„Röntgenröhren sind wie Frauen. „Alles, was uns nicht umbringt, macht uns härter.” Niemals darfst Du ihnen trauen. (Altes Sprichwort) Manchmal sind sie weich und gut, Manchmal zittern sie vor Wut“. (Leonie MOSER (1897-1959), Röntgenschwester) Strahlenschädigungen Péter Maróti Professor für Biophysik, Universität Szeged, Ungarn Lehrbücher: Biophysik für Mediziner (Herausgeber S. Damjanovich, J. Fidy und J. Szöllősi) Medicina, Budapest, 2008. Fercher A.F. Medizinische Physik, Springer, Wien, New York 1992. Haas U. Physik für Pharmazeuten und Mediziner; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH. Suttgart 2002. Maróti P., Laczkó G.: Bevezetés a biofizikába, JATEPress, Szeged 1998 (Ungarisch) P. Maróti, L. Berkes, F. Tölgyesi: Biophysics Problems. A Textbook with Answers. Akadémiai Kiadó, Budapest 1998 (Englisch). Punktförmige Strahlungsquellen Die Teilchenstromdichte J(r) einer radioaktiven Quelle ist im Abstand r : J (r ) a 4 r2 (a ist die Aktivität der Quelle) und verhält sich umgekehrt wie die Abstandsquadrate: r1 J (r2 ) J (r1 ) r2 2 Dieses geometrische Abstandsgesetz gilt nur bei Abständen r >> Quellenabmessung. Abweichungen hiervon werden durch 1) Streuung und 2) nichtkonstante lineare Energieübertragung verursacht. Im Gewebe kommt nur der aus der Strahlung aufgenommene Energiebetrag ΔE zur Wirkung. Der ausgelöste physikalische Effekt ist proportional zur Energiedosis D (gemessen in Einheit Gy): D E m Die Dosisleistung einer (annähernd) punktförmigen Strahlungsquelle im Abstand r ist für biologisches Gewebe: dD a k 2 dt r r2 a r1 Punktförmige Strahlungsquellen Die Dosisleistung einer (annähernd) punktförmigen Strahlungsquelle im Abstand r ist für biologisches Gewebe: dD a k 2 dt r Hier heißt k Punktquellen-Dosiskonstante. Diese Gröβe ist noch von der Strahlungsart anhängig. γ-Strahler β- -Strahler Radionuklid Dosiskonstante k Gy·m2/(Std·Bq) 60Co 3,36·10-13 99mTc 1,56·10-14 137Cs 8,47·10-14 226Ra 2,14·10-13 90Sr 2,0·10-11 131I 1,7·10-11 137Cs 1,6·10-11 198Au 1,2·10-11 Strahlenschädigungen Teratogene Schäde während der Schwangerschaft eine Schädigung des Embryos verursachen Somatische Strahlenschäde Schädigung der Körperzellen des Individuums Frühwirkung Innerhalb von Tagen bis zu einigen Monaten Hautrötung, Erbrechen, Augenkatarakt ergeben Spätwirkung Strahlenschäden, die beim Menschen erst nach mehreren Jahren erkennbar werden, selbst wenn keine Frühwirkungen aufgetreten sind. Genetische Schäde Biologische Schädigungen am Erbgut von Organismen Genetische Strahlenwirkungen bedingen Schäden, die entweder - die Lebensfähigkeit von Nachkommen bereits in einem frühen Entwicklungsstadium verhindern, oder - welche sich erst bei den Nachkommen als somatische Veränderungen zeigen, also - vererbbare Strahlenwirkungen darstellen. Das akute Strahlensyndrom nach einer Ganzkörperbestrahlung mit γ-Strahlung. Die Dosiswerte beziehen sich auf menschliches Gewebe in der Körpermitte. Dosisbereich (Gy) Prodromaleffekte Beobachtete Organschäden Überleben 0-0,5 keine keine gesichert 0,5-1 mild geringfügige Abnahme der Zahl der Blutzellen praktisch gesichert 1-2 mild bis mäβig beginnende Symptome von Knochenmarkschäden wahrscheinlich (>90%) 2-3,5 mäβig mäβige bis ernste Knochenmarkschäden bei 3 Gy ca. 50% Todesfälle in 60 Tagen 3,5-5,5 ernst ernste Knochenmarkschäden 50-99% Todesfälle 5,5-7,5 ernst zusätzlich mäβige Schäden des Verdauungstraktes Tod innerhalb 2-3 Wochen 7,5-10 