Biologische Bedeutung

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Winfried G. Rossmanith
Praxisnah:
Gynäkologische
Neuroendokrinologie
H.Baldur Grien (1512)
Die sieben (neuroendokrinen?)
Lebensalter der Frau
Hypothalamische Aktivität
Episodische GnRH-Sekretion aus menschlichen fetalen Hypothalami in vitro
Rasmussen
et al. 1987
Elektro-sekretorische Koppelung
Zeitlicher Bezug zwischen elektrischer Aktivität im Hypothalamus
und LH-Sekretion aus der Adenohypophyse
Knobil, 1989
Gonadotropinsekretion und
GnRH-Pulsfrequenz
Wildt et al. 1989
Klinische Frage
• Warum ist die Gonadotropinstimulation des Ovars episodisch
und nicht kontinuierlich?
Ist dann die Mehrfachbestimmung
von Gonadotropinen notwendig?
– Beobachtetes Paraphänomen ohne
Bedeutung
– Kontinuierliche Stimulation des Ovars
führt zu keinem Erfolg
– Die Episodik dient der Ökonomisierung
des Stimulationssignals
– Die Episodik dient der Unterscheidung
des Signals vom Hintergrundrauschen
– Einfachbestimmung ausreichend, da
Peak-Nadir-Schwankungen < 100 %!
Diagnostik
in der Neuroendokrinologie
Extrahypothalamisch
Hypothalamus
Hypophyse
Ovar
Sekundäre Amenorrhoe
Uterus
Vagina
Hypothalamischhypophysäre
Einheit =
Zentraler
Pulsgenerator
Klinische Frage
• Dieses 9-jährige Mädchen zeigt eine
deutlich beschleunigte Reifeentwicklung
und akzeleriertes Wachstum. Was tun?
– Dies ist eine Normvariante, daher nichts tun!
– Es könnte sich um eine zentrale Pubertas
praecox handeln, deshalb Hypophyse
abklären!
– Bei der hypothalamischen Form der Pubertas
praecox kann man sowieso nicht therapieren!
– Es könnte sich auch um eine Pseudopubertas
praecox handeln, doch dies kann man anhand
des klinischen Bildes nur vermuten!
– Am besten keine Diagnostik, da daraus sich
in den wenigsten Fälle eine kausale
Therapieoption ergibt!
Sonografische Diagnostik:
Pubertas praecox
3 Jahre, Follikel in beiden Ovarien = Pubertas praecox vera
Sonografische Diagnostik:
Pubertas praecox
6 Jahre, Tanner B2, P1, M0: Einseitige Ovarvergrößerung = Pseudopubertas praecox
Die Aktivität der
hypothalamisch-hypophysären Einheit
Doch was aktiviert oder inaktiviert den zentralen Pulsgeber?
Determinanten des
Pubertätsbeginns
Metabole Signale:
- Wachstumshormon
- IGF-1
- Kritisches Gewicht
- Leptin
Klinische Frage
Diese 18-jährige Patientin stellt sich wegen
noch nicht eingetretener Menses (prim.
Amenorrhoe) bei Ihnen vor. Welche Aussagen
treffen nicht zu?
A. Die Patientin sollte lieber an Gewicht zunehmen,
dann regelt sich ihr Zyklus ohne Behandlung
B. Als erstes würde ich eine genaue Anamnese und
Befundung zur Pubertätsentwicklung erheben
C. Bei der gynäkologischen Untersuchung sollten
Fehlbildungen an Uterus und Vagina ausgeschlossen
werden
D. Der Pathophysiologie entspricht die episodische
Stimulation mit GnRH (5-20 µg/Puls alle 60-90
Minuten)
E. Die Gabe von exogenem HMG über die gesamte
Follikelphase ist möglich und gut steuerbar
Episodische LH-Sekretion
während der Follikelphase
Rossmanith
et al. 1993
Zur weiteren Abklärung erstellen Sie ein Hormonprofil:
LH
FSH
E-2
Prolaktin
Testosteron
DHEAS
SHBG
TSH
fT4
GnRH-Test: LH
0.1
0.4
8
420
0.2
1.25
60
1.50
12.0
1.2
mIU/ml
mIU/ml
pg/ml
mIU/ml
ng/ml
mg/ml
nmol/l
mIU/ml
pmol/l
mIU/ml
Norm
(2-10)
(2-10)
(> 40)
(100-450)
(0.2-0.5)
(0.8-3.6)
(30-90)
(0.4-3.0)
(10-25)
(8 -19)
Wofür sprechen die vorgelegten Befunde?
