09.01.04, Schizophrenie, F. Weiss-Motz

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Schizophrenie
Tutorium: Medizinische Psychologie
Frank Weiss-Motz
WS 03/04
Schizophrenie - Übersicht
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Was ist Schizophrenie ?
Symptomatik
Varianten
Verlauf der Erkrankung
Morphologie und Physiologie der Schizophrenie
Auslöser
Behandlung
Empfehlungen für Literatur und andere Medien
Was ist Schizophrenie ?
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
Benennung von Eugen Bleuler 1911, Schweizer Arzt
Alternativ oft auch Psychose genannt
Zusammengesetzt aus den Wörtern:
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
Schizo [griechisch], spalt..., gespalten
Phrenos [griechisch] der Geist, das Bewusstsein
Fehlverstanden oft als gespaltene Persönlichkeit oder multiple Persönlichkeit

Unterscheidung:
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

Multiple Persönlichkeiten haben 2 oder mehr Identitäten, die aber jede für sich gut angepasst und
unauffällig ist
Schizophrene haben nur eine Persönlichkeit die sich aber durch die Krankheit so verändert, dass die
Person auffällig und unfähig wird ihr Leben selbst in den Griff zu bekommen
Auftretenshäufigkeit:
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1% in allen Kulturen
Männer erkranken leicht häufiger
Höhere soziale Schichten seltener
Bedeutung der Schizophrenie
 In psychiatrischen Kliniken die zweithäufigste
Erkrankung nach Depressionen
 60 Mio Menschen Weltweit daran erkrankt
 9 Mio davon werden durch die Erkrankung sterben !!!
Variantenreichtum:
 3 Beispiele aus der klinischen Praxis
 Ann 26 Jahre
 Richard 23 Jahre
 Laura 40 Jahre
Schizophrenie - Symptomatik
Aus „das weiße Rauschen“ © by Warner Bros Entertainment
Symptombereiche der Schizophrenie
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Frühstadium
Emotional
Motorisch
Denken
Aufmerksamkeit und Wahrnehmung
Alltagsfertigkeiten
Residual- / Alterssymptome
Frühsymptome (Prodromalsymptome) einer Schizophrenie
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Gefühle von sozialer Unsicherheit, Sozialer Rückzug
Über Wochen gedrückte Stimmung
Schlafstörungen
Gefühle von Lustlosigkeit, Antriebsstörungen
Anspannung, Nervosität, innere Unruhe
Gedanken geraten durcheinander, werden von anderen Gedanken
unterbrochen
Konzentrationsstörungen
Erhöhtes Misstrauen, Reizbarkeit, vermehrte Konflikte
Gefühle von Unwirklichkeit ("alles wie im Film")
Erhöhte Licht- und Geräuschsempfindlichkeit
Tendenz belanglose und zufällige Gegebenheiten auf sich zu
beziehen
Trugwahrnehmungen
Symptome aus dem emotionalen Bereich
flacher Affekt
unangebrachter Affekt
Anhedonie (Unfähigkeit zum Genießen)
Antriebsarmut
Probleme beim Erkennen von emotionalen
Gesichtsausdrücken und bei der Einschätzung
von zu erwartendem Verhalten
 Widersprüchlichkeit der verschiedenen
Ausdrucksebenen von Emotionen
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Motorische Symptome einer Schizophrenie
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Verlust der Bewegungsspontaneität
Gesten und Manierismen
rituelle oder magische Handlungen
katatone Rigidität bis Stupor
Haltungsstereotypien
Flexibilitas carea (wächserne Biegsamkeit)
Aber auch katatone Erregung (hypermotorisch)
Katatone Symptome bei Schizophrenen
Störungen der Sprache und des Denkens
 Gelockerte Assoziationen oder Zerfahrenheit des
Denkens
 Schnelle Themawechsel
 Unzusammenhängende Bemerkungen
 Gedankenabriss bis Blockierung
 Neologismen (Traurig + grausam = trauram)
 Perseverationen (Wiederholungen)
 Wahnvorstellungen
 Suizid bei 15% der Patienten
Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsstörungen
 Erhöhte Empfindlichkeit für Geräusche und
optische Eindrücke
 Überflutet werden der Sinne
 Es fällt schwer die Aufmerksamkeit auf etwas wichtiges
zu richten
 Halluzinationen
 Meist auditorisch
 Stimmen die kommentieren, warnen oder anweisen
 Aber auch alle anderen Sinne
 Gedankeninduktion, Gedankenentzug
 Störungen der Augenfolgebewegungen
Einschränkungen der Alltagsfertigkeiten
 Ausfall sozialer Fertigkeiten und Wegfall sozialer
Kontakte
 Ausfall von Exekutiv- und Planungsfähigkeiten
 Schwere Verwahrlosung ist oft die Folge
Residual- (Rest-) Symptome einer Schizophrenie
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Meist Rückkehr zum Stadium der Frühsymptome
Flacher Affekt
„Merkwürdiges“ Verhalten
Soziale Zurückgezogenheit
Aber keine akuten Wahn- oder Halluzinationssymptome
Andere Unterteilung der Symptome
 Unterteilung in positive und negative Symptomatik
 Positiv = Produktiv also etwas das über das normale
hinaus geht:
 Halluzinationen, Wahn, inadequater Affekt
 Negativ = Verlust von Funktionen im Vergleich zum
Normalen:
 Flacher Affekt, Konzentrationsstörungen, Spracharmut
 Unterteilung für Diagnose und Medikation von
Bedeutung
Varianten der Schizophrenie
 sehr variantenreiche Erkrankung
 selten alle Symptome auf einmal
 evtl. nicht eine einzelne Erkrankung Schizophrenie mit
vielen Varianten sonder verschiedene Erkrankungen
 gängige Unterteilung heute:
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Paranoider Typus (Wahn + Halluzinationen)
Desorganisierter Typus (Sprechen und Denken)
Katatoner Typus (vor allem motorisch)
Residualer Typus (Restsymptomatik)
Alternative Einteilung
 Typ I (positive Symptomatik)
 Typ II (negative Symptomatik)
 Unterscheidung gewinnt an Bedeutung für
Prognose Behandlung und Ursachenforschung