ernst Knochenmarkschäden, verstärkt auftretende Schäden am Verdauungstrakt Tod innerhalb 1-2,5 Wochen Schwellendosis Der Organismus verfügt über Reparaturmechanismen Regenerations- und Funktionsreserven Es gibt eine obere Dosisgrenze (Schwellendosis), ab der die kleinste Wirkung nachgewiesen werden kann. Zum Beispiel, das akute Strahlensyndrom zeigt ein ausgesprochenes Schwellenwertverhalten und gehört somit zu den nichtstochastischen Strahlenwirkungen. Bei Erwachsenen, liegt diese Schwellendosis bei 200 mSv, das bedeutet bei kurzzeitiger Ganzkörperbestrahlung oder zumindest groβer Teile des Körpers, z.B. des Rumpfes, mit einer γ-Strahlungsdosis oberhalb 200 mSv können biologische Schädigungen auftreten. Eine besondere Bedeutung kommt jener Dosis zu, bei der innerhalb von 30 Tagen 50% der bestrahlten Individuen einen Strahlentod erleiden. Diese sog. mittlere letale Dosis liegt beim Menschen bei Ganzkörperstrahlung mit Röntgen- oder γ-Strahlung bei ca. 3,5 Sv, wogegen eine Dosis von 6 Sv eine Mortalität von fast 100% zur Folge hat. Lebewesen Letale Dosis (Gy) Meerschweinchen 2,5-4 Ziege 3,5 Mensch 3-4,5 Hund 4-5,5 Rhesusaffe 5,5 Ratte 6 Goldfisch 8,5 Hamster 9-11 Forelle 15 Escherichia coli 50 Fledermaus 150 Schnecke 200 Wespe 1.000 Tabakmosaikvirus 2.000 Bärtierchen 5.700 Deinococcus radiodurans 10.000 Letale Dosis für Lebewesen und Viren Die LD50/30-Werte (50% Letalität nach 30 Tagen) für Lebewesen bzw. Viren unterscheiden sich stark, da diese eine unterschiedliche Empfindlichkeit gegenüber ionisierenden Strahlen zeigen. Die Werte beziehen sich, wie bei der Strahlenkrankheit, auf kurzzeitige Ganzkörperbestrahlungen. Kurzzeitig bedeutet dabei kurz im Vergleich mit biologischen Heilungsprozessen; eine Expositionsdauer von wenigen Minuten ist also "kurz", eine von mehreren Stunden dagegen nicht mehr. Von Strahlung ausgelöste Reaktionsschritte im Organismus Somatische bzw. genetische Gewebereaktionen Biologische Phase nicht stochastische Schäden Biochemische Phase Physikalische Phase stochastische Schäden Physikalische Phase Energieübertragung von Strahlung auf Gewebemoleküle: Entstehung von Ionen und Radikalen Radiolyse des Wassers Biochemische Phase Molekulare Reaktionen: Direkte und indirekte Schädigung lebenswichtiger Moleküle DNS-Synthesestörung Oxydation der SH- (Sulfhydryl-) Gruppe von Enzymen (= Zerstörung der Enzyme) Biologische Phase Zelluläre Reaktionen: Mitosestörung, Zelltod, Mutation Reparatur und Erholung Stochastische und nicht-stochastische Schäden Stochastische Strahlenwirkung Es gibt nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Schäden. Es handelt sich um die Auswirkung von strahleninduzierten Schäden an einzelnen Zellen, wie Genmutationen, somatische Chromosomenaberrationen und maligne Transformationen. „Bloβ” die Wahrscheinlichkeit für eine biologische Wirkung nimmt mit zunehmender Strahlungsdosis zu. Nicht-stochastische Strahlenwirkung Sie tritt immer ab einer gewissen (individuell unterschiedlichen) Dosis auf. Hierzu gehören jene Strahlungsschäden, die auf der Vernichtung einer gröβeren Anzahl von Zellen in den betroffenen Organen beruhen, beispielweise die Schädigung der Blutbildungsorgane, des Immunsystems oder der Fortpflanzungsorgane. Diese Strahlungsschäden können eine Schwelle haben; die Schweregrad des biologischen Schadens nimmt mit zunehmender Strahlungsdosis zu. Biologische Wirkungskurven (Dosis-Effekt-Kurven) Nicht-stochastische