MLR 110: Processes of local & regional change

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Soziologische
Gesellschaftstheorien
In welcher Gesellschaft
leben wir eigentlich?
Dr. Denis Gruber, Univ. of St.
Petersburg
1
Soziologische
Gesellschaftstheorien
Industriegesellschaft
Denis Gruber, Univ. of St. Petersburg
2
Die europäische
Industriegesellschaft
Weber argumentiert, dass der moderne
Kapitalismus durch spezifische
Rationalitätsprinzipien bestimmt ist
Diese fehlten in vormodernen Kapitalismen
weitgehend und entwickelten sich nur auf der Basis
von soziokulturellen Bedingungen der okzidentalen
Moderne
„moderner okzidentaler Rationalismus“ ist einer der
zentralen Begriffe im Werk Max Webers
(Pohlmann, 1997: 19)
Protestantismusthese
1. Grundlage Webers Untersuchungen: statisch-empirische
Untersuchungen über die Beziehungen zwischen
protestantischer Glaubenszugehörigkeit und Berufsstatus
-demonstrieren, dass seinerzeit die Unternehmerschaft im
Deutschen Reich und auch das Personal für höhere
technische und kaufmännische Berufe sich vorwiegend aus
Protestanten zusammensetzen
-auch in den Ausbildungsstätten für technische, gewerbliche
und kaufmännische Berufe fand man eine deutliche
Unterrepräsentation der Katholiken gegenüber den
Protestanten vor
2. Weber fixiert das Untersuchungsobjekt, das er „Geist des
Kapitalismus“ nennt
-typische Merkmale frühkapitalistischer Arbeits-, Zeit- und
Lebensauffassung gemeint, die zu einem Konstrukt
zusammengefasst werden
Protestantismusthese
3. Weber entschlüsselt typische Elemente
protestantischer Ethiken und erkennt in ihnen
sinnhafte Ähnlichkeiten mit dem "Geist des
Kapitalismus“
4. Weber geht es um den Verweis darauf, dass die
von der protestantischen Ethik postulierte
"Lebensführung" im institutionellen Zusammenhang
von Sektenorganisationen mit ihren Kontroll- und
Sanktionspotenzial die besten Ausbildungschancen
hatten
Religion und bürgerlich-asketische
Wirtschaftsethik
Weber begreift die Prädestinationslehre von Calvin
als den gemeinsamen theologischen Boden
derjenigen Formen des Protestantismus, die an der
Ausbildung einer bürgerlich-asketischen
Wirtschaftsethik beteiligt waren
Calvin, der bekanntlich in Genf eine das sittlichreligiöse Leben der Bürger streng überwachende
Theokratie aufbaute, hat in seiner Lehre entwickelt,
dass ein Teil der Menschen durch Gottes „ewigen
und unveränderlichen Vorsatz und den geheimen
Ratschluss und die Willkür seines Willens“ zur
Seligkeit auserwählt wird, der Rest hingegen
verdammt sei
Religion und bürgerlich-asketische
Wirtschaftsethik
Der Gläubige solle einerseits mit dem „durch den wahren
Glauben bewirkten beharrlichen Zutrauen auf Christus“
(Weber, P. E., 129) leben, er könne aber andererseits als
handelndes Werkzeug göttlicher Gebote seine
Selbstgewissheit stärken
hervorragendstes Mittel hierzu sei aber die rastlose
Berufsarbeit, die ‚den religiösen Zweifel’ (verscheuche)“
(Weber, P. E., 129)
Webers Darstellung der religiösen Fundamentierung
innerweltlichen asketischen Handelns ist sozusagen die
Basis der ‚Protestantismus-These’.
„Arbeiten ist das moralische wie natürliche Ziel der Macht
(...). Mit Handeln wird Gott am meisten gedient und er
wird geehrt“ (Weber, P. E., 169)
Der okzidentale Staat der Neuzeit als
Wegbereiter des Industriekapitalismus
langfristig kalkulierendes Wirtschaftshandeln
moderne industrielle Produktionstechnik
Basis eines gewissen Maßes staatlich garantierter
Normsicherheit
Existenz gewaltmonopolisierender und
normsetzender politischer Herrschaftsverbände
Der okzidentale Staat der Neuzeit als
Wegbereiter des Industriekapitalismus
Derartige Ordnungen, Territorien überspannend,
entwickelten sich in Europa im Absolutismus
Diese Ordnungen waren das Ergebnis eines langen
Prozesses gewalttätiger Ausscheidungskämpfe
Aber: Funktion der absolutistischen Staaten für die
Entwicklung von Marktwirtschaft und Industrie erschöpft sich
keineswegs in der von ihnen durchgeführten
innergesellschaftlichen Pazifizierung
Wesentlicher war, dass sie neuartige Strukturen im Bereich
staatlicher Herrschaftsinstitution entwickelten
absolutistische Staaten schufen nämlich
Herrschaftsinstitution, die in ihrer Organisationsrationalität
und der von ihnen erzwungenen „Verhaltensdisziplinierung“
ihrer Mitglieder Grundpostulaten und strukturellen
Erfordernissen kapitalistischer Industriebetriebe funktional
weitgehend entsprachen
Organisationsrationalität und
Verhaltensdisziplinierung
Weber hat in seinen Schriften als
Grundcharakteristikum des entwickelten
kapitalistischen Industriebetriebes dessen
hochgradige „formale Rationalität“ - seine interne
Berechenbarkeit – bezeichnet
Aber er hebt auch immer wieder die Verknüpfung
der innerbetrieblichen Rationalität mit der
„formalrationalen“ Struktur staatlicher
Herrschaftsinstitutionen hervor
In Westeuropa - und dieses ist wesentlich - wurden
formalrationale Grundmuster zunächst im Bereich
staatlicher Institutionen entwickelt
Bürokratie
Bekanntlich war für Max Weber die moderne
Bürokratie der Prototyp für eine formal-rationale
Organisation
Ihre innere Struktur (regelgebundene Ausführung
des Amtes, aktenmäßige Verwaltung, strikte
Kompetenzgrenzen, Qualifikation der Amtsinhaber,
Amtshierarchie) lassen sie als ein in jeder
Beziehung auf Berechenbarkeit abgestimmtes
System erscheinen
Bürokratisierung: Berechenbarkeit staatlichen
Handelns und der Berechenbarkeit des Handelns
der Bevölkerung
Territoriale Unifizierung, Reglementierung
und Privilegierung - der Merkantilismus
Eine der Hauptursachen für den
‚Staatsmerkantilismus’ war das Ziel, dem
wichtigsten Machtinstrument des Zentralherrn dem Heer - eine solide ökonomische Basis zu
verschaffen
Eine weitere Zentralidee der merkantilistischen
Wirtschaftspolitik war die Wirtschaftslenkung: der
Versuch, durch den Einsatz staatlicher Machtmittel ein
bestimmtes Wirtschaftssystem zu etablieren und das
etablierte fortwährend zu regulieren, zu reglementieren
und zu kontrollieren
Die Wirtschaft soll den Machtansprüchen des
Staates untergeordnet werden
Grundprinzipien des
Staatsmerkantilismus
Unifizierung
Reglementierung
Privilegierung
Grundprinzipien des
Staatsmerkantilismus
Das Prinzip der Unifizierung wurde freilich nicht nur in
der Marktsphäre, sondern ebenso in der Produktion
wirksam,
-Vereinheitlichung des Gewerberechts
-Vereinheitlichung des Staatsterritoriums durch
Ausrichtung an staatlich gesetzten Regelungen und
Maßstäbe
-Überwindung regionaler Parzellierungen und die
Schaffung von Grundbedingungen für einen das
Staatsgebiet überspannenden Markt
-einheitliches Maß- und Gewichtssystem
-Münz- und Geldwesen vereinheitlicht
-einheitliches Verkehrssystem
Grundprinzipien des
Staatsmerkantilismus
Reglementierung: Versuch, durch staatliche Regiments
nicht nur möglichst genau dem Produktionsvorgang,
sondern genauso die Art der zu bearbeitenden Rohstoffe
und die Qualität des Endprodukt zu bestimmen
Privilegierung: Einsatz staatlicher Macht- und
Kontrollmittel, um die wirtschaftliche Tätigkeit von
Privatpersonen zu begründen und bereits bestehende
rentabler zu gestalten
-Objekte der Privilegierung waren typischerweise
protokapitalistische Manufakturen
-Hierbei gab es verschiedene Formen der Privilegierung:
eine wichtige war die der Form der Monopolisierung.
