
(strukturelle Kontinuität).
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Strukturfunktionalismus: Kritik
Stärken des Ansatzes:
• Holismus,
• Systemsicht.
Schwächen des Ansatzes:
• Überbetonung von Gleichgewicht,
• somit keine Erklärung für das Entstehen von Konflikten und für
Wandel.
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(7) Strukturalismus
 ab Mitte der 1950er Jahre,
Frankreich, Großbritannien
u.a.O.
 Fokus: Erklärung kultureller
Phänomene im Zusammenhang mit basalen Strukturen
des menschlichen Denkens
Hauptvertreter:
Claude Lévi-Strauss
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Strukturalismus: zentrale Thesen
• Es gibt basale Strukturen des menschlichen Denkens, diese
sind universell;
• Sie finden ihren Niederschlag in Kulturprodukten wie Mythen
und Verwandtschaftssystemen in stets ähnlicher Art und Weise.
• Die Grundstrukturen sind häufig binäre Oppositionen (z. B.
heiß-kalt, roh-gekocht, Mann-Frau, unten-oben).
 angeregt durch die strukturalen Lingustik: Konstatierung von
Kontrasten zwischen Phonemen,
Annahme: Sprache und andere kulturelle Äußerungen
unterliegen demselben Strukturprinzip
Ziel: Erstellung einer Art universeller Grammatik der Kultur.
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Strukturalismus: Kritik
Stärken des Ansatzes:
• Thematisierung des Zusammenhangs zwischen menschlichen
Denkstrukturen und Kultur (heute Forschungsfeld der kognitiven
Ethnologie).
Schwächen des Ansatzes:
• Die Suche nach Tiefenstrukturen vernachlässigt historische
Entwicklungen sowie Phänomene des sozialen Alltags und
Eigensicht der Kulturangehörigen (Empirieferne),
• Die Argumentation ist oft undurchsichtig (z. B. Lévi-Strauss‘
„Verwandtschaftsatom“: Vater-Mutter-Kind-Mutterbruder – dort, wo
es keine Rolle spielt, ist es ihm zufolge „latent“), Daten sind
mitunter der Theorie angepasst,
• aufgrund der fehlenden historischen Einbettung: keine
Erklärungen für Wandel.
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(8) Neoevolutionismus
 ab ca. Mitte der 1950er Jahre
 Fokus: Wiederaufgreifen des Interesses an der Entwicklung
menschlicher Kulturen
Zwei Richtungen:
• Generelle Evolution: Technologischer Fortschritt als Triebfeder der
generellen Entwicklung vom Einfachen zum Komplexen.
• Multilineare Evolution: Kultur ist durch die Umwelt geprägt, ist das
Mittel, sich an die physische und soziale Umwelt anzupassen;
ähnliche kulturelle Muster reflektieren parallele Anpassungen an
spezifische Umweltsituationen.
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Generelle Evolution
Zentrale Thesen:
Wie unilineare Evolutionisten des
19.Jh.:
Die Evolution verlief vom
Einfachen zum Komplexen.
Der technologische Fortschritt ist
der Motor der allgemeinen
Entwicklung von Kultur.
WHITE
Hauptvertreter:
Leslie White, USA
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Generelle Evolution (L. White): zentrale Thesen
• Es gibt einen objektiven Maßstab für die Entwicklung, nämlich das
Ausmaß der Energieaneignung und des Energieverbrauchs.
• Der technologische Fortschritt zieht Veränderungen in anderen
kulturellen Bereichen wie z.B. dem Sozialen nach sich, hin zu immer
größerer Komplexität.
 Technologischer Determinismus
Aufgrund von neuen Technologien (z.B. Pflug) wird mehr produziert,
die Gesellschaft wächst, wird komplexer. Merkmale für Komplexität
sind u.a.: Anhäufung von Besitz und Entstehung sozialer
Ungleichheit, Entstehung von Bürokratie und Machthierarchien und
beruflicher Spezialisierung.
