6c. Strahlenbeschädigungen

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„Röntgenröhren sind wie Frauen.
„Alles, was uns nicht umbringt, macht uns härter.”
Niemals darfst Du ihnen trauen.
(Altes Sprichwort)
Manchmal sind sie weich und gut,
Manchmal zittern sie vor Wut“.
(Leonie MOSER (1897-1959),
Röntgenschwester)
Strahlenschädigungen
Péter Maróti
Professor für Biophysik, Universität
Szeged, Ungarn
Lehrbücher:
Biophysik für Mediziner (Herausgeber S. Damjanovich, J. Fidy und J. Szöllősi) Medicina, Budapest, 2008.
Fercher A.F. Medizinische Physik, Springer, Wien, New York 1992.
Haas U. Physik für Pharmazeuten und Mediziner; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH. Suttgart 2002.
Maróti P., Laczkó G.: Bevezetés a biofizikába, JATEPress, Szeged 1998 (Ungarisch)
P. Maróti, L. Berkes, F. Tölgyesi: Biophysics Problems. A Textbook with Answers. Akadémiai Kiadó, Budapest 1998
(Englisch).
Punktförmige Strahlungsquellen
Die Teilchenstromdichte J(r) einer radioaktiven Quelle ist im Abstand r :
J (r ) 
a
4  r2
(a ist die Aktivität der Quelle) und verhält sich umgekehrt wie die Abstandsquadrate:
 r1 
J (r2 )  J (r1 )   
 r2 
2
Dieses geometrische Abstandsgesetz gilt nur bei Abständen r >> Quellenabmessung.
Abweichungen hiervon werden durch 1) Streuung und 2) nichtkonstante lineare
Energieübertragung verursacht.
Im Gewebe kommt nur der aus der Strahlung aufgenommene
Energiebetrag ΔE zur Wirkung. Der ausgelöste physikalische Effekt
ist proportional zur Energiedosis D (gemessen in Einheit Gy):
D
E
m
Die Dosisleistung einer (annähernd) punktförmigen
Strahlungsquelle im Abstand r ist für biologisches Gewebe:
dD
a
k 2
dt
r
r2
a
r1
Punktförmige Strahlungsquellen
Die Dosisleistung einer (annähernd) punktförmigen Strahlungsquelle im Abstand r ist für
biologisches Gewebe:
dD
a
k 2
dt
r
Hier heißt k Punktquellen-Dosiskonstante. Diese Gröβe ist noch von der Strahlungsart
anhängig.
γ-Strahler
β- -Strahler
Radionuklid
Dosiskonstante k
Gy·m2/(Std·Bq)
60Co
3,36·10-13
99mTc
1,56·10-14
137Cs
8,47·10-14
226Ra
2,14·10-13
90Sr
2,0·10-11
131I
1,7·10-11
137Cs
1,6·10-11
198Au
1,2·10-11
Strahlenschädigungen
Teratogene Schäde
während der Schwangerschaft
eine Schädigung des Embryos
verursachen
Somatische Strahlenschäde
Schädigung der Körperzellen des
Individuums
Frühwirkung
Innerhalb von Tagen
bis zu einigen
Monaten
Hautrötung,
Erbrechen,
Augenkatarakt
ergeben
Spätwirkung
Strahlenschäden,
die beim
Menschen erst
nach mehreren
Jahren erkennbar
werden, selbst
wenn keine
Frühwirkungen
aufgetreten sind.
Genetische Schäde
Biologische Schädigungen am
Erbgut von Organismen
Genetische Strahlenwirkungen
bedingen Schäden, die entweder
- die Lebensfähigkeit von
Nachkommen bereits in einem
frühen Entwicklungsstadium
verhindern, oder
- welche sich erst bei den
Nachkommen als somatische
Veränderungen zeigen, also
- vererbbare Strahlenwirkungen
darstellen.
Das akute Strahlensyndrom
nach einer Ganzkörperbestrahlung mit γ-Strahlung.
Die Dosiswerte beziehen sich auf menschliches Gewebe in der Körpermitte.
Dosisbereich