Strahlenwirkung p: Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer biologischen Wirkung S: Schweregrad des biologischen Schadens Schwelle (Erythem) Stochastische Strahlenwirkung Diese Teile der Graphen sind (aus statistischen Gründen) nicht meβbar: eine Schwelle ist nicht nachweisbar. Äquivalentdosis (H) ist das Produkt aus Energiedosis der Strahlung (D) mal ihrem Bewertungsfaktor (q): H = q·D Inaktivierung des Enzyms Ribonuclease durch 60Co γ-Strahlung im trockenen Zustand sowie in wäβriger Lösung (5 mg/ml). Abhängigkeit der Strahlenwirkung von der Umgebung. Bestrahlt man das Enzym Riboluclease in wasserfreiem Zustand und hinreichend verdünnter wäβriger Lösung, so findet man einen um 2 Gröβenordnungen unterschiedlichen Wert für die Kenngröβe D37 der Strahlenempfindlichkeit. Die Enzymaktivität AE stellt ein Maβ für die Zahl intakter Enzymmoleküle dar. Der Parameter D37 stellt ein Maβ für die Strahenempfindlichkeit des untersuchten Objekts dar. In Gegenwart von Wasser („Lösung”) überwiegt bei weitem der indirekte Strahleneffekt durch Energietransfer von der wäβrigen Umgebung auf das Enzymmolekül. In Abwesenheit von Wasser („trocken”) erfolgt die Inaktivierung ausschlieβlich durch direkte Strahlenwirkung auf das Enzym selbst. Strahlungsinaktivierung des Gramicidinkanals in künstlichen Lipidmembranen durch 220 kV Röntgenstrahlung in luftgesättigter wäβriger Lösung. Folgerungen: 1) Schulterkurven können auch in Abwesenheit von zellulären Reparaturphänomenen auftreten (siehe Kurve 2)! 2) Die Umgebung kann auch eine Schutzwirkung ausüben. eine Doppelbindung pro Fettsäurerest Fettsäurereste ohne Doppelbindung Der Ionenkanal von Gramicidin A ist fast ausschlieβlich durch strahlungsinduzierte Radiolyseprodukte des Wassers inaktiviert. Der beobachtete Strahleneffekt ist geringer, falls die Lipidumgebung des Kanals Doppelbindungen enthält, die eine groβe Reaktionsbereitschaft für OH-Radikale aufweisen und den Kanal vor ihren Angriffen schützen. Experiment für das Konzept der Äquivalentdosis: Verlust der Prolipherationsfähigkeit von Ehrlich-Ascites-Tumorzellen nach Bestrahlung mit 4 MeV α-Teilchen, 14 MeV Neutronen (n) sowie 30 MeV Elektronen (β). Die Kenntnis der Energiedosis allein reicht nicht aus, um den Strahleneffekt eines gegebenen Organismus vorherzusagen. Bei diesem Experiment wir können feststellen, daβ bei gleicher Energiedosis der Strahleneffekt für α-Teilchen (oder Neutronen) erheblich gröβer ist als nach Bestrahlung mit β-Teilchen. 4 MeV 14 MeV 30 MeV Die LET-Werte unterscheiden sich bei gleicher Teilchenenergie für α- und βTeilchen um etwa 1-3 Gröβenordnungen. Als ungefährer Anhaltspunkt darf LET (αTeilchen) ≈ 100 keV/μm sowie LET (βTeilchen) ≈ 1 keV/μm gelten. Röntgen und γStrahlung lösen bei Absorption in Materie energiereiche Elektronen aus und besitzen daher ähnliche LET-Werte wie β-Teilchen. Verlust der Proliferationsfähigkeit von Ehrlich-Ascites-Tumorzellen nach - Röntgenbestrahlung (140 kV) und - unterschiedlich langer Reparaturzeit. Gibt man den Zellen Gelegenheit zur Reparatur vor Durchführung des Test auf Teilungsfähigkeit, so erhält man 1) ausgeprägte Schulterkurven und Energiedosis (Gy) 2) eine Abnahme des Strahleneffektes bei gleicher Dosis (der Wert D37 erhöht sich). Strahlentherapie = Tumortherapie Dosiswirkung: die Anzahl der nicht mehr teilungsfähigen Zellen bezogen auf die Gesamtzahl der Zellen. Pharmaka: hat eine deutliche Schwellendosis