Sinnesphysiologie In allen sensorischen Prozessen kommen folgende Abläufe vor: * Ein physikalischer Reiz (Stimulus) * Eine Übersetzung des physikalischen Reizes in eine neuronale Erregung (Reiztransduktion) * Eine Reaktion auf das Signal (Wahrnehmung, bzw. Empfindung) Die Prozesse 1 und 2 sind Komponenten einer objektiven Sinnesphysiologie, die Komponenten 1 und 3 Bestandteile einer subjektiven Sinnesphysiologie (Psychophysik): Eingangs/Ausgangsbeziehung Reiz Wahrnehmung Licht Ton Berührung Geruch Das Prinzip der spezifischen “Nervenenergie” (Johannes Müller, 1847, Berlin) Objektive Beschreibung der Aufnahme und Verarbeitung von Reizen 1) Spezifische Rezeptorzellen (Sinneszellen) reagieren auf spezifische physikalische Reize (Reizmodalität) z.B. reagieren Photorezeptoren nur auf Photonen, Chemorezeptoren nur auf chemische Moleküle, Mechanorezeptoren nur auf mechanische Reize, und wandeln diese in elektrochemische Energie um. Aristoteles: Nichts ist im Bewußtsein, was nicht die Sinne durchlebt hat. 2) Die Rezeptorzelle wandelt den physikalischen Reiz (physikalische Energie) in eine neuronale Erregung um (TRANSDUKTION). Sinneszellen sind also Energiewandler. * Erzeugung eines graduierten Rezeptorpotentials (Amplitudenmodulation) Rezeptorpotential (Generatorpotential): lokale Veränderung des Membranpotentials einer Rezeptorzelle durch Öffnung von Ionenkanälen an den reizaufnehmenden Strukturen (Dendriten), und passive Ausbreitung über die Sinneszelle. Reizintensität und zeitlicher Verlauf des Reizes sind in der Amplitude und der Dauer des Rezeptorpotentials kodiert. * Dieses Rezeptorpotential löst, wenn es überschwellig ist, bei primären Sinneszellen eine Folge von Aktionspotentialen aus (TRANSFORMATION), wobei die Amplitude des Rezeptorpotentials durch die Frequenz der Aktionspotentiale repräsentiert wird (Frequenzmodulation). Bei sekundären Sinneszellen wird abhängig vom Membranpotential eine bestimmte Menge von Transmitter freigesetzt und erst im afferenten Neuron kommt es zur Bildung von Aktionspotentialen 3) Sinneszellen arbeiten als Verstärker. Name des Rezeptor Reizenergie Wahrnehmung Photorezeptor Licht (Welle, Quanten) Chemorezeptor Moleküle Mechanorezeptor Druck, Zug, Scherkräfte Thermorezeptor Infrarot (Welle) Wärme, Kälte Hygrorezeptor Wasserdampf Feuchte Elektrorezeptor elektrisch Magnetorezeptor elektromagnetisch Nocizeptor Schmerzrezeptor Sehen Schmecken, Riechen Gefühl (Tasten) Gleichgewichtswahrnehmung Hören Elektrischer Sinn (Fische) Magnetischer Sinn (bei Vögeln im Auge: Cytochrome) mechanisch, chemisch in der Haut Schmerz Objektive Beschreibung der Aufnahme und Verarbeitung von Reizen 1) Spezifische Rezeptorzellen (Sinneszellen) reagieren auf spezifische physikalische Reize (Reizmodalität) z.B. reagieren Photorezeptoren nur auf Photonen, Chemorezeptoren nur auf chemische Moleküle, Mechanorezeptoren nur auf mechanische Reize, und wandeln diese in elektrochemische Energie um. Aristoteles: Nichts ist im Bewußtsein, was nicht die Sinne durchlebt hat. 2) Die Rezeptorzelle wandelt den physikalischen Reiz (physikalische Energie) in eine neuronale Erregung um (TRANSDUKTION). Sinneszellen sind also Energiewandler. * Erzeugung eines graduierten Rezeptorpotentials (Amplitudenmodulation) Rezeptorpotential (Generatorpotential): lokale Veränderung des Membranpotentials einer Rezeptorzelle durch Öffnung oder Schließung von Ionenkanälen an den reizaufnehmenden Strukturen (Dendriten), und passive Ausbreitung über die Sinneszelle. Reizintensität und zeitlicher Verlauf des Reizes sind in der Amplitude und der Dauer des Rezeptorpotentials kodiert. * Dieses Rezeptorpotential löst, wenn es überschwellig ist, bei primären Sinneszellen eine Folge von Aktionspotentialen aus (TRANSFORMATION), wobei die Amplitude des Rezeptorpotentials durch die Frequenz der Aktionspotentiale repräsentiert wird (Frequenzmodulation). Bei sekundären Sinneszellen wird abhängig vom Membranpotential eine bestimmte Menge von Transmitter freigesetzt und erst im afferenten Neuron kommt es zur Bildung von Aktionspotentialen 3) Sinneszellen arbeiten als Verstärker. Kodierung der Reizintensität (Erregungstransformation) schwache Erregung schwacher Reiz stärkere Erregung stärkerer Reiz gleichbleibender Reiz Das Phänomen der Adaptation von Sinneszellen Obwohl die Reizintensität gleich bleibt, nimmt die Antwortstärke der Sinneszelle ab. konstante Streckung Tonische Rezeptorzellen: zeigen keine oder nur sehr geringe Adaptation (Stellungs- oder Positionsrezeptoren sind oft tonisch) Phasische Rezeptorzellen: zeigen sehr schnelle Adaptation (Rezeptoren, welche die Geschwindigkeit messen) Phasisch-tonische Rezeptorzellen: zeigen eine über die Zeit abnehmende Adaptation (besitzen eine schnelle phasische und eine langsame tonische Komponente) Die Mehrzahl aller Sinneszellen besitzt phasisch-tonische Eigenschaften ! Tonischer Rezeptor (adaptiert kaum) Phasischer Rezeptor (adaptiert rasch) Objektive Beschreibung der Aufnahme und Verarbeitung von Reizen 1) Spezifische Rezeptorzellen (Sinneszellen) reagieren auf spezifische physikalische Reize (Reizmodalität) z.B. reagieren Photorezeptoren nur auf Photonen, Chemorezeptoren nur auf chemische Moleküle, Mechanorezeptoren nur auf mechanische Reize, und wandeln diese in elektrochemische Energie um. Aristoteles: Nichts ist im Bewußtsein, was nicht die Sinne durchlebt hat. 2) Die Rezeptorzelle wandelt den physikalischen Reiz (physikalische Energie) in eine neuronale Erregung um (TRANSDUKTION). Sinneszellen sind also Energiewandler. * Erzeugung eines graduierten Rezeptorpotentials (Amplitudenmodulation) Rezeptorpotential (Generatorpotential): lokale Veränderung des Membranpotentials einer Rezeptorzelle durch Öffnung von Ionenkanälen an den reizaufnehmenden Strukturen (Dendriten), und passive Ausbreitung über die Sinneszelle. Reizintensität und zeitlicher Verlauf des Reizes sind in der Amplitude und der Dauer des Rezeptorpotentials kodiert. * Dieses Rezeptorpotential löst, wenn es überschwellig ist, bei primären Sinneszellen eine Folge von Aktionspotentialen aus (TRANSFORMATION), wobei die Amplitude des Rezeptorpotentials durch die Frequenz der Aktionspotentiale repräsentiert wird (Frequenzmodulation). Bei sekundären Sinneszellen wird abhängig vom Membranpotential eine bestimmte Menge von Transmitter freigesetzt und erst im afferenten Neuron kommt es zur Bildung von Aktionspotentialen 3) Sinneszellen arbeiten als Verstärker. Sinneszellen arbeiten als Verstärker Reizenergie des elektrischen Signals ist um ein Vielfaches höher als die Reizenergie des physikalischen Signals. z.B. 1 Photon rotes Licht Rezeptorstrom ca 10-19 J (Strahlungsenergie) ca 10-13 J („bump“) Da Photorezeptoren auf die Absorption einzelner Quanten mit Erregung reagieren ist die Verstärkung ca 106 fach. Weitere Signalenergien: Mechanischer Reiz Fadenhaar (Deformation im Bereich von Atomdurchmessern): < 10-19 J 1 Molekül, chemischer Reiz (Detektion einzelner Moleküle): etwa 10-20 J Sinne Sehen, Hören, Tasten, Schmecken, Riechen (5 Sinnes des Menschen) Tiere können Sinne besitzen, die dem Menschen fehlen, z. B. Magnetsinn, Elektrischer Sinn, oder die Sinne haben andere Arbeitsbereiche (Ultraviolett, Polsehen, Infrarot, Ultraschall, Infraschall) Sinnesmodalitäten Qualitäten Sehen 4 (6) elementare Farbqualitäten blau, grün, gelb, rot, (schwarz, weiss) Hören reine Töne und Geräusche zwischen 16 Hz und 20 kHz (beim Mensch) Schmecken 4 (5 oder mehr) elementare Geschmacksqualitäten