Kindliche Adipositas Reinhold G. Laessle, Universität Trier Bis zu 70

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Fallbeispiel: Petra 14 Jahre
Überweisung durch Kinder- und Jugendpsychiaterin mit Diagnose Anorexia
nevosa bei 44,5 kg u. 1,69m (BMI 15,5).
Gewichtsabnahme erfolgte in den letzten fünf Monaten von ursprünglich 60 kg
auf 45 kg.
Anfänglich Einschränkung der Nahrungspalette (kein Fleisch, kein Fett, kein
Käse). In letzter Zeit nur noch Bouillon, Salat und Joghurt. Manchmal
Erbrechen.
Familiäre Situation:
2 Jahre ältere Schwester, 10 und 12 Jahre ältere Schwester
und Bruder, verheiratet und berufstätig.
Starke Spannungen in der Familie, Partnerschaftsprobleme der
Eltern
DSM-4 Kriterien für Anorexia nervosa (307.1)
A. Weigerung, ein Körpergewicht zu halten, das „normal“ ist für
das Alter und die Grösse. (BMI < 17,5)
B. Große Angst zuzunehmen oder „fett“ zu werden, obgleich
Untergewicht besteht.
C. Verzerrte Körperwahrnehmung, Gewicht bestimmt den
Selbstwert, die Gefährdung durch das geringe Gewicht wird
verleugnet.
D. Amenorrhoe
DSM-IV Kriterien für Anorexia nervosa (307.1)
Spezifizierung:
„Eating/Purging“-Typus:
Mit Ess-Brechanfällen
Restriktiver Typus:
Ohne Ess-Brechanfälle
DSM-4 Kriterien für Bulimia nervosa (307.51)
A.
Wiederkehrende Essanfälle:
1) In einer abgegrenzten Zeit wird deutlich mehr
Nahrung zu sich genommen, als die meisten Leute
in dieser Zeit unter ähnlichen Umständen zu sich
nehmen würden.
2) Das Gefühl, die Kontrolle über das Essen zu
verlieren.
B.
Massnahmen, um die Gewichtszunahme zu
verhindern (Erbrechen, Abführmittel, Fasten, etc.)
C.
Die Essanfälle treten mindestens zweimal pro
Woche über einen Zeitraum von mindestens 3
Monaten auf.
DSM-4 Kriterien für Bulimia nervosa (307.51)
D. Gewicht bestimmt den Selbstwert.
E. Die Essanfälle treten nicht während einer Anorexie auf.
Spezifizierung:
„Purging“-Typus. Mit
Erbrechen
oder Abführmittelabusus.
„Nicht-Purging“-Typus: Mit
Sport & Fasten.
häufige körperliche Beschwerden bei Anorexia und
Bulimia nervosa

Zahnschäden (Karies), Erosionen des Zahnschmelzes

Vergrößerte Ohrspeicheldrüsen (Sialose)

Entzündungen des Rachen- und Speiseröhrentraktes

Gastroösophagealer Reflux, Sodbrennen

Magenfunktionsstörungen, Vollegefühl und Verdauungsstörungen

Kreislaufregulationsstörungen mit niedrigem Blutdruck
(Hypothonie, orthostatische Dysregulation)

Durchblutungsstörungen mit kalten Händen und Füßen (Akrozyanose)

langsamer Puls (Bradykardie)
häufige körperliche Beschwerden bei Anorexia und
Bulimia nervosa

niedrige Körpertemperatur

Gicht (Hyperurikämie)

Wassereinlagerungen im Gewebe (Ödeme)

Menstruationsstörungen bis zur Amenorrhoe

andere Hormonstörungen (erniedrigte T3-, Noradrenalinund Adrenalinspiegel, erhöhte STH- und Kortisolspiegel)

Knochenstoffwechselstörungen (Osteoporose)

Verformungen der Nägel (Uhrglasnägel)

Verbreiterungen der Endglieder
(Trommelschlegelfinger o. –zehen)

