Entscheidungen in Organisationen (Teil 1)

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Entscheidungen in Organisationen
(Teil 1)
Stephan Wolff
Institut für Sozial- und Organisationspädagogik
Universität Hildesheim
Sommersemester 2007
Seminar: Entscheidungen in Organisationen
Zeit: Mi 10-12 Uhr
Raum: D 017
Teilnehmerkreis: MA SOP/OP Modul 1 (andere nach Rücksprache)
Inhalt: Einführung in Modelle der organisationswissenschaftlichen
Entscheidungsforschung und Vertiefung anhand ausgewählter
Fragestellungen
und Anwendungsfelder. Die Veranstaltung gliedert sich in einen
Vorlesungs- und
einen Seminarabschnitt.
In der einführenden Vorlesung
 möchte ich Hinweise zur Klärung des Verhältnisses von
Organisation(stheorie) und Entscheidung(-stheorie) geben;
 auf die kognitiven und interaktiven Aspekte von
Entscheidungsprozessen zu sprechen kommen;
 darstellen, wie organisatorische Entscheidungen unter Bedingungen
hoher Unsicherheit und Komplexität ablaufen;
 verschiedene Varianten des Rationalitätsbegriffs erörtern; sowie
 Strategien für die Beeinflussung von Entscheidungsprozessen im
Rahmen von Organisationsentwicklung- und Organisationsberatung
diskutieren.
 Der Vortrag soll durch Rollen- und Computerspiele, und die
Präsentation von exemplarischen Entscheidungskonstellationen
Themen für Referate
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
Der gekonnte Umgang mit Komplexität (Dörner 1983, 1989).
"Wir müssen immer auch den Zusammenhang sehen“: Situative Aspekte
der Entscheidungsfindung (Emerson 1983; Wolff 1983, S. 86 ff.))
(Fatale) Eigentümlichkeiten von Entscheidungen in Gruppen: "Group
think“, Eskalation von Commitment und Risikoverschiebung (Janis 1982,
Weinert 2004, Staw 1976, Laux 2005).
Vertrauen oder Eigeninteresse: Gefangenen im Dilemma (Dawkins 1995)
“Ernste Spiele” - Entscheidungen als Test und Ausdruck von Identität
und sozialer Zugehörigkeit (Geertz 1983; Goffman 1971; Tertilts 1996)
Börsenspiel: Entscheiden im Markt (Abolofia 1996; KnorrCetina/Brügger 2004)
Tragische Wahlen: Auswahlprozesse auf Intensivstationen, in
Notenkonferenzen und im Fallmanagement (Anspach 1999; Kalthoff
1997 (127-152), 2000; Mehan 1993; Mehan, H./ Hertweck, A./ Meihls,
J.L. 1986, Peyrot 1982; Vogd 2004)
Sozial-vertragliche Lösungsfindung: Entscheidung und Verfahren
(Luhmann 1969, S. 11-26, 38-54, 201-218)
Bauchentscheidungen: Warum man oft nach Sekunden schon weiß, was
los ist (Gladwell 2005)
Einfache Faustregeln und Heuristiken, die uns clever machen
(Gigerenzer 2006)
Wie Profis selbst unter hohem Druck vernünftig entscheiden (Klein
2003, Kap 1-5, Klatetzki 2006; Weick/Klein 200o)
Strategie und Entscheidung (Mintzberg u.a. 1976, Mintzberg 2002)
Scheinvoraussetzungen


Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer führen ein e-mail-Tagebuch
und senden spätestens einen Tag vor der nächsten Sitzung 3
Rückmeldungen:
 Diese drei Einsichten habe ich mitgenommen
 Das möchte ich noch klären oder vertiefen
 Damit bin ich nicht einverstanden bzw., das sehe ich kritisch
an den Veranstalter, der in der nächsten Stunde zu den
Rückmeldungen
Stellung nimmt. Erwartet werden Tagebucheinträge von mindestens
7 (von
12) Sitzungen und eine resümierende Abschlussstellungnahme zu
den drei
Kategorien.
Jede Seminarteilnehmerin beteiligt sich zudem aktiv an der
Vorbereitung einer Seminarstunde. Dazu finden sich zwei
Studierende in einer Arbeitsgruppe zusammen. Das bis zu 30minütige Referat sollte mit einen kurzen Thesenpapier ergänzt
werden. Seminargestaltung (inklusive der Diskussionsleitung) und
Rückmeldungen werden zu je 50% gewertet.
Literatur
Grundlagen
 BEACH, Lee Roy (1997): The Psychology of Decision Making.
People in Organizations. Thousand Oaks: Sage.
 DÖRNER, Dietrich (1992): Die Logik des Misslingens. Reinbek:
Rowohlt. (zur Anschaffung empfohlen)
 LUHMANN; Niklas (2000): Organisation und Entscheidung.
Wiesbaden/ Opladen: Westdeutscher Verlag.
 MARCH, James G. (1994): A Primer on Decision Making. How
Decisions Happen. New York: Free Press.
Entscheidungsspiele
 ANTONS, Klaus (1992): Praxis der Gruppendynamik. 5.,
überarbeitete und ergänzte Auflage. Göttingen u.a.: Hogrefe.
 VESTER, Eric (1999): Ecopolicy. Ravensburg: Müller.
Filme: Zeugin der Anklage; Cincinnaty Kid; Thirteen Days
Themen und Zeitplan für das Kolloquium
(11.4., 18. 4., 25.4. und 2.5. 2007)





