09Intergruppenverhalten - Uni

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Sozialer Vergleich und Beziehungen zwischen Gruppen
1.
2.
3.
4.
Sozialer Vergleich
Begriffe
Ältere Erklärungsansätze zu Intergruppenkonflikten
Minimalgruppen-Paradigma und Theorie der
sozialen Kategorisierung
5. Abbau von Vorurteilen: Theorie und Anwendung
1. Sozialer Vergleich (Festinger)
Thesen: Menschen haben das Bedürfnis, ihre
Meinungen und Fähigkeiten zu bewerten. Dies tun
sie mittels sozialem Vergleich.
Bei Meinungen kommt es darauf an, dass sie korrekt
sind (optimales Ergebnis: Übereinstimmung mit
Vergleichsperson).
Fähigkeiten sollen möglichst gut sein (optimales
Vergleichsergebnis: besser sein als andere).
Es werden Vergleichspersonen bevorzugt, die
vergleichbar sind (z.B. in Alter, Geschlecht).
Diskrepanzen sollen reduziert werden (Motiv).
Sozialer Vergleich findet auch auf Gruppenebene statt.
2. Begriffe
• Stereotyp – Vorurteil – Diskriminierung:
– Stereotyp = Meinungen ("beliefs") über die Charakteristika
einer Gruppe und ihrer Mitglieder
– Vorurteil ("prejudice") = (meist negative) Einstellung
gegenüber einer Gruppe und ihren Mitgliedern
– Diskriminierung = Verhalten gegenüber einer Gruppe und
ihren Mitgliedern
• Interpersonales Verhalten / Intergruppenverhalten:
– Unterscheidung, wonach Personen (idealtypisch) entweder als
Individuum oder als Mitglied einer Gruppe handeln (Tajfel)
– IG-Verhalten setzt die Augenfälligkeit von mindestens 2
sozialen Kategorien voraus, ist eher uniform und stereotyp
• In Intergruppensituation immer vorhanden:
– Eigengruppe (EG) / "in-group" =
Gruppe, der sich P zugehörig fühlt
– (mindestens eine) Fremdgruppe (FG) / "out-group„
Intergruppenverhalten: Das Verhalten, das Individuen , die
Mitglied einer Gruppe sind, gegenüber Mitgliedern einer
anderen Gruppe zeigen
Intergruppenverhalten ist im Gegensatz zu interpersonalem
Verhalten:
härter, weniger auf Problemlösung ausgerichtet, besser
vorhersagbar, uniformer
3. Ältere Erklärungsansätze zu Intergruppenkonflikten
• Autoritäre Persönlichkeit (Adorno et al., 1950)
– psychoanalytischer Ansatz; rigide Erziehung, Überkonformität;
Aggressionsverschiebung auf Minderheiten
– F-Skala
– zunächst populär, aber als alleinige Erklärung kaum vereinbar mit
• Einflüssen der sozialen Situation und soziokultureller Normen
• Uniformität von Vorurteilen innerhalb Gesellschaften
• historischer Spezifität von Vorurteilen
• Sündenbocktheorie
– schlechte Wirtschaftslage, Gewalt gegen Minderheiten (z.B.
"Lynchjustiz": Hovland & Sears, 1940)
– Erklärung: Frustrations-Aggressionshypothese: Aggression wird
nicht zum Frustrator gezeigt, sondern umgelenkt
• Experiment: Teilnehmern eines Lagers wurde der
Ausgang gesperrt (Frustration), vorher und
nachher wurden Einstellungen gegenüber
Personen zweier Nationen erhoben, die waren zum
zweiten Zeitpunkt negativer.
• Kritik: andere Experimente weniger eindeutig,
relative Deprivation ist wichtiger als absolute,
Verhalten, das durch Frustration bestimmt ist, ist
angeblich nicht zielgerichtet, diese Annahme ist
unhaltbar.
• Problem der o.a. Ansätze: Keine theoretische Unterscheidung
zwischen Intergruppen-Verhalten und individuellem Verhalten.
• Anders in Theorie des realistischen Konflikts (Sherif)
– Interessenkonflikt Wettbewerbsorientierung; negative
Diskriminierung der FG; Stärkung positiver Einstellungen zur
EG; erhöhte Kohäsion
– Interessenübereinstimmung Kooperation; positive Einstellungen
zur Fremdgruppe
• Sherifs Feldstudien im Sommerlager
– 3 Phasen: Gruppenbildung – Wettbewerb – Konfliktreduktion
– früher Beleg, dass Kontakt bei übergeordneten Zielen zum Abbau
von Vorurteilen und Diskriminierung beitragen
4. Minimalgruppen-Paradigma und
Theorie der sozialen Kategorisierung
• Führt bloße Gruppenmitgliedschaft zu Intergruppenverhalten
(auch ohne Konflikt)?
Experimente mit "minimalen Gruppen" (Tajfel et al., 1971)
• Minimalgruppen-Paradigma:
– Bildung von 2 "Gruppen" nach willkürlichen Kriterien (z.B.
