Einführung in die Psychologie für Pflegewissenschaften WS2005/06 1 Homepage http://homepage.univie.ac.at/simone.sassenrath • Allgemeine Infos zur VO • Downloadbereich • Lehrinhalte 2 Einheit 1: 14.Oktober, 2005 • Entstehung der modernen Psychologie • Perspektiven der Psychologie • Forschungsmethoden 3 Gegenstand der Psychologie als Wissenschaft Wissenschaftliche Untersuchung von Verhalten von Individuen und ihren mentalen Prozessen (Erleben) 4 Gegenstand der Psychologie als Wissenschaft Gegenstand der Psychologie sind Verhalten, Erleben und Bewusstsein des Menschen, deren Entwicklung über die Lebensspanne und deren innere und äußere Bedingungen und Ursachen. 5 Gegenstand der Psychologie als Wissenschaft Wissenschaftlich - empirische Wissenschaft (überprüfbare Tatsachen) - vorgegebene Schritte für Analyse & Lösung von Problemen Verhalten - Verhalten = Aktivität - beobachtbares Verhalten - was tut man & wie setzt man das Tun in sozialen, kulturellen Kontexten um Individuum - Menschen (einzeln – Gruppen) - Tiere - Natürlicher Lebensraum - Laborbedingungen Mentale Prozesse - Verhalten NIE unabhängig von inneren Prozessen - Arbeitsweise des menschlichen Geistes Innere Ereignisse: denken, fühlen, planen, schlussfolgern, träumen… 6 Gegenstand der Psychologie als Wissenschaft Was sind die Ziele der Psychologie? Verhalten 1. beschreiben 2. erklären 3. vorhersagen 4. Kontrollieren 5. Lebensqualität verbessern 7 Gegenstand der Psychologie als Wissenschaft Was sind die Ziele der Psychologie? Verhalten 1. beschreiben 2. erklären 3. vorhersagen 4. Kontrollieren 5. Lebensqualität verbessern 8 9 Gegenstand der Psychologie als Wissenschaft Was sind die Ziele der Psychologie? Verhalten 1. beschreiben 2. erklären: Suche nach regelmäßigen Mustern im Verhalten & Erleben Dispositionelle Faktoren Situationale Faktoren 10 Gegenstand der Psychologie als Wissenschaft Was sind die Ziele der Psychologie? Verhalten 1. beschreiben 2. erklären 3. vorhersagen: Aussagen über Wahrscheinlichkeit mit der bestimmtes Verhalten auftritt Zusammenhänge 11 Gegenstand der Psychologie als Wissenschaft Was sind die Ziele der Psychologie? Verhalten 1. beschreiben 2. erklären 3. vorhersagen 4. kontrollieren: Verhalten auftreten lassen Form & Stärke zu verändern 12 Entstehung der modernen Psychologie “Die Psychologie hat eine lange Vergangenheit aber nur eine kurze Geschichte.” (Ebbinghaus, 1908) 13 Entstehung der modernen Psychologie Wilhelm Max Wundt (1832-1920), deutscher Psychologe, allgemein anerkannt als der Begründer der experimentellen Psychologie. Er wollte die elementaren Prozesse der Empfindung, Wahrnehmung und einfacher mentaler Prozesse verstehen 14 Entstehung der modernen Psychologie 1879 gründete Wilhelm Wundt in Leipzig das erste psychologische Laboratorium 15 Entstehung der modernen Psychologie • Edward Titchener (1867 – 1927),USA Psychologe - Wundt‘s Schüler - Er wollte Bewusstsein untersuchen - Arbeitete mit Introspektion - Thema: Struktur von Geist und Verhalten - daher Begründer des STRUKTURALISMUS 16 Entstehung der modernen Psychologie Strukturalismus Was ist der Inhalt des Geistes ? Der Strukturalismus basierte auf der Annahme, dass alle geistigen Erfahrungen, auch die komplexesten, als Kombinationen einfacher Ereignisse oder Elemente verstanden werden können; und er hatte zum Ziel, diese Aufbauprinzipien aufzudecken. 17 Entstehung der modernen Psychologie • William James (1842-1910), amerikanischer Philosoph und Psychologe - untersuchte auch Bewusstsein, ABER: - wollte Bewusstsein nicht auf Inhalte und Strukturen reduzieren - Für ihn war Bewusstsein eine Eigenschaft des Geistes, eine stetige Interaktion mit der Umwelt 18 Entstehung der modernen Psychologie Funktionalismus Was ist die Funktion oder das Ziel des Verhaltens? Das Bewusstsein ist ein fortwährendes Strömen, d. h. die Eigenschaft eines Geistes, der in ständiger Wechselwirkung mit seiner Umwelt steht. Untersuchungsgegenstand sind erlernte Gewohnheiten, die es einem Organismus