Mineral- und Vitaminmangelzustände
schwerwiegende Komplikationen bei Anorexia
und Bulimia nervosa
 Herzrhythmusstörungen
 Blutarmut
 Störungen des Säure-Basen Haushaltes
 Elektrolytstörungen
 Nierenfunktionsstörungen
 Geschwüre im Magen oder Zwölffingerdarm
 Nervenschädigungen
 Lanugobehaarung
 Hirnatrophie
 Untergewicht (im Extremfall bis zum Verhungern)
Häufige komorbide Störungen bei Anorexia und
Bulimia nervosa
 Affektive Störungen: Major Depression u.
Dysthymie bei beiden Störungen relativ
häufig (50 bis 75%)
 Angststörungen: Zwangsstörungen,
zwanghafte Persönlichkeitsstörungen,
häufiger bei AN (bis 25%), soziale Phobie
häufiger bei BN (bis 30%)
 Substanzmissbrauch und –abhängigkeit:
häufiger bei BN (bis 37%)
 Persönlichkeitsstörungen: antisoziale,
Borderline, histrionische und narzisstische
häufiger bei bulimischen Formen von AN u.
BN. Selbstunsichere, dependende,
zwanghafte bei beiden Störungen
Prävalenz von Essstörungsmerkmalen in der
EDSP (N=3021, Alter 14-24):
Männer
Frauen*
45,3%
Große andauernde
Sorgen über Gewicht
und Essen
24,7%
31,6%
ernsthafte Diät mit
erheblichem Gewichtsverlust
21,7%
21,6%
zu dünn/niedriger BMI
0,9%
6.1%
große Angst vor Zunahme
0,8%
5.1%
Essstörung (ANO/BUL)
28,6%
Max Planck Institut - EDSP
* Amenorhoe: 2,8%
Anorexia nervosa: Verlauf und Prognose
Outcome:




33-55% vollständig remittiert/ „good“, bei Adoleszenten bis ca. 70%
10-38% teilweise remittiert bzw. „intermediate“
10-50% schlecht, 10-38% leiden weiterhin an AN, BN, EDNOS
1.4-16% verstorben
Prädiktoren für negativen Outcome:






Niedriger BMI zu Behandlungsbeginn und bei Entlassung
Später Beginn (>20 Jahre)
Längere Krankheitsdauer
Psychiatrische Komorbidität/ höheres Ausmaß sozialer
und psychologischer Probleme (Perfektionismus)
Heißhungeranfälle und Erbrechen
Körperliche Folgeschäden
Bulimia nervosa: Verlauf und Prognose
Outcome:



20-60% haben noch weiterhin eine Essstörung
50-74% vollständig remittiert, keine Essstörung
1% verstorben
Prädiktoren für negativen Outcome:



