Interdisziplinäre Betreuung von Menschen mit Zerebralparesen die erwachsen werden- aus Sicht des Kinderneurologen/ ein Erfahrungsbericht G.Spiel, E.Sadila,G.Sange,E. Valtiner, Europäische Fachtagung „Zerebralparesen im Erwachsenenalter“ 21./22. September 07 Potsdam Gliederung • Einführung/ 3 zentrale Begriffe – Cerebrale Parese – Komorbidität – Sozialer Kontext • Transitionsprogramme • Die Stichprobe – Inklusionskriterien – Komorbiditätsspektrum • Erwachsenenspez. Entwicklungsaufgaben – Nach Havinghurst – Modifiziertes Schema/ • Bewältigung von Entwicklungsaufgaben/ Partizipation • Notwendige Interventionen 3 zentrale Begriffe Zerebralparese • Bei Zerebralparesen handelt es sich um eine Gruppe chronischer Erkrankungen, die die Körperbewegungen, Muskelkoordination und häufig auch geistigen Fähigkeiten beeinträchtigen. Charakteristisch für diese Erkrankungen sind steife Muskeln sowie Bewegungskontroll- und -koordinationsverlust. Hierdurch wird das Gehen häufig unmöglich und sogar das Sitzen erschwert. Zerebralparese • Die infantile Zerebralparese (zerebral = im Gehirn; Parese = Lähmung) ist eine kindliche zerebrale Bewegungsstörung, welche durch eine nicht fortschreitende Hirnschädigung verursacht wird. Da die haltungs- und bewegungssteuernden Zentren des Gehirns betroffen sind, kommt es zu vielfältigen Störungen der normalen motorischen Entwicklung. Die Beeinträchtigung des Nervenund Muskelsystems führt zu Tonusstörungen der Muskulatur, Haltungsanomalien und Störungen der Koordination und Bewegungsabläufe. Komorbidität • In der Medizin bezeichnet man als Komorbidität entweder • Die Anwesenheit eines oder mehrerer diagnostisch abgrenzbarer Krankheits- oder Störungsbilder, die zusätzlich zu einer Grunderkrankung (Indexerkrankung) vorliegen; oder • Die Auswirkung solcher zusätzlichen Krankheits- oder Störungsbilder • Komorbiditäten können, müssen aber nicht – im Sinne einer Folgeerkrankung – ursächlich mit der Grunderkrankung zusammenhängen. – Mediziner beschreiben dies gerne als: „Man kann auch Flöhe und Läuse haben.“ • Eine besondere Schwierigkeit bei der Bestimmung von Komorbiditäten besteht in der Frage, welche zusätzlichen Befunde als Symptome gewertet und welcher beziehungsweise welchen Krankheit(en) diese gegebenenfalls zugeordnet werden. Sozialer Kontext Transitionsprogramme „Transitions“/ Überleitungsprogramme • Widerstände gegen Transitionsprogramme – Von Seiten der Kinderorientierten Serviceprogrammen – Von Seiten der Jugendlichen – Von Seiten der Eltern – Von Seiten Erwachsenen orientierten Serviceprogrammen What do we really know about the Transition to Adult-Centered Health Care? A Focus on Cerebral Palsy and Spina Bifida Blinks J et.al Arch Phys Med Rehabil Vol 88 August 2007 „Transitions“programme • Schlüsselelemente für eine geglückte Transition – Timing – Vorbereitung – Koordination – Spez „Transition clinics“ – Interessierte Erwachsenenorientierte Zentren What do we really know about the Transition to Adult-Centered Health Care? A Focus on Cerebral Palsy and Spina Bifida Blinks J et.al Arch Phys Med Rehabil Vol 88 August 2007 „Transitions“programme • Gefahr bei Transition – FRAGMENTIERUNG DER ANGEBOTE What do we really know about the Transition to Adult-Centered Health Care? A Focus on Cerebral Palsy and Spina Bifida Blinks J et.al Arch Phys Med Rehabil Vol 88 August 2007 Stichprobe/ Selektion Stichprobe / Inklusionskriterien • 42 PatientInnen der Abteilung für Neurologie und Psychiatrie des Kindesund Jugendalters in Klagenfurt / Österreich • PatienInnen leiden unter Zerebralen Lähmungen und sonstigen LähmungsSyndromen (ICD-10: G80-G83) • PatientInnen sind mindestens 18 Jahre alt • Datensatz 1998 bis 2007 Kärnten Kärnten: Fläche: 9.535,83 km2; Einwohner: 560.335 (EW-Erhebung per 1.1. 