süss, sauer, bitter, salzig, (umami, vielleicht „fett“) Riechen tausende von Gerüchen Tasten wie beim Sehen Gestaltwahrnehmung (Braille = Blindenschrift) Schwelle Die niedrigste Reizintensität, die von einer Sinneszelle (hier ein Mechanorezeptor) beantwortet wird (absolute Schwelle) Schwelle hier kommt es zum erstenmal zu einer Aktivierung der Sinneszelle Jede Sinneszelle besitzt eine KENNLINIE Sie beschreibt jeden quantitativen Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsgrösse eines Systems (Reizintensität gegen Amplitude des Rezeptorpotentials aufgetragen). Für die meisten Sinneszellen gilt: Die Amplitude des Rezeptorpotentials ist proportional zum Logarithmus der Reizintensität Dynamischer Bereich: Der Reizintensitätsbereich, in dem ein Rezeptor ohne den Sättigungsbereich zu erreichen mit Frequenzmodulation (Änderung der Impulsfrequenz) antworten kann. Arbeitsbereich einer Sinneszelle: Intensitätsbereich der Reize, die von der Sinneszelle kodiert werden. * die logarithmische Beziehung ist für die Größe des Arbeitsbereich von Sinneszellen bedeutend * zwischen Mondlicht und Sonnenlicht besteht ein109 facher Intensitätsunterschied. * das Gehör kann Tonintensitäten unterscheiden, die um das 1012 fache variieren. * Komplexe Sinnesorgane decken den größten Arbeitsbereich ab, da die jeweiligen Sinneszellen nur auf bestimmte Bereiche des Reizspektrums antworten. * Logarithmische Reiz-Antwortbeziehung (Kennlinie) komprimiert die Skala im hohen Intensitätsbereich und vergrößert dadurch den Unterscheidungsbereich außerordentlich. * Durch die logarithmische Beziehung wird sicher gestellt, daß eine Verdopplung der Reizintensität am unteren Ende der Skala zum gleich großen Anstieg der Amplitude des Rezeptorpotentials führt wie am oberen Ende der Skala. d I/I = K Begrenzung des Arbeitsbereiches: * Zahl der Ionenkanäle begrenzen maximal möglichen Rezeptorstrom * Impulsfrequenzen in sensorischen Axonen werden durch die jedem Impuls folgende Refraktärperiode begrenzt (auf einige Hundert Hz) Transduktionsprozesse Geruchsrezeption Photorezeption Duftmolekül Lichtquant Rezeptormolekül Rhodopsin Gs-Protein Transducin (Gi) Cyclase Phosphodiesterase cAMP cAMP Kanalprotein Kanalprotein langsam, Hunderte von Millisekunden grosse Verstärkung Mechanorezeption Mechanische Deformation Kanalprotein schnell, weniger als 1 Millisekunde (im Mikrosekundenbereich) Objektive Sinnesphysiologie: • Reizaufname durch Sinneszelle • Reiztransduktion (Bildung des Rezeptorpotential) • Transformation (Rezeptorpotential wird in Aktionspotentiale umgewandelt) zentral geleitete Erregungen (Salve von Aktionspotentiale), sensorische Signale • Integration dieser Signale in primären sensorischen Gehirnzentren Von all diesen Aktivitäten wissen wir subjektiv nichts. • subjektiver Sinneseindruck (Empfindung, z.B. dass uns Licht der Wellenlänge 400 nm „blau“ erscheint) • Sinneseindrücke sind Elemente von Empfindungen, welche gedeutet und bewertet werden. • Erst durch die Bewertung durch Erlerntes oder die Erfahrung wird daraus eine Wahrnehmung (aus weißen sphärischen Gebilden auf blauem Hintergrund wird Brandenburger Himmel mit Schäfchenwolken) Jede Empfindung hat 4 Grunddimensionen: * Räumlichkeit (z.B. Reiz im Sehfeld, Körperoberfläche) * Zeitlichkeit (der Reiz dauert) * Qualität (beim Menschen 5 Sinnesqualitäten) * Intensität Subjektive Sinnesphysiologie (Psychophysik) Befasst sich mit den physikalischen Gesetzen der Wahrnehmung Nicht der absolute Unterschied der Intensität ist ausschlaggebend für die Empfindung eines Intensitätsunterschieds, sondern der relative auf eine vorhandene Intensität bezogene Unterschied. Weber-Gesetz dI/I = K dI = Änderung der Reizintensität von einem Referenzstimulus I, die gerade wahrgenommen wird (minimale