Höhere Frequenz von Erbrechen zu Behandlungsbeginn
Reduktion des Erbrechens um weniger als 70% während
der ersten sechs Sitzungen
Impulsivität, Substanzmissbrauch
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Anorexia
(AN) und Bulimia (BU) nervosa
AN
BU
Übertriebene
Beschäftigung
Untergewicht
Normalgewicht
mit Diät, Nahrung,
Gewicht u. Körperfett
Krankheitsverleugnung
Perfektionismus
introvertiert
Krankheitsbewusstsein
Unbehagen
beim Essen mit anderen
Emotionale Veränderungen
(z.B. Depressivität)
labil, impulsiv
Psychosoziale Veränderungen
(Rückzug)
stark verzerrtes
Körperschema
ständig Drang n.
Gewichtsabnahme
Körperliche
Beschwerden
Körperschema mäßig
verzerrt
Streben n.
Idealgewicht
Genetische Faktoren: Zwillingsstudien
Genetischer Varianzanteil:
Anorexia nevosa: 58-85%
Bulimia Nervosa: 28-83%
Soziokulturelle Faktoren: Schlankheitsdruck
Veränderungen im Körpergewicht bei ´PlayboyCenterfold-Modellen´ und beim
Durchschnittsgewicht amerikanischer Frauen
zwischen 1960 und 1980
Durchschnittsgewicht
amerikanischer Frauen (1960 =
100%)
% des Durchschnittsgewichts
(1960 = 100%)
100
Gewicht der ´Centerfold´Modelle
88
84
1960
1962
1964
1966
1968
1970
1972
1974
1976
1978
Soziokulturelle Faktoren: Schönheitsideal
Biopsychologische Faktoren: Diät/Hungern
Psychobiologischer circulus vitiosus bei der Aufrechterhaltung des
restriktiven Basis-Essverhaltens bei Anorexia und Bulimia nervosa
intermittierend
erniedrigte
Kalorienzufuhr
verminderte Bildung v.
Trijodthyronin, erniedrigte
noradrenerge Aktivität
Verhaltensänderung
(Diät, Laxantien,
Erbrechen)
Hypometabolismus m.
verzögerter
Normalisierung
Angst vor
Dickwerden
Normales Essverhalten bzw.
Heißhungerattacken können zu
kurzfristiger Gewichtszunahme
führen
Psychosoziale Faktoren:
Familiäre Interaktions-und Kommunikationsmuster
Minuchin et al. (1978):
Typische pathogene Interaktionsstile in Familien als
Ursache für Essstörungen
 Verstrickung
 Überbehütung
 Rigidität
 Konfliktvermeidung
Psychosoziale Faktoren:
Familiäre Interaktions- und Kommunikationsmuster
Aktuelle Querschnittsbefunde finden
Hinweise
auf gestörte familiäre Interaktionsmuster
(z.B. geringe Kohäsion, geringer affektiver
Ausdruck)
Unklar bleibt:
 ob Ursache oder Folge der AN/BU
 ob spezifisch für AN/BU
Faktoren für die Entstehung und Aufrechterhaltung von AN u. BU
Kindliche Adipositas
Reinhold G. Laessle, Universität Trier
Hallo Dickie!
Pass auf, dass du keinen Fettfleck
machst,
wenn du aufstehst.
Kindliche Adipositas
Reinhold G. Laessle, Universität Trier
Definition und Klassifikation
BMI = Body-Mass-Index
= kg / m2
 Körpermasse (BMI) weicht vom Durchschnittswert
der Häufigkeitsverteilung in der Bevölkerung ab
 Mäßiges Übergewicht: > 85. Perzentil
Starkes Übergewicht: > 95. Perzentil
Kindliche Adipositas
Reinhold G. Laessle, Universität Trier
Kindliche Adipositas
Reinhold G. Laessle, Universität Trier
Kindliche Adipositas
Reinhold G. Laessle, Universität Trier
Medizinische Konsequenzen
* Nicht-Insulindependent Diabetes Mellitus (2,4%)
* Bluthochdruck (25%)
* Erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen
* Fettleber (25%)
* Erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Gallensteinen
* Einschränkungen der Lungenfunktion (80%)
* Schlafapnoe (30%)
Kindliche Adipositas
Reinhold G. Laessle, Universität Trier
Psychosoziale Konsequenzen:
• Diskriminierung / soziale Ausgrenzung
• Geschwächtes Selbstwertgefühl
• Mangelndes Selbstvertrauen