"Punktschätzung"; Losentscheid)
– Aufgabe: Anonym Punkte verteilen an anonyme Andere, von denen
nur die Gruppenzugehörigkeit bekannt ist, z.B.:
Mitglied 14 Gruppe A
7 8 9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
Mitglied 23 Gruppe B
1
7
9
11
13
15
17
19
21
23
25
3
5
• Ergebnis: Tendenz zur relativen Bevorzugung der "Eigengruppe"
(unter Verzicht auf absoluten Gewinn!)
• vielfach repliziert (obwohl weniger deutlich bei Zuweisung
negativer Ergebnisse (Mummendey et al., 1992)
• Erklärungsversuche:
– Normen: Vorhandensein von Gruppen aktiviert "Wettbewerbsnorm" – aber: unklar, warum andere Normen (Fairness, Equity)
nicht überwiegen
– Tendenz zur Akzentuierung von Unterschieden zwischen
Kategorien ("kategoriale Differenzierung"). Gut belegt, auch bei
physischen Stimuli (gleichzeitig Homogenisierung innerhalb jeder
Kategorie) – aber: Asymmetrie zugunsten der EG bleibt unklar
– Eigeninteresse: Erwartung, dass andere ihre EG begünstigen =
implizite Norm, ebenso zu handeln – gemischte Befunde
• Theorie der sozialen Identität / sozialen Kategorisierung (Tajfel;
Turner). Grundannahmen:
– Personen strukturieren die Welt nach Kategorien, Minimierung
intrakategorialer Unterschiede und Betonung interkategorialer
Unterschiede.
– Da Personen selbst Mitglieder sozialer Kategorien sind, ergeben
sich Unterscheidungen in EG und FG ("wir" – "die") mit
motivationaler und affektiver Bedeutung für das Selbst.
Hieraus ergibt sich:
1. Intergruppen-Akzentuierung: EG-Mitglieder werden als dem Selbst
ähnlicher wahrgenommen als FG-Mitglieder
2. EG-Favorisierung: Generalisierung positiver Gefühle /
Einstellungen innerhalb der EG
3. sozialer Wettbewerb: Sozialer Vergleich verbunden mit
Wahrnehmung negativer Interdependenz zwischen EG und FG
• Theorie der sozialen Kategorisierung bietet Erklärung für EGFavorisierung auch (und gerade) bei minimalen Gruppen:
– Die Situation bietet zunächst keine Möglichkeit einer bedeutsamen
sozialen Identifikation (willkürliche Gruppierung, Anonymität).
– Einzige Möglichkeit zur Herstellung einer positiven Gruppenidentität durch Bevorzugung der EG bei Zuweisung von
Belohnungen.
• Ursprünglich Selbstwerterhöhung als zentrales Motiv. Nach
neueren Befunden kaum haltbar (Rubin & Hewstone, 1998):
– Mitglieder von Gruppen mit höherem Status diskriminieren stärker.
– Geringer Selbstwert als Anfangsbedingung führt nicht zu mehr
Diskriminierung.
• Trotz dieser Einschränkung bietet die Theorie eine gute Erklärung
für Intergruppenverhalten.
Handlungsmöglichkeiten von
Personen in statusniedrigen Gruppen
•
•
•
•
•
Gruppe verlassen (soziale Mobilität)
Wettbewerb
Vergleich mit untergeordneter Gruppe
Vergleich auf anderen Dimensionen
Ablehnung der Werte
5. Abbau von Vorurteilen: Theorie und Anwendung
• Die Kontakthypothese (Allport, 1954): Unter geeigneten
Bedingungen führt Kontakt zwischen Mitgliedern verschiedener
Gruppen zur Reduktion von Feindseligkeit und Vorurteilen.
• Bedingungen:
–
–
–
–
Institutionelle Unterstützung / Norm der Toleranz
Möglichkeit des persönlichen Kennenlernens
Statusgleichheit
Kooperation
• Empirie:
– Interventionsstudien im Feld (z.B. Wohnprogramme; Schule)
– Laborexperimente ("Miniaturversionen" der Robbers Cave Studie)
• Ergebnisse belegen die Bedeutung der von Allport beschriebenen
Bedingungen; aber: Effekte oft gering und von kurzer Dauer.
• Hauptproblem: Generalisierung
– Herstellung der "geeigneten Bedingungen" im Alltag oft
unmöglich, politisch-historische Situation entscheidend (z.B.