Manufaktur
Die Manufaktur
zentralisierte Produktionsstätte: neuartige
arbeitsorganisatorische Muster, die zugleich
Grundmerkmale einer spezifisch modernen
Arbeitszeitdisziplin einschlossen
Typus von Arbeitsteilung, den man am besten als
prozessuale Arbeitsteilung (vergleiche Popitz 1992,
170) bezeichnen kann
viele Manufakturen waren vom absolutistischen Staat
gegründet oder privilegiert, und sie produzierten
Waren, deren Hauptabnehmer der Staat war:
Luxusgüter und Produkte zur Ausstattung des
absolutistischen Heeres (vgl. Sombart 1916: 841)
Arbeitsteilung
Manufakturen beruhten auf der Konzentration einer
Vielzahl von Produzenten unter einem Dach
diese Konzentration war die Grundvoraussetzung
dafür, dass in dieser Produktionsstätte die
Potenzen prozessualer Arbeitsteilung systematisch
genutzt und zugleich Grundmuster moderner
Arbeitszeitdisziplinen durchgesetzt werden konnten
Zur Technologie der Maschinen in der
industriellen Revolution und ihren
sozialen Auswirkungen
Mit der Technologie der Maschine, der"
Schlüsseltechnologie "der Industriegesellschaft, kamen
ganz neuer "Modus technischen Handelns" in die Welt
Übertragung von Arbeit auf mittels künstlicher Energie
angetriebene mechanische Systeme
Dampfmaschine stellt im Gegensatz zu den
traditionellen Energieträgern (Wasser, Wind etc.) eine
Loslösung der Produktion aus räumlichen und zeitlichen
Bindungen dar (vgl. Sombart 1923:142)
Erzeugung eines kontinuierlich gleichförmigen
Produktionsflusses (vgl. Pohlmann 1997: 83)
Auswirkungen der Maschinisierung auf
die Arbeit
Maschinentechnologie etablierte eine qualitativ neuartige Trennung
von Hand- und Kopfarbeit im Produktionsprozess
Maschine bedeutete zusätzliche Machtdimension: Maschinisierung
des Arbeitsprozesses gewann vergegenständliche Kopfarbeit
Macht über die Handarbeit
zwangsläufig qualitativ neue Muster von Arbeit- und Zeitdisziplinen
Disziplinierung der Arbeiter
Gleichförmigkeit und maximale Effizienz konnten erst in der Fabrik
zu bestimmenden Merkmalen menschlicher Arbeitsabläufe werden,
weil die Maschine eine Arbeits- und Zeitdisziplin erzwingt
"Arbeitsdisziplin" war eines der Hauptprobleme der frühen
Industrialisierung
Die Verwirklichung der Potenzen prozessualer
Arbeitsteilung durch das Tayler-System
erst das am Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte
tayloristische System der Arbeitsorganisation beendete
endgültig die Abhängigkeit der Betriebsleitung von den
handwerklichen Fähigkeiten der Arbeiter
Taylors Gedanken, die in seinem Buch "Grundsätze
wissenschaftlicher Betriebsführung" (Taylor, 1977)
zusammengefasst sind, betreffen kaum die technischmaschinelle Seite des Produktionsprozesses, sondern
vornehmlich diejenige der Arbeitsorganisation
Taylors Ziel ist die Erhöhung der Effizienz der
Produktion durch eine "wissenschaftlich" fundierte
Umstrukturierung der Arbeitsorganisation
Die Verwirklichung der Potenzen prozessualer
Arbeitsteilung durch das Tayler-System
Taylor entwickelt drei Grundsätze um diesen Zustand zu beenden:
1. Ein Kopfarbeiterstab soll den Arbeitsprozess wissenschaftlich
untersuchen, soll einzelne Arbeitsmethoden klassifizieren und
miteinander im Hinblick auf die effizienteste Methode miteinander
vergleichen; Bewegungs- und Arbeitszeitstudien
2. Auf der Basis der effizientesten Methode findet eine
Neustrukturierung des Arbeitsprozesses durch den Planungsstab statt,
d.h. die Arbeitskonzeption und ihrer Ausführung (vergröbert: Handund Kopfarbeit) werden völlig voneinander getrennt, die Konzeption
wird zum Monopol eines Management-Stabes
3. Anhand dieser Konzeption werden die Arbeiter genauestens
angeleitet, was sie wie in welcher Zeit zu tun haben. Damit wird eine
präzise Kontrolle der Produktion möglich
Arbeitsteilung?
Das Konzept der modernen
Industriegesellschaft
John Kenneth Galbraith (1967) unternahm es, die vielfältigen Aspekte
unserer modernen Wirtschaft und die treibenden Kräfte und die
Motivationen der Industriegesellschaft der Vereinigten Staaten von Amerika
in den 1960er Jahren darzustellen und zu ergründen
zeigte, welche tief greifenden Veränderungen im Gange waren, die die
Zukunft bestimmen könnten
im westlichen Industriesystem, obwohl es immer noch als kapitalistische
bezeichnet oder verschrien wird, so Galbraith, ist nicht mehr das Kapital
der ausschlaggebende Faktor, sondern eine neue Macht hat sich an
dessen Stelle gesetzt, die der ‚Technostruktur’.
Grundthese Galbraith: Unternehmer ‚alten Stils’ ebenso zum ‚Aussterben’
verurteilt wie die freie Marktwirtschaft
Technologie ist hierbei die systematische Anwendung wissenschaftlicher
Erkenntnisse oder anderen organisierten Wissens der praktischen
Aufgaben
Die Notwendigkeit, Aufgaben immer weiter zu unterteilen, dann
Spezialwissen auf die Teilgebiete anzuwenden und schließlich die fertigen
Elemente der Aufgabe wieder zu einem Gesamtprodukt
zusammenzufügen, ist der Ausgangspunkt fast aller Konsequenzen der
Technologie und bestimmend für das Bild der modernen Industrie
Konsequenzen
-ständig wachsende Zeitspanne liegt zwischen
Beginn und Abschluss einer Aufgabe
- Spezialwissen wird für den kleinstmöglichen
Bruchteil der Aufgabe aufgewandt
- Man braucht mehr Zeit und mehr
Produktionsmittel und beides kostet Geld
- Komplizierte Technik und komplizierte Aufgaben
müssen auf kleinste Faktoren bezogen werden
Konsequenzen
-Technologie erfordert Spezialisten
- unabdingbares Gegenstück der
Spezialisierung ist die Organisation:
Koordination der Aufgaben
- aus der Festlegung von Kapital, Notwendigkeit
umfangreicher Organisation und den
Problemen der Vermarktung unter den
Bedingungen fortgeschrittener Technologie
entspringt die Notwendigkeit der Planung
Soziologische
Gesellschaftstheorien
Nachindustrielle
Gesellschaft
Denis Gruber, Univ. of St. Petersburg
27
Daniel Bell
Daniel Bell: Das Konzept der
nachindustriellen Gesellschaft
Als post- oder nachindustrielle Gesellschaft haben
die beiden Soziologen, der Franzose Alaine
Touraine und der Amerikaner Daniel Bell, die sich
herauskristallisierenden Konturen der neuen
Gesellschaftsformationen bezeichnet
Daniel Bells Analyse bezieht sich auf den Wandel
innerhalb der USA
Daniel Bells Analyse, die er schon seit den fünfziger
Jahren Vorträgen und Aufsätzen vorgetragen hat,
wird zum berühmten soziologischen Paradigma und
zum Motto für einen „in erster Linie Wandel der
Sozialstruktur“
Daniel Bell: Das Konzept der
nachindustriellen Gesellschaft
Ziel ist es, die entscheidenden Aspekte dieses
Strukturwandels zu erfassen
unterscheidet die Gesellschaft in drei
eigenständige Sphären: Politik, Kultur und
Sozialstruktur, die je über einer eigenen,
autonomen Entwicklungslogik verfügen
Wandel zur post-industriellen Gesellschaft
betrifft primär Veränderungen der
Sozialstruktur, also Wirtschaft,
Beschäftigungssystem und Technologie
Daniel Bell: Das Konzept der
nachindustriellen Gesellschaft
Unterscheidet wie auch Clark zwischen einem primären,
sekundären und einen tertiären Wirtschaftssektor
im Zuge von technischer Entwicklung und Rationalisierung kommt
es zunächst zu einer Verlagerung vom primären zum sekundären,
dann schließlich zum Dienstleistungssektor
Entwicklung hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft, stellt einen
wichtigen Aspekt des Strukturwandels dar
Aber: Dienstleistungsgesellschaft für Daniel Bell nur ein partieller
Befund und stellt nicht den Inbegriff des tief greifenden
Strukturwandels dar
Entwickelt ein analytisches Instrumentarium, das im Rahmen der
Unterscheidung zwischen den Sphären Sozialstruktur, Politik und
Kultur mit der Identifizierung von Axialprinzipien und
Axialstrukturen arbeitet, um Dynamiken innerhalb wie zwischen
den Sphären zu erfassen
Daniel Bell: Das Konzept der
nachindustriellen Gesellschaft
Axialprinzip meint das dynamische Leitprinzip, das
als primäre Logik der Schlüsselinstitutionen gelten
kann
axiale Struktur bezeichnet den organisierenden
Rahmen und die zentralen Institutionen, um die
herum andere Institutionen angeordnet sind
Beim Konzept und Schema der post-industriellen
Gesellschaft geht es darum, die Differenzen
zwischen industriellen und vorindustriellen
Gesellschaften aufzuzeigen
Daniel Bell: Das Konzept der
nachindustriellen Gesellschaft
Im wirtschaftlichen Sektor: Wandel von einer
produzierenden zu einer Dienstleistungswirtschaft
in der Beschäftigung ist die Berufsstruktur der
Industriearbeiterschaft rückläufig, und werden
Berufe vorherrschen, die tertiären Bildung und
höhere Professionalität erfordern, also eher
technische und administrative Berufe  axiales
Prinzip der nachindustriellen Gesellschaft =
Kodifizierung theoretischen Wissens
In der postindustriellen Gesellschaft tritt an die
Stelle der Maschinetechnologie eine intellektuelle
Technologie
Daniel Bell untersucht die Gesellschaft anhand
von drei Dimensionen: der sozialen Struktur,
der politischen Ordnung und die Kultur.
soziale Struktur umfasst Wirtschaft,
Technologie und Berufsgliederung
politische Ordnung regelt die Machtverteilung
und entscheidet zwischen den widerstreitenden
Ansprüchen und Forderungen von einzelnen
Gruppen
kultureller Sektor schließlich kann als Bereich
der expressiven Symbole und der Sinngebung
bezeichnet werden
Bedeutung des „Wissens“
postindustrielle Gesellschaft legt immer
größeres Gewicht auf die technische Seite des
Wissens
Wissensexperten sind somit die Oberpriester
der neuen Gesellschaft
Übergang von einer warenproduzierenden zu
einer Informations- und Wissensgesellschaft
Berufsstruktur: der Vorrang einer Klasse
professionalisierte und technisch
qualifizierte Berufe
Ausbau der akademisch und technisch
qualifizierten Berufe
jener Bereiche, die gewöhnlich irgend einer
Hochschulausbildung erfordern und deren Zahl
doppelt so schnell angestiegen ist wie der
Durchschnitt
Schlüsselposition innerhalb dieser akademischtechnische Klasse wiederum fällt den
Naturwissenschaftlern und Ingenieuren zu, deren
Zahl dreimal so schnell gestiegen ist wie die der
werktätigen Bevölkerung.
Axiales Prinzip
Zentralität theoretischen Wissens als Quelle von
Innovationen und Ausgangspunkt der
gesellschaftlich-politischen Programmatik
überall wird der Fortschritt abhängig von der
vorausgehenden theoretischen Arbeit, die die
bekannten Daten sammelt
Das Konzept der nachindustriellen Gesellschaft
stellt den Versuch dar, einen axiales Wandel in der
Sozialstruktur, das heißt in Wirtschaft, Technologie
und Schichtungssystem zu beschreiben und zu
erklären
Zukunftsorientierung
die Steuerung des technischen Fortschritts und
die Bewertung der Technologie
Dank der neuen Möglichkeiten technologischer
Prognosen, könne es den nachindustriellen
Gesellschaften gelingen, eine neue Dimension
gesellschaftlichen Wandel zu erreichen: die
Planung und Lenkung des technologischen
Wachstums.