• Erschwerung beim Aufbau von Sozialkontakten
• Komorbide Störungen: Depression, Angststörungen
Kindliche Adipositas
Genetische Faktoren:
Bis zu 70% der Varianz im BMI
erblich bedingt (Zwillingsstudien)
Mechanismen:
*Anzahl der Fettzellen
*Energiestoffwechsel
Reinhold G. Laessle, Universität Trier
Kindliche Adipositas
Reinhold G. Laessle, Universität Trier
Komponenten des Kalorienverbrauchs:
Ruheumsatz
70 %
Verdauung 10 %
Sport 20 %
Kindliche Adipositas
Reinhold G. Laessle, Universität Trier
Einflussfaktoren für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Übergewicht bei
Kindern und Jugendlichen
Psychosoziale Faktoren
Lerngeschichte/Elternhaus
(Funktion des Essens,
Nahrungsmittelpräferenzen)
Stress und emotionale Befindlichkeit
Soziokulturelle Faktoren
Leichte Verfügbarkeit von
Nahrungsmitteln mit hoher
Energiedichte
Freizeitangebote ohne körp.
Aktivität
Genetische Faktoren
Hohe Fettzellen-Anzahl
Niedriger Energieverbrauch
Fettpräferenz
Essverhalten
qualitative Nahrungsaufnahme
quantitative Nahrungsaufnahme
Aktivitätsverhalten
Energieaufnahme
Ruhestoffwechsel
Energieverbrauch
Übergewicht/Adipositas
Kindliche Adipositas
Reinhold G. Laessle, Universität Trier
Therapieprinzipien bei kindlicher Adipositas
•
Ernährungsumstellung
– derzeitiges Essverhalten
– Fett-/ Zucker- Detektiv
– Ernährungsampel
•
Psychosoziale Interventionen
– Umgang mit Hänselei
– Umgang mit Ärger
– Stärkung des Selbstwertgefühls
– Umgang mit Langeweile
•
Bewegung/ Sport
– Bewegungsspiele in den Sitzungen
– Hausaufgaben für Bewegung im Alltag
Kindliche Adipositas
Reinhold G. Laessle, Universität Trier
Ernährungsumstellung: Informationsbaustein
•
Welche Nahrungsmittel darf man ohne Bedenken essen?
Welche sind mit Vorsicht zu genießen?
Wie sieht eure Ernährung zur Zeit aus?
•
Wie sollte man essen?
Welche Essregeln kennt ihr?
Wie könnt ihr es schaffen, euer Essverhalten zu verbessern?
•
Gemeinsames Essen
Woran erkennt ihr, dass ihr satt seit?
•
Wie viel Fett/ Zucker ist in verschiedenen Nahrungsmittel enthalten
Wie könnt ihr schlemmen, ohne eine schlechtes Gewissen zu haben?
Kindliche Adipositas
Reinhold G. Laessle, Universität Trier
Die Ernährungsampel
STOP
nur selten
u. in
Maßen
ACHTUNG
nicht tägl.
essen
FREIE
FAHRT
zum
Sattessen
zucker- u. fetthaltige Süßigkeiten
fetthaltiges Gebäck
frittierte Lebensmittel
fettreiche Wurst
süße, fetthaltige Brotaufstriche
zuckerhaltige Limonaden
fetthaltige Milchprodukte (Käse etc.)
Margarine
Müsliriegel
Weißmehlprodukte
süße Brotaufstriche
Fleisch/Wurstwaren, Eier
Obst u. Gemüse
Vollkornprodukte
Magermilchprodukte
Fisch
Mineralwasser, Fruchtsaftschorle
Kindliche Adipositas
Reinhold G. Laessle, Universität Trier
Kindliche Adipositas
Reinhold G. Laessle, Universität Trier
Therapiebaustein: Umgang mit Hänseleien
 bisherige Erfahrungen abklären
Situation,Verhalten, Konsequenzen (Gedanken,
Gefühle)
 Diskussion von Alternativen
 Rollenspiel
Üben von Reaktionsmöglichkeiten
 Rückmelderunde
Vergleich mit bisherigen Erfahrungen
Kindliche Adipositas
Reinhold G. Laessle, Universität Trier
Umgang mit Hänseleien
Kindliche Adipositas
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Kindliche Adipositas
Reinhold G. Laessle, Universität Trier
Kindliche Adipositas
Reinhold G. Laessle, Universität Trier
Therapiebaustein: Selbstwertgefühl
 Kriterien zur Beurteilung von Personen
Gewicht, andere Eigenschaften
 eigene Stärken
 Interaktionsübung