A. Die Patientin leidet unter einer hypothalamischen Ovarialinsuffizienz
B. Da der GnRH-Test pathologisch ist, handelt es sich um einen
hypophysären Schaden
C. Es handelt sich um ein normales Hormonprofil in der Pubertät
D. Wegen des ausgeprägten Estradiolmangels besteht ein
erhöhtes Osteoporoserisiko schon in diesem Alter
E. Wegen des pathologischen GnRH-Testes ist jetzt als nächstes ein NMR
der Schädelbasis angezeigt.
Priming der Adenohypophyse
weiblich
männlich
Rossmanith
et al. 1990
GnRH-stimulierte LH-Freisetzung aus menschlichen fetalen Adenophysen in vitro
Hypophysäre LH-Kapazität
Einflüsse steigender Östradiolspiegel auf LH-Synthese, Speicherung und Sekretion
LH-Mittzyklus
• Kann wie beim weiblichen
Gonadotropin-Mittzyklus auch
bei Männern die negative in
positive Rückkoppelung umschlagen?
– Ja, es müssen nur die geeigneten
Bedingungen geschaffen werden!
Regelkreis
Der Hypothalamus eine notwendige, jedoch nur permissive Bedeutung.
Die biologische Uhr der Reproduktion sitzt im Ovar.
Hypothalamische Amenorrhoe
Klinische Frage
• Welche Ursachen für eine
sekundäre Oligo-Amenorrhoe
müssen Sie bei dieser 25jährigen Patientin
ausschliessen?
–
–
–
–
–
–
Hypophysentumor
Diabetes mellitus
Malignom
Malabsorptionssyndrorm
Schilddrüsendysfunktionen
Nebennierenrindeninsuffizienz
Klinische Frage
• Zur Bestätigung Ihrer
Vermutungsdiagnose Anorexia
nervosa benötigen Sie
folgende endokrinen Befunde?
–
–
–
–
–
–
–
Gar keine!
LH, FSH
E2, DHAS, Testo
Progesteron
Schilddrüse
Cortisol
Prolaktin
Welche Werte erwarten Sie?
Klinische Frage
• Zur erweiterten Diagnostik für die
Bestätigung Ihrer
Vermutungsdiagnose Anorexia
nervosa benötigen Sie folgende
Untersuchungen?
–
–
–
–
–
–
Glukosetoleranz mit Insulinbestimmung
Cortisol im 24-Stunden-Urin
NMR-Schädelbasis
GnRH-Stimulationstest
Prolaktin-Stimulation durch MCP-Test
NMR der Nebennierenrinde (deutliche
Gesichtsbehaarung der Patientin!)
Welche Befunde erwarten Sie?
Hypothalamische
Ovarialinsuffizienz
zentrale Ursachen:
hypothalamisch/hypophysäre Amenorrhoe
•
•
•
•
•
Untergewicht/Fehlernährung
psychogene und streßinduzierte Formen
hyperprolaktinämische Formen
hypophysäre Störungen (Entzündungen, Tumore)
Allgemeinerkrankungen
(Nebenniere, Schilddrüse, Diabetes)
Hypothalamische
Ovarialinsuffizienz
Hypo/normogonadotroper Hypogonadismus
– Anorexia nervosa
– psychogene Einflüsse
– Stress
– Über- oder Unterernährung
Klinische Frage
• Welche Untersuchungen benötigen
Sie mindestens bei dieser Patientin
zur Erfassung ihrer neuroendokrinen
Regulation?
– Anamnese:
Pubertät, Zyklusgeschehen, körperliche
Veränderungen, Lebensgewohnheiten
– Körperliche und gynäkologische
Befundung
– Gonadotropinbestimmung
– GnRH-stimuliertes Gonadotropin
– Estradiol, Testosteron
– Schilddrüsenhormone, TSH, Prolaktin
Hypothalamische Amenorrhoe
Gonadotropinsekretion bei
hypothalamischer Amenorrhoe
Katz et al, 1989
Hypophysäre Autonomie
Autonome episodische Sekretion von LH und ß-Endorphin aus der Adenohypophyse
Rossmanith
et al. 1991
Die Aktivität der
hypothalamisch-hypophysären Einheit
Was aktiviert oder inaktiviert den zentralen Pulsgeber?