und erreicht schnell 100% Wirkung. Ionisierende Strahlung: hat keine klare Schwelle und erreicht 100% Wirkung nur asymptotisch. Abstand und Steigung der Sterbe-Kurven der Tumor- und gesunden Gewebszellen sind stark von der Tumorart und –Gröβe und Strahlenart abhängig. Zelluläre Strahlenwirkung: die Überlebenskurve Relativer Anteil der überlebenden (teilungsfähigen) Zellen in Abhängigkeit von der Energiedosis. D0 ist die Dosis, die den Anteil überlebender Zellen auf 1/e = 37% reduziert (die sogenannte 37%-Dosis). Bei hohem LET: exponentieller Verlauf Bei niedrigem LET: Schulterkurve Quasi-Schwelle existiert, die beschwert die Abschätzung des Strahlenrisikos bei kleinsten Strahlungsdosen. Wegen der hierzu erforderlichen groβen Anzahl von Experimenten an Versuchstieren werden auch in Zukunft kaum relevante experimentelle Werte zur Beurteilung von Strahlungsschäden bei kleinsten Strahlendosen vorliegen. Treffertheorie: Dosis-Wirkungs-Kurven Quantitativer Zusammenhang zwischen Energiedosis und der zellulären Strahlenschädigung. Bei der klassischen Treffertheorie (Theorie der Direktwirkung) wird nur die Zahl der Zielscheiben (sensiblen Stelle, „target”), die Zahl der Treffer und ihre Verteilung (Poisson) berücksichtigt und sie läβt die Molekularmechanismen in der bestrahlten Substanz weitestgehend auβer Acht. Bedingungen der Poisson-Verteilung der Ionisation: 1) die Zahl der (gesamten) Ionisationen ist sehr groβ, 2) die Ortskoordinaten sind unabhängig voneinander, 3) die Wahrscheinlichkeit, daβ eine gegebene Ionisation gerade auf die Zielscheibe fällt, ist sehr gering. Die mittlere Zahl der Ionisationen (Treffer) im ΔV Volumen bei Dosis D ist ΔV·D und die Wahrscheinlichkeit, daβ gerade n Treffer das Volumen erreicht: Pn n V D V D e n! Treffertheorie: eine Zielscheibe mit mehreren Teffern Das biologische Objekt hat eine sensible Stelle und wird inaktiviert, wenn nS Treffer (Schwellewert) erhält. Wenn nS -1 oder weniger Treffer bekommt, wird das Objekt überleben, d.h. es bleibt aktiv (es zeigt die untersuchte Beschädigung nicht). Die Überlebensquotient (Überlebenswahrscheinlichkeit) ist 1 2 n 1 N V D V D V D S V D 1 ... e N0 1! 2! (nS 1)! Die „Eintrefferkurve” nS = 1 hat einen exponentiellen Verlauf: N/N0 = exp(-ΔV·D) Ist die Zahl der zur Inaktivierung notwendigen Treffer gröβer als 1, nS > 1, so nimmt der Verlauf der Überlebenskurve eine sigmoide Form (eine verkehrte S-Form) an. Die Kurve hat eine umso ausgeprägtere „Schulter”, je gröβer die Zahl der erforderlichen Treffer ist. Treffertheorie: mehrere Zielscheibe mit einem Teffer Bedingungen: 1. die Zahl der strahlenempfindlichen Stellen im Objekt ist m, 2. sie haben das gleiche Volumen ΔV und 3. die Verletzung aller Stellen durch je ein Treffen (nS = 1) ist notwendig zur Inaktivierung des Objektes. Die Wahrscheinlichkeit für Überleben, kein Treffer der Stelle 1 2 ... m ... exp(-ΔV·D) exp(-ΔV·D) Treffer der Stelle exp(-ΔV·D) ... 