Komplimente geben
 Rückmelderunde:
Selbstbild, Fremdbild
Kindliche Adipositas
Reinhold G. Laessle, Universität Trier
Kindliche Adipositas
Reinhold G. Laessle, Universität Trier
Umgang mit Langeweile
 Diskussionsrunde:
Langeweile und Essverhalten
Situation?
Hungergefühl?
Art des Essverhaltens?
 Vorschläge für alternative Verhaltensweisen
 Anti-Langeweile-Box als Hilfsmittel zur Selbstkontrolle
Kindliche Adipositas
Reinhold G. Laessle, Universität Trier
Anti-Langeweile Box
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Kindliche Adipositas
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Therapieziele bei Essstörungen
► Umstellung des restriktiven, Diät orientierten
Essverhaltens (vor allem bei BU).
Gewichtszunahme (vor allem bei AN)
► Veränderung der Bewertung von Figur und Gewicht
in Richtung angstfrei und realistisch
► Abbau des Einflusses von Stress auf Essverhalten
und Gewicht
Indikation zur stationären Behandlung von Essstörungen
1. Medizinische Kriterien
 Kritischer Gewichtsverlust
 Schwangerschaft (v.a. erstes Drittel)
 Massiver Laxanzien- Diuretikaabusus
 Diabetes („Insulinpurging“)
2. Psychosoziale Kriterien
 spezifische psychosoziale Belastungsfaktoren
(z.B. familiäre oder partnerschaftliche
Interaktionsmuster, berufliche Belastungen,
soziale Isolation)
Indikation zur stationären Behandlung von Essstörungen
3. Psychotherapeutische Kriterien
 Latente oder akute Suizidalität
 Komorbide depressive Störungen, Störungen der
Impulskontrolle, Persönlichkeitsstörungen
 Starke Hyperaktivität
 Massive Vernachlässigung sozialer und beruflicher Bereiche
 Scheitern bisheriger ambulanter Behandlungsversuche
Diagnostik von Essstörungen (Fremdbeurteilung)
Verfahren
Subskalen
Eating Disorder
Examination
(EDE)
(Cooper &
Fairburn, 1987;
dt. Version Ohms,
2000)
4 Subskalen:
-Restraint Scale
- Eating Concern
Scale
- Weight Concern
Scale
- Shape Concern
Scale
Strukturiertes
Inventar für
Anorexia und
Bulimia nervosa
(SIAB)
(Fichter &
Quadflieg, 1999)
Art
Strukturiertes
Experteninterview
Experteninterview
(SIAB-EX) +
Selbsteinschätzu
ngsskala (SIABS)
Itembeispiele
Haben Sie
bewusst versucht,
die Nahrungsmenge, die Sie
essen, zu
begrenzen, um
Ihre Figur oder Ihr
Gewicht zu
beeinflussen?
(Restraint Scale)
Diagnostik von Essstörungen (Selbstbeurteilung)
Verfahren
„Eating Disorder
Inverntory“
(EDI bzw. EDI-2)
(Gamer, 1991; dt.
Version Thiel & Paul,
1988; Thiel et al.,
1997)
Subskalen
Art
Itembeispiele
Selbsteinschätzung
16. Ich habe
fürchterliche Angst, an
Gewicht zuzunehmen
(Schlankheitsstreben).
5. Ich stopfe mich mit
Essen voll (Bulimie).
Weight Concern
Scale (WCS)
(Killen, 1993, 1994;
dt. Version Grund
2004)
ScreeningInstrument,
Selbsteinschätzung
Wann haben Sie zum
letzten Mal eine Diät
gemacht?
Erweiterte Form
des Fragebogens
zum Essverhalten
(TWFEV)
(Pudel &
Westenhöfer, 1989;
Westenhöfer, 1992)
Selbsteinschätzung
Essen Sie kontrolliert,
wenn Sie mit anderen
zusammen sind und
lassen Sie sich dann
gehen, wenn Sie alleine
sind?
11 Subskalen: z.B.
- Schlankheitsstreben
- Bulimie, Ineffektivität
- Körperliche
Unzufriedenheit
- Ineffektivität, Askese
- Perfektionismus
- Soziale Unsicherheit
Kognitive Vorbereitung der Therapie (I)
 Generell: unterstützende therapeutische Grundhaltung und
Akzeptanz der Ängste und Befürchtungen
 Validierung der Ambivalenz bzgl. Veränderung
 Konkrete Erfassung der individuellen Befürchtungen, die an eine