Einführung
Entscheidungsübung in Gruppen (DienstwagenÜbung; vgl. Antons, S. 149 ff.)
Vorlesung: Soziologische Anmerkungen über
Organisation und Entscheidung (durch den
Veranstalter)
Ecopolicy-Spielen in 5er-Gruppen (4
Kabinettsmitglieder und 1 Beobachter)
Beobachtung und Protokollierung von
Entscheidungssituationen
Datum
Thema
Literatur
Bearbeiter
11.04.- 2.05.
Vorlesung
March, Luhmann
Wolff
09.05.
Entscheidungen in komplexen Systemen
Dörner 1983, 1989
Klaus, Bock
06.06.
"Wir müssen immer auch den Zusammenhang
sehen“: Situative Aspekte der
Entscheidungsfindung
Emerson 1983; Wolff
1983, S. 86 ff.
Brückner,
Stärk
Janis 1982, Weinert
2004, Staw 1976,
Laux 2005
Evin,
Bölter
13.06.
(Fatale) Eigentümlichkeiten von
Gruppenentscheidungen: Group think,
Eskalation von Commitment und Risk shift
16.05.
Ernste Spiele - Entscheidungen als Test und
Ausdruck von Identität/sozialer
Zugehörigkeit
Geertz 1983;
Goffman 1971;
Tertilts 1996
Kaupp,
Scholtz
11.07
Sozial-vertragliche Lösungsfindung: Verfahren
Luhmann 1969, S. 1126, 38-54, 201-218
Fröhlich,
Bischt
20.06.
Bauchentscheidungen: Warum man oft nach
Sekunden schon weiß, was los ist
Gladwell 2005
Schneemann
, Hackel
27.06.
1. Wie Profis selbst unter hohem Druck
vernünftig entscheiden (NDM)
2.
Faustregeln und Heuristiken, die uns clever
machen
1. Klein 2003, Kap 15, Klatetzki 2006;
Weick/Klein 200o
2. Gigerenzer 2006
Baule,
Bühnemann,
04.07.
Strategie und Entscheidung
Mintzberg u.a. 1976,
Mintzberg 2002
Gunkel,
Küsel
23.05
Vertrauen oder Eigeninteresse: Gefangen im
Dilemma (23.5./13.6.)
Dawkins 1995
Jäser, König
Rüter,
Saupe
LITERATURLISTE
ABOLAFIA, Mitchel Y. (1996): Hyper-Rational Gaming. Journal of Contemporary Ethnography
25: 226-50
ANSPACH, Reneé R. (1999): Deciding Who Lives. Fateful Choices in the Intensive-Care Nursery.
Berkeley u.a.: University of California Press.
AXELROD, Ronald (2005): Die Evolution der Kooperation. 6. Auflage. Oldenburg.
BAECKER, Dirk (1994): Postheroisches Management. Ein Vademecum. Berlin: Merve. (Darin: Der
Begriff der Entscheidung, S. 156-159; Das Mysterium der Entscheidung, S. 159-162.)
BERGER, Ulrike (2003): Die Verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie. S. 127-160 in: A.
Kieser (Hg.), Organisationstheorien. Stuttgart, Berlin, Köln: Kohlhammer (3. Auflage)
BUCKHOLDT, David R./ Gubrium, Jaber F. (1979): Doing Staffings. Human Organization 38:
255-264.
DAWKINS, Richard (1994): Das egoistische Gen. Ergänzte und überarbeitete Neuauflage.
Heidelberg u.a.: Spektrum (darin: Kap. 12: Nette Kerle kommen zuerst ans Ziel)
DÖRNER, Dieter (1983): Lohhausen. Vom Umgang mit Unbestimmtheit und Komplexität. Bern:
Huber.
DÖRNER, Dietrich (1989): Die Logik des Misslingens. Reinbek: Rowohlt.
EMERSON, Richard M. (1983): Holistic Effects in Social Decision Making. Law and Society
Review 17: 425-455.
GIGERENZER, G. (2006). Einfache Heuristiken für komplexe Entscheidungen. Jahrbuch 2005 der
Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, 51, 337-343.
GIGERENZER, G. (2006): Eingeschränkte Rationalität. MPI-Berlin Ms.
GIGERENZER, G. et al. (1999): Simple Heuristics That Make Us Smart. New York, Oxford:
Oxford University Press.
LITERATURLISTE
GLADWELL, M. (2005): Blink. Die Macht des Moments. Frankfurt am Main/ new York: Campus.
GOFFMAN, Erving (1971): Wo was los ist - wo es action gibt. In: Ders., Interaktionsrituale. Über
Verhalten in direkter Kommunikation. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
JANIS, Irving L. (1972): A Perfect Failure: The Bay of Pics. S. 14-49 in ders.: Victims of Groupthink.
KAHNMAN, Daniel/ SLOVIC, Paul/TVERSKY, Amos (eds.)(1982):Judgement Under Uncertainty:
Heuristics and Biases. Cambridge: Cambridge University Press.
KALTHOFF, Herbert (1997): Das Zensurenpanoptikum. S. 127-152 in ders.: Wohlerzogenheit.
Frankfurt/New York: Campus.
Kalthoff, Herbert (200): »Wunderbar, richtig«. Zur Praxis des mündlichen Bewertens im Unterricht.
Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 3: 429-446.
KLEIN, Gary/ WEICK, Karl (2000): Making better decisions. Across the Board 37: 16-22
KNORR-Cetina, K./ Brügger, U. (2003): Globale Mikrostrukturen der Weltgesellschaft. Die virtuellen
Gesellschaft von Finanzmärkten.
LAUX, Helmut (2005): Elemente des Entscheidungsprozesses in Gruppen. Berlin, Heidelberg.
LUHMANN, Niklas (1969): Legitimation durch Verfahren. Neuwied: Luchterhand.
LUHMANN, Niklas (1978): Organisation und Entscheidung. Opladen: Westdeutscher Verlag.
MARCH, James. G. (Hg.) (1990): Entscheidung und Organisation. Wiesbaden: Gabler.
MARCH, James G. (1994): A Primer on Decision Making. How Decisions Happen. New York: Free
Press.
MEHAN, Hugh ( 1993): Beneath the Skin and Between the Ears: A Case Study in the politics of
Representation. In: Understanding Practice. Edited by S. Chaiklin and J. Lave, 241-268. New York:
Cambridge University Press
LITERATURLISTE
MEHAN, H./ HERTWECK, A./ MEIHLS, J.L. (1986): Handicapping the Handicapped: Decision
Making in Student's Careers. Stanford: Stanford University Press.
MINTZBERG, H./ RAISINGHANI, D./ THÉORÈT, A. (1976): The Structure of
“Unstructured” Decision Processes. Administrative Science Quarterly 21: 246 ff.
NECK, Christopher P./Moorhead, Gregory (1995): Groupthink Remodeled: The Importance of
Leadership, Time Pressure, and Methodical Decision-Making Procedures. Human Relations 48:
537-557.
PEYROT, Mark (1982): Caseload Management: Choosing Suitable Clienty in a Community Health
Clinic Agency. Social Problems 30: 157-167.
SIMON, Herbert A. (1993): Homo Rationalis. Die Vernunft im menschlichen Leben. Frankfurt am
Main/New York.
STAW, Barry M. (1976): Knee-Deep in the Big Muddy: A Study of Escalating Commitment to a
Chosen Course of Action. Organizational Behavior and Human Performance 16: 27-44.
STAW, B.M./ROSS; J. (1987): Behavior in Escalation Situations. Reasearch in Organizational
Behavior 9: 39-78.
TERTILTS, H. (1996): Turkish Power Boys. Ethnographie einer Jugendbande. Frankfurt:
Suhrkamp
VAUGHAN, Diane (1995): The Challenger Launch Decision: Risky Technology, Culture, and
Deviance at NASA. Chicago: University of Chicago Press.
VOGH, W. (2004): Ärztliche Entscheidungsfindung im Krankenhaus. Zeitschrift für Sozioogie, S.
26-47.
WEINERT, Ansfried B. (2004): Organisations- und Personalpsychologie.Weinheim, Basel: Beltz.
Dienstwagenübung
K. Antons, Praxis der Gruppendynamik.
Göttingen u.a., 1992, S. 149ff.)
Lösungen:
1. Schmitt bekommt neuen Wagen, Schmids Wagen bekommt Meier,
Meiers Wagen bekommt Kaiser, Kaisers Wagen wird verkauft, das Geld geht in die Reparatur von
Herrn Richters Wagen, Schneider behält Wagen.
Vorarbeiter gibt Verantwortung ab.
2. Schmitt bekommt Auto, Schmids Wagen an Schneider,… Vorarbeiter gibt Verantwortung ab.
3. Schmid bekommt Auto,
4. Schneider bekommt Auto
Das Urteil des Paris