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

Prognose bei Typ-I besser
Typ I reagiert besser auf Medikamente
Typ I eher biochemische Auffälligkeiten
Typ II eher hirnanatomische Normabweichungen
 Evtl. also zwei getrennte Erkrankungen
Verlauf der Erkrankung
 Krankheit verläuft immer in Schüben (floride Episoden)
unterbrochen von relativ ruhigen Phasen
(Residualphasen)
 4 Verläufe

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
25 % eine einzelne Episode ohne weitere Erkrankun
32 % mehrere Phasen ohne akute Residualsymptomatik
8 % mehrere Phasen mit konstanter Residualsymptomatik
35 % mehrere Phasen mit sich verschlechternder
Residualsymptomatik
 Letzte Gruppe ist praktisch Lebenslang beeinträchtigt und muss
i.d.R. hospitalisiert werden
Neurophysiologie der Erkrankung 1
Dopamin
 Dopaminüberschuss führt zu positiven Symptomen der
Schizophrenie
 Aber bei Erkrankten wohl eher eine Überfunktion der
Dopamin-Rezeptoren oder zu große Anzahl nicht zu viel
Dopamin
 Dopamin-Unterfunktion führt zu Parkinson-Symptomen
(Problem bei der Therapie)
 Kausaler Zusammenhang Dopamin -> Symptome ist
noch nicht geklärt daher ist eine kausale Therapie noch
nicht möglich
Neurophysiologie der Erkrankung 2
NMDA
 Relativ neue Theorie
 NMDA ist wichtigster Botenstoff im Gedächtnis- und Bewusstseinssystem
des Gehirns
 NMDA und Dopamin stehen in reziprokem Zusammenhang (NMDATheorie beinhaltet auch die Dopamin-Theorie)
 Belege ergeben sich aus Beobachtungen:



Bei einer Narkose werden primär die NMDA-Rezeptoren ausgeschaltet 
Narkose kann Episode bei erkrankten auslösen
NMDA-Agonisten lösen Krampfanfälle aus  aber Krampfbehandlung ist
wirksam bei Schizophrenie
Vorteile:
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
Erklärung des Zusammenhangs zu Stress und Erkrankung
Erklärung sowohl negativer als auch positiver Symptome
Neue Pharmakologische Therapien
Neuroanatomie der Erkrankung
 Vergrößerung des 3. Hirnventrikel vor allem bei Typ-IISchizophrenie sowie Volumenverlust des Vorderhirns
Auslöser der Erkrankung 1
Endogene Ursachen:
 Hoher Anteil genetischer Verursachung
 1% Erkrankung in Grundpopulation unabhängig von Kultur spricht für
genetische Ursachen
 33-50% Erkrankung bei eineiigen Zwilligen schizophrener Patienten
 Weitere Belege aus der Endophänotypforschung:
 Störungen der Augenbewegungen lassen sich auch bei Eltern
schizophrener Patienten finden
 Aber keine 100%ige Vererbung also auch andere Auslöser nötig

