Pharmakokinetik II M. Kresken 1 Die Substanzverteilung ist abhängig von: 1. Organismus – – – der Durchblutung der Organe und Gewebe der Durchlässigkeit der Membranen der pH-Differenz von Plasma und Gewebe 2. Stoffeigenschaften – – – M. Kresken der Molekülgröße der Bindung an Plasma- und Gewebeproteine der Löslichkeit und chemischen Eigenschaften 2 Mittlere Durchblutung bei Erwachsenen Organ Gewicht (kg) Durchblutung (ml/min) Nieren 0,3 1.200 Leber 1,5 1.500 Myokard* 0,3 250 Gehirn 1,4 780 Haut 4 400 Skelettmuskulatur 30 900 *Herzmuskulatur M. Kresken 3 Verteilungsräume • Intrazellularraum (~75% des KG) – intrazelluläre Flüssigkeit – feste Zellbestandteile • Extrazellularraum (~25% des KG) – Plasmawasser (intravasale Flüssigkeit, ~4% des KG) – interstitieller Raum (~16-20%) • leicht diffusible Flüssigkeit im Interstitium • schwer diffusible Flüssigkeit im dichten Bindgewebe von Haut, Muskel, Knorpel und Knochen – transzelluläre Flüssigkeit (~1,5% des KG, z. B. Liquor cerebrospinalis, Kammerwasser, Flüssigkeiten in Körperhöhlen und Hohlorganen) M. Kresken 4 Verteilungsräume • Der Wasserraum des menschlichen Körpers entspricht in etwa 60% des Körpergewichts. • Bei einem 70 kg schweren Menschen sind dies: – 28 Liter intrazelluläre Flüssigkeit – 3 Liter Plasmawasser (Blutplasma) – 11 Liter Flüssigkeit im interstitiellen Raum – <1 Liter transzelluläre Flüssigkeit M. Kresken 5 Verteilungsräume des Organismus Gesamtkörperwasser Extrazellularraum Intrazellularraum Feste Zellbestandteile M. Kresken Intrazelluläre Flüssigkeit Plasmawasser Interstitieller Raum Transzelluläre Flüssigkeit 6 Verteilung • Abhängig vom Kapillaraufbau – Leichter Austausch, wo das Kapillarendothel Poren aufweist (z. B. Leber, Pankreas) – Erheblich eingeschränkt, wo sich auf den Kapillaren zusätzlich Zellen befinden (Hirnkapillaren, Blut-HirnSchranke) • Lipidlösliche Stoffe können die Blut-Hirn-Schranke gut, lipidunlösliche dagegen schlecht überwinden • Bei entzündlichen Prozessen nimmt die Permeabilität zu • ABC-Transporter • Gute Penetration von lipophilen Substanzen in den intrazellulären Raum M. Kresken 7 Verteilung von Pharmaka im Körper Vorrangiges Kompartiment Kompartimentvolumen (l/kg) Wirkstoff Eigenschaft Ethanol Wasserlöslich mit Gesamtniedrigem körperwasser Molekulargewicht 0,6 Mannit Wasserlöslich mit Extrazellulärmittlerem flüssigkeit Molekulargewicht 0,2 Plasmaersatzmittel Makromolekular Plasma 0,04 Fluoridionen Affinität zu Ca2+ Knochen 0,07 M. Kresken 8 Eiweißbindung • Plasma-, Gewebe-, Erythrozytenproteine • Ionen-, Wasserstoffbrücken-, Dipol-Dipol-Bindungen, hydrophobe Wechselwirkungen • für körperfremde Stoffe relativ unspezifisch • Plasmaproteine (Glyko-, Lipo-, Metalloproteine) – – – – 60-80 g/L Albumin (60%) - hat zwei Bindungsstellen Saures α1- Glykoprotein – transportiert einige basische Arzneistoffe Globuline (40%) • α1-, α2-, β- und γ-Globulin • transportieren körpereigene Stoffe • Stärke der Bindung abhängig von der Affinitätskonstante M. Kresken 9 Eiweißbindung • Abhängig vom pH-Wert des Plasmas sowie dem Lebensalter • Beim Neugeborenen (vor allem Frühgeborenen) geringer als beim Erwachsenen • Der gebundene Anteil eines Pharmakons kann nicht diffundieren und unterliegt in der Regel auch nicht der Biotransformation und Ausscheidung. • Nur die freie Form – von Ausnahmen abgesehen – gelangt an die eigentlichen Wirkorte. M. Kresken 10 Einfluss der Proteinbindung auf die Verteilung eines Arzneimittels Plasma M. Kresken Gewebe/Wirkort ProteinGebundener Wirkstoff ProteinGebundener Wirkstoff Freier Wirkstoff Freier Wirkstoff 11 Eiweißbindung • Der gebundene Anteil stellt die Speicherform dar, aus der bei einer Konzentrationserniedrigung der freien Form (z. B. durch Biotransformation und Ausscheidung) zur Wiederherstellung des Gleichgewichts (innerhalb von Millisekunden) Pharmakonmoleküle freigesetzt werden. • Konkurrenz um Bindungsstellen M. Kresken 12 Spezielle Verteilungsvorgänge • Entero-hepatischer Kreislauf, entero-gastraler Kreislauf • Übertritt von Pharmaka in den Speichel (enthält nahezu keine