Klinisches Beispiel
• Aus Sicht der Neurophysiologie: Ist die Gabe von
exogenem Progesteron zur
Behebung der Lutealphaseninsuffizienz sinnvoll?
– Wenn die Patientin kein Problem damit
hat, keine Korrektur!
– Ja, denn sie korrigiert die erniedrigte
Progesteronsekretion
– Nein, denn sie maskiert nur das
Problem
– Besser wäre die Stimulation des
Corpus luteum durch HMG
– Es genügt die kontinuierliche Gabe
von HCG in der Lutealphase
– Am besten wäre die Stimulation der
Follikelphase
Episodische LH-Sekretion
während der Lutealphase
Rossmanith
et al. 1993
Neuroendokrinologie der Lutealphase
Filicori et al. 1984, Rossmanith et al. 1990, 1991
Klinische Frage
• Diese 30-jährige Patientin stellt sich
mit sekundärer Amenorrhoe und
einseitiger Galaktorrhoe bei Ihnen
vor.
Wodurch würden Sie bei ihr diese
Symptome abklären?
–
–
–
–
–
Basale Schilddrüsenhormone und TSH
TRH-Stimulationstest
Prolaktin
Mammographie, ggf. Galaktographie
NMR Sellaregion und angrenzende
Hirnareale
Prolaktin
199 Aminosäuren
S
S
S
Serum-Formen:
- PRL
- Big, Big-Big (Makroprolaktine)
Cave: Dichte der Prolaktinrezeptoren
Folgen einer Hyperprolaktinämie
Suppression der
Gonadotropinsekretion:
- Zyklusstörungen
- Galaktorrhoe
- Knochendichteminderung
Differentialdiagnose: Galaktorrhoe
• Hypothalamische oder hypophysäre Erkrankungen
– Hypothalamische Fehlfunktionen: sek. Hyperthyreose
– Hypophysenstielerkrankungen
– Hypophysäre Adenome: Prolaktinom
• Weitere Endokrinopathien
– Primäre Hypothyreose
– Östrogen-sezernierende Tumore
• Lokalisierte Brusterkrankungen:
– Papillome, Karzinome
• Prolaktinstimulierende Medikamente
• Chronische Niereninsuffizienz
Klinische Frage
Bei unserer 30-jährigen Patientin mit
sekundärer Amenorrhoe und einseitiger
Galaktorrhoe liegt eine
Hyperprolaktinämie (100 ng/ml) vor. Wie
klären Sie weiter ab?
–
–
–
–
Basale Schilddrüsenhormone und TSH
Dann TRH-Stimulationstest
Ggf. weiter MAK- und TRAK-Antikörper
Auf alle Fälle Mammographie und
gegebenen-falls Galaktographie
– NMR Sellaregion und angrenzende Hirnareale
– Perimetrie
Diagnostik: Prolaktin

Basale Diagnostik
–
–
–
Basales Prolaktin
Basales TSH, FT4
E2
Erweiterte Diagnostik
(nur bei auffälliger basaler Diagnostik)
–
–
–
–
–
MCP-Test: Fragwürdig
TRH-Test: Fragwürdig
NMR Sella (keine CT-Untersuchungen!)
Nur bei Verdacht auf Arrosion des Sellabodens:
Zielaufnahme der Sella
Perimetrie bei nachgewiesenem Hypophysentumor
Prolaktin
Prolaktin im Serum
normal
keine weitere
Diagnostik
mäßig erhöht
stark erhöht
Stimulationstest
(MCP, TRH)
Bildgebende
Diagnostik
(CT, NMR)
Klinische Frage
Eine 49-jährige Patientin wird
Ihnen wegen beidseitiger
Ovarzysten (jeweils 3 cm im
Durchmesser) vorgestellt. Sie
wird mit Tamoxifen 20 mg/Tag
wegen eines Mamma-Karzinom
links (pT1b No Mo G1 ER/PR ++)
seit einem halben Jahr
behandelt. Der Serumspiegel
des Östradiols beträgt 490
pg/ml.
Wie interpretieren Sie diese
Befunde?