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Multilineare Evolution
STEWARD
Kritik an White und seinen
Generalisierungstendenzen,
stattdessen Forderung der
Konzentration auf die
Evolution einzelner Gesellschaften.
Hauptverterter:
Julian Steward, USA
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Multilineare Evolution (J. Steward): zentrale Thesen
Steward stimmt mit White hinsichtlich der grundlegenden Bedeutung von
Technologie überein, erweitert diese aber um Umweltfaktoren:
 Techno-Umwelt-Determinismus:
Technologie und Umwelt bestimmen gemeinsam die grundlegende
Form der Adaption einer Gruppe; und diese Form der Adaption
bestimmt wiederum die Kultur der Gruppe.
 Nicht alle kulturellen Teilbereiche sind gleichermaßen durch Technologie
und Umwelt beeinflusst – wirtschaftliche beispielsweise stärker als
religiöse Aktivitäten.
Grundlegende Konzepte bei ihm sind:
• Adaption an Umwelt per Technologie;
• Kulturkern (culture core): kulturelle Merkmale, die eng mit dem
Subsistenzaktivitäten/Ökonomie in Zusammenhang stehen, wie
Technologie, Siedlungsmuster, Arbeitsteilung und Kooperation,
Landverteilung; der Kulturkern bestimmt
• sekundäre Merkmale: schwächer durch Umweltanpassung
bestimmte Teile wie Religion, Kunst, etc.
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Neoevolutionismus: Kritik
Stärken des Ansatzes:
• komparative Perspektive, Suche nach Gesetzmäßigkeiten;
• Herausstellen der Prägung von Kultur durch Notwendigkeit der
Umweltanpassung und Technologie  hierzu wird heute im
Forschungsfeld der Kulturökologie gearbeitet.
Schwächen des Ansatzes:
• Umweltanpassung und Technologie erklären längst nicht alles!:
geringes Erklärungspotenzial des Ansatzes bzgl. solcher
kultureller Merkmale, die nicht ins Schema passen.
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Theorien seit ca. 1960
Die jüngeren Theorien lassen sich zwei großen Denkrichtungen zuordnen:
naturwissenschaftlich orientierte Ansätze und geisteswissenschaftlich
orientierte Ansätze
 Naturwissenschaftlich orientierte Ansätze
im englischen Sprachgebrauch: scientific approaches
im deutschen Sprachgebrauch auch: analytische Ansätze
 Geisteswissenschaftlich orientierte Ansätze
im englischen Sprachgebrauch: humanistic approaches
im deutschen Sprachgebrauch auch: interpretative Ansätze
Vgl. hierzu auch:
Schweizer, Thomas 1993. Perspektiven der analytischen Ethnologie. In: Thomas
Schweizer, Margarete Schweizer und Waltraud Kokot (Hrsg.) Handbuch der
Ethnologie: Festschrift für Ulla Johansen. Berlin: Reimer. S. 79-113
Stellrecht, Irmtraud 1993. Interpretative Ethnologie: Eine Orientierung. In: Thomas
Schweizer, Margarete Schweizer und Waltraud Kokot (Hrsg.) Handbuch der
Ethnologie: Festschrift für Ulla Johansen. Berlin: Reimer. S. 29-78.
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Ethnologische Theorien
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Scientific und humanistic approaches bzw.
analytische und interpretative Ansätze
Foki:
• Scientific approaches bzw. analytische Ansätze suchen nach
Erklärungen für kulturelle Gegebenheiten, dies häufig im
materiellen Bereich, betonen den Vergleich – Außensicht/etische
Perspektive;
• Humanistic approaches bzw. interpretative Ansätze bemühen sich,
fremde Lebenswelten nach den ihnen eigenen Begriffen zu
verstehen, beziehen sich häufig auf den Bereich der Ideen und
Überzeugungen, sind skeptisch gegenüber Verallgemeinerungen –
Innensicht/emische Perspektive.