1-exp(-ΔV·D) Treffer aller Stellen Überleben des Objektes 1-exp(-ΔV·D) [1 - exp(- ΔV ·D)]m N m 1 1 exp( V D) N0 1-exp(-ΔV·D) Treffertheorie: mehrere Zielscheibe mit einem Teffer Graphische Darstellung Bei hoher Dosis (wenn exp(-ΔV·D) <<1), die Überlebensquotienten kann man durch die folgende lineare Näherung beschreiben: N ln V D ln m N0 In halblogarithmischer Darstellung, die Geraden sind parallel (die Steigung ist bestimmt durch das Volumen der strahlenempfindlichen Stelle ΔV) aber verschiebt sich nach der Gröβe der Zahl der Stellen m. Die Zahl der sensiblen Stellen im Objekt läβt sich an ihrem Schnittpunkt mit der vertikalen Achse ablesen. Dosis-Wirkungs-Zusammenhang in Zellkultur der Niere mit Strahlungen verschiedener LET-Werte „Schulter” Gerade eine Zielscheibe mit mehreren Teffern eine Zielscheibe mit einem Teffer HeLa-Zellen behandelt mit Röntgenstrahlung in Luft und in N2- Atmosphäre Obwohl die Überlebensraten nach Energiedosis in Luft und in Stickstoff deutlich ganz verschieden sind, die Zahlen der nötigen Treffer um die einzige Zielscheibe zu zerstören sind gleich in den zwei Fällen: m = 3. Der Sauerstoff (in der Luft) erhöht die Strahlenempfindlichkeit, Oxygen Enhancement Ratio (OER) (siehe später) Linear-quadratische Dosis-Wirkungsbeziehung, Molekularmodell der DNA-Verletzung lineares Glied ln N/N0 = a0 + a1·D + a2·D2 quadratisches Glied wobei a0 die spontane, d.h. in Anwesenheit zusätzlicher Strahlung gefundene Zahl an Fällen darstellt. Das lineare Glied ist proportional zur Entstehungswahrscheinlichkeit der Doppelkettenbrüche. Das quadratische Glied ist proportional zur Wahrscheinlichkeit des voneinander unabhängigen, zeitlich und räumlich ausreichend nahen Vorkommens von einsträngigen Brüchen an zwei verschiedenen Ketten. Vorteile des Modells: - reale Molekularmechanismen verbergen sich hinter den Parametern und - das Verhalten bei sehr geringen bzw. sehr hohen Dosen bleibt richtig (im Gegenteil der klassischen Treffertheorie). Todesfälle durch Leukämie bei den Überlebenden der Atomaren Explosion von Hiroshima und Nagasaki. Quadratische Beziehung: besseres beschreiben Die Fehlerbalken repräsentieren die Standardabweichung Lineare Beziehung Einfaches Schema der Entwicklung einer zellulären Strahlenschädigung Die Ionisation Strahlungsabsorption in eines der Umgebung des Makromoleküles Enzymmoleküls zieht durch veränderte Wechselwirkungen eine Konformationsänderung, die zum Verlust der enzymatischen Aktivität führt nach sich. Die freie Wasser- oder Lipid-Radikale gelangen durch freie Diffusion an den Ort des Makromoleküls (wasserlösliche und Membranproteine sowie (bei Eukaryoten) von der Kernmembran umgebenen Erbsubstanz DNA). Verlust der Poliferationsfähigkeit (Zellteilung), Chromosomenaberrationen (Veränderungen im Erscheinungsbild von Chromosomen) Mutationen NeoplastischeTransformation (Veränderungen des Vermehrungsverhaltens der Zellen) Vergleich des direkten und indirekten Schädigungseffekts N = N0·exp(-D/DN,37) zu vergleichen Überlebensfraktion der Molekülen M = M0·exp(-D/DM,37) Anzahl der getroffenen M0 - M = M0(1-exp(-D/DM,37)) Lösungsmittelmoleküle, die die gleiche groβe Anzahl von M0 - M = N0 - N gelösten Molekülen schädigen N/N0 =1 - M0/N0·(1-exp(-D/DM,37)) Vergleich der direkten und indirekten Schädigungen Direkt Schädigung Indirekt Schädigung Die Überlebensfraktion der Molekülen M0 N D N D 1 1 exp exp N N D 0 0 M , 37 N0 DN ,37 Nach Einsetzung N0 = c· V M0 N D 1 1 exp N0 c V D M , 37 Bei niedrigen Dosen M N D 1 0 N0 c V DM ,37 D << DM,37 direkt 37 D DN,37 Unabhängig von der Konzentration c Eine Strahlungsdosis D37 reduziert N/N0 auf den Bruchteil 1/e (= 37%): indirekt 37 D 0,63 DM ,37 V M0 c Abhängig von der Konzentration c Schluβfolgerungen Die zur indirekten Inaktivierung der gelösten Molekülen erforderliche Dosis D37 ist direkt PROPORTIONAL zur Konzentration c. Fazit: Bei kleinen Konzentrationen c ist auch die zur Inaktivierung der