Geruchs- und Geschmackssinn allgemein Um uns in unserer Umwelt zurechtfinden zu können, müssen wir verschiedene Informationen aufnehmen und verarbeiten können Hierzu besitzen wir speziell ausgebildete Organe: - Augen - Ohren - Haut sowie vier chemische Sinne die – bezogen auf die Anzahl der Sinneszellen – überwiegend in Mund und Nase zu finden sind → allgemein • allgemeiner chemischer Sinn Lokalisation: in der Schleimhaut von Augen, Mund, Rachen und Nase Funktion: Wahrnehmung von Gefahrstoffen • Geruchssinn Lokalisation: in der Schleimhaut (Riechepithel) der Nase Funktion: Wittern von Gefahr oder Nahrung • Sinn des Riechkolbens Lokalisation: sitzt in der Nasenhöhle Funktion: Wahrnehmung von Lock- und Signalstoffen (Pheromonen) anderer Menschen • Geschmackssinn Lokalisation: in den Geschmacksknospen von Zunge, weichem Gaumen und Rachen Funktion: Prüfung der Nahrung auf Nährstoffe und Mineralien sowie der Warnung vor ungenießbaren oder giftigen Speisen Geschmack und Geruch Beim Kauen der Nahrung können flüchtige Geruchsstoffe durch die Verbindung zwischen Mund und Nase zu den Geruchssinneszellen gelangen. Der Geruchsinn ist der beim Menschen am stärksten ausgebildete chemische Sinn. Er spielt auch bei der Beurteilung der Nahrung eine wesentliche Rolle. Er übermittelt wesentlich mehr Informationen über die Zusammensetzung der Speise als der Geschmackssinn. Dies wird vor allem dann deutlich, wenn bei einem Schnupfen die Nase verstopft ist. Dennoch werden die Wahrnehmungen beim Essen allgemein dem Geschmackssinn zugeordnet. Geschmack und allgemeiner chemischer Sinn Auch der allgemeine chemische Sinn hängt mit dem Geschmackssinn zusammen. Die Schärfe von Senf oder Chili wird über den allgemeinen chemischen Sinn vermittelt. Ebenso das Brennen der Augen und das Laufen der Nase beim Schneiden von Zwiebeln. Die Empfindungen können von Reizstoffen sowie von fast allen Geruchs- oder Geschmacksstoffen ausgelöst werden, sofern deren Konzentration hoch genug ist. Das empfundene Brennen oder Stechen löst Reflexe aus, die eine Verminderung der Reizstoffkonzentration bewirken sollen: Tränen der Augen, Schleim- oder Speichelbildung, Schwitzen, etc… Schmecken Geschmackswahrnehmung An der Spitze der Zunge und an deren Rand und hinteren Ende kann man ferner rote Punkte erkennen. Bei diesen Strukturen handelt es sich um die sogenannten Papillen, in welchen die Geschmacksknospen sitzen, welche die Geschmacksreize als elektrische Signale an das Gehirn weiterleiten. • Pilzpapillen: „rote Pünktchen“ auf der gesamten Fläche der Zunge • Fadenpapillen: „weißer Flaum“ auf der gesamten Zungenoberfläche. Sie besitzen als einzige Papillenart keine Geschmacksorgane, können jedoch Berührungsreize aufnehmen. • Blattpapillen: flache Einkerbungen am hinteren Seitenrand der Zunge • Wallpapillen: „rote Pünktchen“ am hinteren Ende der Zunge in Vförmiger Anordnung nur mit Geschmack – wird‘s geschmacklos Allein über den Geschmackssinn können nur vier Geschmacksqualitäten unterschieden werden: • • • • süß sauer salzig bitter Ein genaueres Erkennen von Aromen ist jedoch nur mit Hilfe des Geruchssinnes und des allgemeinen chemischen Sinnes möglich. Wichtig ist, dass die Geschmacksstoffe wasserlöslich sind. Zwischen der Molekülstruktur und der Geschmacksqualität besteht im allgemeinen wenig Zusammenhang. Nur bei saurem und salzigem Geschmack kann man gewisse Voraussagen über das Molekül, welches die Geschmacksempfindung auslöst, machen. zur