2006); Bevölkerungsdichte: 59 pro km2; Hauptstadt: Klagenfurt 2 Städte mit eigenem Statut, 8 politische Bezirke; 132 Gemeinden Cave Inanspruchnahme- Bias Mobilität Geschlechterverteilung N=42 Altersverteilung (Alter beim bis dato letzten Kontakt) 31 % Min=18,0a; Max=34,3a 17 % 19 % 10 % 14 % 7 % 2 % Alter beim Erstkontakt 19 % 17 % 17 % 14 % 14 % Min=0,3a; Max=25,8a 2 % 7 % 5 % 5 % 5 % Zerebralparesen-Verteilung Komorbidität • Multiaxiales Klassifikationsschema für psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters nach ICD-10 der WHO (Remschmidt & Schmidt, 1994) 1. Achse: Klinisch-psychiatrisches Syndrom 2. Achse: Umschriebene Entwicklungsstörungen 3. Achse: Inteligenziveau 4. Achse: Körperliche Symptomatik cerebrale Lähmungen und sonstige Lähmungserscheinungen 5. Achse: Assozierte aktuelle abnorme Umstände 6. Achse: Globalbeurteilung der psychosozialen Anpassung (hier nicht berücksichtigt) 1 2% 2 5% 1 2% Angststörung Tiefgreifende Entwicklungsstörung Kombinierte Störung d. Sozialverhaltens und der Emotionen 1 2% Verhaltens+ Emot. Störung mit Beginn Kindheit und Jugend Ticstörung 1 2% Nicht organische Psychose keine 1. Achse-3: psychische Störungen 36 86% 2 5% 2. Achse: Entwicklungsstörungen 33 79% 15 36% keine Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache 1 2% Kombinerte umschriebene Entwicklungsstörungen 3. Achse: Intelligenzniveau 1 2% 1 2% 5 12% 1 2% 2 5% 1 2% 1 2% 1 2% 27 1 1 5 1 2 1 1 1 1 1 1,00 G44 H49 H50 H51 H52 H53 H91 R13 R29 R47 Akkomodationsstörung Sehstörungen Hörverlust Dysphagie 1 2% Sprech- und SprachStörungen andererorts nicht klassifiziert Sonstige Symptome des Nervensystems und des Muskel- und Skelettsystems Störung d. Blickbewegung Sonstiger Strabismus Strabismus Paralyticus Kopfschmerz keine Anzahl 4. Achse-1: Neurofunktionelle Erkrankungen 25 Katego no41 dia412_ dia413_ 20 Balken ze 15 27 64% 10 5 4 3 10% 4. Achse – 2: Epilepsien 1 2% 1 2% 2 5% Abnorme Ergebnisse bei Funktionsprüfungen 2 5% Sonst. Krankheiten d. ZNS 3 7% Sonst. Krankheiten d. Gehirns Hydrozephalus 1 2% Polyneuropathien 1 2% Faszialparese Enzephalitis Meningitis keine 4. Achse- 3: Andere Erkrankungen des Nervensystems 33 79% 1 2% 1 2% 4 10% 4 10% Endokrine, Ernährungs-, Stoffwechselkrankheiten Auge, Augenahangsgebilde 3 7% 4 10% Kopfverletzungen 1 2% Abnorme klinische Laborbefude Fehlbildungen, Deformitäten Chromosomen Anomalien 12 29% Perinatale Schädigungen 2 5% Schwangerschaft, Geburt Wochenbett 1 2% Harnsystem Muskel, Skelett und Bindegewebe 6 14% Haut 1 2% Verdauungssystem 3 7% Atmung Kreislaufsystem 8 19% Neubildungen unbek. Verhaltens 1 2% Bösartige Neubildungen Virusinfektion - ZNS keine 4. Achse – 4: Andere organische Krankheiten 15 36% 9 21% 4 10% 5. Achse: Assoziierte Aktuelle abnorme psychosoziale Umstände 55% 33% 19% 5% Entwicklungsaufgaben Erwachsenenspez. Entwicklungsaufgaben/1 • Adoleszenz (12 bis 18 Jahre) • Neue und reifere Beziehungen zu Altersgenossen beiderlei Geschlechts aufbauen • Übernahme der männlichen oder weiblichen