Gewichtszunahme geknüpft sind, ggf. Korrektur der Befürchtungen
 Verdeutlichen der Funktionalität, Vor- und Nachteile der Essstörung
benennen, Besprechen der individuell vorliegenden Begleit- und
Folgeerscheinungen der Essstörung
 Information: Hinweis auf physiologische Bedingungen, die zur
Entstehung und Aufrechterhaltung von Heißhungerattacken und
Erbrechen beitragen
Fallbeispiel für stationäre Therapie
14-jähriges Mädchen mit Anorexia nervosa
Vorstellungsanlass:
Überweisung durch Kinder- und Jugendpsychiaterin mit Diagnose Anorexia
nevosa bei 44,5 kg u. 1,69m (BMI 15,5).
Gewichtsabnahme erfolgte in den letzten fünf Monaten von ursprünglich 60 kg
auf 45 kg.
Anfänglich Einschränkung der Nahrungspalette (kein Fleisch, kein Fett, kein
Käse). In letzter Zeit nur noch Bouillon, Salat und Joghurt. Manchmal
Erbrechen.
Familiäre Situation:
2 Jahre ältere Schwester, 10 und 12 Jahre ältere Schwester
und Bruder, verheiratet und berufstätig.
Starke Spannungen in der Familie, Partnerschaftsprobleme der
Eltern
Fallbeispiel für stationäre Therapie
14-jähriges Mädchen mit Anorexia nervosa
Multiaxiale Diagnosen:
 Anorexia nervosa (F50.0), mittelgradige depressive
Episode (F32.1).
 Überdurchschnittliche Intelligenz
 Disharmonie in der Familie zwischen Erwachsenen,
inadäquate oder verzerrte intrafamiliäre Kommunikation
 Deutliche und übergreifende soziale Beeinträchtigung
Fallbeispiel für stationäre Therapie
14-jähriges Mädchen mit Anorexia nervosa
Therapie:
Verhaltensvertrag über Zielgewicht von 52 kg (25.
Altersperz. für BMI
wöchentliche Gewichtszunahme von durchschnittlich
1000 g
Tagesplan für die Ernährung
psychotherapeutische Einzelsitzungen mit
Schwerpunkt Ausdruck von Gefühlen, Akzeptanz des
eigenen Körpers, Selbstständigkeit und Weiblichkeit
Familiengespräche mit Schwerpunkt Ausdruck von
Gefühlen und Wünschen, Grenzen, Macht,
Überbehütung
Elterngespräche mit Schwerpunkt Umgang mit Anorexie
nervosa, Partnerschaftskonflikte
Fallbeispiel für stationäre Therapie
14-jähriges Mädchen mit Anorexia nervosa
Therapie:
Fallbeispiel für stationäre Therapie
14-jähriges Mädchen mit Anorexia nervosa
Therapie:
Fallbeispiel für stationäre Therapie
14-jähriges Mädchen mit Anorexia nervosa
Fragebogen Befunde bei Entlassung:
Eating Attitudes Test:
Diätieren
10 (Max. 39)
Bulimie
0 (Max. 18)
Orale Kontrolle
4 (Max. 21)
Kognitive Vorbereitung der Therapie (II)
 Welche Beschwerden liegen seit wann vor, wie wirken sich diese auf das
Leben der Patientin aus?
 Kommt die Patientin freiwillig/ selbstständig oder wurde sie geschickt?
 Warum wünscht die Patientin zu diesem Zeitpunkt eine Behandlung?
 Ist der richtige Zeitpunkt für eine Therapie gegeben? Bestehen
ausreichende Ressourcen und Rahmenbedingungen?
 Liegen therapeutische Vorerfahrungen vor? Wenn ja, wie wurden diese
bewertet?
 Welche Erwartungen bestehen an die aktuelle Therapie bzw. die
TherapeutIn?
 Was soll mit Hilfe der Therapie verändert werden? Wie sehen die
konkreten Ziele aus?
Therapiebausteine
█ Informationsvermittlung:
Ursachen, Aufrechterhaltung und Folgen von Essstörungen
Psychobiologische Konsequenzen von Diäten und Mangelernährung
█ Ernährungstraining, Gewichtszunahme
Arbeit mit Essprotokollen
Kontraktmanagement
█ Bearbeitung funktionaler Aspekte von Essen, Schlanksein,
Figur/Gewicht
Analyse von Essanfällen nach dem S-O-R-K Schema
Fantasiereisen
Verhaltensexperimente
█ Stressbewältigungstraining
█ Rückfallprophylaxe
Informationsvermittlung