Eiweiße) • Plazenta gut durchlässig • Muttermilch (niedrigerer pH-Wert & höherer Fettgehalt als im Plasma) M. Kresken 13 Biotransformation • Umwandlung von lipophilen in hydrophilere, leichter ausscheidbare Stoffe – Körperfremde Wirkstoffe (Xenobiotika) – Körpereigene Wirkstoffe • Erfolgt vor allem in der Leber und (meist) untergeordnet in anderen Organen (z. B. Darm, Niere, Lunge, Milz, Muskulatur, Haut oder Blut) • Strukturgebundene (hauptsächlich in den Membranen des endoplasmatischen Retikulums) und lösliche Enzyme • Darmflora M. Kresken 15 Biotransformation Phase-I-Reaktion Arzneistoff Phase-II-Reaktion Phase-IMetabolit Oxidation Reduktion Hydrolyse Decarboxylierung M. Kresken Phase-IIMetabolit Konjugation mit akt. Glucuronsäure akt. Schwefelsäure Akt. essigsäure Aminosäuren u.a. 16 Cytochrom-P450-Enzyme Bezeichnung Substrate (Auswahl) Variabilität CYP1A2 Theophyllin, Verapamil Induktion CYP2A6 Nicotin CYP2B6 Cyclophosphamid Induktion CYP2C9 Ibuprofen, Warfarin genetisch CYP2C19 Diazepam, Omeprazol genetisch CYP2D6 Codein, Propafenon genetisch CYP2E1 Ethanol Induktion CYP3A4* Ciclosporin, Coffein, Rifampicin, Tacrolimus Induktion *kommt bei Frauen in etwa doppelt so großer Menge in der Leber vor M. Kresken 17 First-pass-Effekt M. Kresken 18 Biotoxifizierung • Giftung anstatt Entgiftung • Metabolit toxischer als die Ausgangssubstanz • Angriff auf die DNA - genotoxische Effekte (Karzinogenese, mutagene oder teratogene Wirkungen) • Angriff auf die andere Makromoleküle - zytotoxische Effekte (Sensibilisierung gegen chemisch veränderte Proteine, Zelluntergänge und Nekrosen) • Leber und Nieren besonders betroffen • Toxische Metabolite treten insbesondere dann auf, wenn infolge von (zu) hohen Dosen die Kapazität der Biotransformationsreaktionen zu untoxischen Abbauprodukten nicht mehr ausreicht. M. Kresken 19 Prodrugs • Substanze, die selbst biologisch wenig aktiv sind, aber im Organismus in eine aktive Form umgewandelt werden. – Verbesserung des Geschmacks – Erhöhung der Wasserlöslichkeit (zur i.v. Injektion) – Steigerung der Resorptionsquote – Wirkungsverlängerung – Wirkungsselektivität – Geringere systemische Nebenwirkungen M. Kresken 20 Ausscheidung • Intestinal (mit den Fäces) • Hepatisch (mit den Fäzes) • Renal (mit dem Urin) • Pulmonal (mit der Ausatmungsluft) • Über die Haut M. Kresken 21 Renale Ausscheidung Schnelligkeit und Ausmaß sind abhängig von der: • glomerulären Filtration • tubulären Rückresorption • tubulären Sekretion M. Kresken 22 Aufbau eines Nephrons (funktionelle Untereinheit der Niere) Glomerulum = Nierenkörperchen Tubulus = Nierenkanälchen M. Kresken 23 Glomeruläre Filtration • an Eiweiß gebundene Wirkstoffe werden nicht filtriert • Steigerung der Filtrationsrate bei Bluthochdruck • Cave Hypoproteinämie M. Kresken 24 Tubuläre Rückresorption • kommt durch den Konzentrationsanstieg im Harn infolge der Rückresorption von Wasser in den Nierentubuli zustande • zumeist ein passiver Diffusionsprozess, der von den Löslichkeitseigenschaften sowie dem Ladungszustand des Pharmakons abhängt • Erfolgt vorwiegend im proximalen Tubulussystem • Starke Rückresorption von lipophilen Substanzen • Schwache Basen werden bei Erniedrigung, schwache Säuren bei Erhöhung des pH-Wertes stärker ausgeschieden (Überführung in die wasserlösliche Salzform). M. Kresken 25 Tubuläre Sekretion • aktiver Prozess durch Carrier in den Zellen der proximalen Tubuli • Zahlreiche organische Säuren, aber auch Basen können sezerniert werden • Die einzelnen Substanzen können sich gegenseitig in ihrem Transport hemmen. M. Kresken 26 Renale Transportprozesse für anionische und kationische Arzneistoffe M. Kresken 27 Ausscheidung über den Gastrointestinaltrakt • Möglichkeit, dass ein in Enterozyten aufgenommener Wirkstoff (oder seine Metabolite) wieder in das Darmlumen zurücktransportiert und mit dem Stuhl ausgeschieden wird. • Hepatisch, d.h. mit der Galle werden vor allem Stoffe mit einem Molekulargewicht >500 ausgeschieden • Ausscheidung durch ABC Transporter • Rückresorption durch entero-hepatischen Kreislauf M. Kresken 28