Anatomie des Geschmackssinns zur Anatomie des Geschmackssinns Der Geschmackssinn ist eine Mischung aus sensorischen Inputs, die aus Geschmack, Geruch und taktilen Reizen von Nahrung während des Verzehrs entstehen. zur Anatomie des Geschmackssinns Geschmacksknospen sind zwiebelförmige Strukturen, die ca. 50-100 sensorischen Zellen enthalten, die Mikrovilli durch eine Pore in der Knospe nach außen projizieren. Chemische Verbindungen lösen sich im Speichel und nehmen Kontakt mit den Geschmackszellen durch die Pore auf. zur Zellbiologie des Geschmackssinns Salze, wie NaCl reizen Geschmackszellen, wenn Na+-Ionen durch einen Ionenkanal der Mikrovilli an der apikalen oder basolateralen Seite der Zelle eintreten. Dies sorgt für eine Depolarisation und folglich einen Ca2+-Einstrom, der wiederum die Ausschüttung der Neurotransmitter bewirkt. zur Zellbiologie des Geschmackssinns Säuren produzieren Protonen in Lösung. Sie können auf dreierlei Art auf die Geschmackszellen wirken: - durch direkten Eintritt in die Zelle - durch die Bockierung der K+Kanäle - durch das Öffnen von Kanälen der Mikrovilli, die wiederum die Zelle depolarisieren zur Zellbiologie des Geschmackssinns Süßstoffe binden an Oberflächenrezeptoren, die an G-Proteine gekoppelt sind. Dies sorgt für die Abspaltung der α-Einheit von der β/γEinheit und so für die Aktivierung benachbarter Enzyme (z.B. PDE). Das Enzym konvertiert einen Second-messenger (cAMP→5‘AMP), was den K+Kanal schließt. zur Zellbiologie des Geschmackssinns Bitterstoffe wie Chinin wirken über denselben Mechanismus wie Süßstoffe. Der Second-messenger bewirkt jedoch hier einen Ca2+-Einstrom und Neurotransmitter-Release. zur Zellbiologie des Geschmackssinns Aminosäuren wie Glutamat wirken ebenso. Die Schritte zwischen der Aktivierung des Secondmessengers und dem Neurotransmitter-Release sind jedoch noch nicht geklärt. falsch take home message Die sog. "Zungenkarten" sind falsch. Sie beruhen auf einer Fehlinterpretation von Untersuchungen aus dem Ende des 18. Jhds und konnten über lange Zeit – z.T. bis heute nicht aus der Fachliteratur verdrängt werden, obwohl die obigen Fakten schon seit mehreren Jahren bekannt sind. Riechen Geruchssinn Die menschliche Nase ist so fein, dass sie zum Beispiel Vanillin das Aroma der Vailleschote - vom sog. Iso-Vanillin unterscheiden kann. Die beiden Stoffe sind vom chemischen Aufbau fast völlig identisch, sie sind Konstitutionsisomere: nur zwei chemische Gruppen sind vertauscht. Beide riechen vanillig, aber für die menschliche Nase eben eine Nuance verschieden. Geruchssinn - Anatomie Erste Station der Geruchswahrnehmung ist die Riechschleimhaut ganz oben in der Nasenhöhle. Hier sitzen die Riechzellen, auf einer Fläche von nur 5,5 cm2. Das ist etwa so groß wie ein 2-Euro-Stück. Rund 3 Millionen Riechsinneszellen besitzt jeder Mensch. Alle 3 Monate werden sie komplett erneuert. Jede Riechzelle ist auf einen bestimmten Duftstoff spezialisiert. Nehmen wir das Beispiel Kaffeeduft: Von den 15 Duftkomponenten, die für unseren Geruchseindruck von Kaffee relevant sind, regt jede eine ganz bestimmte Sorte von Riechzellen an. Es werden also gleichzeitig 15 verschiedene Sorten Riechzellen aktiviert, alle übrigen reagieren nicht. Geruchssinn - Anatomie Die Rezeptoren für die Duftstoffmoleküle sitzen auf Sinneshaaren der Riechzellen. Diese ragen in die wässrige Schleimschicht der Nasenschleimhaut hinein. Bevor ein Duftstoff an ein Sinneshaar