-
-
-
-
Ovarzysten unter Tamoxifen sind
bei postmenopausalen Frauen ein
seltener Befund
Da die Serumöstrogene sehr hoch
sind, könnte es sich um
östrogenbildende Ovartumore
handeln
Unter Tamoxifen als Antiöstrogen
sind die Serumspiegel von
Östradiol nicht beeinflusst
Es handelt sich um einen unter
Tamoxifen normalen Befund
Der Befund erklärt sich durch die
hypothalamischen Wirkungen von
Antiöstrogenen
Neuroendokrinologie der Menopause
LH-Pulsatilität
Postmenopause (PMW) und Klimakterium präcox (POF)
Während des Zyklus
Neuroendokrinologie - Menopause
„In Abwesenheit von wesentlichem
Sexualsteroid-Feedback arbeitet die
hypothalamisch-hypophysäre Einheit
mit maximaler Aktivität“
Rossmanith 1998
Die Aktivität der
hypothalamisch-hypophysären Einheit
Menopause:
Entkoppelung des Regelkreises
LH / FSH
E2 / T / P
Inhibin
Hypergonadotroper
Hypogonadismus
Klinische Frage
• Eine 82-jährige Frau wird zugewiesen wegen
Verdachts auf östrogenbildenden Ovartumor
(Serum: E2 520 pg/ml, FSH 2 U/L).
Nach Ovariektomie beidseits finden sich E2Spiegel von < 10 pg/ml, jedoch weiterhin niedrige
FSH-Werte (2 IU/L). Was geht hier vor?
– Es handelt sich um einen altersnormalen Befund
– Es handelt sich um eine Fehlbestimmung - erneut Werte
veranlassen!
– Es könnte sich um eine Destruktion der Hypophyse
durch Tumor handeln - NMR des Schädels veranlassen!
– Außerhalb des Ovars könnte ein Tumor (welcher?)
massiv Inhibin freisetzen und deshalb FSH supprimieren!
– Es handelt sich um altersspezifische Isoformen von FSH,
die nicht durch konventionelle Assays erfaßt werden.
Gonadotropinsekretion
während des Alterns
Episodische
LH- und FSH-Sekretion
von postmenopausalen
50-jährigen Frauen (links)
und
von postmenopausalen
80-jährigen Frauen (rechts)
Rossmanith et al. 1993
Hypothalamisch-hypophysärer Pulsgeber
während des Alterns
Senium
Klinisches Beispiel: Preisfrage!
• Bei dieser 58-jährigen Patientin wurde
im Rahmen der internistischen
Tumorsuche ein positiver ß-HCGNachweis geführt. Wie gehen Sie weiter
vor?
– Patientin könnte schwanger seinsonografieren!
– Es könnte sich um einen Keimstrangtumor
handeln - laparoskopieren!
– Es könnte sich um eine ektope HCGProduktion bei Bronchialkarzinom handeln CT-Thorax!
– Es könnte sich um einen Hypophysentumor
handeln - NMR des Schädels veranlassen!
– Genaue Anamnese erheben auf Leber- und
Nierenkrankheiten!
Hinweise für die Praxis
• Auch in der Neuroendokrinologie ist das Wichtigste immer
die vollständige Anamnese!
(eigene, familiäre, Entwicklung, Medikamente)
• Dann folgt die komplette körperliche und gynäkologische
Befundung!
• Die Bestimmung endokriner Parameter und zusätzliche
Funktionstests unterstützen die Vermutungsdiagnose!
• Als wesentliches bildgebendes Hilfsmittel dient der
Ultraschall!
• Weitere bildgebende Diagnoseverfahren (NMR, CT,
Röntgen) sind selten notwendig, sichern aber dann die
Vermutungsdiagnose ab!
Hinweise für die Praxis
• Jegliche Diagnostik in der Neuroendokrinologie orientiert
sich an Leitsymptomen!
• Eine differentialdiagnostische Kaskade aufbauend auf der
neuroendokrinen Physiologie ist hilfreich
• Schrittweise vorgehen, zweite Schritte nur nach den
ersten unternehmen!
• Einfache Untersuchungen lösen meist die
differentialdiagnostischen Probleme!
• Nur bei Auffälligkeiten in der Basisdiagnostik sind
weiterführende Schritte notwendig!
• Das häufige ist häufig, das seltene kommt wirklich selten
vor und sollte auch selten bedacht werden!
Diagnostik
Feststellung de
Leitsymptoms
Beschreibung der
Störung
Definition der
Ebene der Störung
Feststellung der
Ursache(n)
der Störung
Entscheidungskaskade
Zuordnung zur
Krankheit
Prognose
Therapienotwendigkeit
Therapiemöglichkeiten
Differenzierte
Therapie
Wenn Sie noch mehr
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Wieviel müssen wir wissen,
um zu wissen,
wie wenig wir wissen?
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