ermöglichen, sich an seine Umwelt 19 anzupassen und wirksam zu handeln. Aktuelle Perspektiven der Psychologie 20 Perspektiven der Psychologie Es gibt keine alles umfassende Theorie in der Psychologie. Verschiedene Perspektiven greifen auf unterschiedliche Richtungen oder Sichtweisen der Forscher zurück 21 Perspektiven der Psychologie: Biologisch - Psychologische Phänomene werden durch physiologische und biochemische Prozesse erklärt - Verhalten ist durch körperliche Strukturen und ererbte Prozesse bestimmt 22 Perspektiven der Psychologie: Biologisch Biologische Perspektive Grundannahmen über die menschliche Natur Determinanten des Verhaltens Zentraler Untersuchungsgegenstand Wichtigste Forschungsansätze Passiv Vererbung Gehirn Mechanistisch Biochemische Prozesse Prozesse im Nervensystem Biochemische Grundlagen des Verhaltens und psychischer Prozesse 23 Perspektiven der Psychologie: Psychodynamisch • Freud, Sigmund (1856-1939), österreichischer Arzt, Neurologe und Begründer der Psychoanalyse. 24 Perspektiven der Psychologie: Psychodynamisch - Verhalten einer Person ist in hohem Ausmaß von grundlegenden psychischen Kräften bestimmt - Durch Motivationen bestimmt, die dem Bewusstsein nicht zugänglich sein müssen 25 Perspektiven der Psychologie: Psychodynamisch Grundannahmen über die menschliche Natur Determinanten des Verhaltens Zentraler Untersuchungsgegenstand Wichtigste Forschungsansätze Instinkt-geleitet Vererbung Unbewusste Triebe Verhalten als Ausdruck unbewusster Motive Frühe Erfahrungen Konflikte 26 Perspektiven der Psychologie: Behavioristisch - Ziel ist es, zu verstehen, wie bestimmte Reize (Stimuli) in der Umwelt bestimmte Reaktionen kontrollieren - Behavioristen leugnen jegliches Innenleben des Menschen - Verhalten ist Resultat von Lernen 27 Perspektiven der Psychologie: Behavioristisch Reiz Reaktion • Reiz (Stimulus): Umweltbedingung, die das Verhalten auslöst • Reaktion (Response): spezifisches Verhalten, auf den Stimulus 28 Perspektiven der Psychologie: Behavioristisch • Pavlov, Ivan (1849-1936), russischer Physiologe, Endecker des klassischen Konditionierens 29 Perspektiven der Psychologie: Behavioristisch Behavioristische Perspektive Grundannahmen Determinanten des Verhaltens Über die menschliche Natur Zentraler Untersuchungsgegenstand Wichtigste Forschungsansätze Reaktion auf Reize modifizierbar Spezifische beobachtbare Reaktionen Reiz-ReaktionsBeziehungen Umwelt Reize (Stimuli) Verhaltensursachen und konsequenzen - 30 Perspektiven der Psychologie: Kognitiv - Das Individuum nimmt Informationen bzw. Stimuli(Reize) aus der Umwelt auf (Input). - Zwischen Input und der Handlung (Output) verläuft der aktive Prozess der Kognition bzw. die Informationsverarbeitung. - Gedanken sind Ergebnisse und Ursachen von Handlungen. 31 Perspektiven der Psychologie: Kognitiv Lat. cognitio bedeutet Erkenntnis Der Begriff der Kognition umfasst Prozesse des Wahrnehmens, Schlussfolgerns, Erinnerns, Denkens, Problemlösens und Entscheidens und die Strukturen des Gedächtnisses, die Begriffe und die Einstellungen. 32 Perspektiven der Psychologie: Kognitiv Kognitive Perspektive Grundannahmen Determinanten des über die Verhaltens menschliche Natur Zentraler Untersuchungsgegenstand Wichtigste Forschungsansätze Auf Informationen reagierend Kognitive Strukturen und Prozesse Erschließen kognitiver Strukturen und Prozesse aus Input und Output Informationen aktiv verarbeitend Informationen, Prozesse und Strukturen der Informationsverarbei tung Sprache und Gedächtnis 33 Perspektiven der Psychologie: Humanistisch - Mensch ist ein aktives Geschöpf, das von Grund auf gut ist und über die Freiheit der Wahl verfügt. - Konzentrieren sich auf die vom Individuum subjektiv erfahrene Welt 34 Perspektiven der Psychologie: Humanistisch Humanistische Perspektive Grundannahmen Determinanten des Zentraler über die Verhaltens Untersuchungsmenschliche Natur gegenstand Wichtigste Forschungsansätze Aktiv Biographien und Lebenserfahrungen Unbegrenztes Wachstumspotential