Im Streit um den Apfel der Eris wurde der als Knabe ausgesetzte,
unerkannt als Hirte in den Idabergen lebende Paris als Richter
gefragt.
Den goldenen Apfel mit der Aufschrift "Der Schönsten" hatte die
Göttin der Zwietracht Eris auf die Festtafel bei der Hochzeit von
Peleus und Thetis geworfen, Zwietracht säend, weil sie nicht
geladen war.
Den Apfel beanspruchten die Göttinnen Hera, Athena und
Aphrodite. Hera versprach Paris im Falle ihrer Wahl Macht,
Athene versprach Weisheit und Aphrodite versprach Liebe.
Paris wählte Aphrodite.
Zeus als höchste olympische Instanz zieht sich aus der Affäre
und legt das Urteil in die Hand eines Sterblichen. Das ist fatal.
Wie soll man sich da entscheiden? Das hat Konsequenzen. So oder
so. Schöne Frauen kennen da kein Pardon.
In der Folge wurde Paris als trojanischer Königssohn wieder
erkannt und von der königlichen Familie in Troja aufgenommen.
Wolfgang Häberle
Entscheidung für Jesus?
Paradoxie des Entscheidens
Only those questions
that are in principle undecidable,
we can decide.
Heinz von Foerster
Wirklich Entscheidbares wird in der Organisation nämlich Gegenstand von
Subroutinen, die die Entscheidung x-mal wiederholbar machen und den
Entscheidungsprozess automatisieren.
Die klassische Konzeption der Entscheidung




Entscheidungen beinhalten
 eine Handlung
 eine Mehrheit von Möglichkeiten
 eine bewusste Auswahl aus diesen Möglichkeiten
 Die Zurechenbarkeit auf einen Akteur (Person oder Organisation)
 Präferenzen, d.h. Vorzugskriterien, nach denen eine Wahl zwischen
Alternativen getroffen werden kann
Eine Entscheidung bringt eine Präferenz zum Ausdruck, die im
Idealfall nutzenstheoretisch kalkuliert ist: Die Wahrscheinlichkeit
des Eintretens eines Zustands wird mit dem subjektiv erwarteten
Wert dieses Zustandes zu einen subjektiv erwarteten Nutzen
kombiniert (Subjective-Expected-Utility-Modell).
Unterstellung: stabile Präferenzen, nach ihrer Wertigkeit eindeutig
geordnet und dem Entscheider präsent sind. Empirisch erweisen sich
Präferenzen aber als situationsabhängig, inkonsistent und nicht
unproblematisch zugänglich sind.
Diese Entscheidungstheorie fokussiert den einzelnen isolierten
Entscheider und seine möglichst rationale , d.h. objektiv bestimmbare
Wahlentscheidung.
Frage: Betrachten Sie die letzte Woche. Wie viele
Entscheidungen im Sinne der klassischen Konzeption
haben selbst getroffen bzw. erlebt?
Getroffen
0-3: 0 (0)
3-7: 7 (0)
7-15: 8 (2)
15-30:
3 (0)
30 +: 3 (1)


erlebt
Übungen



Beschreiben Sie den Verlauf eines
Entscheidungsprozesses an dem Sie selbst
beteiligt waren (allein oder in einer
Gruppe).
Wie kam es dazu, dass Sie in Hildesheim
dieses Fach studieren? Schildern Sie den
Prozess der Entscheidungsfindung?
Beschreiben Sie den
Entscheidungsprozess, der Ihrer letzten
Urlaubsreise voranging
Die sozialwissenschaftliche Entscheidungskonzeption