Entscheidungsbildung
die Schaffung einer neuen „intellektuellen
Technologie“
So erfordert die neue Gesellschaft eine immer
stärkere Festlegung und Anwendung von
Strategien
„postindustrielle Gesellschaft“
Arbeitskräfte überwiegend im Dienstleistungsgewerbe tätig: Handel,
Finanzen, Transport, Gesundheitswesen, Erholung, Forschung, Bildung
und Verwaltung
in der Industriegesellschaft nahm Bedarf an Berufen zu, die direkt mit
der industriellen Produktion im Zusammenhang standen
Zunahme akademischer und technisch qualifizierter Berufe
Schlüsselposition fällt den Naturwissenschaftlern und Ingenieuren zu
Wissen wird zum strategischen Hilfsmittel und axialem Prinzip der
Gesellschaft. Universitäten, Forschungsorganisationen und
wissenschaftliche Institutionen, wo dieses theoretische Wissen
zusammengetragen und ausgebaut wird, entpuppen sich immer
deutlicher als axiale Strukturen der neuen Gesellschaft
aufgrund der Möglichkeiten technologischer Prognosen gelingt es der
nachindustriellen Gesellschaft eine neue Dimension gesellschaftlichen
Wandels zu erreichen: Planung und Lenkung des technologischen
Wachstums
Gesellschaft erfordert stärkere Festlegung und Anwendung von
Strategien
Soziologische
Gesellschaftstheorien
Organisationsgesellschaft
Denis Gruber, Univ. of St. Petersburg
41
Organisation
Ordnung von arbeitsteilig und zielgerichtet
miteinander arbeitender Personen und Gruppen
Aktivität ist auf eine bestimmte Dauer gerichtet
bestimmen ihre Grenzen durch Mitgliedschaft,
d.h. durch Eintritts- und Austrittsbedingungen in
das bzw. aus dem System
Vier Themenfelder einer soziologischen Betrachtung der
modernen Organisationsgesellschaft
•
•
•
•
Verbesserung individueller Lebenschancen:
Interessen- und Anspruchsbefriedigung
Verschlechterung individueller
Lebenschancen: Entfremdung und
Machtlosigkeit
gesellschaftliche Integration: Einbindung der
individuellen und intersystemische
Koordination
gesellschaftliche Desintegration:
individueller Rückzug und
interorganisatorische Blockaden
Analytische Dimensionen der
Organisationsgesellschaft
Organisation konstituiert sich durch die Markierung
formalisierter Mitgliedschaftserwartungen
Diesen passen sich individuelle Akteure, die der
Organisation angehören an, was zu dauerhafter
Konformität führt
Schimank fragt danach, was es für die moderne
Gesellschaft bedeutet, dass sich die
Organisationsebene immer mehr als mittlere Ebene
zwischen dem Interaktionsgeschehen und der Ebene
gesellschaftlicher Teilsysteme wie Wirtschaft, Politik,
Wissenschaft oder Erziehung
Organisation
Menschen erleben O. als Systeme von impliziten
und expliziten Regeln
O. sind auf einen bestimmten Zweck ausgerichtet
O. kommunizieren Erwartungen an ihre Mitglieder
und Nicht-Mitglieder
O. bestehen aus Zusammenschluss versch.
Akteure, die versuchen, ihre Interessen
durchzusetzen
aber auch in O. herrschen bestimmte Hierarchien
und Abhängigkeiten
Warum gibt es keine einheitliche
Organisationstheorie?
O.-theorie dient dem Zweck, das Entstehen, das
Bestehen und die Funktionsweise von O. zu erklären
und zu verstehen
O. sind hochkomplexe soziale Gebilde, in denen viele
Probleme auftauchen
verschiedene Beziehungsschwerpunkte: Beziehungen
zwichen Individuen und Organisationen, Gruppe und
Organisationen, Organisationen und Umwelt, etc.
unterschieden wird nach Mikro-, Meso- und
Makroebene der Organisationen
Problematik ? verschiedener theoretischer Perspektiven
keine Einigkeit hinsichtlich des Zwecks der
Forschungstätigkeit  Theoriepluralismus
Organisationsgesellschaft
(Uwe Schimank)
auffälligstes Merkmale, das die moderne
Gesellschaft von allen vormodernen
Gesellschaftsformen unterscheidet, ist die
flächendeckende Durchsetzung nahezu alle
Lebensbereiche mit formalen Organisationen
moderne Gesellschaft ist eine
„Organisationsgesellschaft“: Unternehmen,
staatliche Verwaltungen, Schulen und Hochschulen,
Krankenhäuser, Gerichte, Forschungsinstitute,
Militär, Kirchen, Museen, Zeitungen,
Fernsehsender, politische Parteien und Verbände
sind vollends organisiert
(1) Verbesserung individueller
Lebenschancen: Interessen- und
Anspruchsbefriedigung
Individuen haben in der modernen Gesellschaft
gelernt, dass sie ihre Interessen besser
durchsetzen können, wenn sie sich in formalen
Organisationen zusammenschließen
James Coleman hat diese Art von Organisationen
als korporative Akteure bezeichnet, die durch
einen Vorgang der Ressourcenzusammenlegung
konstituiert werden
Ressourcen sind dabei die sozialen
Einflusspotenziale, insbesondere Macht und Geld
(2) Verschlechterung individueller
Lebenschancen: Entfremdung und
Machtlosigkeit
Oligarchien bedeutet zwar nicht notwendigerweise
eine Missachtung der gemeinsamen Interessen
durch die Führung, doch sofern es ihr nicht gelingt,
die eigene Sicht dieser Interessen auch der Basis
plausibel zu machen, stellen sich auf anderen
Seite Entfremdungsgefühle ein
Mitglieder gewinnen dann den Eindruck, mit ihren
Interessen von den eigenen
Interessenorganisationen nicht mehr vertreten,
sondern ignoriert zu werden
(3) gesellschaftliche Integration: Einbindung
der individuellen und intersystemische
Koordination
Arbeitsorganisationen tragen zur
gesellschaftlichen Einbindung ihrer Mitglieder bei
gesellschaftliche Durchorganisierung ermöglicht
höheres Niveau der Integration der Individuen
(4) gesellschaftliche Desintegration:
individueller Rückzug und
interorganisatorische Blockaden
wenn oligarchische Interesseorganisationen auf
Seiten von immer mehr Mitgliedern Erfahrungen
der Ohnmacht gegenüber dem hervorrufen, was
die jeweiligen Leitungen beschließen, kann dies
einen massenhaften Rückzug der Individuen aus
dem Engagement nicht nur innerhalb dieser
Organisationen hervorrufen
allgemeine Politikverdrossenheit kann
gesellschaftliche Integration untergraben kann
Soziologische
Gesellschaftstheorien
Erlebnisgesellschaft
Denis Gruber, Univ. of St. Petersburg
52
Konzept der
Erlebnisgesellschaft
Günter Schulze indiziert durch sein Konzept der
Erlebnisgesellschaft ebenfalls ein markantes
Symptom für den gesellschaftlichen Wandel,
allerdings hier beschränkt auf die Bundesrepublik
Deutschland
befasst sich mit den Veränderungen des
Alltagslebens, die weit über Güter und
Dienstleistungen hinausreichen, die das Leben
schlechthin zum Erlebnisprojekt stilisieren
Konzept der
Erlebnisgesellschaft
Fünf Milieus kritisiert Schulze aufgrund seiner
Befragung einer repräsentativen Stichprobe in
der Stadt Nürnberg
Niveau
Harmonie
Integration
Selbstverwirklichung
Unterhaltung
Konzept der
Erlebnisgesellschaft
Zwar ermöglicht die Erlebnisgesellschaft erstmals
Fülle und Vielfalt von Geschmacks Kulturen und
Milieus nebeneinander, aber sie separieren sich
zunehmend, beziehen sich in ihren kulturellen
Praxen nicht mehr aufeinander, es kommt zu einer
Entkollektivierung von Wirklichkeitsmodellen
In dieses Vakuum stößt er ständig wachsende,
sich intensivieren der Erlebnismarkt; international
ausgerichtet, routiniert, hoch professionell und
lukrativ bündelt eher enorme Mengen an
Produktivitätskapazität, Nachfragepotenzial,
politische Energie, gedankliche Aktivität und
Lebenszeit
Soziologische
Gesellschaftstheorien
Netzwerkgesellschaft
Denis Gruber, Univ. of St. Petersburg
56
Manuell Castells: Die
Netzwerkgesellschaft
neue Informations- und
Kommunikationstechnologien relativieren den Raum
und führen damit zu Entstrukturierung räumlicher
Ordnungen
Revolution der Informationstechnologie
Aufkommen von Netzwerkunternehmen
Transformation von Arbeit und
Beschäftigungsstruktur
Entstehung einer Netzwerkkultur
Castells identifiziert das Strukturmerkmal der
entstehenden Gesellschaft, die in Form eines
Netzwerks besteht
Manuell Castells: Die
Netzwerkgesellschaft
In Anknüpfung an Daniel Bells Konzept der postindustriellen Gesellschaft betrachtet Castells
Produktionsverhältnisse und Entwicklung der
Produktivkräfte als zentrale, aber analytisch
unabhängige Achsen gesellschaftlichen Wandels
konzipiert den gegenwärtigen Wandel entlang der
Achse der Produktivkräfte als Wandel zum
Informationalismus
Im Gegensatz zu Bell wird hier die Wechselwirkung
zwischen beiden Achsen nicht ignoriert
Manuell Castells: Die
Netzwerkgesellschaft
Motor des historischen Wandels ist die Interaktion
zwischen Produktionsweisen und
Entwicklungsweisen
Technologie der Produktion und die
Informationsverarbeitung werden zur wichtigsten
Quelle der Produktivität
Kommunikation und Informationsverarbeitung sind
von großer Bedeutung.