andockt, löst er sich also zunächst in Wasser. Geruchssinn - Anatomie Am Rezeptor der Riechzelle angekommen, löst der Duftstoff in der Zelle einen elektrischen Impuls aus. Dieser wird im Inneren der Zelle um das bis zu 1000-fache verstärkt und über die Axone der Riechzellen an das Gehirn weitergeleitet. Die Nase ist das einzige Sinnesorgan, das seine Impulse direkt ins Gehirn leitet, ohne dass noch andere Neurone dazwischengeschaltet sind. Die Axone der Riechsinneszellen führen durch das Siebbein direkt in den Riechkolben. Er liegt oberhalb der Nasenwurzel und ist einer der ältesten Teile des Gehirns. Geruchssinn - Anatomie Hier liegen rund 30 000 kugelige Rechenzentren, die sogenannten Glomeruli. In jedes dieser kugeligen Gebilde laufen die Informationen von etwa 1000 Riechzellen ein und werden nach Stärke und Absender sortiert und verrechnet. Dann entscheidet jede Kugel, ob sie selbst einen Impuls losschickt oder nicht. Geruchssinn - Anatomie Das Riechhirn schickt dann Impulse in höhere und entwicklungsgeschichtlich jüngere Gehirnzentren. Über eine weitere Schaltzentrale, den Thalamus, laufen sie in die Großhirnrinde. Hier entsteht in der sog. Riechrinde aus den eintreffenden Nervenreizen der bewusste Geruchseindruck. Im Hippocampus werden Erinnerungen geweckt und mit Emotionen im Mandelkern verknüpft. Nobelgeruch 2004 erhielten Richard Axel und Linda Buck den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für ihre Pionierleistungen auf dem Bereich des Geruchssinns • Den ersten Bericht lieferten sie 1991 als ein Paper in Cell mit dem Titel "A novel multigene family may encode odorant receptors: a molecular basis for odor recognition." • Er stellte einen Meilenstein auf dem damals noch sehr dünn erforschten Gebiet der olfaktorischen Wahrnehmung dar. Darin beschrieben sie zum ersten Mal olfaktorische Rezeptoren. Das Paper beschrieb damals 1000 Gene, die olfaktorische Rezeptoren in Mäusen kodieren könnten. Die Rezeptorproteine gehören zur Klasse der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren. • Die Identifizierung der Rezeptoren ebnete den Weg zum Verständnis darüber, wie Informationen über Gerüche im Gehirn verarbeitet werden. Nobelgeruch Folgende Untersuchungen sollten belegten, dass der Mensch weniger Rezeptoren als die Maus – nur etwa 363 verschiedene – besitzt. Nobelgeruch Unabhängig voneinander zeigten Buck und Axel, dass jedes olfaktorische Rezeptor-Neuron jeweils nur ein einziges Rezeptorprotein exprimiert. Jeder Geruch aktiviert eine spezifische Kombination olfaktorischer Neuronen und ermöglicht es dem Gehirn so, Gerüche zu definieren und zu unterscheiden. Markt Quellen • • • • • • • • • • Ache and Young (2005), Olfaction: Diverse Species, Conserved Principles, Neuron Gilbertson and Margolskee (2000), The molecular physiology of taste transduction, Current Opinion in Neurobiology Kinnamon (2000), A Plethora of Taste Receptors, Neuron Linda B. Buck (2004), Unraveling the Sense of Smell, Nobel Lectures Margolskee (2001), Making Sense of Taste, Scientific American Mombaerts (2004), Genes and Ligands for Odorant, Vomeronasal and Taste Receptors, Nature Review Rolls (2005), Taste, olfactory, and food texture processing in the brain, and the control of food intake, Physiology & Behavior www.quarks.de Zelano et al. (2005), Humans as an Animal Model for Systems-Level Organization of Olfaction, Neuron Zuker et al. (2003), The Receptors for Mammalian Sweet and Umami Taste, Cell