Repertorium zur Vorlesung Musikgeschichte von der frühen Neuzeit bis zur Aufklärung Oper und Oratorium von ca. 1600 bis 1800 Von Jacopo Peri Zu Claudio Monteverdi Wiederholung Entstehung der Oper - Wiederbelebung der antiken Tragödie Aristoteles: Poetik Handlung und Affekt Monodie Träger der Entwicklung waren die Camerate von de‘ Bardi und Corsi - Die Oper ist daher eine höfische Gattung - Traditionen: Antike Tragödie und Pastorale Entstehung der Oper Dabei kann die Bedeutung des Wechsels von der kosmisch orientierten platonischpythagoreischen Musikanschauung zur anthropologisch orientierten, affektbetonten aristotelischen Anschauung nicht genug hervorgehoben werden. Die erste überlieferte Oper entstand in Zusammenarbeit von Ottavio Rinuccini und Jacopo Peri. Jacopo Peri als Orfeo in seiner Oper Euridice Die zwei Textquellen der Oper 1. Die antike Tragödie 2. Die Pastorale Die frühe Oper orientiert sich mehr an der Pastorale, die nach Guarini eine Tragikkomödie ist und hält so die Mitte zwischen Komödie und Tragödie. Charles-François Lebœuf (1792–1865), Eurydice mourante Musée du Louvre Die zweite Oper: Peri Euridice Text: Ottavio Rinuccini Musik: Jacopo Peri Uraufführung: 6. Oktober 1600 Zu den Hochzeitsfeierlichkeiten Heinrichs IV. von Frankreich mit Prinzessin Maria de' Medici im Palazzo Pitti. Inhalt: Der Orpheus-Mythos Jacopo Peri Euridice Florenz, Pallazzo Pitti. Erbaut 1458 Euridice – Personaggi La Tragedia – allegorische Person des Prologs Euridice – Bergnymphe, Frau von Orpheus Orpheus – sagenhafter thrakischer Sänger Arcetro, Tirsi, Aminta – Hirten Daphne – Bergnymphe Zwei Nymphen Venus – Göttin der Liebe Pluto – Gott der Unterwelt Proserpina – Göttin der Unterwelt Charon – Fährmann über den Acheron (Styx) Euridice – Aufbau der Oper Prolog Scena I Scena II Scena III Scena IV Scena V – Adresse an d. Königshaus. Vorstellung d. neuen Tragödienform – Hirten und Nymphen bekränzen Euridice – Unglücksnachricht der Dafne – Arcetro berichtet über Orpheus‘ Klage – Orpheus in der Unterwelt vor Pluto und Proserpina – Bericht vom glücklichen Ausgang Orpheus und Euridice treten auf Hörbeispiel – Prolog - Selbstvorstellung der „Tragödie“ als allegorische Person (I) - Vorstellung einer neuen Art (IV) der Tragödie: ohne Blut, ohne Tyrannen (II) - kein „spettacolo infelice“ (II) - Stattdessen: dolce affetti (III) - Glückwunschadresse an das Königshaus bzw. das Hochzeitspaar (V-VII) Hörbeispiel – Prolog Musikalische Form: - Sopran + Generalbass - strophischer Bau - einfachste Melodiebildung - endecasillabo - Kadenz nach Vers 2 und 4 Überlegung Was unterscheidet das Sprechtheater vom Musiktheater? Euridice – Szenenfolge Scena I Scena II Scena III Scena IV Scena V – Hirten und Nymphen bekränzen Euridice – Unglücksnachricht der Dafne – Arcetro berichtet über Orpheus‘ Klage – Orpheus in der Unterwelt vor Pluto und Proserpina – Bericht vom glücklichen Ausgang Orpheus und Euridice treten auf Schwächen des Librettos - wichtige Szenen werden nur als Bericht geschildert - dadurch geschwächte Dramatik - unaristotelisch, da keine Handlung - wichtige Phasen – Abstieg/Aufstieg aus der Unterwelt – werden ausgelassen - Gesamtdramaturgie