Lernstrategien Sophie Grothusen Themen der pädagogisch-psychologischen Diagnostik 19.06.06 Gliederung Warum ist das Thema „Lernstrategien“ von Interesse? Welche Lernstrategien gibt es? Die Erfassungsmethoden: KSI und LIST Lernstrategien und PISA 2000 Einleitung 1. Warum ist das Thema „Lernstrategien“ von Interesse? In meiner Schulzeit habe ich vor allem gelernt, das Gelernte wieder zu vergessen. Thomas Wehner, (*1984), Schüler Fokus auf Lernstrategien Folge des Perspektivenwechsels vom Zentrale Annahme: Behaviorismus zur Kognitionspsychologie Wenn man weiß, was Lernen als aktiver Prozess erfolgreiche Lernprozesse Mit Hilfe von Lernstrategien kann der Lernende sein auszeichnet, dann besteht eigenes Lernen kontrolliert ein Vorteil im Prozess des Schlüsselqualifikationen, deren Vermittlung in Schule, lebenslangen Lernens! Hochschule etc. Vorrang haben sollte Schulischer Unterricht erlaubt es reichhaltige Erfahrungen mit unterschiedlichen Lernstrategien zu machen Werkzeugkoffer Bedeutung von Lernstrategien in der Schule „Methodenkompetenz umfasst die Fähigkeit und die Bereitschaft, Lernstrategien zu entwickeln, unterschiedliche Techniken und Verfahren sachbezogen und situationsgerecht anzuwenden“ (Bremen) Bedeutung von Lernstrategien in der Schule „Förderung von Kompetenzen im Bereich des Erlernens eigener Strategien“ (Rheinland-Pfalz) „Das Lernen selbst lernen“ (Nordrhein-Westfalen) Lernstrategien als Bildungsstandards Deutsch im Bereich Lesen: „Mit Texten und Medien umgehen, Strategien zum Leseverstehen kennen und anwenden, die Schüler verfügen über grundlegende Verfahren für das Verstehen von Texten, sie entnehmen selbstständig Informationen aus Texten, verknüpfen sie miteinander und verbinden sie mit ihrem Vorwissen, dafür entwickeln sie verschiedenen Lesetechniken und setzen Lesestrategien ein.“ (KMK, 2003, S. 16, 18, 20) Lernstrategien als Bildungsstandards Erste Fremdsprache: „Die Schüler können für sie förderliche Lernbedingungen, erkennen und nutzen, ihre Lernarbeit organisieren und die Zeit einteilen, Fehler erkennen und diese Erkenntnisse für den eigenen Lernprozess nutzen, ihren eigenen Lernfortschritt beschreiben und ggf. in einem Portfolio dokumentieren, Methoden des Spracherwerbs reflektieren und diese auf das Lernen weiterer Sprachen übertragen“ (KMK, 2003, S. 16, 18, 20) Selbstregulierendes Lernen Fazit: Was sollen Schülern jetzt genau können? - sich selbstständig Lernziele setzen - Dem Inhalt und Ziel angemessene Techniken und Strategien auswählen und sie auch einsetzen - Motivation aufrecht erhalten - Zielerreichung bewerten und nach Abschluss des Lernprozesses wenn nötig korrigieren Einleitung 2. Welche Lernstrategien gibt es? Taxonomie der Lernstrategien 1. Primär- und Stützstrategien Primärstrategien: Wirken direkt auf die zu erwerbende bzw. zu verarbeitende Information ein, so dass diese besser verstanden, behalten, wieder abgerufen und transferiert werden kann Stützstrategien: Zielen auf die Beeinflussung jener motivationalen und exekutiven Funktionen, die auf den Prozess der Informationsverarbeitung indirekt einwirken indem sie ihn in Gang setzen, aufrechterhalten und steuern. (Einteilung von Dansereau 1978, 1985) Beispiel: Mind Map Mnemotechniken: Methode der Orte Erfindung der Technik vom griechischen Dichter Simonides, 500 v. Chr. Zugeschrieben: Locitechnik: Vorgehen Einen bekannten Weg