(Gy)
Prodromaleffekte
Beobachtete Organschäden
Überleben
0-0,5
keine
keine
gesichert
0,5-1
mild
geringfügige Abnahme der Zahl der
Blutzellen
praktisch gesichert
1-2
mild bis
mäβig
beginnende Symptome von
Knochenmarkschäden
wahrscheinlich (>90%)
2-3,5
mäβig
mäβige bis ernste
Knochenmarkschäden
bei 3 Gy ca. 50%
Todesfälle in 60 Tagen
3,5-5,5
ernst
ernste Knochenmarkschäden
50-99% Todesfälle
5,5-7,5
ernst
zusätzlich mäβige Schäden des
Verdauungstraktes
Tod innerhalb 2-3
Wochen
7,5-10
ernst
Knochenmarkschäden, verstärkt
auftretende Schäden am
Verdauungstrakt
Tod innerhalb 1-2,5
Wochen
Schwellendosis
Der Organismus verfügt über
Reparaturmechanismen
Regenerations- und
Funktionsreserven
Es gibt eine obere Dosisgrenze (Schwellendosis), ab der die kleinste Wirkung
nachgewiesen werden kann. Zum Beispiel, das akute Strahlensyndrom zeigt
ein ausgesprochenes Schwellenwertverhalten und gehört somit zu den nichtstochastischen Strahlenwirkungen.
Bei Erwachsenen, liegt diese Schwellendosis bei 200 mSv, das bedeutet bei
kurzzeitiger Ganzkörperbestrahlung oder zumindest groβer Teile des Körpers,
z.B. des Rumpfes, mit einer γ-Strahlungsdosis oberhalb 200 mSv können
biologische Schädigungen auftreten. Eine besondere Bedeutung kommt jener
Dosis zu, bei der innerhalb von 30 Tagen 50% der bestrahlten Individuen einen
Strahlentod erleiden. Diese sog. mittlere letale Dosis liegt beim Menschen bei
Ganzkörperstrahlung mit Röntgen- oder γ-Strahlung bei ca. 3,5 Sv, wogegen
eine Dosis von 6 Sv eine Mortalität von fast 100% zur Folge hat.
Lebewesen
Letale Dosis
(Gy)
Meerschweinchen
2,5-4
Ziege
3,5
Mensch
3-4,5
Hund
4-5,5
Rhesusaffe
5,5
Ratte
6
Goldfisch
8,5
Hamster
9-11
Forelle
15
Escherichia coli
50
Fledermaus
150
Schnecke
200
Wespe
1.000
Tabakmosaikvirus
2.000
Bärtierchen
5.700
Deinococcus
radiodurans
10.000
Letale Dosis für
Lebewesen und Viren
Die LD50/30-Werte (50% Letalität
nach 30 Tagen) für Lebewesen bzw.
Viren unterscheiden sich stark, da
diese eine unterschiedliche
Empfindlichkeit gegenüber
ionisierenden Strahlen zeigen. Die
Werte beziehen sich, wie bei der
Strahlenkrankheit, auf kurzzeitige
Ganzkörperbestrahlungen. Kurzzeitig
bedeutet dabei kurz im Vergleich mit
biologischen Heilungsprozessen; eine
Expositionsdauer von wenigen
Minuten ist also "kurz", eine von
mehreren Stunden dagegen nicht
mehr.
Von Strahlung ausgelöste Reaktionsschritte
im Organismus
Somatische bzw. genetische
Gewebereaktionen
Biologische Phase
nicht
stochastische
Schäden
Biochemische Phase
Physikalische
Phase
stochastische
Schäden
Physikalische Phase
Energieübertragung von Strahlung auf Gewebemoleküle:
Entstehung von Ionen und Radikalen
Radiolyse des Wassers
Biochemische Phase
Molekulare Reaktionen:
Direkte und indirekte Schädigung lebenswichtiger Moleküle
DNS-Synthesestörung
Oxydation der SH- (Sulfhydryl-) Gruppe von Enzymen (= Zerstörung
der Enzyme)
Biologische Phase
Zelluläre Reaktionen:
Mitosestörung, Zelltod, Mutation
Reparatur und Erholung
Stochastische und
nicht-stochastische Schäden
Stochastische Strahlenwirkung