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… Scientific und humanistic approaches bzw.
analytische und interpretative Ansätze
Auch die älteren Richtungen lassen sich diesen Grundorientierungen
zuordnen:
• Evolutionismus, Diffusionismus, Funktionalismus,
Strukturalismus und Neoevolutionismus sind eher analytisch
orientiert,
• der historische Partikularismus teilt viele Anliegen und
Werthaltungen mit der interpretativen Ethnologie.
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Analytischer Ansatz
 im Lehrbuch repräsentiert durch materialistische Ansätze,
 in der älteren Auflage feinere Unterteilung als in der neuen:
• Neomarxismus
• Kulturmaterialismus
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(9) Neomarxismus
GODELIER
MINTZ
WOLF
Wichtige Vertreter:
Eric Wolf und Sidney Mintz, USA sowie Maurice Godelier, Frankreich
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Marxismus und Neomarxismus
Der Neomarxismus greift die Gedanken des älteren
Marximus/historischen Materialismus auf und führt sie weiter.
 historischer Materialismus bezeichnet nicht nur den Neomarxismus,
sondern den Marximus allgemein, also (gerade) auch den älteren
Marxismus (Peoples & Bailey stellen dies nicht deutlich heraus!).
Grundlegendes Konzept (Karl Marx):
 Produktionsweise und Klassen
Produktionsweise, gegliedert in:
• Produktivkräfte: Technologie,
• Produktionsverhältnisse: Arbeitsteilung, Landbesitzverhältnisse
• Produktionsmittel: Land, Werkzeug, Ressourcen
17. und 22.11.2004
Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart):
Ethnologische Theorien
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… Marxismus und Neomarxismus
•
Klassen sind Gruppen von Menschen, die sich in der gleichen
Position bezüglich Produktionsmitteln und Produktivkräften
befinden.
 Hierzu gehören auch Gruppen, die weder über das
eine, noch über das andere verfügen und daher ihre
Arbeitskraft verkaufen müssen.
• Der Gegensatz und die Konflikte dieser Klassen (betr. vor allem
Unternehmer und Arbeiter) ist die treibende Kraft hinter
historischen/kulturellen Entwicklungen.
• Die Basis bestimmt den Überbau; Religion, Recht etc. sind als
Machterhaltungsinstrumente zu analysieren.
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Ethnologische Theorien
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Marxismus und Neomarxismus: Kritik
Stärken des Ansatzes:
• Produktionsweisen sind tatsächlich häufig bestimmend, auch
auf indirekte, den Menschen selbst kaum bewusste Art und Weise.
Schwächen des Ansatzes:
• Die heutigen Produktionsverhältnisse sind unübersichtlich:
z. B. Manager als Angestellte, aber Unternehmensvertreter; Arbeiter
mit Aktien ihres Betriebs.
• Der Mensch ist nicht nur materiell motiviert!
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Ethnologische Theorien
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(10) Kulturmaterialismus
Weiterführung der Ideen des
Neoevolutionismus (insbes. des
multilinearen Evolutionismus von
Julian Steward).
HARRIS
Hauptvertreter:
Marvin Harris, USA
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Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart):
Ethnologische Theorien
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Kulturmaterialismus: zentrale Thesen
•
•
•
•
Die wichtigsten Aspekte von Kultur sind Adaption an die natürliche
Umwelt und Ressourcennutzung, denn nur so können Menschen ihre
physischen/biologischen Bedürfnisse decken.
Um sich an die Umwelt anpassen zu können und deren Ressourcen zu
nutzen, benötigen Menschen Technologie/Werkzeuge und Wissen über
Umweltgegebenheiten.
Feedback-Mechanismen: Menschen interagieren mit ihrer Umwelt, indem
sie eine bestimmte Technologie anwenden; dadurch kommt es zu
Veränderungen ihrer Umwelt, die wiederum eine veränderte Technologie
bewirken usw. (kein simpler Determinismus, sondern Rückkoppelungen).