Luhmann stellt den Entscheidungsbegriff von subjektiven
Präferenzen auf intersubjektive Erwartung um.
Entscheidungen werden grundsätzlich als
Kommunikationsereignisse behandelt. D.h., mit
"Entscheidung" ist keine bewusstseinsinterne Festlegung,
sondern ein soziales Ereignis angesprochen. Derjenige
entscheidet, der als Entscheider behandelt wird.
Definition: Eine soziale Handlung ist immer dann als
‚Entscheidung‘ anzusehen, wenn sie auf eine an sie
gerichtete Erwartung reagiert (bzw. so verstanden wird).
Wir könnten auch sagen: immer dann, wenn sie darauf
reagiert, dass sie mit Hilfe von Erwartungen beobachtet
wird. Erst die Prognose des Verhaltens macht das
Verhalten zur Entscheidung; denn erst die Prognose des
Verhaltens macht es möglich, ihr nicht zu folgen. (Luhmann
1984: 594)
Die sozialwissenschaftliche Entscheidungskonzeption

Offen bleibt zunächst,
 ob es sich um Eigen- oder Fremderwartungen
 um vorher oder um nach einem Ereignis formulierte
Erwartungen
 an einen zurechnungsfähigen Handlungsträger handelt,
 ob der betreffende Akteur die ‚Entscheidung‘ als seine
Entscheidung sieht und nicht.
Entscheidung als Ergebnis von Erwartungen
Referenz
Ego
Beobachtung 1.
Ordnung
Alter
Beobachtung 2. Ordnung
Zeitpunkt
Erwartung
vor dem Ereignis
formuliert
Namenswahl für
Neugeborenes
(Taufe)
Erwartung
Insgeheim wollte
nach dem Ereignis
ich das Kind
formuliert
schon
(ungeplanter
Nachzügler)
Unterschrift gilt
als Anerkennung
der
AGG
(Kaufvertrag)
Vorgesetzter
muss
Verantwortung
übernehmen
(Skandal)
Luhmann zur Entscheidung (1)

Entscheidung ist die Differenz von Wahlmöglichkeit (erfülle
ich die Erwartung oder nicht?) und Festlegung.

Entscheidung ist ein Ereignis ohne eigene Dauer



Was geschehen ist, ist dann nicht mehr zu ändern, aber die
Kontingenz des Geschehenen (Entscheidung hätte auch anders
ausfallen können!) gibt der Gegenwart und Zukunft einen
anderen Sinn
Die üblichen Entscheidungstheorien betreuen nur Fälle, in
denen feststeht, dass entschieden werden muss, aber nicht
feststeht, wie entscheiden werden muss.
Die Theorie rationalen Entscheidens folgt einer kulturell
etablierten Situationsdefinition. Die für rationale
Auskalkulieren offene Entscheidung ist aber eher ein
Sonderfall.
Luhmann zur Entscheidung (2)




Entscheidungen sind Beobachtungen. Sie beobachten mit Hilfe von
Unterscheidungen, die wir Alternativen nennen. Die Entscheidung
bezeichnet diejenige Seite der Alternative, die sie präferiert.
Dass eine Entscheidung stattgefunden hat, kann man nur an ihrem
Resultat, also nur retrospektiv erkennen.
Das hat zur Folge, dass es bei der Darstellung von Entscheidungen
typischer Weise zu Mystifikationen kommt (Willkür, Motiv,
Charisma, Eingebung, Hierarchie, Intuition, Unternehmer)
Diese Formulierungen Luhmanns spielen auf die Vorstellung an,
dass juristische Entscheidung Rechtserkenntnis sei. Wenn die
Lösung schon vorgezeichnet ist und bloß erkannt zu werden
braucht, gibt es nichts zu entscheiden. Ist sie dagegen nicht aus
Regeln ableitbar, kann man nicht entscheiden. Darin liegt also das
Paradox. Doch obwohl juristische Entscheidungen immer noch
gerne als Rechtserkenntnis dargestellt werden, hat sich doch die
Jurisprudenz längst von der Vorstellung verabschiedet, dass ihre
Urteile kognitiver Natur seien.
Luhmann zur Entscheidung (3)



Damit kommen wir dem Überforderungssymptom vieler Manager
auf die Spur. Ihnen wird etwas aufgebürdet, mit dem sich
Organisationen auseinandersetzen müssten.
Statt der Paradoxie ansichtig zu werden und beispielsweise auf
Fehlerfreundlichkeit zu setzen sowie unternehmerisches, also
chancen- und risikobehaftetes, scheiternswahrscheinliches Denken
zu belohnen, wird von Managern verlangt, sie müssten die komplexe
Problemlage so weit analytisch durchdringen, dass sie die
Auswirkungen der Globalisierung auf ihr Unternehmen beherrschen
können.
Damit sind Unternehmen notwendig (kommunikative)
Fassadenerbauer, die sich immerzu mit dem Problem beschäftigen,


nicht durchscheinen zu lassen, dass alles keineswegs so
rational zugeht, wie man immer vorzugeben versucht,
dass keiner genau weiß, wie es weitergeht, dass die
großen Innovationen ungeplant und die
Umsatzzugewinne durch zufällige Konstellationen
hervorgerufen wurden.
Rückmeldung auf Rückmeldungen


Ein Handeln, das auf (inter-)subjektive Erwartungen reagiert und/oder
dem solches unterstellbar ist, wird retrospektiv zu einer Entscheidung:
Kauf, Haftung, Delikt, Partnerwahl, Kleiderwahl, Verkehrsbeteiligung,
Urlaubsreise.
Prototyp des Entscheidungsinterpreten: der psychiatrische Gutachter. Er
prüft
 Ob die Person auch anders hätte handeln können
 Ob die Person sich der Situation bewusst war und wusste, was sie tat
 Ob er ein Motiv hat, so, wie geschehen, zu handeln (Motiviertheit)

Welche Gründe gibt es, die uns ‚zwingen‘, immer einer Erklärung finden
zu wollen? (Adam‘s Problem)

Pfadabhängigkeit und ihr kognitives Management (Biographie)