Es gibt nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von
Schäden. Es handelt sich um die Auswirkung von strahleninduzierten Schäden
an einzelnen Zellen, wie Genmutationen, somatische
Chromosomenaberrationen und maligne Transformationen. „Bloβ” die
Wahrscheinlichkeit für eine biologische Wirkung nimmt mit zunehmender
Strahlungsdosis zu.
Nicht-stochastische Strahlenwirkung
Sie tritt immer ab einer gewissen (individuell unterschiedlichen) Dosis
auf. Hierzu gehören jene Strahlungsschäden, die auf der Vernichtung einer
gröβeren Anzahl von Zellen in den betroffenen Organen beruhen, beispielweise
die Schädigung der Blutbildungsorgane, des Immunsystems oder der
Fortpflanzungsorgane. Diese Strahlungsschäden können eine Schwelle haben;
die Schweregrad des biologischen Schadens nimmt mit zunehmender
Strahlungsdosis zu.
Biologische Wirkungskurven (Dosis-Effekt-Kurven)
Nicht-stochastische Strahlenwirkung
p: Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer
biologischen Wirkung
S: Schweregrad des biologischen
Schadens
Schwelle
(Erythem)
Stochastische Strahlenwirkung
Diese Teile der Graphen
sind (aus statistischen
Gründen) nicht meβbar:
eine Schwelle ist nicht
nachweisbar.
Äquivalentdosis (H) ist das Produkt aus Energiedosis der Strahlung (D) mal
ihrem Bewertungsfaktor (q): H = q·D
Inaktivierung des Enzyms Ribonuclease durch 60Co γ-Strahlung
im trockenen Zustand sowie in wäβriger Lösung (5 mg/ml).
Abhängigkeit der Strahlenwirkung von der Umgebung.
Bestrahlt man das Enzym Riboluclease in wasserfreiem Zustand
und hinreichend verdünnter wäβriger Lösung, so findet man einen
um 2 Gröβenordnungen unterschiedlichen Wert für die Kenngröβe
D37 der Strahlenempfindlichkeit.
Die Enzymaktivität AE
stellt ein
Maβ für die
Zahl intakter
Enzymmoleküle
dar.
Der Parameter D37
stellt ein Maβ für die
Strahenempfindlichkeit
des untersuchten
Objekts dar.
In Gegenwart von Wasser
(„Lösung”) überwiegt bei weitem
der indirekte Strahleneffekt durch
Energietransfer von der wäβrigen
Umgebung auf das Enzymmolekül.
In Abwesenheit von Wasser
(„trocken”) erfolgt die Inaktivierung
ausschlieβlich durch direkte
Strahlenwirkung auf das Enzym
selbst.
Strahlungsinaktivierung des Gramicidinkanals in
künstlichen Lipidmembranen
durch 220 kV Röntgenstrahlung in luftgesättigter wäβriger Lösung.
Folgerungen:
1) Schulterkurven können auch in Abwesenheit von zellulären
Reparaturphänomenen auftreten (siehe Kurve 2)!
2) Die Umgebung kann auch
eine Schutzwirkung ausüben.
eine
Doppelbindung
pro
Fettsäurerest
Fettsäurereste
ohne
Doppelbindung
Der Ionenkanal von Gramicidin A ist fast ausschlieβlich
durch strahlungsinduzierte
Radiolyseprodukte des
Wassers inaktiviert. Der
beobachtete Strahleneffekt ist
geringer, falls die Lipidumgebung des Kanals
Doppelbindungen enthält, die
eine groβe Reaktionsbereitschaft für OH-Radikale
aufweisen und den Kanal vor
ihren Angriffen schützen.
Experiment für das Konzept der Äquivalentdosis: Verlust der
Prolipherationsfähigkeit von Ehrlich-Ascites-Tumorzellen
nach Bestrahlung mit 4 MeV α-Teilchen, 14 MeV Neutronen (n) sowie 30 MeV