Viele kulturelle Entwicklungen sind das Resultat von Prozessen der
Intensivierung: Bevölkerungswachstum/Übernutzung natürlicher
Ressourcen führt zu Umweltveränderungen, diese erzwingen
Weiterentwicklungen in der Art der Ressourcennutzung und dadurch
entstehenden neue Formen sozialer Organisation, die mit neuen Werten
und Normen einhergehen.
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Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart):
Ethnologische Theorien
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… Kulturmaterialismus: zentrale Thesen
Die Art und Weise der Naturausbeutung determiniert Kultur:
Nutzung natürlicher Ressourcen (Adaptation, Technologie)
bestimmt
die soziale Organisation: soziale Beziehungen und Gruppen
entstehen, um die Nutzung der Ressourcen zu ermöglichen; diese
bestimmt
das Überzeugungssystem (Norme, Werte, Religion etc.), das die
Nutzergruppen legitimiert.
17. und 22.11.2004
Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart):
Ethnologische Theorien
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Kulturmaterialismus: Kritik
Stärken des Ansatzes:
• Herausstellen von Ökologie, Demographie, Technologie und
Wirtschaft im Zusammenhang mit kulturellen Möglichkeiten.
Schwächen des Ansatzes:
• Primat der Technologie/Ökologie: manche kulturelle Bereiche
sind durch die genannten Faktoren stärker beeinflusst als andere,
die so nicht erklärt werden können.
17. und 22.11.2004
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Interpretativer Ansatz
Der interpretative Ansatz
• will Kulturen verstehen (das Wie und Wozu und Was menschlicher
Äußerungen) und nicht – wie die analytische Richtung – erklären (betr.
das Warum menschlicher Äußerungen, Kausalbeziehungen).
„... more emphasis on what goes on in human minds than on what goes on
in human stomachs“
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Ethnologische Theorien
70
Foki der interpretativen Richtung:
•
•
•
•
Verstehen von Einzelkulturen als zentrales Problem der ethnologischen
Wissensgewinnung;
Feldforschung als grundlegendes Verfahren der Datengewinnung –
betr. Zusammenhang zwischen Person/Perspektive von Forscher/in und
Informant/innen, deren Interaktion und Kommunikation im Feld, die
Erhebungskontexte und Aussagekraft der erhobenen Daten, die eine durch
den/die Forscher/in interpretierte Innensicht der Kultur einer untersuchten
Gemeinschaft widerspiegeln soll;
Möglichkeiten der Präsentation dieses Beziehungsgeflechts in
wissenschaftlichen Texten;
Problematisierung von Macht - der machtpolitischen Verstrickung der
Disziplin, mit der ihre Vertreter/innen im Zuge der Entkolonialisierung
konfrontiert waren und sind; sowie der sozialen und politischen Kontexte, in
denen die Diskurse von Ethnograph/in und Informant/innen verankert
sind/durch die sie mitbedingt sind.
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Ethnologische Theorien
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Die zwei Richtungen:
• Symbolische/Interpretative Ethnologie,
• Postmoderne Ethnologie.
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Ethnologische Theorien
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(11) Symbolische/Interpretative
Ethnologie
DOUGLAS
SAHLINS
GEERTZ
Wichtige Vertreter: Clifford Geertz, Sherry Ortner, David Schneider und
Marshall Sahlins, USA; sowie Victor Turner und Mary Douglas,
Großbritannien
17. und 22.11.2004
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Symbolische/Interpretative Ethnologie: zentrale Thesen
 Fokus: Ermittlung von symbolischen Bedeutungen hinter den
kulturellen Formen
 zentral: emische Sichtweise (emic view), d. h. Eigen-/Innensicht der
Kulturangehörigen:
• deren Verhaltensweisen und Ideen sollen entschlüsselt werden,
• dabei muss eine Kultur als eine Art „Text“ über die Schulter der
Kulturteilnehmer blickend „gelesen“ werden (C. Geertz),
• diese wird dann „übersetzt“, d. h. aus Sicht des Ethnologen für
die Angehörigen seiner Kultur beschrieben,
• Ziel: nicht allgemeingültige Gesetze, sondern in sich schlüssige,
zeitgebundene und niemals letztgültige Interpretationen.