Fortschritte in Technologie, Wissen und Management
werden wiederum auf Technologie, Wissen und
Management angewendet
Die Wertschöpfung basiert auf Innovationen und auf
dem Performanceprinzip
Fünf Merkmale der
Informationsgesellschaft
Technologie, die dazu dient, auf Information einzuwirken
Information ist ein integraler Bestandteil aller menschlichen
Aktivitäten
Netzwerk-Logik eines jeden Systems von Beziehungen
Paradigma basiert auf Flexibilität und der Fähigkeit zur
Rekonfiguration: Organisationen und Institutionen
können modifiziert oder tief greifend verändert werden,
in dem man ihre Komponenten neu arrangiert
Konvergenz der spezifischen Technologien zu einem hoch
integrierten System, diesem zusammenwachsen von
Informations- und Kommunikationstechnologie
besonders gut deutlich wird
Das Netzwerkunternehmen
Im Zuge der kapitalistischen Restrukturierung
versuchten Unternehmen, sich durch die
Veränderung ihrer Organisationsstrukturen an die
wachsende Unsicherheitsglobalisierung der
Märkte und rapiden institutionellen, ökonomischen
technischen Wandels anzupassen
lean-production-modell: mithilfe von Automation,
Computerkontrolle von Arbeitsabläufen und der
Auslagerung (subcontracting) von Tätigkeiten auf
einen massive Einsparung von Arbeitskosten
standardisierte Massenproduktion wird von
flexibler Produktion abgelöst: Spezialisierung
Das Netzwerkunternehmen
traditionelles Modell des großen Unternehmen mit seinen
hierarchischen Aufbau gehört immer mehr der
Vergangenheit an
An Stelle vertikaler Integration bilden sich multi-regionale
Netzwerke kleiner und mittlerer Firmen
Um neue Chancen durch flexible Netzwerke für sich nutzen
zu können, muss das Unternehmen selbst zum Netzwerk
werden und jedes seiner Elemente dynamisieren 
„Netzwerkunternehmen“
Produktion ist der Bereich, wo der Informationalismus seine
Gestalt erhält
Doch zentrale Momente der Sozialstruktur sind der
Arbeitsprozess und die Beschäftigungsstruktur
Die informationelle Arbeitsteilung
von Charakteristiken des informationellen Produktionsprozess
bestimmt:
Wertschöpfung basiert auf Innovation
Innovationen sind abhängig vom Forschungs- und
Spezifizierungspotenzial
Maschine übernimmt Routineaufgaben und menschliches
Potenzial ist für Anpassungsleistungen und Feed-back wichtig
Netzwerkorganisation als Ort der Produktion erfordert sowohl
flexible Entscheidungsprozesse als auch die organisatorische
Integration aller Elemente im Produktionsprozess
Informationstechnologien werden zu einem kritischen Element
im Produktionsprozess: Innovationskapazität, erleichtern
Fehlerbeseitigung, ermögliche Feed-back zwischen Planung und
Ausführung und stellen die Infrastruktur für Flexibilität und
Anpassungsfähigkeit dar
Ergebnisse
Informationenrevolutionsprozess führt zu einer
neuen Form der Arbeitsteilung, die für das
informationelle Paradigma charakteristisch ist
drei Dimensionen: Wertschöpfung,
Entscheidungsstruktur und Vernetzung
Arbeit und Beschäftigung erfahren durch
Informationstechnologie eine Neudefinition
Soziologische
Gesellschaftstheorien
Mediengesellschaft
Denis Gruber, Univ. of St. Petersburg
65
Mediengesellschaft: Zum Verhältnis
von Medien und Politik
Wer beeinflusst eigentlich wen und was?
politische Kommunikation wird uns heutzutage vor allem
durch Unterhaltungsformate der Politik im Fernsehen
vermittelt
Medien sind auf die Informationen aus dem politischen
System angewiesen und benötigen zur Verbreitung von
Informationen den Zugang zu den Institutionen der Politik
politisch handelnde Akteuren sind auf die Medien
angewiesen, um ihre Meinung und Stellungsnahme einer
breiten Öffentlichkeit mitzuteilen
Medien sind auf Politik angewiesen sind, um Erkenntnisse
über politische Prozesse auf der ganzen Welt zu erfahren
und sich Meinungen anderer Politiker einzuholen
Welchen Einfluss übt die Politik
auf die Medien aus?
setzt rechtliche Rahmenbedingungen
bestimmt weitgehend die Medienordnung der Gesellschaft
greift zum Teil unmittelbar in die organischen Strukturen und
in die Abläufe von Medienorganisationen ein
benutzt Massenmedien, um sich in der Öffentlichkeit zu
präsentieren und um eigene Standpunkte und Interessen
der Öffentlichkeit zugänglich zu machen
kann nicht über anderen Systemen stehen, da sie selbst auf
deren Leistungen angewiesen ist
kommt eine besondere Stellung als Problemadressat und
Problemlösungssystem zugute
ist der Steuerungsakteur der Gesamtgesellschaft
Beziehung zwischen Medien und
Politik
Gewaltenteilungsparadigma: Medien als vierte
Gewalt im Staat postuliert
Instrumentalisierungsparadigma: Übermacht
einerseits der Massenmedien und andererseits
des politischen Systems gegenüber dem anderen
System
Interdependenzparadigma: Symbiose zwischen
beiden Systemen  komplexe Interaktion mit
wechselnden Abhängigkeiten und
Anpassungsprozessen
Einfluss der Medien auf die Politik
sammeln und selektieren politische Informationen nach
medienspezifischen Aufmerksamkeitsregeln
verbreiten politische Informationen an ein großes Publikum
mediale Information ist oftmals die ausschließliche Handlungsbasis für
die Bürger und die politischen Eliten
zugleich Voraussetzung für das Entstehen einer politischen
Öffentlichkeit
notwendige und wichtigste Vermittlungsinstanz der politischen
Prozesse für die Bürger
entscheiden nach medienspezifischen Faktoren über den Zugang
politischer Akteure zur Öffentlichkeit und bestimmen so deren
Handlungs- und Einflussmöglichkeiten
interpretieren und bewerten auf medienspezifischer Weise das
politische Geschehen und strukturieren somit den Systeminput –und
Systemoutput
schaffen „Pseudo-Ereignisse“ und Realitätsfiktionen, welche wiederum
zur Grundlage politischen Handelns werden
Soziologische
Gesellschaftstheorien
Dienstleistungsgesellschaft
Denis Gruber, Univ. of St. Petersburg
70
Die Dienstleistungsgesellschaft
DL-Gesellschaft  Gesellschaft, deren
Beschäftigungsstruktur durch Übergewicht von
Dienstleistungen gekennzeichnet ist
Übergewicht bedeutet aber, dass zumindest 50
% der Erwerbstätigen mit Dienstleistungen ihr
Einkommen verdienen
Dienstleistungsgesellschaft beinhaltet eine
parallele Veränderung der Arbeitsmärkte und
Konsumgewohnheiten
Dienstleistungsgesellschaft
Die Dienstleistungsgesellschaft
Häusermann und Siebel argumentieren, dass sich
mit dem ökonomischen und technischen Wandel
ein neuer Typus von Gesellschaft herausbildet
Im Gegensatz zur Industriegesellschaft bestehen
deutliche Unterschiede hinsichtlich der
Lebensbedingungen
andere Qualität ergibt sich aus veränderten
Konsumgewohnheiten
Immer mehr Menschen sind im
Dienstleistungssektor tätig und Konsum richtet sich
ebenfalls immer stärker auf Dienstleistungen
Soziologische
Gesellschaftstheorien
Moderne Gesellschaft,
Postmoderne und Risiko
Denis Gruber, Univ. of St. Petersburg
74
Die funktionale Dienstleistungstheorie von
Häusermann und Siebel
Autoren gehen davon aus, dass Dienstleistungen
beschützende Tätigkeiten sind
funktionale Dienstleistungsbestimmung
Dienstleistungen haben keinen technologischstofflichen Charakter, sondern sind darauf
gerichtet, die sozialen, politischen und kulturellen
Rahmenbedingungen der materiellen Reproduktion
zu sichern
Dienstleistungen sind „Produktion eines materiellen
Gutes“
drei Idealtypen der
Dienstleistungsgesellschaft
USA: hohe Erwerbsorientierung der Frauen  hohe
Lohndifferenzen, Fehlen öffentlicher sozialer
Dienstleistungsangebote  privaten Haushalte leben von
niedrig entlohnten Dienstboten und kommerziellen
Dienstleistungsangeboten
Schweden: Gesellschaft des öffentlichen Dienstes 
Integration der Frau in den Arbeitsmarkt durch
umfangreiches Angebot an öffentlichen
Dienstleistungseinrichtungen  Zuschüsse bei
Familiengründungen  aber: sehr hohe individuelle Steuerund Abgabenquote, die Berufe beider Ehepartner erzwingt
Deutschland: Selbstbedienungswirtschaft, aber hoher Anteil
der nichterwerbstätigen Bevölkerung und geringe Quote
berufstätiger Frauen ist Kehrseite dieses Dienstleistungstyps.
Anthony Giddens (1995):
Konsequenzen der Moderne
Begriff ‚Moderne‘ bezieht sich Formen sozialen Lebens und
sozialer Organisationen, die in Europa seit dem
siebzehnten Jahrhundert erschienen und mehr oder
weniger verbreitet sind
Wir befinden uns jetzt in einer Übergangszeit, die mit einer
Reihe von Begriffen benannt worden ist:
Informationsgesellschaft, Konsumgesellschaft,
Postmoderne, Postmodernismus, postindustrielle
Gesellschaft, Postkapitalismus, etc.