Elektronen (β).
Die Kenntnis der Energiedosis allein reicht nicht aus, um den Strahleneffekt eines
gegebenen Organismus vorherzusagen.
Bei diesem Experiment wir können feststellen, daβ bei gleicher Energiedosis der
Strahleneffekt für α-Teilchen (oder
Neutronen) erheblich gröβer ist als nach
Bestrahlung mit β-Teilchen.
4 MeV
14 MeV
30 MeV
Die LET-Werte unterscheiden sich bei
gleicher Teilchenenergie für α- und βTeilchen um etwa 1-3 Gröβenordnungen. Als
ungefährer Anhaltspunkt darf LET (αTeilchen) ≈ 100 keV/μm sowie LET (βTeilchen) ≈ 1 keV/μm gelten. Röntgen und γStrahlung lösen bei Absorption in Materie
energiereiche Elektronen aus und besitzen
daher ähnliche LET-Werte wie β-Teilchen.
Verlust der Proliferationsfähigkeit von
Ehrlich-Ascites-Tumorzellen
nach
- Röntgenbestrahlung (140
kV) und
- unterschiedlich langer
Reparaturzeit.
Gibt man den Zellen
Gelegenheit zur Reparatur
vor Durchführung des Test
auf Teilungsfähigkeit, so
erhält man
1) ausgeprägte
Schulterkurven und
Energiedosis (Gy)
2) eine Abnahme des
Strahleneffektes bei gleicher
Dosis (der Wert D37 erhöht
sich).
Strahlentherapie = Tumortherapie
Dosiswirkung: die Anzahl der nicht mehr teilungsfähigen Zellen bezogen auf die
Gesamtzahl der Zellen.
Pharmaka: hat eine deutliche Schwellendosis und
erreicht schnell 100% Wirkung.
Ionisierende Strahlung: hat keine klare Schwelle und
erreicht 100% Wirkung nur asymptotisch.
Abstand und Steigung der Sterbe-Kurven der
Tumor- und gesunden Gewebszellen sind stark
von der Tumorart und –Gröβe und Strahlenart
abhängig.
Zelluläre Strahlenwirkung:
die Überlebenskurve
Relativer Anteil der überlebenden (teilungsfähigen) Zellen
in Abhängigkeit von der Energiedosis.
D0 ist die Dosis, die den Anteil überlebender Zellen auf 1/e
= 37% reduziert (die sogenannte 37%-Dosis).
Bei hohem LET: exponentieller Verlauf
Bei niedrigem LET: Schulterkurve
Quasi-Schwelle existiert, die beschwert
die Abschätzung des Strahlenrisikos bei
kleinsten Strahlungsdosen.
Wegen der hierzu
erforderlichen groβen
Anzahl von Experimenten
an Versuchstieren werden
auch in Zukunft kaum
relevante experimentelle
Werte zur Beurteilung von
Strahlungsschäden bei
kleinsten Strahlendosen
vorliegen.
Treffertheorie: Dosis-Wirkungs-Kurven
Quantitativer Zusammenhang zwischen Energiedosis und der zellulären
Strahlenschädigung. Bei der klassischen Treffertheorie (Theorie der Direktwirkung) wird
nur die Zahl der Zielscheiben (sensiblen Stelle, „target”), die Zahl der Treffer und ihre
Verteilung (Poisson) berücksichtigt und sie läβt die Molekularmechanismen in der
bestrahlten Substanz weitestgehend auβer Acht.
Bedingungen der Poisson-Verteilung der Ionisation:
1) die Zahl der (gesamten) Ionisationen ist sehr groβ,
2) die Ortskoordinaten sind unabhängig voneinander,
3) die Wahrscheinlichkeit, daβ eine gegebene
Ionisation gerade auf die Zielscheibe fällt, ist sehr
gering.
Die mittlere Zahl der Ionisationen (Treffer) im ΔV
Volumen bei Dosis D ist ΔV·D und die
Wahrscheinlichkeit, daβ gerade n Treffer das
Volumen erreicht:
Pn
n