„Gute/ geschlossene Gestalt“ von Entscheidungen (einfach, prägnant)


Wissenschaften, die über Entscheidungen nachdenken (Philosophie,
Psychologie, BWL, Soziologie, Mathematik/Spieltheorie,
Politikwissenschaft)
Geschlecht und Entscheidung (historisch)
Motive: Verfahren der Sinnerzeugung (Blum/McHugh 1973)





Regeln des Beobachters: Methode zur Feststellung des geordneten
Charakters von Verhalten und der sozialen Kompetenz von Akteuren
Die motivierten Objekte sind Mitglieder sozialer Gebilde: jedes
kompetente Gesellschaftsmitglied besitzt nachvollziehbare Motive
(manche sind verborgen und müssen von Spezialisten eruiert
werden)
Motive haben eine Anwendungsgrammatik: sie erklären Verhalten
nicht, aber sie macht es verständlich, indem sie es in eine
‚Grammatik‘ einfügen (mit Regeln z.B. dafür, wie biographische
Sachverhalte mit Handlungsweisen zusammenhängen). Problem: wer
nach Gründen für ‚Selbstmorde‘ fragt übersieht, dass Selbstmord
selbst schon ein Ergebnis der Motiv-Attribution ist)
Motive bestimmen soziale Typen von Personen.
Motivfragen stellen sich insbesondere nach einer problematischen
Verhaltensweise. Motive werden aber schon im Handeln selbst
erkennbar gemacht (accountable).
Eigenschaften von Entscheidungen

Zur Entscheidung wird Handeln erst, wenn es unter Erwartungsdruck
steht (Unterstellungen bei Verbotsirrtum und im Verkehrsrecht).

Es wird eigen-motiviertes Handeln erwartet (Verantwortung).

Egal, was auf diese Erwartung hin passiert: es macht Sinn.

Wenn kein Motiv zugeschrieben werden kann (bei
Zurechnungsunfähigkeit), ist die Feststellung von Entscheidung nicht
möglich.

Entscheidungen besitzen soziologisch gesehen keine eigene Dauer.

Entscheidungen sind soziale Konstruktionen, die schlagartig die
Situation verändern.

Bei Entscheidungen bleiben die nicht gewählten Alternativen
weiterhin präsent

Eine Entscheidung kann sich retrospektiv verändern, d.h. ein Handeln
kann in der Rückschau zu einer Entscheidung werden und umgekehrt.
Verbots- und Tatbestandsirrtum

Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu
tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht
vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so
kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert werden.

Ein Tatbestandsirrtum behandelt im Strafrecht das Abweichen
der Tätervorstellung von der Realität. Wer bei der Begehung
einer vorsätzlichen Tat einen Umstand nicht kennt, der zum
gesetzlichen Tatbestand der Strafvorschrift gehört, handelt nicht
vorsätzlich (§ 16 Abs. 1 S. 1 StGB). Ein Tatbestandsirrtum liegt
also vor, wenn der Täter ein oder mehrere Tatbestandsmerkmale
objektiv verwirklicht, also tatsächlich eine vorsätzliche Straftat
begeht, ohne dies jedoch zu wissen. Der Täter "weiß also nicht,
was er tut".
Wie entsteht sozialer Entscheidungsdruck? (1)




Unter welchen Bedingungen lässt sich ein personales oder soziales System
zu Entscheidungen “erpressen”, anstatt sich nur von Handlung zu Handlung
zu reproduzieren, d.h. sich traditionalistisch zu verhalten?
Einfache Gesellschaften sind weitgehend entscheidungslos. Sie
bevorzugen Gottesbeweise, Einstimmigkeit und die Einhaltung von
Traditionen.
Wer dennoch sich Entscheidungen anmaßt - wie Prometheus - läuft
Gefahr, ob seiner “Hybris” von den Göttern aus dem Verkehr gezogen zu
werden.
Gesellschaftliche Bedingungen für das Anwachsen von Entscheidungsdruck
 In bestimmten historischen Phasen bzw. soziokulturellen Kontexten
wird eher als in anderen erwartet, dass jeder kompetente Teilnehmer
die Erwartungen der anderen - erkennbar - beachtet
 Ab dem 16. Jahrhundert finden wir in den europäischen
Oberschichten Normierung von gutem Benehmen, Takt und geselliger
Konversation - und damit von Zurechenbarkeit.
 In der “Risikogesellschaft” Tendenz zur Individualisierung. Vieles, was
früher “einfach so” bzw. als “natürlich” galt, wird zur Entscheidung
bzw. als Entscheidung zugerechnet bzw. zugemutet (alles wird zur
Entscheidung)
Wie entsteht sozialer Entscheidungsdruck? (2)


Standardisierung von Verhaltenserwartungen
 Anwachsen der Gesetze, Verordnungen und Verträge forciert
Erwartungen und ihre Ausdifferenzierung (Verbotsirrtum).
 Normierung bedingt, dass der Erwartende auch im
Enttäuschungsfall zu seiner Erwartung steht; und das wiederum
macht es nötig, dass er seine Erwartung zur Vorwarnung
eindeutig kommuniziert.
 Wichtige Rolle spielen Bücher des guten Benehmens (vgl.
Norbert Elias zum „Zivilisationsprozess“)
Formale Organisation sozialer Systeme.
 In Organisationen ist man nur aufgrund (s-) einer
Entscheidung Mitglied; alles relevante Handeln in der
Organisation kann als ein Entscheiden behandelt werden
 Entscheiden wird im komplexen Organisationen reflexiv. Man
trifft dann Entscheidungen über Entscheidungen
 Selbst Routinehandeln wird als Wiederholung einer einmal
getroffenen Entscheidung aufgefasst und sanktioniert
 Viele Eigenheiten des Verhaltens in Bürokraten sind als
Anpassung an Entscheidungsdruck und als Suche nach
gefahrlosen und sicheren, Verhaltensweisen, die notfalls als
begründbare Entscheidungen dargestellt werden können.
Entscheidung und Organisation (1)