Kennzeichen: Bewegung vom auf der Erzeugung
materieller Güter beruhenden System zu auf Informationen
beruhendes System bewegen
Übergangszeit wird dargestellt als Zeit der Unsicherheit,
des Risikos
Anthony Giddens (1995):
Konsequenzen der Moderne
Giddens lehnt Begriffe wie ‚Postmoderne‘ ab und
argumentiert, daß wir in eine neue Phase der
Moderne eingetreten sind,
Phase, in der wir über die Konsequenzen der
Moderne reflektieren
unterscheidet zwischen reflexiver und radikaler
Moderne
heutige Moderne ist eine von ökologischen
Bedingungen geprägte Gesellschaftsordnung
Anthony Giddens (1995): Konsequenzen der
Moderne
die durch die Moderne entstandenen Lebensformen
haben uns von allen traditionellen Typen der
sozialen Ordnung und Sicherheiten fortgerissen
Dynamik der Moderne, die letztendlich das Risiko
verursacht, geht auf folgende drei Erscheinungen
zurück:
(1) die Trennung von Raum und Zeit;
(2) die Entbettung der sozialen Systeme; und
(3) die reflexive Umordnung gesellschaftlicher
Beziehungen in Hinblick auf ständig neue, unser
Handeln beeinflussende Erkenntnisse
(1) Moderne, Zeit und Raum
Erfindung der Uhr und die Vereinheitlichung der Zeit
waren in hohem Maße Voraussetzung für die
Neubegreifung des Raumes unabhängig vom Wohnort
Entfernungen konnten in Zeit ausgedrückt werden
In der Moderne wird der Ort immer stärker vom Raum
gelöst
Beziehungen mit örtlich entfernten Menschen werden
durch technische und infrastrukturelle Errungenschaften
begünstigt
Trennung von Raum und Zeit vom Lokalen ist die
Voraussetzung für die Entbettung von Wirtschaft
(2) Entbettung
Entbettung meint die Lösung sozialer Beziehungen von
ortsgebundenen Interaktionszusammenhängen
in der Ökonomie ist hiermit die Mobilisierung des Produktionsfaktors
Arbeit, in der Soziologie die Differenzierung oder funktionale
Spezialisierung umschrieben worden
Giddens unterscheidet zwei Arten von Entbettungsmechanismen:
-(i) symbolische Zeichen, die sich hin- und herreichen lassen, ohne
daß spezifische Merkmale der Benutzer berücksichtigt werden
müssen (zum Beispiel Geld, Zertifikate, usw.)
-(ii) Expertensysteme: Systeme technischer Leistungsfähigkeit oder
professioneller Sachkenntnis, auf die wir uns verlassen müssen, da
wir außerstande sind, alles selbst nachzuprüfen
-Wir verlassen uns dabei nicht auf die Person, sondern ihre Funktion,
ihr Expertenwissen
Das Vormoderne und das Moderne
Vormoderne ist durch folgende Vertrauens- und
Risikoumwelten gekennzeichnet:
(1) Verwandschaftsbeziehungen sind
Organisationsmittel zur Vertrautheit und
Verbundenheit
(2) lokale Gemeinschaft stellt als Ort ein vertrautes
Milieu her
(3) religiöse Kosmologien liefern
vorhersehungsorientierte Interpretation des Lebens
und der Natur
(4) Tradition ist das Mittel zur Verbindung von Zukunft
und Gegenwart. Ob sie tatsächlich existiert oder
erfunden wird, spielt dabei keine Rolle
Bedrohungen und Gefahren resultieren:
(A) aus der Reflexivität der Moderne, die uns das
Risiko unserer Technologien bewußt macht.
(B) durch menschliche Gewalt über die
Industrialisierung des Krieges
(C) Gefühl der Sinnlosigkeit des Daseins
(D) ökologische Katastrophen wie Tankerunglücke,
abgeholzte Wälder, radioaktive Verseuchung,
Waldsterben, Treibhauseffekt usw.
Risiko und Gefahr in der modernen Welt
Risiken sind globalisiert im Sinne der Verstärkung und nicht
mehr auf den Nationalstaat, geschweige denn die Lokalität
beschränkt
Risiken sind globalisiert im Sinne der zunehmenden Zahl
kontingenter Ereignisse: weltweite Zunahme des
Automobilverkehrs und daraus resultierende Schädigungen
der Ozonschicht
Risiken gehen aus der gestalteten Umwelt und
vergesellschafteten Natur hervor
Bewusstsein vom Risiko stellt selbst ein Risiko dar 
Risikobewusstsein ist weit verbreitet und äußert sich bei vielen
Menschen in konkreten oder diffusen Ängsten
moderne Gesellschaft ist sich Katastrophen der Grenzen des
Expertenwissens bewußt
Soziologische
Gesellschaftstheorien
Risikogesellschaft
Denis Gruber, Univ. of St. Petersburg
85
Ulrich Beck: Risikogesellschaft
• Industriegesellschaft sei zur individualisierten
Risikogesellschaft fortgeschritten
• einfache und reflexive Modernisierung
• Einfache Modernisierung ist auf Wachstum, technischen
Fortschritt und Wohlstand ausgerichtet, ohne über die
Folgen für die Ökologie zu reflektieren
reflexive Modernisierung eben versucht, diese
Folgen zu erkennen und zu berücksichtigen 
Modernisierungsprozess wird 'reflexiv', sich selbst
zum Thema und Problem, Fragen der Entwicklung
und des Einsatzes von Technologien (im Bereich
von Natur, Gesellschaft und Persönlichkeit) werden
überlagert durch Fragen der politischen und
wissenschaftlichen "Handhabung"
Globalisierung von Risiken hat soziale
Gefährdungslagen zur Folge.
Globalisierungsrisiken sind gleichzeitig
Marktchancen, ein großes Geschäft, ein
Bedürfnis-Fass ohne Boden. Zahlreiche
Branchen (Bücher- und Filmindustrie,
Umweltorganisationen, Bioläden, Firmen zur
Beseitigung von Umweltschäden usw.) machen
Geschäfte mit diesem Risiko
In Gefährdungslagen bestimmt das Bewußtsein das
Sein. Das Wissen um die Gefährdung gewinnt
eine neue politische Dimension
Die politische Handhabung des Risikos kann eine
Reorganisation von Macht und Zuständigkeit
einschließen
drei Arten globaler Gefahren:
Konflikte um schlechte Dinge, die als Kehrseite von Guten
erzeugt werden, das heißt Reichtums bedingt
ökologische Zerstörung und technisch-industrielle
Gefahren (Ozonloch, Treibhauseffekt, Folgen der
Gentechnik und Fortpflanzungsmedizin)
Armut bedingt ökologische Zerstörung und technischindustrielle Gefahren (Umweltzerstörung, selbst
Zerstörung der armen Bevölkerungen mit
Nebenwirkungen auch für die Reichen, die sich am
abholzen der tropischen Regenwälder und seiner
Folgen für das globale Klima zeigen lässt)
Gefahren von Massenvernichtungswaffen (ABC Waffen)
Die Globalisierung
der Gesellschaft
Global Culture, Westernization
and Americanization
Americanization of
societies?
Americanization ?
91
92
Denis Gruber
93
Denis Gruber
94
Denis Gruber
95
Americanization
-bezeichnet Kulturtransfer in einem sehr weit
gespannten Verständnis
- Transfers von Amerikanismen, d.h. Institutionen,
Normen, Werte, Gebräuche, Verhaltensweisen
und Verfahrensformen, aber auch Symbole, Bilder,
die vermeintlich oder tatsächlich aus den USA
übernommen, auf jeden Fall aber als amerikanisch
empfunden werde
- entscheidend: der Kulturtransfer verläuft in einer
und nur einer Richtung, von den USA nach Europa
96
und in andere Teile der Welt.
Americanization
Alltagskultur
• Popkultur im weitesten Sinne
• Hollywood und das „Star System“ in Film und Fernsehen
• Verstärkte Verwendung von Anglizismen in allen Bereichen der
Gesellschaft
• Kleidungsstile und andere Moden
• Sport, z.B. US-amerikanische Ballspiele Baseball, Football und
Basketball
• Fastfood
• Förderung der Herausbildung von Eliteschulen und -universitäten
(“Ivy League-Systeme“)
• Das Navigationssystem GPS
97
McDonaldisierung
McDonaldisierung ist ein durch den US-amerikanischen Soziologen
George Ritzer in seinem Buch The McDonaldization of Society (Die
McDonaldisierung der Gesellschaft) geprägter Begriff
• Begriff beschreibt einen Prozess, in dem eine Gesellschaft
zunehmend die Charakteristika eines Fastfood-Restaurants
übernimmt.
• Aus Sicht Ritzers ist die McDonaldisierung eine Neuentwicklung
innerhalb des Rationalisierungsbegriffes
• kennzeichnet insofern eine Veränderung von traditionellen hin zu
rationalen Gedankenmodellen in Richtung eines zunehmend
wissenschaftlich strukturierten und fundierten Managements
98
McDonaldisierung
• Ritzer charakterisiert die McDonaldisierung
anhand von vier Hauptaspekten:
• Effizienz - die optimale Methode, eine Aufgabe
zu lösen
• Kalkulierbarkeit - das Ziel sollte eher
quantifizierbar (z. B. Umsatzzahlen) als lediglich
subjektiv (z. B. Geschmack) bestimmbar sein
• Voraussagbarkeit - vereinheitlichte und
gleichförmige Dienstleistungen
• Kontrolle - vereinheitlichte und gleichförmige 99
Mitarbeiter
McDonaldisierung
- Unter Einbindung dieser vier Kategorien kann
eine Strategie, welche innerhalb eines engen
Blickfeldes als rational und erfolgversprechend
erscheint, zu insgesamt schädlichen und
irrationalen Ergebnissen führen.
- Prozess wird von Ritzer als eine Entwicklung
zusammengefasst, bei der die Prinzipien der
Führung eines Fastfood-Restaurants immer mehr
unterschiedliche Bereiche der amerikanischen
Gesellschaft und der restlichen Welt dominieren
100
(Ritzer, 1993:1).