V  D   V D

e
n!
Treffertheorie:
eine Zielscheibe mit mehreren Teffern
Das biologische Objekt hat eine sensible Stelle und wird inaktiviert, wenn nS Treffer
(Schwellewert) erhält. Wenn nS -1 oder weniger Treffer bekommt, wird das Objekt
überleben, d.h. es bleibt aktiv (es zeigt die untersuchte Beschädigung nicht). Die
Überlebensquotient (Überlebenswahrscheinlichkeit) ist
1
2
n 1

N  V  D  V  D 
V  D  S   V D
 1 

 ... 
 e
N0 
1!
2!
(nS  1)! 
Die „Eintrefferkurve” nS = 1 hat einen exponentiellen Verlauf:
N/N0 = exp(-ΔV·D)
Ist die Zahl der zur Inaktivierung
notwendigen Treffer gröβer als 1, nS > 1,
so nimmt der Verlauf der
Überlebenskurve eine sigmoide Form
(eine verkehrte S-Form) an. Die Kurve
hat eine umso ausgeprägtere „Schulter”,
je gröβer die Zahl der erforderlichen
Treffer ist.
Treffertheorie:
mehrere Zielscheibe mit einem Teffer
Bedingungen:
1. die Zahl der strahlenempfindlichen Stellen im Objekt ist m,
2. sie haben das gleiche Volumen ΔV und
3. die Verletzung aller Stellen durch je ein Treffen (nS = 1) ist notwendig zur
Inaktivierung des Objektes.
Die Wahrscheinlichkeit für
Überleben, kein
Treffer der Stelle
1
2
...
m
...
exp(-ΔV·D)
exp(-ΔV·D)
Treffer der Stelle
exp(-ΔV·D)
...
1-exp(-ΔV·D)
Treffer aller Stellen
Überleben des Objektes
1-exp(-ΔV·D)
[1 - exp(- ΔV ·D)]m
N
m
 1  1  exp( V  D)
N0
1-exp(-ΔV·D)
Treffertheorie:
mehrere Zielscheibe mit einem Teffer
Graphische Darstellung
Bei hoher Dosis (wenn exp(-ΔV·D) <<1),
die Überlebensquotienten kann man durch
die folgende lineare Näherung beschreiben:
N
ln
 V  D  ln m 
N0
In halblogarithmischer Darstellung, die
Geraden sind parallel (die Steigung ist
bestimmt durch das Volumen der
strahlenempfindlichen Stelle ΔV) aber
verschiebt sich nach der Gröβe der
Zahl der Stellen m. Die Zahl der
sensiblen Stellen im Objekt läβt sich
an ihrem Schnittpunkt mit der
vertikalen Achse ablesen.
Dosis-Wirkungs-Zusammenhang in
Zellkultur der Niere mit Strahlungen
verschiedener LET-Werte
„Schulter”
Gerade
eine Zielscheibe mit
mehreren Teffern
eine Zielscheibe mit einem Teffer
HeLa-Zellen behandelt mit
Röntgenstrahlung in Luft und in
N2- Atmosphäre
Obwohl die
Überlebensraten nach
Energiedosis in Luft
und in Stickstoff
deutlich ganz
verschieden sind, die
Zahlen der nötigen
Treffer um die einzige
Zielscheibe zu
zerstören sind gleich in
den zwei Fällen: m = 3.
Der Sauerstoff (in der
Luft) erhöht die
Strahlenempfindlichkeit,
Oxygen Enhancement
Ratio (OER) (siehe
später)
Linear-quadratische Dosis-Wirkungsbeziehung,
Molekularmodell der DNA-Verletzung
lineares Glied
ln N/N0 = a0 + a1·D + a2·D2
quadratisches Glied
wobei a0 die spontane, d.h. in Anwesenheit zusätzlicher Strahlung gefundene Zahl an
Fällen darstellt.
Das lineare Glied ist proportional zur Entstehungswahrscheinlichkeit der
Doppelkettenbrüche.
Das quadratische Glied ist proportional zur Wahrscheinlichkeit des voneinander
unabhängigen, zeitlich und räumlich ausreichend nahen Vorkommens von
einsträngigen Brüchen an zwei verschiedenen Ketten.
Vorteile des Modells:
- reale Molekularmechanismen verbergen sich hinter den Parametern und
- das Verhalten bei sehr geringen bzw. sehr hohen Dosen bleibt richtig (im
Gegenteil der klassischen Treffertheorie).
Todesfälle durch Leukämie bei den
Überlebenden der Atomaren Explosion
von Hiroshima und Nagasaki.
Quadratische Beziehung:
besseres beschreiben
Die
Fehlerbalken
repräsentieren
die Standardabweichung
Lineare Beziehung
Einfaches Schema der Entwicklung
einer zellulären Strahlenschädigung
Die Ionisation
Strahlungsabsorption in
eines
der Umgebung des
Makromoleküles
Enzymmoleküls
zieht durch veränderte
Wechselwirkungen eine
Konformationsänderung,
die zum Verlust der
enzymatischen Aktivität führt
nach sich.
Die freie Wasser- oder
Lipid-Radikale
gelangen durch freie
Diffusion an den Ort
des Makromoleküls
(wasserlösliche und
Membranproteine sowie
(bei Eukaryoten) von der
Kernmembran umgebenen
Erbsubstanz DNA).
Verlust der Poliferationsfähigkeit (Zellteilung),
Chromosomenaberrationen
(Veränderungen im Erscheinungsbild von Chromosomen)
Mutationen
NeoplastischeTransformation
(Veränderungen des
Vermehrungsverhaltens der
Zellen)
Vergleich des direkten und indirekten
Schädigungseffekts
N = N0·exp(-D/DN,37)
zu vergleichen
Überlebensfraktion der Molekülen
M = M0·exp(-D/DM,37)
Anzahl der getroffenen
M0 - M = M0(1-exp(-D/DM,37))
Lösungsmittelmoleküle, die die
gleiche groβe Anzahl von
M0 - M = N0 - N
gelösten Molekülen schädigen
N/N0 =1 - M0/N0·(1-exp(-D/DM,37))
Vergleich der direkten und indirekten Schädigungen
Direkt Schädigung
Indirekt Schädigung
Die Überlebensfraktion der Molekülen