aussuchen, z.B. Weg zur Uni, Zimmer der eigenen Wohnung, Körper etc. Die bildlichen Vorstellungen der zu lernenden Begriffe werden mit den Wozu kann man das brauchen? verschiedenen Orten bildhaft assoziiert. Lernen von Listen, Behalten Beim Abrufen der Informationen von wird Handlungsfolgen in z.B. bei der Vorstellung der Weg von Ort zu Ort Operation, Lernen von einer durchgegangen. Gliederungen, Zifferfolgen etc. Primärstrategien Schlüsselwortmethode (Atkinson 1975 und Raugh et. Al. 1977) - Geeignet zum Vokabellernen - Der Lernende muss die gesprochene Vokabel mit einem Wort der Muttersprache verbinden, das ähnlich wie die zu lernenden Vokabel klingt Weitere Primärstrategien sind - das Schreiben von Dingen, die man sich merken muss Im Kontext des Problemlösens: - Mittel-Ziel-Analyse (Turm von Hanoi) Stützstrategien Selbstmotivierung Strategien der Aufmerksamkeitssteuerung und der Zeitplanung Strategien der metakognitiven Kontrolle des eigenen Lernens, durch die ein Lernender z.B. feststellt ob er etwas verstanden hat oder nicht situationsangemessene Auswahl von Techniken und Prozeduren für verschiedenen Lernsituationen Taxonomie der Lernstrategien 2. Allgemeine und spezifische Lern- und Denkstrategien Allgemeine Strategien: Strategien des Selbstmanagements, der Selbstmotivierung, der Zeitplanung haben einen hohen Allgemeinheitsgrad Hochspezifische Strategien: Beispiel 13 + 5 5 + 13 32 + 13 = 45 32 + 10 + 3 = 45 Taxonomie der Lernstrategien 3. Mikro- und Makrostrategien Mikroebene: Elementare Informationsverarbeitungsprozesse, z.B. Vergleichen, mentales Rotieren, Finden von Oberbegriffen etc. Makroebene: Prozesse langer zeitlicher Erstreckung, längerfristiges Arbeitsverhalten in Studium und Schule, Koordination der Lernaktivitäten mit anderen Aktivitäten Taxonomie der Lernstrategien 4. Beschreibung von Lern- und Denkstrategien nach ihrer Funktion für den Prozess der Informationsverarbeitung Wiederholungsstrategien: Aktives Wiederholen und Hersagen Elaborationsstrategien: Neues Wissen in bestehende kognitive Struktur integrieren Organisationsstrategien: Voraussetzungen fürs Lernen schaffen Kontrollstrategien: Eigenen Lernverlauf kontrollieren Beispiel: Yeti - Mensch 4. Thema 3. Die Erfassungsmethoden: KSI und LIST Erfassung von Lernstrategien - Geringe Übereinstimmung zwischen selbst berichteten Was gibt es dabei für und Schwierigkeiten? Lernstrategieeinsatz tatsächlichen Einsatz - Vorformulierte Lernstrategien - Inventare erfassen eher Lernpräferenzen als tatsächliches Lernverhalten - Strategienutzung und Strategiewissen kann erheblich variieren - Deutliche Unterschiede auch in der Höhe des Zusammenhangs zwischen Lernstrategie und Lernleistung Kieler Lernstrategie Inventar (KSI) Das KSI erfasst die Strategiedimensionen Memorieren, Elaboration, Transformation, Planung, Überwachung und Regulation Schülerstichprobe zur BIJU-Untersuchung (Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, 1996) durchgehend gute bis sehr gute Reliabilitäten (.78 < Cronbachs α <.89). Baumert et al., 1992 Kieler Lernstrategie Inventar (KSI) Skala Beispielitems Itemzahl Memorieren … versuche ich alles auswendig zu lernen, was drankommen könnte.“ 5 Elaboration … versuche ich das Neue mit den Dinge zu verbinden die ich schon früher gelernt habe.“ 12 Transformation … veranschauliche ich mir die wichtigsten Zusammenhänge in einer Skizze.