Glocalization
-
-
-
gebildet aus den Begriffen Globalisierung und
Lokalisierung
beiden Begriffe nicht als Gegensätze, sondern wenn
sinnvoll verbunden, als einander ergänzende Prozesse
zu verstehen
bedeutet auch einen doppelten
Vergesellschaftungsprozess durch lokale Arbeit und
globales Geld
101
Glocalization
-
-
-
-
bezeichnet die Verbindung und das Nebeneinander
des vieldimensionalen Prozesses der Globalisierung
und seinen lokalen bzw. regionalen Auswirkungen und
Zusammenhängen
alles was sich auf der Welt abspielt ist von lokalregionaler und gleichzeitig von global-überregionaler
Bedeutung
die lokale Auswirkungs- und Erscheinungsebene der
weltumspannenden Globalisierung
globale und gleichzeitig lokale Vernetzungen
102
Glocalization
• enthält kulturelle, ökonomische, politische und
soziologische Dimension
• kulturell: Individuen können Identitäten und kulturelle
Besonderheiten bewahren  Globalisierung der
Biografien, da die Globalisierung für jedes Individuum
lokal verständlich und erlebbar wird
• Weltoffenheit, bei der alle Kulturen anerkannt und
respektiert werden und dennoch regionale
Verwurzelungen erhalten bleiben
103
Glocalization
ökonomisch:
Produktion, Management und Verwaltung eines
transnationalen Konzerns (TNK) werden immer lokal
verortet, dagegen sind unternehmerische Aktivitäten
wie der Verkauf von Produkten global organisiert
aufgrund lokaler/regionaler Besonderheiten passen
TNKs ihre Produkte, deren Vermarktung und
insbesondere die Organisation ihrer Herstellung den
jeweiligen lokalen Bedingungen zur Wertschöpfung an
Doppelcharakter von Herstellung lokaler systemischer
Wettbewerbsfähigkeit einerseits und Einbindung in den
104
Weltmarkt andererseits
Glocalization
politisch:
Nationalstaaten geben ihre Kompetenzen immer mehr
ab
•
nicht nur nach oben an Bündnisse wie z.B. der EU,
sondern auch nach unten an die Gliedstaaten eines
Nationalstaats bzw. den verschiedenen Regionen
(Subsidiarität)
•
Anzahl von nichtstaatlichen Organisationen steigt
immer weiter an, die auch wachsenden Einfluss im
globalen als auch im lokalen Bereich genießen.
105
Soziologische
Gesellschaftstheorien
Modegesellschaft
Denis Gruber, Univ. of St. Petersburg
106
Modegesellschaft
107
108
Mode -
eine Definition
• “Mode (v. französ.: mode; aus lat.: modus Art)
bezeichnet die in einem bestimmten Zeitraum
und einer bestimmten Gruppe von Menschen
als zeitgemäß geltende Art, bestimmte Dinge
zu tun oder anzuschaffen, sofern diese nicht
von großer Dauer ist.”
109
“Jede neue Mode etabliert neue Verhaltens-,
Denk- und Gestaltmuster.”
• z.B. Amy Winehouse: Verhaltensmuster: Drogensüchtig,
durchgeknallt aber hoch talentiert. Denkmuster: Weckt
Beschützerinstinkte. z.B. bei Karl Lagerfeld. Angeblich will das
Modehaus Cavalli sie als Galionsfigur anheuern. Gestaltmuster:
Tätowiert, fetter Lidstrich, Bienenkorbfrisur (beehive), englisches
Prollstyling. Ist jetzt alles Trend. Neueste Ergänzung: Tücher um
den Haarturm.
110
Georg Simmel – Soziologie der Mode
• „Die Mode ist eine besondere unter jenen Lebensformen, durch
die man ein Kompromiß zwischen der Tendenz nach sozialer
Egalisierung und der nach individuellen Unterschiedsreizen
herzustellen suchte.“
• gesellschaftlichen Formen, die Kleidung, die ästhetischen
Beurteilungen, der ganze Stil, in dem der Mensch sich
ausdrückt, sind in fortwährender Umbildung durch die Mode
begriffen, indeß so, daß die »Mode«, d. h. die neue Mode in
alledem nur den oberen Ständen zukommt.
• Diese schließen sich dadurch von den unteren ab, sie markieren
damit die Gleichheit ihrer Angehörigen untereinander und im
gleichen Moment die Differenz gegen die Tieferstehenden.
• Sobald daher diese letzteren sich die Mode anzueignen
beginnen - weil sie eben immer nach oben sehen und streben
und das noch am ehesten auf den der Mode unterworfenen
Gebieten können -so wenden sich die oberen Stände von dieser
Mode ab und einer neuen zu, durch die sie sich wieder von den
111
breiten Massen differenzieren
Georg Simmel – Soziologie der Mode
• Von den gegenstrebenden Tendenzen unseres Wesens, für die
jede Seite der Mode eine besondere Vereinheitlichung darstellt,
findet hier die eine an der sozialen Form der Mode, die andere
an ihrem Inhalt ihre Befriedigung.
• Wo eines von beiden Momenten fehlt: entweder Bedürfnis und
Möglichkeit, sich abzusondern, oder Bedürfnis und Wunsch,
sich zusammenzuschließen, da endet das Reich der Mode.
• Darum haben die unteren Stände sehr wenige und seltene
spezifische Moden, die als solche gewollt würden, darum sind
die Moden der Naturvölker sehr viel stabiler, als die unsrigen;
aus dem umgekehrten Grunde kommt es in einem Kreise, in
dem jedes Individuum für sich etwas Bestimmtes bedeuten will
und die Nachahmung perhorresziert wird, zu keiner Mode.
112
Russische Mode
Designerin entwirft patriotische
Unterhosen
113
Russische Mode
Designerin entwirft patriotische
Unterhosen
- russische Designerin Antonia Shapowalowa hat ihre ganz
eigenen Mittel gefunden, um ihre nationale Gesinnung
auszudrücken
- Drei Jahre lang engagierte sich die 20 Jahre alte Studentin
Antonia Schapowalowa bei Kundgebungen und Aktionen des
Kreml
- Dann fand sie einen anderen Weg, um ihre nationalistische
Überzeugung unters Volk zu bringen
- „Liebe ist russisch“ steht auf ihrer Kleidung oder „Russen gehen
voran“
- Auf Damenunterwäsche prangen die Worte „Ich bin bei Dir,
Wowa!“. Wowa, das ist der Kosename für den Vornamen
Wladimir des scheidenden Präsidenten Putin.
114
Europas Mode- und Textilfirmen setzen auf russischen Markt
Branchenverbände eröffnen Verbindungsbüro in Moskau /
Chancen bei
Luxusartikeln und technischen Textilien
•
•
•
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•
•
Die westeuropäischen Mode- und Textilhersteller sehen in Russland
einen der wichtigsten Auslandsmärkte
für ihre Produkte. "Der Lebensstandard steigt hier sehr schnell und
damit auch die Nachfrage nach
Luxusgütern und Markenbekleidung", sagte Peter Pfneisl, der
Präsident des Fachverbands der
Textilindustrie Österreichs, Ende Juni 2008 in Moskau. Besonders gute
Absatzchancen sieht Pfneisl bei
technischen Textilien für die Industrie oder für das Gesundheitswesen.
Hier gebe es kaum Konkurrenz aus
Asien und die russischen Produktionskapazitäten seien begrenzt.
Dem positiven Ausblick stimmt sein deutscher Amtskollege Peter
Schwartze zu. Russland sei schon heute
neben der Europäischen Union (EU) der wichtigste Auslandsmarkt für
115
die deutsche Textil- und
Modeindustrie. Das Ausfuhrvolumen betrug 2007 rund 1 Mrd. Euro, so
Soziologie der Mode
• König, René (1969). Mode. Stichwort in: Bernsdorf, Wilhelm
(1969, Hrsg.). Wörterbuch der Soziologie. Stuttgart: Enke, S.
717-718.
"Die M., seit altersher ein Lieblingsthema der Philosophen, hat
schon früh das Interesse der Soziologen erregt. Die
Beschäftigung mit ihr wird gleichsam zum Testfall der
soziologischen Theorie, die man gern auf das augenfällige und
allgemein vertraute Thema der M. anwendet, um daran ihre
Leistungsfähigkeit zu illustrieren. Insbesondere psychologisch
orientierte Soziologen versuchten herauszufinden, welche
sozialen Mechanismen dafür verantwortlich sind, daß sich
einzelne modische Verhaltensweisen in relativ kurzer Zeit über
immer größere Menschenmengen verbreiten, bis eine gewisse
Uniformität entsteht, die dann in einem unerwarteten Moment
einer neuen M.welle weicht.
116
Soziologie der Mode
-
-
-
Mode wird in einem doppelten Sinne verstanden: im eigentlichsten
Sinne bedeutet sie den Wandel der Bekleidung und der
Alltagsgeselligkeit, der Wohnweise und überhaupt der Gestaltung
des ästhetischen Lebens
in weiterem Sinne wird der Ausdruck M. jedoch auch auf den
wiederkehrenden Wandel anderer Verhaltensformen angewendet.