Potentiell selbstgesteuert Erfahrungen Entfaltungsmöglichkeiten des Menschen Werte Ziele 35 Perspektiven der Psychologie: ein Vergleich Biologische Perspektive: Untersuchung von Gehirnregionen Psychodynamische Perspektive: Aggressionen als Reaktionen auf Frustration Behavioristische Perspektive: Welche positiven Verstärkungen folgten auf aggressives Verhalten? Kognitive Perspektive: Gedanken und Gefühlen während die Person aggressive Szenen beobachtet Humanistische Perspektive: Suche nach den persönlichen Werten und sozialen Bedingungen, die das Individuum veranlasst haben aggressiv zu handeln Evolutionäre Perspektive: Untersuchung welche Bedingungen Aggression zu einem Anpassungsverhalten machte Kulturvergleichende Perspektive: Untersuchung und Vergleiche verschiedener Kulturen hinsichtlich der Interpretation und 36 dem Vorkommen von Aggression Forschungsmethoden der Psychologie 37 Forschungsmethoden der Psychologie Der psychologische Forschungsprozess • Psychologische Forschung versucht universelle Gesetze des Erlebens und Verhaltens zu entdecken (Nomothetischer Ansatz) • Zwei Bestandteile: 1. Der Entdeckungszusammenhang 2. Der Begründungszusammenhang 38 Forschungsmethoden der Psychologie Der Entdeckungszusammenhang • Entwicklung einer Idee: Beobachtungen Überzeugungen Neue Sichtweise – Neue Theorie Informationen Allgemeinwissen • Bestandteile einer Theorie - Erklärung bekannter Fakten - Generierung neuer Ideen und Hypothesen (vorläufig überprüfbare Aussage über den Zusammenhang zwischen 39 Ursache und deren Folge: Wenn – Dann – Aussage) Forschungsmethoden der Psychologie Der Begründungszusammenhang • Verlässliche Befunde zur Generierung gültiger Schlussfolgerungen • Die wissenschaftliche Methode - Bestimmte Vorgehensweise um Befunde zu sammeln - Fehlerquellen minimieren • Probleme: Objektivität - 1. Beobachterabhängige Urteilsverzerrung - 2. Konfundierende Variablen 40 Forschungsmethoden der Psychologie 1. Die beobachterabhängige Urteilsverzerrung (Observer bias) 41 Forschungsmethoden der Psychologie wasserbild1 42 Forschungsmethoden der Psychologie wasserbild2 43 Forschungsmethoden der Psychologie wasserbild3 44 Forschungsmethoden der Psychologie Die beobachterabhängige Urteilsverzerrung (Observer bias) Arten den observer bias zu veringern: • Die Standardisierung - Verwendung einheitlicher, konsistenter Verfahren - Vergleichbarkeit zu anderen Zeitpunkten & Orten, mit anderen Probanden muss gegeben sein • Operationale Definitionen - ganz genaue Angaben und Definitionen von der Variable die man untersuchen möchte 45 Forschungsmethoden der Psychologie • Die unabhängige Variable: Eine Reiz- oder Stimulusbedingung, deren Wert unabhängig von allen anderen Variablen des Experiments, variieren kann. Versuchsbedingung, kann vom Vl verändert werden, Reizvariable • Die abhängige Variable: Jede Variable, deren Wert des Ergebnis von Veränderungen einer oder mehrere unabhängiger Variablen sind. Sie hängt von Veränderungen der Stimulusbedingung ab. Reaktionsvariable 46 Forschungsmethoden der Psychologie Beispiel: Hypothese: WENN Kinder viel Gewalt im Fernsehen sehen, DANN werden sie häufiger aggressive Handlungen gegenüber Spielkameraden ausführen Experiment: Filme zeigen – Menge an Gewalt die enthalten ist, wird variiert = unabhängige Variable (Reizvariable) Verhaltensbeobachtung: Wie viel Aggression legen die Probanden an den Tag = abhängige Variable (Reaktionsvariable) 47 Forschungsmethoden der Psychologie Der Begründungszusammenhang • Verlässliche Befunde zur Generierung gültiger Schlussfolgerungen • Die wissenschaftliche Methode - Bestimmte Vorgehensweise um Befunde zu sammeln - Fehlerquellen minimieren • Probleme: Objektivität - 1. Beobachterabhängige Urteilsverzerrung (observer bias) - 2. Konfundierende Variablen 48 Forschungsmethoden der Psychologie 2. Konfundierende Variablen (Störvariablen) • Erwartungseffekt - Versuchsleitereffekte - Rosenthal-effekte • Placeboeffekt - Probanden verändern ihr Verhalten ohne experimentelle