Viruserkrankung
 Januar und Februar sind überdurchschnittlich häufig die
Geburtsmonate von Schizophrenen Patienten, also die Monate mit
erhöhtem Infektionsrisiko
Auslöser der Erkrankung 2
Diathese-Stress-Modell:
 Man erbt ein Risiko für Schizophrenie
 Ob die Krankheit ausbricht wird von äußeren Faktoren vor allem von
Stress bestimmt
 Belege:




Expressed Emotions sind bester Rückfallprädiktor bei Schizophrenen Patienten:
In Familien ohne EE 12-15% Rückfall
In Familien mit hohem EE 53-90% Rückfall
Episoden einer Erkrankung geht häufig eine Zeit mit erhöhtem Stress voraus
Kann gut mit der NMDA-Theorie erklärt werden, da Stresshormon Cortisol die
Produktion von NMDA hemmt
Ältere Ansätze:
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

Schizophrenogene Mutter
Double Bind
Eigentlich alle wissenschaftlich widerlegt
Auslöser der Erkrankung 3
Drogen:
 Halluzinogene wie LSD, Cannabis oder Magic-Mushrooms shütten
Dopamin im Gehirn aus und lösen so Halluzinationen und verfälschte
Sinneswahrnehmungen aus
 Auch Amphetamine wie Speed oder Extacy wirken auf den DopaminHaushalt
 Bei Personen mit erhöhtem genetischem Schizophrenie-Risiko können
diese Drogen eine Episode auslösen mit massiven Symptomen
 Bei regelmäßigem oder massivem Konsum kann es auch ohne
genetisches Risiko zu Ausbruch einer drogeninduzierten Schizophrenie
kommen
 Besonders gefährlich: Cannabis

Während Drogenpsychosen bei LSD von relativ kurzer Dauer sind können
Cannabis-Psychosen bis zu einem Jahr anhalten und anschließend zu einer
Residualsymptomatik führen
Behandlung 1
Psychopharmaka:

Müssen in den meisten Fällen lebenslang genommen werden

Vorsichtige Eindosierung ist immer nötig

Problem ist die Mitarbeit der Patienten bedingt durch die Symptome der Krankheit

Typika (Haldol, Chlorpromazin)
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Wirken auf D2-Rezeptor
Wirken vor allem bei Typ I
Starke Nebenwirkungen (Tremor bis Rigor)
Malignes Neuroleptisches Syndrom
Spätdyskinesien (sehr ähnlich der Parkinsonkrankheit) bereits nach wenigen Jahren der
Einnahme
Atypika (Clozapin, Risperdal)
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
Wirken jeweils zur Hälfte auf D1 und D2 Rezeptor aber blockieren diese nicht vollständig
Weniger motorische Nebenwirkungen auch keine Spätdyskinesien
Aber Gefahr von Agranulozytose (mehrere Todesfälle)
Wirken auch bei Typ II
Behandlung 2
Aussichten für Psychopharmaka
 Zusammen mit der NMDA-Theorie hat man auch nach
pharmakologischen Umsetzungen gesucht
 NMDA-Agonisten bergen zu hohes Krampfpotential
daher für Behandlung unbrauchbar
 Zum Funktionieren der NMDA-Rezeptoren ist ein Stoff
namens D-Glycoserine notwendig
 Gabe von D-Serine hat sehr große Erfolge bei der
Behandlung von Schizophrenie gezeigt mit minimalen
Nebenwirkungen
 Marktreife solcher Präparate in 5-10 Jahren
Behandlung 3
EKT – Elektrokrampftherapie
 Sehr umstrittene Therapie
 Kleiner Elektroschock ins Gehirn
 Unter Vollnarkose
 Auslösung eines epileptischen Anfalls
 Evtl. so eine Art „Reset“ des Gehirns
 Wirkt bei Schizophenie und Depressionen
 Kann aber zu kurzen Amnesien führen
Behandlung 4
Psychotherapie
 Nur in Maßen erfolgreich
 Am ehesten noch begleitend zu einer
Pharmakotherapie
 Hospitalisation und Betreuung notwendig
 Suizidprävention
 Arbeit mit Angehörigen sehr wichtig
Weitere Informationen
 Gehirn und Geist, Ausgabe 4/2002
 Meine Psychose, mein Fahrrad und ich –
Zur Selbstorganisation der Verrücktheit (Fritz B. Simon)
 http://www.zebb.de
 http://www.kompetenznetz-schizophrenie.de
 http://www.psychosenetz.de
 Das weiße Rauschen (DVD/Video/Buch)
 A beautifull Mind (DVD/Video/Buch)
Ende
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