Im letzteren Sinne hat man sagen können, daß M. "den ganzen
Menschen erfaßt" (René König)
Beschäftigung mit der M. ist also ausgerichtet auf den "sozialen
Wandel", nur daß sie sich gewissermaßen auf die Analyse der
Oberflächenschicht sozialen Geschehens beschränkt und (zumeist)
die tieferen Veränderungen des sozialen Systems nicht berührt, die
struktureller Natur sind
117
Soziologie der Mode
-
-
Mode ist abhängig von der Marktentwicklung
Mode ist ein sinnliches Thema, aber Mode ist auch sehr
relevanter Teil der Ökonomie
Produktion und Verteilung von Kleidung ist ein global
organisierter Prozess mit kurzen, schnellen Zyklen
auch die Stile, Farben, Muster und Schnitte unterliegen der
Globalisierung, wobei regionale und kulturelle Einflüsse
durchaus aufgegriffen werden, aber in globalisierten Strukturen
produziert und verkauft werden
Mode prägt nicht nur Kleidungsstile, sondern viele
Kulturelemente bis hin zu Denk- und Glaubensmustern
Mode ist ein dynamisierender Faktor der kulturellen Entwicklung
und trägt die Anzeichen einer Beschleunigung von
Entwicklungen und Trends unserer Zeit
118
Soziologische
Gesellschaftstheorien
Fundamentalismus als
gesellschaftliches Phänomen
Denis Gruber, Univ. of St. Petersburg
119
Denis Gruber, Univ. of St. Petersburg
120
Denis Gruber, Univ. of St. Petersburg
121
Denis Gruber, Univ. of St. Petersburg
122
Denis Gruber, Univ. of St. Petersburg
123
Denis Gruber, Univ. of St. Petersburg
124
Denis Gruber, Univ. of St. Petersburg
125
Fundamentalismus und Religion
Prozess der Moderne:
Ziel des Fundamentalismus:
Öffnung
• des Denkens
• des Handelns
• der Lebensformen
• des Gemeinwesens
durch irrationale Verdammung aller
Alternativen Rückgewinn
• absoluter Gewissheit
• festen Halts
• verlässlicher Geborgenheit
• unbezweifelbarer
Orientierung
Kennzeichen der Moderne
•
•
•
•
128
Pluralismus
Demokratie
Wissenschaft
Technik
Fundamentalismus und Religion
Die Fundamente der Religion



Offenbarung
Tradition und Dogma


129
Sinnsystem
Lebenspraxis
Gemeinschaft
Gefährdung durch den
Fundamentalismus
Verabsolutierung der
eigenen Religion
 Intoleranz
 Fluchtburg
 Falsche Sicherheit

Geschichte eines Begriffs
• im Zusammenhang mit einer Schriftenreihe in Erscheinung von
1910-1915: „The Fundamentals“  „Testimoty to the truth“
• protestantische amerikanische Christen (Herausgeber)
gründeten eine weltweit tätige Organisation, die „World’s
Christian Fundamentals Assosiation“
• Formierung einer entschiedenen Gegenbewegung gegen den
erstarkenden Modernismus in Religion und Theologie
• modernistische Positionen, gegen die sich der protestantische
Fundamentalismus erhob, verkörperten das Eindringen des
Geistes der Aufklärung in Theologie und Religion, die
historische und literarische Bibelkritik, kantianische Begrenzung
der Religion auf die Rolle der Begründung von Moral, natürliche
Evolution der Menschengattung und sogar der Religion selbst
130
Geschichte eines Begriffs
• „Fundamentalismus war zuerst eine Reaktion auf den beginnenden
Prozess der Modernisierung von Religion“ im Sinne einer Rückkehr zu
den religiösen Fundamenten des Christentums
• Unfehlbarkeit der heiligen Schrift und die Gewissheit, dass es in der
Bibel keinen Irrtum geben könne
• Nichtigkeit aller modernen Theologie und Wissenschaft, soweit sie dem
Bibelglauben widersprechen
• Überzeugung, dass niemand, der den fundamentalistischen
Standpunkt nicht teilt, ein wahrer Christ sein könne
• Dementierung des modernen politischen Grundgesetzes der Trennung
von Kirche und Staat
• Ablehnung der Darwinschen Abstammungslehre
131
Fundamentalismus
• Schiffauer: Kritik an Fundamentalismustheorien
• Fundamentalismus wird als das Andere schlechthin gefasst
• Fundamentalismus wird als Bedrohung des Eigenen aufgefasst,
als eine patriarchalische Protestbewegung, als Bewegung, die
die Trennung von Staat und Religion aufheben will, die radikal
weltfeindlich ist und durch einen antiwestlichen Widerstand mit
totalitären Zügen geprägt ist
• das Bild der eigenen Gesellschaft wird als zivilisiert,
fortgeschritten, modern, aufgeklärt und rational wiedergegeben
• das Andere wird hingegen als dessen Vorläufer oder
Gegenspieler projiziert und als ein Fremdes, ein Anderes
aufgefasst
• paradox: das Eigene wird mit seinen Eigenschaften und
Charakteristiken ebenso fundamental gegenüber dem Anderen
verteidigt wird
132
Fundamentalismus
• aber: Gibt es die eine einheitliche technische und
philosophische Moderne, die eine Form der politischen
Verfasstheit, die eine Form der Demokratie, des
Pluralismus, der Modernisierung, die als das in sich
gefügte System gegenüber dem Anderen verteidigt werden
kann???
• Nein: denn die Moderne an sich ist ein abstraktes Wesen,
dass zwar durch die Eigenschaften des Pluralismus, der
Demokratie, der Menschenrechte, der Säkularität, der
Rationalität und der Subjektivität und Toleranz
gekennzeichnet ist, diese Eigenschaften jedoch immer auf
regionale Kontexte hin differenziert werden müssen
133
Fundamentalismus
Schiffauer kritisiert, dass allen Fundamentalismustheorien ein
einfacher Dreischnitt zugrunde gelegt wird:
• Fundamentalismus ist falsch, da irrational, undemokratisch,
vormodern und intolerant
• Anhänger dieser falschen Position müssen einen Grund
haben, sich für das Falsche anstelle des Richtigen zu
entscheiden
• der Grund dafür liegt in einem psychischen (man ist nicht in
der Lage die Herausforderungen der Moderne zu
bewältigen), einem sozialen (Ausgegrenzte oder
Diskriminierte) oder einem kulturellem Defizit (Angehörige
einer Religion, die fundamentalistische Züge besitzt)
134
Die Moderne als kausale Voraussetzung von
Fundamentalismus
Modernisierungsdefinition von Loo/von Rejen
„Komplex miteinander zusammenhängender struktureller, kultureller,
psychischer und physischer Veränderungen, der sich in den
vergangenen Jahrhunderten herauskristallisiert hat und die Welt geformt
hat und noch immer in eine bestimmte Richtung lenkt“
Politische Modernisierung nach Eisenstadt:
• Zentralisierung des Staates und Dominanz spezifischer politischer
Orientierungen
• Expansion der zentralen legalen, administrativen und politischen
Tätigkeiten, die alle Bereiche der Gesellschaft durchdringen
• Ausbreitung der potentiellen politischen Macht und immer größerer
gesellschaftlicher Gruppen
• Nachhaltige Schwächung der traditionellen Eliten und damit
135
einhergehenden traditionalen Legitimation von Herrschaft
• Bassam Tibi (2001): Die neue Weltunordnung.
Westliche Dominanz und islamischer
Fundamentalismus, München, S. 103:
„Der Fundamentalismus, welcher Richtung auch
immer, ist Teil eines globalen Phänomens. Seine
islamische Variante ist sofern einzigartig, als sie im
wesentlichen die Forderung nach einer alternativen
Weltordnung beinhaltet, die auf islamischen, in
modernem Kontext interpretierten Glaubenssätzen
beruhen soll.“
136
Warum wendet sich der islamische
Fundamentalismus gegen die westliche
Moderne?
• Fundamentalismus selbst ist immer ein modernes Phänomen,
d.h. eine direkte Reaktion auf die Moderne, ein Ausdruck einer
antimodernen kulturellen Grundhaltung
• Nur in einem direkter Wechselseitigkeit von Fundamentalismus
und Moderne werden die Denkmuster, aufgegriffenen Probleme
und vorgeschlagenen Probleme ersichtlich
• Verhältnis zwischen beiden ist keineswegs ein rein negatives
oder schlicht ablehnendes, sondern vielmehr ein doppeldeutiges
und ambivalentes
• in einem bestimmten Sinn sind Moderne und ihre
fundamentalistische Negation gleich ursprünglich
• Schübe und Brüche der Modernisierung bildeten Chancen des
Fundamentalismus: Moderne erzeugt fundamentalistische
137
Versuchung durch ihre unvermeidlichen Widersprüche
Warum wendet sich der islamische
Fundamentalismus gegen die westliche
Moderne?
• Fundamentalismus stellt ein hochgradig komplexes soziales
Phänomen dar
• F. ist laut Meyer (1995): „(…) nicht das Kennzeichen bestimmter
Religionen oder Weltanschauungen, sondern eine durch soziale,
ökonomische und politische Krisen begünstigte Weise ihrer
Handhabung“
• F. bietet sich als Protestideologie gegen Moderne und
Modernisierung
• F. zielt gegen den politischen Kern der Moderne:
Menschenrechte, Offenheit, Pluralismus und Demokratie
• F. ist ein globales Phänomen gemeint ist, welches in allen
Weltreligionen anzutreffen ist
• F. umfasst auf der Ebene der Zivilisation die Politisierung der
138
betreffenden Religion
Fundamentalismus
• zeitgenössische Form des Widerstandes gegen
einzelne Aspekte der Moderne
• Im eigentlichen Sinne bezeichnet der Begriff
„Fundamentalismus“ das Wörtlichnehmen einer
heiligen Schrift, derer Sachaussagen und
Handlungsnormen
• Strikte Negation der Prinzipien der einmal für
universell gehaltenen europäischen Aufklärung
(Säkularisierung und Subjektivitätsprinzip)
• Verabsolutierung des Kollektivprinzips und
Suspendierung des Rationalitätsprinzips
139
Gesellschaftskritik des
Fundamentalismus beinhaltet
• politisch Prozesse der Zentralisierung und Bürokratisierung
verhindern
• ökonomisch  Nationalisierung und Internationalisierung des
Marktes und neue Formen der Produktion, Distribution und
Finanzierung bekämpfen
• sozial  bedrängt durch neue aufstrebende Mittelschaft und
organisierter Arbeiterschaft
• kulturell  Säkularisierungspolitik der Regierungen und neuer
Lebensstil führen zur rapiden Verbreitung von Massenmedien
und Werbung und bedrohen die moralische Lebensführung 
moralischer Verfall - Prostitution, Ehebruch, Homosexualität,
Abtreibung  religiöser Identitätsverlust der Nation  Iran sei
kein islamisches Land mehr
140
Islamischer Fundamentalismus - Der
Traum von der „halben Moderne“
• im Gegensatz zu den Traditionalisten nicht gegen Wissenschaft und
Technologie, sondern Befürwortung  niemand nutzt moderne IKT
(Internet, Fax) intensiver als die Islamisten
• Fundamentalisten wollen diese Instrumente von der kulturellen Moderne
trennen
• Technologie und Wissenschaft werden bejaht, gleichzeitig aber wird zur
Säkularität, zur Demokratie und zu den individuellen Menschenrechten
ein entscheidendes Nein gesagt  „halbe Moderne“
•  Moderne wird sich nur zu instrumentellen Zwecken angenommen
•  Ablehnung der Sinngehalte der Moderne  keine menschenzentrierte
Rationalität, obwohl sie diejenigen Errungenschaften erst ermöglichen
•  für Fundamentalisten kann der Mensch niemals Schöpfer sein, denn
nur Gott kann der alleinige Schöpfer sein
141
Kampf gegen den säkularen
Nationalstaat
• Revolte gegen den Westen beginnt mit der Revolte gegen den
heimischen Nationalstaat  säkularer, der kulturellen Moderne
entsprungener Staat  Fundamentalisten lehnen ihn als
importierte Lösung ab
• Legitimitätskrise des Nationalstaates  es gelang ihm nicht, in
einer fremden Zivilisation Fuß zu fassen  wurde von außen
aufgesetzt
• Fundamentalismus ist das aus dieser Legitimitätskrise
resultierende Produkt
• Fundamentalisten rechtfertigen deshalb die von ihnen betriebene
Delegitimierung des Nationalstaates
• zudem tritt eine Beschreibung von Staatsgrenzen der Tradition
des Islam entgegen, diese Religion kennt keine Grenzen
142
Was leistet der Fundamentalismus?Was
bringt er den an ihm beteiligten Personen
(Elite + Masse)?