wahrnehmbare Differenz jnd = just noticable difference) für einen gewissen Reiz hängt von der Reizstärke ab. I = Referenzintensität (I0 ist die Reizintensität an der Schwelle und die übliche Referenzintensität) K = Weber Konstante Beispiel Bei einem Brief mit 20 g Gewicht in der rechten Hand, muss ein Brief in der linken Hand mit 2 g zusätztlich belastet werden, damit ein Gewichtsunterschied empfunden wird. Also: dI/I = 2/20 = 0,1 Bei 200 g Rindfleisch/Tofu in der rechten Hand müssen jetzt 20 g in die linke Hand zusätzlich gegeben werden, damit gerade ein Gewichtsunterschied bemerkt wird. dl/l = 20/200 = 0,1 Amplitude des Rezeptorpotenzials (mV) dI dI 100 101 102 103 104 105 106 107 108 log Reizintensität (100-500) (100.000-500.000) Weiterentwicklung der psychophysischen Regeln: Weber-Fechner-Gesetz (psychophysische Grundregel) E = k log (I/Io) E = Empfindungsintensität, ist eine Funktion des Logarithmus des Ouotienten zwischen der Reizintensität I und der absoluten Intensitätsschwelle Io Je größer der Unterschied zwischen der wahrgenommenen Reizintensität und der Schwellenintensität ist, desto größer ist die Empfindungsintensität. Dieser Zusammenhang wird aus der Weber Regel abgeleitet. Stevensche Potenzfunktion * Durch einen Standardreiz wird eine Standardempfindung definiert * Abschätzung der Versuchsperson, um wievielmal größer oder schwächer eine zu messende Empfindung im Vergleich zur Standardempfindung ist * daraus: Stevensche Potenzfunktion E = k (S – S0)n (doppelt logarithmische Auftragung) * durch doppelt logarithmische Auftragung (Empfindungsintensität gegen Reizintensität ergibt sich eine Gerade mit einer bestimmter Steigung) * Stevensche Potenzfunktion gilt auch für objektiv messbare Reizantworten k = Konstante, n = ein für jeden Rezeptortyp charakteristischer, positiver Wert bei n = 1 (Gerade mit der Steigung k), bei den meisten Zellen ist n < 1 (mit steigender Reizstärke wird der Zuwachs an Reaktion kleiner) bei n > 1 Empfindungs(Reaktions)amplitude wächst überproportional (z.B. bei Thermorezeptoren!) Stevensche Potenzfunktion Verschieden Steigungskoeffizienten: 3,5 Sensorische Reaktion auf Wechselstrom 1,45 Schwere von Gewichten 1,4 Temperatur 0,33 Helligkeit 0,3 Lautheit (bezogen auf Schallintensität 1,4 Zuckerkonzentration 1,1 Druckreiz auf Haut 0,42 Viskosität (Rühren einer visk. Flüssigke Erkenntnistheoretische Anmerkung (Epistemologie) Identitismus: Es gibt keinen Wesensunterschied von Körper und Geist, und deshalb kann auch der „Geist“ mit naturwissenschaftlichen Methoden untersucht werden. Nach dieser Auffassung sind objektive und subjektive Sinnesphysiologie lediglich verschiedene Methoden zur Erforschung des gleichen Gegenstandes. Somit entfällt das sogenannte „Leib-Seele- (Körper-Geist) Problem, welches von der grundsätzlichen (Wesens) Verschiedenheit von Körper und Geist ausgeht. (psychoneuraler Dualismus: Gehirn und Geist sind zwei unterschiedliche „Substanzen“ in enger Wechselwirkung). Methode des kritischen Empirismus: Phänomene aus dem Bereich der Sinne führen zur Aufstellung wissenschaftlicher Theorien, die dann durch entsprechende Experimente und Aussagen kontrollierbar sind. Insbesondere können Korrelationen zwischen Inhalten der objektiven und subjektiven Sinnesphysiologie hergestellt werden. Diese lassen sich dann hypothetisch als kausale Beziehung interpretieren. Prinzipien der Verschaltung von Sinneszellen: Rezeptives Feld: Jedes Neuron in einer afferenten Signalbahn besitzt ein rezeptives Feld, zu dem alle vorgeschalteten (Sinnes)zellen gehören, die auf das entsprechende Neuron konvergieren (Prinzip der Konvergenz). Prinzip der Divergenz: Das Gegenteil von Konvergenz. Eine Sinneszelle hat Verbindungen mit mehreren postsynaptischen Neuronen.