gelösten Moleküle erforderliche Dosis klein. Der indirekte Effekt wird daher das Schädigungsgeschehen bei allen Molekülen mit geringer intrazellulärer Konzentration dominieren. Daraus folgt auch, dass selbst kleinste Strahlungsdosen über die indirekte Inaktivierung Schäden erzeugen, was gegen das Vorhandensein einer Schwellendosis bei Strahlungsschäden spricht. Molekulare Strahlenwirkung (Radiolyse) Strahlung kann an biologisch wichtigen Molekülen (DNS, Enzymen) entweder DIREKT einen Schaden setzen oder INDIREKT über erzeugte chemische Radikale aus der Zerstörung anderer Moleküle, hauptsächlich aus dem Lösungsmittel Wasser. Bei der Wasserradiolyse entstehen primär folgende Produkte, die alle chemische Radikale (gekennzeichnet durch einen Punkt hinter dem chemischen Symbol) sind: · H2O → H2O+ + e- · und · · H2O → H + OH Chemische Produkte für locker ionisierende γ-Strahlung in Wasser bei pH 7 Zahl der entstandenen Produkte je 100 eV absorbierter Energie (etwa 4 Wassermoleküle zerstört) Hydratisierte Elektronen 2,65 H-Radikal 0,55 OH-Radikal 2,70 H2 0,45 H 2 O2 0,70 Besondere Rolle des Sauerstoffes Das Sauerstoffmolekül hat als einziges einfaches Molekül im Grundzustand zwei ungepaarte Elektronenspins (Triplet-Zustand) und wirkt daher wie ein Radikal mit zwei Elektronen. Die Anwesenheit von Sauerstoff im Gewebe - verhindert die Rekombination der entstandenen Ionen und - fördert die Entstehung von OH-Radikalen durch eine Kette von Reaktionen. Wegen seiner hohen Elektronenaffinität bindet der Sauerstoff die primär entstandenen Elektronen und reagiert mit dem H-Radikal: 2 2 2 2 e O :O · Die Radikale ( ) besitzen ein ungepaartes Elektron und sind deshalb chemisch hoch reaktiv. H O : HO HO 2 HO 2 H2O2 O2 Wasserstoffperoxyd zersetzt sich laufend e H 2O2 OH OH - Die freigesetzte OHRadikale haben erhebliche biologische Wirkung O2 ist einer der stärksten Sensibilisatoren für Strahlungsschäden. Bei Zellpopulationen mit 20% freiem O2 (entspricht arteriellem Blut) beispielweise benötigt man nur 30 bis 50% der Energiedosis zur Sterilisierung im Vergleich zu nur 0,1% freiem O2. Viele Tumoren sind schlecht mit Blut versorgt und daher hypoxisch und dadurch im Vergleich zu normalem Gewebe sehr strahlenresistent. Sauerstoff erhöht die Strahlenempfindlichkeit, Oxygen Enhancement Ratio (OER) Definition: das Verhältnis der D37 Werte der Überlebenskurven gemessen ohne Oxygen (Hypoxie) bzw. mit Oxygen: Die auffälligste O2 –Wirkung sieht man bei der Röntgen- und Gamma-Strahlung (kleine LET Werte) und hat einen OER-Wert von 2 bis 3. Das Bakterium E. coli weist einen besonders hohen OER-Wert auf: 5 Gröβenordnungen ist der Unterschied in der Strahlenempfindlichkeit unter aeroben bzw. anaeroben Bedingungen! Der Grad der O2-Sättigung der Zellen bzw. Organe zeigt eine Paralelität zur Strahlenempfindlichkeit; aber ein O2-Überdruck erhöht nicht immer die Strahlenempfindlichkeit. Mit steigendem LET nimmt der Sauerstoffeffekt ab. Die Ursachen hierfür sind noch geklar. Hypoxie 37 Oxygen 37 D OER D Wirkungen ionisierender Strahlung auf DNS Am empfindlichsten reagieren Zellen auf ionisierende Strahlung mit einer Änderung der MITOSE-Rate. Insulte an den Chromosomen bzw. an der DNS von besonderer Bedeutung sind: Kette der Desoxyribose- und Phosphatgruppen Basenverlust Einzelstrangbruch Doppelstrangbruch Durch Wasserstoffbrücken verbundene Purin- und Pyrimidinbasen Denaturierung irreparabler Schaden Der biochemische