Gewicht
Gewicht
500 kcal/Tag
weniger
500 kcal/Tag
weniger
Zeit
Zeit
vermutete Gewichtsreduktion
bei einer Einschränkung der
Nahrungsaufnahme um 500
kcal unter dem bisherigen
Bedarf
Gewicht
Gewicht
tatsächliche
Gewichtsreduktion bei einer
Einschränkung der
Nahrungsaufnahme um 500
kcal unter dem bisherigen
Bedarf
500 kcal/Tag
mehr
SetpointBereich
Zeit
vermuteter Zusammenhang
zwischen Gewicht und
Energieaufnahme
Zeit
tatsächlicher Zusammenhang
zwischen Gewicht und
Energieaufnahme
Arbeit mit Essprotokollen
Ernährungstraining
█ Abbau diätorientierten, „gezügelten“
Essverhaltens
█ Aufbau „normalen“ Essverhaltens
█ Orientierung an Hunger und Sattheit
█ keine Verbote
█ ausreichend Kalorien und Ausgewogenheit
█ Verhaltensexperimente mit Nahrungsmitteln
Beispiel für Kontraktmanagement
Veränderung der Einstellung zur Figur und Gewicht
█ Exposition gegenüber Figur
Spiegelübungen
Video Feed-back
graduiertes Vorgehen
Ziel: deutliche Reduktion der aktivierten Gefühle
█ Körperorientierte Interventionen
Tanztherapie
Feldenkrais
█ Exposition gegenüber Gewicht
Wiegen in Gegenwart des Therapeuten oder von Mitpatientinnen
Fantasiereisen (Dick/Dünn)
Ziel: Aktivierung und Modifikation irrationaler Einstellungen
Exposition gegenüber Nahrungsmitteln
(„binge food“)
█ Konfrontation mit Nahrungsmitteln, die bevorzugt
während eines Essanfalls konsumiert werden (z.B.
Schokolade)
█ Dauer, bis Essbedürfnis abgeklungen ist
█ Wahrnehmung durch alle Sinnesmodalitäten
(Geschmack, Geruch, Tastempfinden, Betrachtung)
█ zunächst in Gegenwart des Therapeuten, dann
selbstgesteuerte Expositionen, ohne unmittelbare
Nachbereitung
Stressbewältigungstraining
█ kurzfristige Strategien
Ablenkung
Entspannung
█ langfristige Strategien
Problemlöseansatz
Einstellungsänderung
Gesprächsführungstechniken
Rückfallprophylaxe
Vorbereitung der Patientin
█ Symptome (z.B. Essanfälle) werden auf jeden Fall
wieder auftreten
█ bedeutet nicht, dass Therapie nutzlos war oder
Patientin versagt hat
█ Hinweis auf Belastungssituation und Chance,
bereits Gelerntes wieder anzuwenden
(z.B. Verhaltens Analyse, Stressbewältigungsstrategien)
Kritische Therapiesituationen
█ Motivationsprobleme
█ Probleme mit der Familie
█ Probleme mit Essen/Gewicht
Kritische Therapiesituationen
Eine anorektische Patientin ( BMI 16) wird von
ihren Eltern zur Therapie geschickt. Diese sind
der Meinung, sie sei krank und müsse sich
unbedingt behandeln lassen. Die Patientin steht
einer Behandlung ambivalent bis ablehnend
gegenüber und kommt zum Vorgespräch auch
nur auf massiven Druck der Eltern.
► Vor-und Nachteile des Dünnseins thematisieren
► Selbstverantwortlichkeit betonen (nicht: Elternrolle übernehmen)
► Zeit zur eigenen Entscheidungsfindung lassen.
► Folgen von Mangelernährung objektiv darstellen
Kritische Therapiesituationen
Eine bulimische Patientin kommt mit 55 kg zu
Therapie. Sie versucht schon seit Jahren,
möglichst 50 kg zu erreichen. Seit den Diäten
leidet sie unter Essanfällen. Sie haben bei der
Exploration der Gewichtsgeschichte erhoben,
dass die Patientin vor ihrer Essstörung lange Zeit
ein Gewicht von 58 bis 60 kg gehalten hatte.
► Erläuterung der set-point Theorie des
Körpergewichts und der biologischen
Konsequenzen von Diät und
Mangelernährung
► Entscheidung: niedriges Gewicht halten
und weiter Essanfälle haben oder etwas
höheres Körpergewicht akzeptieren ohne
Essanfälle
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