M0 
N
D 



N
D 
 1
 1  exp  

 exp  
N
N
D
0
0 
M , 37 




N0
 DN ,37  Nach Einsetzung N0 = c· V

M0 
N
D 

 1
 1  exp  

N0
c V 
D
M , 37 


Bei niedrigen Dosen
M
N
D
 1 0 
N0
c V DM ,37
D << DM,37
direkt
37
D
 DN,37
Unabhängig von der
Konzentration c
Eine Strahlungsdosis D37
reduziert N/N0 auf den
Bruchteil 1/e (= 37%):
indirekt
37
D

0,63  DM ,37 V
M0
c
Abhängig von der
Konzentration c
Schluβfolgerungen
Die zur indirekten Inaktivierung der gelösten Molekülen erforderliche Dosis D37
ist direkt PROPORTIONAL zur Konzentration c.
Fazit: Bei kleinen Konzentrationen c ist auch die zur Inaktivierung der gelösten
Moleküle erforderliche Dosis klein. Der indirekte Effekt wird daher das
Schädigungsgeschehen bei allen Molekülen mit geringer intrazellulärer
Konzentration dominieren.
Daraus folgt auch, dass selbst kleinste Strahlungsdosen über die indirekte
Inaktivierung Schäden erzeugen, was gegen das Vorhandensein einer
Schwellendosis bei Strahlungsschäden spricht.
Molekulare Strahlenwirkung (Radiolyse)
Strahlung kann an biologisch wichtigen Molekülen (DNS, Enzymen) entweder DIREKT
einen Schaden setzen oder INDIREKT über erzeugte chemische Radikale aus der
Zerstörung anderer Moleküle, hauptsächlich aus dem Lösungsmittel Wasser.
Bei der Wasserradiolyse entstehen primär folgende Produkte, die alle chemische
Radikale (gekennzeichnet durch einen Punkt hinter dem chemischen Symbol) sind:
·
H2O → H2O+ + e-
·
und
·
·
H2O → H + OH
Chemische Produkte
für locker ionisierende γ-Strahlung
in Wasser bei pH 7
Zahl der entstandenen Produkte
je 100 eV absorbierter Energie
(etwa 4 Wassermoleküle zerstört)
Hydratisierte Elektronen
2,65
H-Radikal
0,55
OH-Radikal
2,70
H2
0,45
H 2 O2
0,70
Besondere Rolle des Sauerstoffes
Das Sauerstoffmolekül hat als einziges einfaches Molekül im Grundzustand zwei
ungepaarte Elektronenspins (Triplet-Zustand) und wirkt daher wie ein Radikal mit zwei
Elektronen.
Die Anwesenheit von Sauerstoff im Gewebe
- verhindert die Rekombination der entstandenen Ionen und
- fördert die Entstehung von OH-Radikalen durch eine Kette von Reaktionen.
Wegen seiner hohen Elektronenaffinität bindet der Sauerstoff die primär entstandenen
Elektronen und reagiert mit dem H-Radikal:


2
2
2
2
e   O :O
·
Die Radikale ( ) besitzen
ein ungepaartes Elektron
und sind deshalb chemisch
hoch reaktiv.
H   O :  HO 
HO 2   HO 2   H2O2  O2
Wasserstoffperoxyd zersetzt
sich laufend

e   H 2O2  OH   OH
-
Die freigesetzte OHRadikale haben erhebliche
biologische Wirkung
O2 ist einer der stärksten Sensibilisatoren für Strahlungsschäden. Bei Zellpopulationen
mit 20% freiem O2 (entspricht arteriellem Blut) beispielweise benötigt man nur 30 bis
50% der Energiedosis zur Sterilisierung im Vergleich zu nur 0,1% freiem O2. Viele
Tumoren sind schlecht mit Blut versorgt und daher hypoxisch und dadurch im Vergleich
zu normalem Gewebe sehr strahlenresistent.
Sauerstoff erhöht die Strahlenempfindlichkeit,
Oxygen Enhancement Ratio (OER)
Definition: das Verhältnis der D37 Werte der
Überlebenskurven gemessen ohne Oxygen (Hypoxie)
bzw. mit Oxygen:
Die auffälligste O2 –Wirkung sieht man bei der
Röntgen- und Gamma-Strahlung (kleine LET
Werte) und hat einen OER-Wert von 2 bis 3.
Das Bakterium E. coli weist einen besonders
hohen OER-Wert auf: 5 Gröβenordnungen ist
der Unterschied in der Strahlenempfindlichkeit
unter aeroben bzw. anaeroben Bedingungen!
Der Grad der O2-Sättigung der Zellen bzw.
Organe zeigt eine Paralelität zur Strahlenempfindlichkeit; aber ein O2-Überdruck erhöht
nicht immer die Strahlenempfindlichkeit.
Mit steigendem LET nimmt der Sauerstoffeffekt
ab. Die Ursachen hierfür sind noch geklar.
Hypoxie
37
Oxygen
37
D
OER 
D
Wirkungen ionisierender Strahlung auf DNS
Am empfindlichsten reagieren Zellen auf ionisierende Strahlung mit einer Änderung der
MITOSE-Rate. Insulte an den Chromosomen bzw. an der DNS von besonderer
Bedeutung sind:
Kette der Desoxyribose- und Phosphatgruppen
Basenverlust
Einzelstrangbruch Doppelstrangbruch
Durch Wasserstoffbrücken
verbundene Purin- und
Pyrimidinbasen
Denaturierung
irreparabler Schaden
Der biochemische Reparaturmechanismus versagt,
weil die DNS-Polymerase keine Matrize mehr findet,
nach der sie die fehlenden Nukleotide einfügen kann.
Ionisierungsprozesse machen bei jeder Strahlenart einen festen Anteil aller Schäden aus. Deshalb
gibt es irreparable Schäden auch bei kleinsten Strahlungsdosen; eine Schwelle, unterhalb der
ionisierende Strahlung unschädlich ist, dürfte es daher auch aus diesem Grund nicht geben.
Ausschnitt aus einem DNA-Einzelstrang.
Bildung von Thymin-Dimeren durch UV
Bestrahlung.
Die Basen Adenin, Guanin, Cytosin und Tymin der DNA besitzen ein
Absorptionsmaximum im Bereich um 260 nm.
Der komplementäre Einzelstrang wurde der Einfachkeit halber weggelassen.
DNA-Schädigungen
Modifikationsfaktoren der
Strahlenwirkung
• Physikalische Faktoren
- Strahlungsart
- Zeit
- Dosisleistung