geschwächt Überlegung Welche Gründe könnte es für die Schwächen des Librettos geben? Schwächen des Librettos - Fehlende Bühnentechnik/ Räumlichkeiten im Pallazzo Pitti beim Ab- bzw. Aufstieg in/aus d. Unterwelt - Mangelnde Erfahrung Rinuccinis - Mangelnde Erfahrung Peris, die Sterbe- bzw. Lamentoszene darzustellen - Mangelnder Mut zum radikalen Dissonanzeinsatz - Mangel an qualifizierten Sängern / Schauspielern (unwahrscheinlich) - ... Vertonung Scena I Inhalt - Aufruf an die Nymphen und Hirten, das Hochzeitspaar hochleben zu lassen - Allgemeine Hochzeitsfreude Musikalische Formen - Monodie + abschließender Chor - Chorschluss = antike Tragödie Vertonung Scena I Hörbeispiel: Scena I - Wie lässt sich der Affekt der Freude darstellen? - Welche musikalischen Mittel können dazu wie eingesetzt werden? Rhythmus Melodiebildung Vertonung Scena I - erhöhtes Deklamationstempo: 2 Verse = 18 Silben in 3,5 Mens. - Freier Deklamationsrhythmus - Betonung wichtiger Wörter durch Länge (oro = golden) Kürze (sciogliete = gelöst) Hochton (bei = schön, liete = fröhlich) Überlänge (chiudete = verborgen) Vertonung Scena I - Versuch einer sprachnahen Vertonung des Textes durch z. T. sehr freien, asymmetrischen Rhythmus: d‘oro Halbe Note + 8tel - Bildung eines Melodiebogens von h über d‘, e‘ zurück zum a als Finalis - Ansteuern der Hochtöne durch kurze Notenwerte (8tel) - T. 60ff „Dite liete ...“ im 3er-Takt - Kadenzen i.d.R. am Versende Vertonung Scena I Zusammenfassung: - sprachnahe / deklamatorische Vertonung der Verse in Monodie - Keine Ritornelle, SolistInnen schließen unmittelbar aneinander an - abschließender madrigalischer Chor mit imitatorischem Einsatz, dann Wechsel in tanzartigen 3er-Takt Bau/Vertonung des Botenberichts Hörbeispiel: Scena II - Wie lassen sich die Affekte des Schreckens und der Trauer darstellen? - Welche musikalischen Mittel können dazu wie eingesetzt werden? Rhythmus Melodiebildung „Harmonik“ Bau/Vertonung des Botenberichts - Kontrast Freude – Schrecken Beginn im Stil der Scena I Strophenarie d. Tirsi + Blockflöten Dann: Einsatz der Botin Dafne mit b-Molle „Lassa“ – „ach“ in T. 214 Wechsel des harmonischen Genus Seufzer-Gestik Verminderte Intervalle: b-e (T. 229, 401), b-h (T. 389), cis‘-f‘ (T. 411) Vorhalte: es‘‘-f (T. 329f, 376f) Querstand g-gis T. 355f Bau/Vertonung des Botenberichts Dramaturgische Schwächen - Die Botschaft Dafnes bleibt zunächst völlig unbestimmt - Sehr langer Bericht, bis Dafne auf den Punkt kommt - Vom ersten „Lassa“ bis zum Abschluss der Nachricht benötigt Dafne beinahe 200 Takte! - Dem Bericht fehlt so das Zupackende Bau/Vertonung des Botenberichts Auch dieser Abschnitt wird durch einen Chor beendet. Entsprechend dem Inhalt der Scena findet sich Seufzer-Gestik (Monodie), b-Molle und gerades Metrum. Orpheus in der Unterwelt Hörbeispiel Scena IV Welche musikalischen Mittel werden eingesetzt? Orpheus in der Unterwelt - Orpheus beginnt erst in der Unterwelt wirklich zu singen - Die musikalischen Mittel bleiben im Wesentlichen dieselben: Verminderte Intervalle, unaufgelöster Vorhalt (T. 119f), Chromatik (T. 240) - Pluto und Proserpina zeichnen sich durch langsamere Deklamation aus