Sicherheit
• Heilen bedeutet das Paradies zu erreichen und somit auch das eigene
Leben zu opfern
Identität
• Eindeutiges Identitätsangebot
• Man ist Mitglied der großen Umma
Überlegenheit
• Man gehört zu den Rechtgläubigen
• Kette: Heil  Zugehörigkeit  Überlegenheit
143
Islam ist eine Religion - Islamischer
Fundamentalismus ist eine Ideologie
• Man darf die Begriffe „Islam“ und „islamischer Fundamentalismus“ nicht
gleichsetzen, denn der Islam ist nicht fundamentalistisch
• Islam ist eine Religion und Glaube für die gesamte Menschheit und der
Fundamentalismus eine politische Ideologie mit dem Anspruch auf
Weltmachtstellung, eine politische Ordnung für die gesamte Menschheit
• Ausgangspunkte der fundamentalistischen Kritik lassen sich aus den
Bestrebungen der Wiederherstellung der einheitlichen islamischen
Gemeinschaft (Umma) ableiten, in welcher alle Muslime gleich sind und
in welcher die alten islamischen Gesetze und Rechtsvorstellungen
herrschen sollen
• Befolgung der islamischen Prinzipien, welche im Koran geschildert sind
und durch die Sunna bekräftigt werden und ihre Regelung durch die
Sharia erfahren, treten den neuen, durch westliche Einflüsse
hervorgebrachten, Erscheinungen in den islamischen Ländern entgegen
144
Islam ist eine Religion - Islamischer
Fundamentalismus ist eine Ideologie
• Ziel der fundamentalistischen Bestrebungen ist es, die
bestehende Säkularität in den einzelnen arabischen
Nationalstaaten durch eine göttliche Ordnung zu ersetzen und
letztendlich den Nationalstaat aufzuheben
• islamischer Fundamentalismus ist eine eindeutige Politisierung
der Religion aufgrund sozio-politischer und wirtschaftlicher
Zwecke
• Diese politische Ideologie kennt keinen Nationalstaat und somit
keinen Nationalismus, denn die Vision der islamischen
Weltordnung ist ein langfristiges Ziel, welches nicht auf die
staatliche Politik, sondern auf die Wiederherstellung der großen
islamischen Gemeinschaft, der Umma, abzielt
145
Khomeni
• verfügte über populistische Fähigkeit, die Menschen zur Hysterie
aufzupeitschen
• Ausnutzung seiner religiösen Autorität und populistischen Charismas
• Zielstrebige Re-Islamisierung des öffentlichen und privaten Lebens
• Errichtung einer absoluten Theokratie
• Demokratie als Teil des korrupten westlichen Wertesystems in
Misskredit gebracht, gebrandmarkt und schließlich abgeschafft –
Demokratie und Menschenrechte galten als Gotteslästerung
• fundamentalistische Utopie: Einheit von Volk, Regierung und religiöser
Führung auf Basis eines unerlässlichen Konsenses über die
politischen, rechtlichen und moralischen Fragen, stand allein der
absolute Machtanspruchs Khomeni und seiner Gefolgschaft
146
Politisches System des Iran  Die
„islamische Republik“ des Ayatollah
Khomeini
• Geistlichen wurde die Führerschaft im Staat übertragen 
Herrschaft der Gottesgelehrten, die sowohl gerecht, fromm, gelehrt
und stark sind
• Idee des religiösen Führers ist wichtiger Bestandteil der klassischen
schiitischen Staatslehre
• religiöser Führer hat weitreichende Möglichkeiten in politisches
Tagesgeschäft einzugreifen  zugleich Befehlshaber der
Streitkräfte, Judikative  Ernennung der obersten rechtlichen
Instanz ; kann sechs Mitglieder des Rates der Wächter bestimmen,
die der Übereinstimmung aller vom Parlament verabschiedeten
Gesetze mit dem Islam und der Verfassung zu wachen hat
• Parteien mit abweichenden Programmen können nicht akzeptiert
werden
147
• Souverän ist nicht das Volk, sondern nur Gott, er ist alleiniger
Gesetzgeber
Politisches System des Iran  Die
„islamische Republik“ des Ayatollah
Khomeini
• Machtergreifung erscheint als Modellfall aufgrund vier Faktoren
• Modernisierungsprozess von außen geschürt und von sozialen
Schlüsselgruppen als unerwünschter Import im Interesse fremder
Nationen und Kulturen erfahren
• Zielte zentral auf ökonomisch-technischen Bereich moderner
Produktivkraftentfaltung und Wissenschaftsadaption, blieb aber
seiner rechtlich-politischen Dimension beraubt
• Rücksichtslose Destruktion der traditionalen Kultur durch westlich
geformte Modernisierungselite bewirkte dramatischen kulturellen
Identitätsverlust in der Unter- und Mittelschicht, ohne dass diese zur
Kompensation an den ökonomischen Segnungen der
Modernisierungen teilhatten
• Massiver Widerspruch wurde zur existenziellen Erfahrungen breiter
148
Volksmassen
Ziele des Fundamentalismus
• Kampf gegen die expansionistische amerikanisch verkörperte
Zivilisation
• Rückeroberung des Selbstbewusstseins der moslemischen
Gemeinschaft, welche eine ewige Mission mit globalen Anspruch
besitzt
• Da kulturelle und politische Gemeinwesen der Umma soll
wiederentdeckt werden
• Rückgängigmachen der Säkularisierung von Politik und Religion,
denn sie gehören zusammen
• Menschenrechte werden nur so weit gewährt, so weit sie mit der
Religion kompatibel sind
• Über dem göttlichen Recht wachen religiöse Wächter
• Demokratisierung gilt als verfehltes Spiel des Westens
149
Soziologische
Gesellschaftstheorien
Terrorismus als
gesellschaftliches Phänomen
Denis Gruber, Univ. of St. Petersburg
150
Peter Waldmann: Terrorismus –
Definition
•
•
•
•
•
•
Terrorismus sind planmäßig vorbereitete, schockierende Gewaltanschläge
gegen eine politische Ordnung aus dem Untergrund. Sie sollen allgemeine
Unsicherheit und Schrecken, daneben aber auch Sympathie und
Unterstützungsbereitschaft erzeugen
bestimmte Art gewaltsamen Vorgehens gegen eine politische Ordnung
Betonung der öffentlichen Dimension des Phänomens  Staat
beansprucht ein Gewaltmonopol, welches durch rebellische Gewaltakte
gleich weder Art in Frage gestellt wird
Illegalität und Operationen im Geheimen
Dem Terroristen geht es nicht um den eigentlichen Zerstörungseffekt seiner
Aktionen, diese sind nur ein Mittel, eine Art Signal, um einer Vielzahl von
Menschen etwas mitzuteilen
Terrorismus ist primär eine Kommunikationsstrategie  Gewalt wird nicht
wegen ihres Zerstörungseffektes, sondern als Signal verwendet, um eine
psychologische Breitenwirkung zu erzielen
153
Terrorismus in der Geschichte
Stufe 1: gezielte Morde
• Sikarier im römischen Reich (66 Besetzung
der Festung von Masada; Lk 6,15)
• Assassinen im Orient (um 1000; politische
Morde) als Vorgänger der heutigen
islamischen Terroristen
• Narodnaja Wolja (Ende des 19.Jhrd.
gewaltsame Abschaffung der ZarenHerrschaft in Russland)
• Ku-Klux-Klan (Anfang des 20.Jhrd., Kampf
gegen die Schwarzen im Süden der USA)
154
Terrorismus in der Geschichte
Stufe 2: gezielte Anschläge
• Irgun (Anschlag auf das King David Hotel 1946;
Unabhängigkeit Israels, Kampf gegen die britische
Mandatsregierung)
• RAF (Entführung von Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin
Schleyer sowie der Lufthansa-Maschine „Landshut“ im
„Deutschen Herbst“ September/ Oktober 1977; Kampf gegen
die „Gewalt der Herrschenden“ und Protest gegen den
Vietnamkrieg)
• Rote Brigaden (Anschlag auf den Hauptbahnhof von
Bologna 1980; Errichtung einer marxistisch-leninistischen
Gesellschaftsordnung in Italien)
• Euskadi Ta Askatasuna (div. Anschläge u.a. auf einen Bus
der Guardia Civil im Juli 1986; Abschaffung des FrancoRegimes in Spanien, später völlige Unabhängigkeit des
Baskenlandes)
155
Terrorismus in der Geschichte
Stufe 3: Wahllose Anschläge
• „Armee zur Befreiung der islamischen
Heiligtümer“, Al-Qaida, Osama bin Laden
(Anschlag auf die US-Botschaften in Nairobi und
Daressalam im August 1998): Beginn des religiös
orientierten Terrorismus im „Krieg gegen
Amerika“
• Al-Qaida (Anschläge auf das World Trade
Center und das Pentagon am 11.09.2001; Im
Dschihad (heiliger Krieg) soll die „Welt der
Ungläubigen“, die eine Gesellschafts- und
Regierungsordnung außerhalb der Scharia
akzeptieren, zerstört werden.
156
Formen des Terrorismus
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•
•
•
•
Symbiotischer Terrorismus
Organisierte Kriminalität und Terrorismus
Guerillas und Partisanen
Staatliche Duldung und Unterstützung
Politischer Terrorismus
Religiöser, fundamentalistischer Terrorismus
157
Soziologische
Gesellschaftstheorien
In welcher Gesellschaft
leben wir eigentlich?
Denis Gruber, Univ. of St. Petersburg
158
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