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Ethnologische Theorien
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Symbolische/interpretative Ethnologie:Kritik
Stärken des Ansatzes:
• Beachtung der emischen Sichtweise und Bedeutung von
Symbolen;
Schwächen des Ansatzes:
• die materiellen Bedingungen menschlicher Kulturen werden
vernachlässigt;
• dem Ethnolog/innenen wird sehr viel Deutungsmacht
zugewiesen.
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Ethnologische Theorien
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(12) Postmoderne Ethnologie
RABINOW
ROSALDO
ABU--UGHOD
TYLER
Wichtige Vertreter/innen: Lila Abu-Lughod, James Clifford, Vincent
Crapanzano, Paul Rabinow, Renato Rosaldo und Stephen Tyler, USA
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Ethnologische Theorien
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Postmoderne in den Geisteswissenschaften
• Trend in allen Geisteswissenschaften seit den 1980er Jahren, aber
auch in Architektur, Kunst etc.
• Skepsis gegen alle Arten von naturwissenschaftlich orientierten,
„großen Theorien“ mit hohem Allgemeingültigkeitsanspruch;
stattdessen Betonung der Relativität jeglichen Wissens.
Einflüsse aus der französischen Philosophie:
• Jacques Derrida prägte den Begriff Dekonstruktion:
• kritisches Hinterfragen von Allgemeingültigkeitsansprüchen, von
Theorien und Begriffen und Aufdecken ihrer historischen
Gebundenheit;
• Michel Foucault betonte die Machtbedingtheit in allen
Wissenssystemen - so auch dem der Wissenschaft
• Macht wird nicht nur mit Wissen ausgeübt, sondern wohnt bereits
den Abgrenzungen, Grundbegriffen und Institutionen der
Wissenssysteme inne.
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Ethnologische Theorien
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Postmoderne in der Ethnologie
• Auseinandersetzung mit kolonialer Rolle der Ethnologie
• Infragestellung der Verlässlichkeit von Ethnographien
(Malinowski-Tagebücher, Mead-Freeman-Kontroverse, Castañeda
und seine für „wahr“ deklarierten, de facto jedoch fiktiven
Ethnographien)
• führte zu folgenden Entwicklungen:
• Dekonstruktion der Wissenssysteme und Herrschaftsdiskurse
in eigener und fremden Kulturen,
• Dekonstruktion und Sezieren ethnographischer Klassiker
(Repräsentationskritik),
• Daraus hervorgegangen: Experimentieren mit neuen
ethnographischen Schreibweisen - hierbei: intensive
Selbstreflexion des Ethnographen, Einbeziehung der Dialoge
mit den Informanten oder gemeinsame Autorenschaft,
Verwendung literarischer Schreibstile (Roman, Poesie)
17. und 22.11.2004
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Ethnologische Theorien
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Postmoderne Ethnologie: Kritik
Der Ansatz ist äußerst heterogen:
• viele der Genannten würden sich selbst vermutlich ganz anders
einordnen;
• und nicht wenige werden bestreiten, dass die Postmoderne eine
Theorie ist .
Stärken des Ansatzes:
• viel von der Kritik der Postmoderne an der herkömmlichen
Ethnologie ist berechtigt; positiv - Reflexion der Verstrickung der
Disziplin in Machtkonstellationen, Problematisierung der
ethnographischen Textproduktion und Gültigkeit ethnographischer
Monographien usw.
Schwächen des Ansatzes:
• Extreme Vertreter/innen, die die prinzipielle Unmöglichkeit der
adäquaten Beschreibung fremder Kulturen behaupten und als
Alternative Ethnographie als Ethnofiktion oder Ethnopoetik mit
künstlerischem Schaffen gleichsetzen wollen, katapultieren sich aus
Ethnologie als Wissenschaft heraus.