- Dosisfraktionierung
- Temperatur
• Chemische Faktoren
- Sauerstoffwirkung
- Wasserschäden
- Sensibilisierende und schützende Verbindungen
• Biologische Faktoren
- Stoffwechsel
- Zustand des Zellzyklus (nach Strahlenempfindlichkeiten: Mitose, G2-Phase,
G1-Phase, frühe und späte S-Phase
- Zellbiologische Fähigkeiten
Graphische Vorstellung einiger
Modifikationsfaktoren
Zeitfaktor
Reciprozität zwischen Zeit
und Strahlungsintensität
Sauerstoffwirkung
Theorie der
Wasseraktivierung:
Fraktionierung der Strahlendosis: die Anwesenheit
von O2 fördert die
die Überlebenschancen der Zelle nehmen
stark zu, wenn man im linearen Teil der
Entstehung freier
Dosiskurve vor Verabreichung der
Radikale und H2O2.
nächsten Dosis einige Stunden wartet.
Biologischer Faktor
Zellzyklus
Die Strahlenempfindlichkeit
einer Zelle ist umso gröβer,
je weniger sie differenziert
ist.
Zusätzliche Krebsmortalitätsrate
(KMR) bei
Atombombenüberlebenden
Ruhm und Ehre
In diesen Gedenkstein im Garten des Hamburger
St.-Georg-Krankenhauses sind die
Namen von 160 Röntgenärzten und -Schwestern
gemeißelt, die als Pioniere im Umgang mit den
(ehemals) neuen (Röntgen) Strahlen an den
Folgen von Röntgenverbrennungen verstorben
sind.
An die anderen tausend und abertausend
unbekannten Opfer im restlichen Teil der Welt
erinnert uns kein Denkstein.
Hausaufgaben
1. Im Abstand 1 m von einem punktförmigen, radioaktiven γ-Strahler beträgt die
Dosisleistung in Luft 8 μJ·kg-1·h-1. Wie groß ist etwa die aufgenommene Dosis bei 2
m Abstand und 5-stündigem Aufenthalt?
2. Die Dosisleistung einer monochromatischen γ-Strahlung beträgt in 2 m Abstand von
der Quelle 2 mGy·s-1. Wieviele Bleiplatten von 1 cm Dicke müssen mindestens
zwischen Quelle und Beobachtungsort aufgestellt werden, wenn die Dosisleistung
auf weniger als 2 μGy·s-1 reduziert werden soll und die Halbwertsdicke von Blei 5
mm beträgt?
3. An einer Röntgenanlage wird in 50 cm Fokusabstand eine Energiedosisleistung von
8 Gy/min gemessen. Wie groß ist die Energiedosisleistung unter Annahme eines
punktförmigen Röntgenfokus in einem Fokusabstand von 1 m?
4. Ein Patient mit Schilddrüsenüberfunktion hat radioaktives Iod-131 erhalten, damit
sein Schilddrüsengewebe teilweise zerstört wird. Iod-131 ist ein ß- und γ-Strahler,
wobei die ß- -Strahlung praktisch vollständig im Körper absorbiert wird. Der Patient
wird als punktförmige γ-Strahlenquelle angesehen. Bei Entlassung aus der
stationären Behandlung beträgt die (Äquivalent-)Dosisleistung 3,5 μSv/h (das ist in
der Medizin angeführte Obergrenze) in 2 m Entfernung. Etwa wie groß ist in 6 m
Entfernung die vom Patienten erzeugte Dosisleistung?
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