Manipulation - Antwortverhalten verändert sich durch Erwartungen der Probanden Art Störvariablen zu verringern: • Kontrollbedingungen - Alle Variablen und Bedingungen konstant halten (Räumlichkeit, Zeitaufwand, Instruktion) bis auf die unabhängige Variable 49 Forschungsmethoden der Psychologie Repräsentativität • Eine Stichprobe ist dann repräsentativ, wenn sie die Eigenschaften der Population möglichst genau wiederspiegelt (Geschlechterverteilung, ethnische Gruppierung, sozioökonomischer Status usw.) 50 Forschungsmethoden der Psychologie Gütekriterien & Messgenaugikeit zur Erlangung verlässlicher und gültiger Schlussfolgerungen Objektivität Ergebnisse einer wissenschaftlichen Studie sollen unabhängig von Versuchsleiter sein Reliabilität oder Zuverlässigkeit Konsistenz und Verlässlichkeit von Instrumenten Validität oder Gültigkeit Das Ausmaß, in dem ein Test das misst, was er zu messen vorgibt Normierung Testverfahren müssen genormt werden. Das geschieht im Vergleich mit Ergebnissen von möglichst vielen Personen. Je mehr Personen in der Vergleichsgruppe untersucht 51 werden, umso sicherer kann eine Aussage gemacht werden. Forschungsmethoden der Psychologie Methoden wissenschaftlicher Forschung: 1. die Beobachtung Selbstbeobachtung: - Gezielte Beobachtung des eigenen Verhaltens und Erlebens (Zeit, Situation und Einflussfaktoren dokumentieren) - Eigenes Verhalten und Erleben erkennen, bewerten und bewusst verändern !!Aufpassen: - Wahrnehmung des eigenen Verhaltens immer subjektiv - verzerrtes Bild - Verhalten ändert sich, wenn man weiß, dass man beobachtet wird - Selbstbeobachtung keine wissenschaftlich exakte Methode, aber sehr wichtig zur Hypothesenbildung (Annahmen über psychische Vorgänge) 52 Forschungsmethoden der Psychologie Fremdbeobachtung Wichtige Rolle: Pflegepersonal (sehr engen und regelmäßigen Kontakt) Veränderungen fallen ihnen als erstes auf Teilnehmende Beobachtung: Der Beobachter ist in die Situation integriert Nicht-teilnehmende Beobachtung: außen stehende Personen nehmen Beobachtung vor Systematische Beobachtung: Beobachtung nach genau festgelegten Kriterien Unsystematische Beobachtung: Beobachtung ohne bestimmtes Ziel und ohne vorher festgelegte Kriterien !! Aufpassen: - Mehrere unabhängige Beobachter erhöhen die Objektivität - Verwendung von standardisierten Messverfahren, die wenig Interpretationsspielraum lassen (Blutdruckwerte) 53 Forschungsmethoden der Psychologie 2. die Befragung mündliche Befragung offene Befragung: gestaltet sich aus der Situation heraus, der Fragende hat keinen festen Plan, nach dem das Interview ablaufen soll. Das Gespräch kann bei jedem Befragten völlig anders verlaufen strukturiertes Interview: exakt formulierte Fragen stehen fest, an die sich der Fragende halten muss, jeder bekommt dieselben Fragen (ident. Formulierung) teilstrukturiertes Interview: wichtige Leitfragen vorgegeben, andere ergeben sich aus Situation heraus, neue Aspekte können eingebracht werden !!Aufpassen Art und Weise des Fragens, Einfluss, Tonfall und die Auswertung lassen großen Spielraum für Subjektivität 54 Forschungsmethoden der Psychologie 3. die Fragebögen: schriftliche Befragung - Lesen und Schreiben ist Voraussetzung - Ältere Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit und kognitiven Einbußen Probleme - Keine Kontrolle, ob Patient Fragen wirklich verstanden hat - Leichter bei der Auswertung - Weniger Spielraum für Subjektivität - Verschiedene Arten (multiple choice, frei Formulierungen) 55 Forschungsmethoden der Psychologie 4. Psychologische Testverfahren: - Messverfahren, um psychologische Merkmale messbar zu machen (zu quantifizieren) - Ziel: durch Vergleich mit anderen Menschen oder Gruppen den Ausprägungsgrad von Eigenschaften zu ermitteln und Vorhersage über zukünftiges Verhalten zu machen - Intelligenz, Sprachfähigkeit, Rechenfähigkeit, Entwicklungsstand, Motorik, Persönlichkeitsmerkmale, Aggressivität, Angst, Suizidalität, Interessen, Motive…. !!Aufpassen Stigmatisierung 56