Reparaturmechanismus versagt, weil die DNS-Polymerase keine Matrize mehr findet, nach der sie die fehlenden Nukleotide einfügen kann. Ionisierungsprozesse machen bei jeder Strahlenart einen festen Anteil aller Schäden aus. Deshalb gibt es irreparable Schäden auch bei kleinsten Strahlungsdosen; eine Schwelle, unterhalb der ionisierende Strahlung unschädlich ist, dürfte es daher auch aus diesem Grund nicht geben. Ausschnitt aus einem DNA-Einzelstrang. Bildung von Thymin-Dimeren durch UV Bestrahlung. Die Basen Adenin, Guanin, Cytosin und Tymin der DNA besitzen ein Absorptionsmaximum im Bereich um 260 nm. Der komplementäre Einzelstrang wurde der Einfachkeit halber weggelassen. DNA-Schädigungen Modifikationsfaktoren der Strahlenwirkung • Physikalische Faktoren - Strahlungsart - Zeit - Dosisleistung - Dosisfraktionierung - Temperatur • Chemische Faktoren - Sauerstoffwirkung - Wasserschäden - Sensibilisierende und schützende Verbindungen • Biologische Faktoren - Stoffwechsel - Zustand des Zellzyklus (nach Strahlenempfindlichkeiten: Mitose, G2-Phase, G1-Phase, frühe und späte S-Phase - Zellbiologische Fähigkeiten Graphische Vorstellung einiger Modifikationsfaktoren Zeitfaktor Reciprozität zwischen Zeit und Strahlungsintensität Sauerstoffwirkung Theorie der Wasseraktivierung: Fraktionierung der Strahlendosis: die Anwesenheit von O2 fördert die die Überlebenschancen der Zelle nehmen stark zu, wenn man im linearen Teil der Entstehung freier Dosiskurve vor Verabreichung der Radikale und H2O2. nächsten Dosis einige Stunden wartet. Biologischer Faktor Zellzyklus Die Strahlenempfindlichkeit einer Zelle ist umso gröβer, je weniger sie differenziert ist. Zusätzliche Krebsmortalitätsrate (KMR) bei Atombombenüberlebenden Ruhm und Ehre In diesen Gedenkstein im Garten des Hamburger St.-Georg-Krankenhauses sind die Namen von 160 Röntgenärzten und -Schwestern gemeißelt, die als Pioniere im Umgang mit den (ehemals) neuen (Röntgen) Strahlen an den Folgen von Röntgenverbrennungen verstorben sind. An die anderen tausend und abertausend unbekannten Opfer im restlichen Teil der Welt erinnert uns kein Denkstein. Hausaufgaben 1. Im Abstand 1 m von einem punktförmigen, radioaktiven γ-Strahler beträgt die Dosisleistung in Luft 8 μJ·kg-1·h-1. Wie groß ist etwa die aufgenommene Dosis bei 2 m Abstand und 5-stündigem Aufenthalt? 2. Die Dosisleistung einer monochromatischen γ-Strahlung beträgt in 2 m Abstand von der Quelle 2 mGy·s-1. Wieviele Bleiplatten von 1 cm Dicke müssen mindestens zwischen Quelle und Beobachtungsort aufgestellt werden, wenn die Dosisleistung auf weniger als 2 μGy·s-1 reduziert werden soll und die Halbwertsdicke von Blei 5 mm beträgt? 3. An einer Röntgenanlage wird in 50 cm Fokusabstand eine Energiedosisleistung von 8 Gy/min gemessen. Wie groß ist die Energiedosisleistung unter Annahme eines punktförmigen Röntgenfokus in einem Fokusabstand von 1 m? 4. Ein Patient mit Schilddrüsenüberfunktion hat radioaktives Iod-131 erhalten, damit sein Schilddrüsengewebe teilweise zerstört wird. Iod-131 ist ein ß- und γ-Strahler, wobei die ß- -Strahlung praktisch vollständig im Körper absorbiert wird. Der Patient wird als punktförmige γ-Strahlenquelle angesehen. Bei Entlassung aus der stationären Behandlung beträgt die (Äquivalent-)Dosisleistung 3,5 μSv/h (das ist in der Medizin angeführte Obergrenze) in 2 m Entfernung. Etwa wie groß ist in 6 m Entfernung die vom Patienten erzeugte Dosisleistung?