“ 10 Planung … mache ich mir zuerst klar, wie ich am besten bei der Vorbereitung vorgehe, dann erst beginne ich.“ 8 … beobachte ich mich ab und zu selbst um sicher zu sein, dass ich das Gelernte auch verstehe.“ 7 „Wenn ich lerne, … Überwachung (Baumert, Heyn & Köller, 1992) Kieler Lernstrategie Inventar (KSI) Erfassung von Lernstrategien im Studium (LIST) Der LIST erfasst folgende Skalen: 1. Organisieren Zusammenfassungen und Gliederungen 2. Elaborieren Tieferes Verstehen des Stoffes 3. Kritisches Prüfen Kritisches Hinterfragen von Aussagen 4. Wiederholen schlichtes Wiederholen 5. Metakognition "Planung", "Überwachung" und "Steuerung" 6. Anstrengung Anstrengungen , um Lernziele zu erreichen 7. Aufmerksamkeit und Zeitmanagement 8. Lernumgebung, die ein konzentriertes Arbeiten ermöglicht 9. Lernen mit Studienkollegen 10. Literatur wird auf zusätzliche Literatur zurückgegriffen (Wild & Schiefele, 1994) Lernstrategien im Studium (LIST) Skala Beispielitems Itemzahl Organisieren Ich gehe meine Aufzeichnungen durch und mache mir dazu eine Gliederung mit den wichtigsten Punkten. 8 Elaborieren Ich denke mir konkrete Beispiele zu bestimmten Lerninhalten aus. 8 Kritisches Prüfen Ich frage mich, ob der Text, den ich gerade durcharbeite, wirklich überzeugend ist. 8 Wiederholen Ich lese meine Aufzeichnungen mehrmals hintereinander durch. 7 Metakognitive Strategien Ich überlege mir vorher, in welcher Reihenfolge ich den Stoff durcharbeite. Ich lege im vorhinein fest, wie weit ich mit der Durcharbeitung des Stoffs kommen möchte. 11 (Wild & Schiefele, 1994) Lernstrategien im Studium (LIST) Skala Beispielitems Itemzahl Zeitmanagement Ich lege bestimmte Zeiten fest, zu denen ich dann lerne 4 Aufmerksamkeit Beim Lernen bin ich unkonzentriert. 6 Anstrengung Gewöhnlich dauert es nicht lange, bis ich mich dazu entschließe, mit dem Lernen anzufangen. 8 Lernumgebung Ich lerne an einem Platz, wo ich mich gut auf den Stoff konzentrieren kann. 6 Lernen mit Studienkollegen Ich bearbeite Texte oder Aufgaben zusammen mit meinen Studienkollegen 7 Wenn ich einen Fachbegriff nicht verstehe, so schlage ich in einem Wörterbuch nach. 4 Literatur (Wild & Schiefele, 1994) 4. Thema 5. Einsatz von Lernstrategien im Unterricht in deutschen Schulen – Vergleiche zwischen den Ländern auf Basis der PISA 2000 Daten Was wurde erfasst? Kognitive und Metakognitive Lernstrategien: ElaborationsWiederholungs- und Kontrollstrategien Motivationale Präferenzen und Volition: Interesse am Lesen, an Mathematik, Instrumentelle Motivation und Anstrengung und Ausdauer beim Lernen Selbstbezogenen Kognitionen: Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, Verbales, Mathematisches und akademisches Selbstkonzept Motivationale Präferenzen und Volition Theorie der Lernmotivation von Deci und Ryan (1985) Intrinsische und extrinsische Lernmotivation Extrinsisch motiviert: Belohnungen Intrinsisch motiviert: Interesse, Spaß am Lernen Die Messung von Mustern inhalts- und fachbezogener Interessen kann auf die Stärken und Schwächen unterschiedlicher Schulsysteme hinweisen, die Motivation von Schülern zu fördern! Selbstbezogenen Kognitionen 1. 