17. und 22.11.2004
Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart):
Ethnologische Theorien
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Konkurrierende Ansätze am Beispiel:
Symbolische Ethnologie und Kulturmaterialismus
Konkurrierende Erklärungen für das Schweinetabu im Islam und im
Judentum sind:
• Mary Douglas: Schwein ist konzeptuelle Anomalie, da Paarhufer, aber
nicht Wiederkäuer, weicht somit ab von prototypischen Land- und
Herdentieren (Rind, Ziege, Schaf), daher tabuisiert;
• Marvin Harris: materialistische Erklärung – Schweinhaltung ist im
waldlosen, heißen Mittleren Osten zu teuer, Schweine liefern neben Fleisch
nur wenige Nebenprodukte (keine Milch o.ä.), stehen in
Nahrungskonkurrenz zum Menschen, bieten Trichinengefahr.
aber:
• warum ist das Schwein die konzeptuelle Anomalie und nicht die
gewöhnlichen Herdentiere?
• warum muss man das Schwein verbieten, wenn seine Zucht ohnehin
nachteilig ist?
Fazit: materielle und Ideen fokussierende Erklärungen können sich
auch ergänzen!
• Nur sehr weenige Ethnolog/innen vertreten einen Determinismus in die eine
oder andere Richtung!
17. und 22.11.2004
Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart):
Ethnologische Theorien
80
Wozu Theorie(n)?
Theoretischer Pluralismus ist für die Ethnologie
kennzeichnend, die ja auch in ihrem Gegenstand sehr vielfältig
ist – das kann verwirrend sein, ist fast immer aber auch
spannend!
Zunächst einmal:
sich nicht einschüchtern lassen, theoretische Ansätze sind
als Angebote oder Anregungen zu verstehen, sie schreiben
einem das Wie des Denkens nicht vor.
Und:
Viele Ethnologen arbeiten kompetent und machen sich einen
Namen, ohne sich einer einzelnen Theorie zu verschreiben;
keine einzelne Theorie wird von allen akzeptiert.
17. und 22.11.2004
Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart):
Ethnologische Theorien
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… wozu Theorie(n)?
• Theorien schließen einander nicht aus,
• sie können sich ergänzen (Beispiel Schweintabu).
• Sie behandeln unterschiedliche Gegenstände: Strukturalismus z. B.
Mythen, aber nicht Umweltanpassung, die dagegen im Kulturmaterialismus zentral ist.
• Sie haben unterschiedliche Ziele, z. B. Verstehen des Einzelfalls
(historischer Partikularismus, Interpretative Ethnologie) versus
Formulierung allgemeiner Gesetze (Evolutionismus,
Kulturmaterialismus).
• Sie sind prinzipiell brauchbar, wenn man den Erklärungsanspruch
nicht gnadenlos überzieht.
• Und: Grundfragen bleiben aktuell: Strukturen, Funktionen, Diffusion,
Evolution etc. interessieren Ethnolog/innen auch heute.
17. und 22.11.2004
Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart):
Ethnologische Theorien
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Nachwort:
Der Überblick war keineswegs komplett: man hätte
noch von Bourdieuscher Habitustheorie, RationalChoice-Ansätzen, Neue Institutionenökonomie
Economy und anderem sprechen können!
 Regelmäßig gibt es Theorienüberblick-Seminare
im Wintersemester (in den letzten Jahren meist von
Lioba Lenhart, Zurzeit von Martin Rössler), die man
zur Vertiefung im 3. oder 5. Semester besuchen
sollte.
17. und 22.11.2004
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Ethnologische Theorien
83
Zur nächsten Stunde Kapitel 6 des Lehrbuchs (Seiten 103-119) lesen !

17. und 22.11.2004
„Methods of Investigation“
Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart):
Ethnologische Theorien
84
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