Geschlechtsrolle • Akzeptieren der eigenen körperlichen Erscheinung und effektive Nutzung des Körpers • Emotionale Unabhängigkeit von den Eltern und von anderen Erwachsenen erreichen • Vorbereitung auf Ehe und Familienleben • Vorbereitung auf eine berufliche Karriere • Werte und ein ethisches System erlangen, das als Leitfaden für das Verhalten dient – Entwicklung einer Ideologie • Sozial verantwortliches Verhalten erstreben und erreichen Erwachsenenspez. Entwicklungsaufgaben/2 • • • • • • • • • Frühes Erwachsenenalter (18 bis 30 Jahre) Auswahl eines Partners Mit dem Partner leben lernen Gründung einer Familie Versorgung und Betreuung der Kinder Ein Heim herstellen; Haushalt organisieren Berufseinstieg Verantwortung als Staatsbürger ausüben Eine angemessene soziale Gruppe finden Versorgung Beruf/ Berufseinstieg Soziales Leben Notwendige Interventionen/ Forderungskatalog Notwendige Interventionen im Kinder- und Jugendbereich • Fundierte Diagnostik und Verlaufskontrolle – Spezielle Berücksichtigung der Komorbidität – Spezielle Berücksichtigung des sozialen Kontextes – Spezielle Berücksichtigung der Lebensqualität • Maßgeschneiderte individuelle Förderung und Schwerpunktsetzung zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit dem Ziel möglichst großer Selbständigkeit auf unterschiedlichen Gebieten ( Mobilität, Partizipation, Beruf,…..) Notwendige Interventionen im Erwachsenenbereich • Integration auf möglichst vielen Ebenen • Schaffung von institutionellen Betreuungsmöglichkeiten spezifisch für junge Erwachsene/ Weiterführung des „CaseManagements“ durch die ursprüngliche Betreuungseinheit jedoch unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des Erewachsenenalters Konklusion betreff. Unserer Arbeitssituation • Zentraler Punkt: Koordination von Diagnostik und Therapie zu sinnvoller Integration • Je ausgeprägter Zerebralparesen und Komorbidität desto schwieriger wird Förderung und Integration • Transition ist derzeit durch zu geringes „Hinführen“ und Vorhanden-Sein von Institutionen für junge Erwachsene nicht gelöst. ENDE 1 - Erste Achse I - psychische Störungen organisch determiniert (F00 - F09) - Erste Achse II - Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen (F43) - Erste Achse III - Andere psychische Störungen - Zusatzachse A - psychodynamische Diagnostik - Zweite Achse - Umschriebene Entwicklungsrückstände (F80 – F83; F85-F89) - Dritte Achse - Intelligenzniveau/Generelles Entwicklungsniveau -Vierte Achse I - neurofunktionelle Erkrankungen -Vierte Achse II – Epilepsien -nach ILAE / -nach ICD-10 - Vierte Achse III - andere Erkrankungen des Nervensystems - Vierte Achse IV - andere organische Krankheiten - 2 - Fünfte Achse I - akute belastende Lebensereignisse (6) - Fünfte Achse II - gesellschaftliche Belastungsfaktoren (7) abnorme unmittelbare Umgebung (5) - Fünfte Achse III -psychische Störung, erheblich abnormes Verhalten oder Behinderung in der Familie (2) - Fünfte Achse IV -Disharmonie in der Familie zwischen Erwachsenen (1.1), abnorme intrafamiliäre Beziehungen (1 exkl. 1.1), abnorme Erziehungsbedingungen (4), inadäquate oder verzerrte intrafamiliäre Kommunikation (3) - Fünfte Achse V - chronische zwischenmenschliche Belastungen ... mit Schule oder Arbeit (8) - Fünfte Achse VI - belastende Ereignisse oder Situationen ... des Kindes (9) - Sechste Achse - Globalbeurteilung der psychosozialen Anpassung