Organisatorische Entscheidungen sind solche, die auf formale
Erwartungen bezogen werden können.
Entscheidungen müssen nicht “wirklich” entschieden werden.
Alle Beteiligten müssen nur davon ausgehen (unterstellen),
dass alle relevante Handlungen als Entscheidungen aufgefasst
werden können.
Die soziale Realität des Entscheidens in Organisationen ist
Ergebnis einer sozialen Konstruktion (für deren Glücken ein
Mindestmass an sozialer Plausibilität vorliegen muss!).
Definition: Organisationen sind soziale Systeme, die sich
erlauben, menschliches Verhalten so zu behandeln, als ob es ein
Entscheiden wäre. ... Organisationssysteme sind soziale
Systeme, die aus Entscheidungen bestehen und Entscheidungen
wechselseitig miteinander verknüpfen. (Luhmann)
Entscheidung und Organisation (2)




Überwiegend orientieren sich organisationstheoretische
Forschungen am Optimierungsmodell der rationalen Wahl.
Deren Unterstellung: Organisationen und Entscheider strebten von
selbst nach Rationalität. Da sie dies empirisch in vielen Fällen nicht
tun, produzieren diese Ansätze eine Unzahl an
Organisationspathologien und (scheinbaren) Irrationalitäten,
Biases, Fehler usw.
Systemtheoretische Position: Eine Organisation ist ein
Sozialsystem, das sich selbst durch Verfahren der
Eigenzurechnung von Entscheidungen von der Umwelt
unterscheiden kann.
Die Frage, was in organisierten Systemen Entscheidungen und
Kriterien für rationale Entscheidungen sind, muss durch Verweis
auf das betreffende System beantwortet werden. Externe, etwa
von der Wissenschaft herangetragene Kriterien und Zumutungen
für vernünftiges Entscheiden (‚rational choice‘) bleiben daher
vielfach vergeblich und unangemessen.
Entscheidung und Organisation (3)




Ein Beobachter kann feststellen, dass es externe Gründe für eine
Entscheidung gegeben hat. Für das System selbst sind lediglich die
Entscheidungen des Systems die Gründe für die Entscheidungen
des Systems; denn nur auf diese Weise kann das System
Selbstzurechnung und Fremdzurechnung von Ereignissen
unterscheiden.
Organisationen müssen aus pragmatischen Gründen ihre
Entscheidungshaltigkeit steuern. Das Vermeiden von unnötigen
bzw. unerwünschten Entscheidungen ist eine Kunst.
Juristen sind darin Meister: sie prüfen die Zuständigkeit/
Zulässigkeit einer Anfrage mit dem Ziel, sich so wenig wie möglich
als Entscheider (d.h. als Organisation) engagieren zu müssen.
Jeder Entscheider muss Wert darauf legen, später als jemand zu
erscheinen, der es vorher gewusst hat (bzw. es nicht wissen
konnte) - der sich also eintretende Erfolge selbst zurechnen und
etwaige Misserfolge als fremdverschuldet abtun bzw. als das
kleinere Übel relativieren kann.
Entscheidung und Organisation (4)

Organisatorische Strukturen bilden sich als Entscheidungsprämissen
(Simon). Man kann drei Möglichkeiten unterscheiden:




Organisationen stellen Entscheidungsprogramme auf. Zweckprogramme
zielen auf einen bestimmten Output ab; Konditionalprogramme
begrenzen für den Fall eines bestimmten Inputs den Spielraum für
richtiges Entscheiden.
Organisationen können die Kommunikationswege festlegen, auf denen
Informationen mit Bindungswirkung im System zirkulieren
(Zuständigkeits- und Zeichnungsregelungen)
Sie können über die Rekrutierung und Sozialisation der Mitarbeiter
die Art und Richtung von deren Entscheidungen beeinflussen (ins.
Professionelle). Personal bezogene Strukturen haben den Nachteil, dass
sich Personen nur langsam ändern. Ihre "Umprogrammierung" (durch
Schulung, Kontrolle oder Freisetzung) löst hohe Transaktionskosten
aus.
Die Bündelung dieser drei Beeinflussungsmöglichkeiten (programmatisch,
netzwerkartig, personal) ist - dem Weber’schen Idealtyp nach - die Stelle.
In ihr treffen Entscheidungsvorgaben, Kommunikationswege und
persönliche Kompetenzen zusammen. Über Stellen lassen sich
Entscheidungen programmieren.
Wie funktioniert eine Bürokratie-Reform?
Organisation und Bürokratie (1)
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Bürokratien sind auf die Anfertigung von Entscheidungen
spezialisiert.
Ihr Wachstum durch interne Differenzierung kennt keine
Stopregel. Entscheidungen sind nämlich ein beliebig
dekomponierbares Material.
Bürokratien können nach innen wachsen, indem sie die
Entscheidungen weiter und weiter in Subentscheidungen zerlegen
(Delegation) oder indem sie die Zustimmungserfordernisse
erhöhen (Demokratisierung).
Mit dem Grad der Differenzierung von Entscheidung(sprozess)en
steigt deren Nutzbarkeit für andere als die ursprünglichen
Zwecke. Auf diese Weise können sie sich “verfilzen” und
Parasiten anlocken.
Bürokratien sind ängstlich und risikoscheu. Da erwartet wird,
dass sich jedes dienstliche Verhalten als Entscheidung darstellen
lässt - gerade dann, wenn etwas schief geht – finden wir
ausgefeilte Absicherungsstrategien und eine Präferenz für
Organisation und Bürokratie (2)
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Delegation von Entscheidungen erfordert ihre Dekomposition in
sachlicher Hinsicht, Demokratisierung verlangt Dekomposition in
sozialer Hinsicht, in Subentscheidungen über direkte oder
indirekte (repräsentative) Zustimmung zu oder Ablehnung von
Entscheidungen.
Die Notwendigkeit, Beteiligung zu organisieren, steigert indirekt
den Entscheidungsbedarf, und erzeugt im Sog anfallender
Entscheidungen die Notwendigkeit, Meinungen zu haben, oder
diese zumindest ad hoc zu entwickeln, selbst bei Themen, zu
denen man nichts zu sagen hat.
Sie erzeigt eine Unzahl von Parasiten, die Entscheidungen für
ganz andere, d.h. ihre eigenen Zwecke zu nutzen bereit sind.
Termine und Fristen sind in der Praxis wichtig für die
Beherrschung ausufernder Entscheidungsprozesse ("I don't want
it good, I want it Tuesday").
Organisation und Bürokratie (3)
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Bürokratie lässt sich meist nur gemäß der Strategie des
Mehrdesselben verändern. Jede Änderung verlangt ihrerseits
den Einsatz von Entscheidungen und damit die
Wiederverwendung gerade derjenigen Mittel, die die Probleme
ursprünglich erzeugt hatten.
Bürokratien sind Meister in der “science of muddling through”
(Lindblom 1959). Sie bevorzugen Entscheidungen, die auf ein
“hedge-clipping” und nicht solche, die auf ein “tree-felling”
hinauslaufen (Connolly 1988: 37)
Ihr Informationsverhalten richtet sich auf die positiven Seiten
des Kurses mit dem höchsten Sicherheitswert (vgl. Simon’s
Ausführungen über “selektive Wahrnehmung”)
Datum
Thema
Literatur
Bearbeiter
11.04.- 2.05.
Vorlesung
March, Luhmann
Wolff
09.05.
Entscheidungen in komplexen Systemen
Dörner 1983, 1989
Klaus, Bock
06.06.
"Wir müssen immer auch den Zusammenhang
sehen“: Situative Aspekte der
Entscheidungsfindung
Emerson 1983; Wolff
1983, S. 86 ff.
Brückner,
Stärk
Janis 1982, Weinert
2004, Staw 1976,
Laux 2005
Evin,
Bölter
13.06.
(Fatale) Eigentümlichkeiten von
Gruppenentscheidungen: Group think,
Eskalation von Commitment und Risk shift
16.05.
Ernste Spiele - Entscheidungen als Test und
Ausdruck von Identität/sozialer
Zugehörigkeit
Geertz 1983;
Goffman 1971;
Tertilts 1996
Kaupp,
Scholtz
11.07
Sozial-vertragliche Lösungsfindung: Verfahren
Luhmann 1969, S. 1126, 38-54, 201-218
Fröhlich
20.06.
Bauchentscheidungen: Warum man oft nach
Sekunden schon weiß, was los ist
Gladwell 2005
Schneemann
, Hackel
27.06.
1. Wie Profis selbst unter hohem Druck
vernünftig entscheiden (NDM)
2.
Faustregeln und Heuristiken, die uns clever
machen
1. Klein 2003, Kap 15, Klatetzki 2006;
Weick/Klein 200o
2. Gigerenzer 2006
Baule,
Bühnemann,
04.07.
Strategie und Entscheidung
Mintzberg u.a. 1976,
Mintzberg 2002
Gunkel,
Küsel
23.05
Vertrauen oder Eigeninteresse: Gefangen im
Dilemma (23.5./13.6.)
Dawkins 1995
Jäser, König
Rüter,
Saupe
Gesellschaftstheoretische Aspekte des Entscheidens (1)
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In modernen Gesellschaften wird mehr Entscheiden verlangt als in älteren
Gesellschaftsformationen.
Nahezu alle Strukturen sind durch Entscheidungen gebildet und können
durch Entscheidungen geändert werden. Das gilt
 für die Wahl von Regierungen und
 für das durchgehend positive Recht,
 für den Stand der Forschung, von dem weitere Forschung auszugehen
hat
 für Kapitalinvestitionen im Inland und Ausland,
 für das Angebot und für die Wahl einer Berufsausbildung
 für alles, was als Realität angenommen wird, weil Massenmedien
darüber berichten
 selbst Religion ist zur Sache von Angebot und Entscheidung geworden
 ebenso Eheschließung mitsamt der Frage, ob und wann man Kinder
haben will und wie viele.
Dieser Entscheidungszuwachs trägt dazu bei, dass sich ein Kontingenzbewusstsein (kontingent = auch anders möglich), eine permanente Suche
nach Alternativen ausbreitet (zumal die getroffenen Entscheidungen
immer auch anders - und vielleicht besser - hätten ausfallen können und
damit zur Revision einladen).
Gesellschaftstheoretische Aspekte des Entscheidens (2)
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Es erhöht sich der Entscheidungsdruck - allerdings ohne dass diese
auslösenden Bedingungen entsprechende Kriterien mitgäben
(erhöhte Entscheidungslasten ohne entsprechende
Rationalitätsvorsorge).
Die Wissenschaft (aber auch die Religion) stößt hier an ihre
eigenen Grenzen (Opportunismus des Gutachtenwesens,
Fundamentalismus).
Diese Gemengelage ist nur fiktiv mit den Differenzschema
rational/ irrational bzw. richtig/falsch zu ordnen (Ambivalenz).
Die Explosion von Entscheidungsnotwendigkeiten führt zu einer
stärkeren Wahrnehmung von Risiken, weshalb man die moderne
Gesellschaft auch als “Risikogesellschaft” gezeichnet (Beck 1986).
Das heutige Problem mit Entscheidungen liegt also nicht (nur) in
den klassischen Entscheidungsschwierigkeiten oder in den
Rationalitätsdefiziten, sondern in den Schwierigkeiten des
Überlebens unter Entscheidungsdruck.
Gesellschaftstheoretische Aspekte des Entscheidens (3)
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Die sicherste Linie besteht in der Konformität. Auch eingesehener
Unsinn wird mitgemacht, da man anderenfalls als Entscheider
auffallen und erklärungspflichtig würde (‚Status quo als
Argument‘).
Eine andere Strategie ist die Zurechnungsverschiebung. Man
weicht nur (bzw. vor allem) dann ab, wenn man die Entscheidung
und die Verantwortung für die Folgen extern zurechnen kann (d.h.
vermeintlich nur auf “Sachzwänge” reagiert).
Eine dritte Möglichkeit ist die Selektion von Konflikten: Man legt
Wert darauf, sich gegen bestimmte Erwartungen zu entscheiden,
weil man aus dem Konflikt Nutzen ziehen oder Prestige gewinnen
kann. Man definiert bestimmte Erwartungen als Druck, als
Pression, als Repression, um für die Entscheidung dagegen
besondere Qualität zu gewinnen (Anschauungsmaterial: der sog.
“Kalte Krieg”).
So werden auch Nicht-Entscheidungen als Entscheidungen
beobachtbar. (eine positive Version von Konformität!)
Durchgehende Themen der Entscheidungsforschung
1.