2. Zwei prominente Forschungsrichtungen: Selbstkonzeptforschung von Marsh (1993) Selbstkonzepte sind Vorstellungen, Einschätzungen und Bewertungen, die die eigene Person betreffen Selbstwirksamkeitserwartungen von Bandura (1994) Selbstwirksamkeit ist das Vertrauen in die eigenen Kompetenz und Selbstwirksamkeitserwartung ist die subjektive Gewissheit Handlungen auch dann ausführen zu können, wenn Barrieren auftauchen! PISA 2000: Wie wurde was gemessen? - - Elaborations-, Wiederholungs- und Kontrollstrategien 4-5 Items Antworten: „fast nie“ (1) bis „fast immer“ (4) Diese lassen sich als Häufigkeiten des Einsatzes dieser Strategien verstehen „1“ bedeutet hier äußerst seltener Einsatz und „4“ einen sehr regelmäßigen Einsatz Skalenbildung: Mittelwertbildung Beispiele für Items Wiederholungsstrategien: „Wenn ich lerne, lerne ich so viel wie möglich auswendig.“ Elaborationsstrategien: „Wenn ich lerne, versuche ich, neuen Stoff mit Dingen zu verbinden, die ich in anderen Fächern gelernt habe.“ Kontrollstrategien: „Wenn ich lerne und etwas nicht verstehe, suche ich nach zusätzlicher Information, um das Problem zu klären.“ Messung der Motivationalen Präferenzen Instrumentelle Motivation, Interesse Lesen und Mathematik, Anstrengung und Ausdauer Anzahl Items: 3 Skalierung: 1 „fast nie“ 2 „manchma“l 3 „oft“ 4 „fast immer“ für Motivation und Anstrengung und Ausdauer Skalierung: 1 „trifft nicht zu“ 2 „trifft eher nicht zu“ 3 „trifft eher zu“ 4 „trifft zu“ für Interesse Skalenbildung: Mittelwertbildung Beispiele für Items Instrumentelle Motivation „Ich lerne, damit ich in der Zukunft finanziell abgesichert sein werde.“ Interesse (Lesen) „Weil mir das Lesen Spaß macht, würde ich es nicht gerne aufgeben.“ Interesse (Mathematik) „Weil mir die Beschäftigung mit Mathematik Spaß macht, würde ich das nicht gerne aufgeben.“ Anstrengung und Ausdauer „Wenn ich lerne, arbeite ich so fleißig wie möglich.“ Messung der Selbstbezogenen Kognitionen Selbstwirksamkeit, verbales, mathematisches und akademisches Selbstkonzept Anzahl Items: 3 - 4 Skalierung: 1 „fast nie“ bis 4 „fast immer“ für Selbstwirksamkeit Skalierung: 1 „trifft nicht zu“ bis 4 „trifft zu“ für Selbstkonzept (verbal und Mathematik) und Akademisches Selbstkonzept Skalenbildung: Mittelwertbildung Beispiele für Items Control expectancies „Wenn ich mir vornehme, keine schlechten Noten zu bekommen dann gelingt es mir.“ Selfefficacy „Ich bin überzeugt, dass ich die grundlegenden Inhalte, die gelehrt werden, verstehen kann.“ Selbstkonzept (verbal) „Im Fach Deutsch bin ich ein hoffnungsloser Fall“ Selbstkonzept (Mathematik) „Mathematik ist eines meiner besten Fächer.“ Akademisches Selbstkonzept „Ich bin in den meisten Schulfächern gut.“ Ergebnisse: Lernstrategien 4 3,8 3,6 3,4 3,2 3 2,8 2,6 2,4 2,2 2 1,8 1,6 1,4 1,2 1 Wiederhol Elabora Kontrolle Bu chn chs du r s nde m n rg nbu - Po ck Me nde s der Bra Nie S-H e ring n n me yer T hü Bre Ba Signifikant unter dem Bundesdurchschnitt it t Signifikant über dem Bundesdurchschnitt Ergebnisse: Interesse und Motivation 4 3,8 3,6 3,4 3,2 3 2,8 2,6 2,4 2,2 2 1,8 1,6 1,4 1,2 1 Instrum Motivation Lesen Mathe Bu chn chs du r s nde lt it t Signifikant unter dem Bundesdurchschnitt m a Anh n en - - Po chs ck Me Sa e ring s der T hü Nie S-H n n me yer Bre Ba Signifikant über dem Bundesdurchschnitt Ergebnisse: Selbstwirksamkeit und Selbstkonzept 4 3,8 3,6 3,4 3,2 3 2,8 2,6 2,4 2,2 2 1,8 1,6 1,4 1,2 1 tt cni chs du r SK Mathe s nde m lt SK Verbal Bu - Po a Anh n en chs ck Me Sa e ring s der T hü Nie S-H n n me yer Bre Ba Selbstwirk SK Akad Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und einen schönen Montag noch!