2.


Sind Entscheidungen
eher als Wahlen („choice-based“) oder aber als
regelgeleitetes bzw. regelorientiertes Handeln („rule-based“)
anzusehen?
Entsprechen Entscheidungen einer Logik der Folgebeziehung,
indem sie auf Wahlen zwischen Alternativen nach Bewertung
ihrer Folgen im Hinblick auf vorgängige Präferenzen
darstellen?
Folgen sie einer Logik der Angemessenheit, also der
Entsprechung zu Identitäten und Rollen der
Entscheidenden? Stellen sie Anpassungen an soziale
Situationen und Verhaltensanforderungen dar?
Sind Entscheidungen
eher Gelegenheiten, in denen Individuen und Organisationen
Klarheit erreichen und Eindeutigkeit herstellen,
oder sind sie Gelegenheiten, bei denen Inkonsistenz und
Ambiguität offen gelegt, ausgenutzt und erweitert werden?
Durchgehende Themen der Entscheidungsforschung
3
4
Ist Entscheiden eine instrumentelle Tätigkeit oder eher eine
interpretative Tätigkeit?

Versteht man Entscheidungen besser, wenn man sie zu einem
Problemlösungskalkül in Beziehung setzt?
(Computerprogramm)

Oder indem man sie mit Bemühungen, individuellen oder
sozialen Sinn zu konstituieren, zusammenbringt? (‚In den
Krieg ziehen‘)
Sollte man die Ergebnisse von Entscheidungsprozessen primär
dem Handeln autonomer Akteure zuschreiben, oder sie nicht
besser vor dem Hintergrund einer interaktiver Ökologie
interpretieren?

Kann man Entscheidungen überhaupt auf Intentionen,
Identitäten und Interessen einzelner zurückführen?

Oder ergeben sich Entscheidungen als Resultante situativer
Einflüsse und Konstellationen? Wie frei sind wir bei unseren
Akteur
versus
Ökologie
Problemlösung
versus
Sinnkonstruktion
Eindeutigkeit
versus
Ambiguität
Logik der
Folgebeziehung
Logik der
Angemessenheit
Kalkulierende
Spieler
Identitätssucher
Evolutionär erfolgreiche
Strategien
Einpassung in
Sinnzusammenhang
Suche nach bester
Alternative
Abwägung von
Gesichtspunkten
Rationalität und
Vorhersehbarkeit
Stimmigkeit und
Authentizität
Kalkül
Gute Gestalt
Abschätzung von Risiken
Technologie der Torheit
Mikropolitik
Akteur
versus
Ökologie
Problemlösung
versus
Sinnkonstruktion
Eindeutigkeit
versus
Ambiguität
Logik der
Folgebeziehung
Logik der Angemessenheit
Kalkulierende Spieler
Identitätssucher
(Coleman)
(Goffman)
Evolutionär erfolgreiche
Strategien
Einpassung in
Sinnzusammenhang
(Dawkins)
(Emerson, Luhmann)
Such nach bester Alternative
Abwägung von Gesichtspunkten
(Edwards)
(Dörner)
Rationalität und Vorhersehbarkeit
Stimmigkeit und Authentizität
(Weber)
(Gigerenzer, Geertz)
Kalkül
Gute Gestalt
(Simon)
(Sherif, Janis)
Abschätzung von Risiken
Garbage can, Mikropolitik
(Kunreuther)
(March, Weick, Klein)
Psychische Krankheit und Entscheidung


Krankheit und Entscheidung: Schizophrenie
 Betreuung (sozial zuerkannte Entscheidungsunfähigkeit)
 Zwangsgedanken: es wird endlos über mögliche Alternativen
nachgedacht
 Zwangskranke: hartnäckige Rationalisten unter Bedingungen
von Unsicherheit, denen Vertrauen in die Stabilität der Welt
fehlt
Krankheit und Entscheidung: Depression
 Typischer Rat: Man soll im Zustand der Depression keine
Entscheidungen fällen
 Entscheidungsunfähigkeit wegen Interessenverlust,
Lustlosigkeit, geringem Selbstwertgefühl
 Sich nicht zu einer Entscheidung durchringen können wegen
intensiven Ambivalenzerlebens (man ist hin und her gerissen)
 Depressive: sehen überall Ambivalenzen und fühlen sich zu
schwach um Verantwortung für Entscheidungen zu
übernehmen / oder aber schuldig für kleinste ‚Verfehlungen‘.
Zu wählen wissen.
Das meiste im Leben hängt davon ab. Es erfordert guten Geschmack und
richtiges Urteil: denn weder Gelehrsamkeit noch Verstand reichen aus. Ohne
Wahl ist keine Vollkommenheit: jene schließt in sich, dass man wählen könne,
und das Beste. Viele von fruchtbaren und gewandtem Geist, scharfem
Verstande, Gelehrsamkeit und Umsicht, wenn sie zum wählen kommen, gehen
dennoch zugrunde: sie ergreifen allemal das Schlechteste, als ob sie es darauf
anlegten, irre zu gehen. Also ist dieses eine der größten Gaben von oben.
Balthasar Gracian:
Hand-Orakel oder die Kunst der Weltklugheit (1653)
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