Nordirland; Südafrika)
– Generalisierung der geänderten Einstellungen zu individuellen
Fremdgruppenmitgliedern auf die Fremdgruppe als Ganze ist
fraglich:
Die Personen, mit denen man Kontakt hat, werden oft als
"Ausnahmen von der Regel" angesehen – Problem der
Unterkategorisierung ("subtyping")
• Exkurs: Unterkategorisierung kann sogar zur Verstärkung des
Stereotyps führen (Bless et al., 2001):
Vpn geben Urteile ab über
– die Gruppe der Sinti und Roma
– ein Mitglied der Gruppe namens Goran Bampa
Zuvor Information über G.B.: teilweise stereotyp-konsistent (z.B.
traditionsbewusst; musikalisch), teilweise stereotyp-inkonsistent
(z.B. seit langem sesshaft am selben Ort)
3 Bedingungen mit verschiedenen Vorlauffragen:
– Inklusion: "Wie gut ist G.B. in die Kultur der Sinti und Roma
integriert?" (sehr gut / gut / schlecht / gar nicht)
– Exklusion: "Ist G.B. ... Asylbewerber / Roma, aber eine Ausnahme /
Deutscher / Staatenloser "?
– keine Vorlauffrage (Kontrollbedingung)
AV: Stereotypikalität der Beurteilung ("kriminell", "abergläubisch")
Beurteilung einer Gruppe und eines
untypischen Mitglieds (Bless et al., 2001)
9
Sinti und Roma
Stereotypikalität
8
Goran Bampa
7
6
5
4
3
2
1
Inklusion
Kontrollbed.
Exklusion
• Wie kann Generalisierung erreicht werden?
Kombination von Kontakthypothese und
Theorie der sozialen Kategorisierung
• 3 alternative Ansätze:
– Dekategorisierung
– Rekategorisierung
– wechselseitige Differenzierung
• Dekategorisierungs-Ansatz (Brewer & Miller, 1984):
Augenfälligkeit sozialer Kategorien minimieren!
These: Wiederholter kooperativer (etc.) Kontakt mit FG-Mitgliedern
auf interpersoneller Ebene unterminiert Relevanz des FG-Stereotyps
andere werden nicht mehr als Gruppenmitglieder, sondern als
Individuen beurteilt.
• Evidenz:
– Experiment: Personalisierter Kontakt hat Effekte auf Beurteilung
anderer Individuen aus der FG (Miller, Brewer & Edwards, 1985)
– Umfragestudien ("Eurobarometer"): Freundschaften mit FGMitgliedern positiv korreliert mit Einstellungen gegenüber
ImmigrantInnen aus derselben FG; Generalisierung auf
Einstellungen zu Mitgliedern anderer FGn, reduzierter
Nationalstolz (Pettigrew: "Deprovinzialisierung")
• Rekategorisierung: Modell der "gemeinsamen EigengruppenIdentität" (Gaertner & Dovidio, 2000):
Aus zwei Gruppen eine machen!
These: Schaffung einer neuen, übergeordneten EG-Identität
andere werden nicht mehr als FG-Mitglieder, sondern als EGMitglieder beurteilt.
• Evidenz:
– Experiment: Betonung einer gemeinsamen Gruppenidentität +
Kooperation führt zu positiverer Beurteilung der FG-Mitglieder;
Effekt vermittelt über Wahrnehmung als eine Gruppe (Gaertner
et al., 1990)
– Umfragestudien: unterstützende korrelative Befunde u.a. bei
SchülerInnen einer multiethnischen Schule; Bankangestellten
nach einer Fusion (s. Gaertner et al., 1996)
• Problem beider o.a. Modelle: Dekategorisierung bzw.
Rekategorisierung ist kaum über längere Zeit aufrecht zu
erhalten.
Warum?
– Personen streben nach "optimaler Distinktheit" ihrer sozialen
Identität (Brewer, 1991) Vorliebe für soziale Kategorisierung
auf mittlerer Ebene
– soziale Struktur unterstützt oft die alten Kategoriengrenzen (z.B.
segregiertes Wohnen)
• Alternative: Modell der "wechselseitigen Differenzierung"
(Hewstone & Brown, 1986):
Gestaltung der Kontaktsituation als Intergruppen-Situation!
These: Kooperation bei hoher Augenfälligkeit der ursprünglichen
Kategorien, Entstehung positiver (statt negativer) Interdependenz;
insbesondere Generalisierung wird erleichtert.
• Evidenz:
– Brown & Wade (1987): Positivere Effekte einer kooperativen
Aufgabe, wenn Mitglieder verschiedener Gruppen auch
unterschiedliche Rollen übernehmen / Teilaufgaben bearbeiten
– Konsistent hiermit auch Wilder (1984): Kontakt erfolgreicher,
wenn andere Person als typisches Mitglied der FG angesehen wird.
• Schlüsseluntersuchung (Wilder, 1984):
Vpn sind Studentinnen aus rivalisierenden Colleges; Aufgabe:
Kooperation mit Frau aus dem anderen College.
Design: 2 x 2 [x 2] mit den Faktoren
– Typikalität der Zielperson (niedrig, hoch)
– Verhalten der Zielperson (angenehm, unangenehm)
– [College]
+ Kontrollgruppe ohne Kontakt
AVn: Bewertung der FG; Stereotypen über FG
Hypothesen:
– Bei unangenehmer Interaktion generell negativer Effekt
– Bei angenehmer Interaktion und untypischer Zielperson kein Effekt
– Bei angenehmer Interaktion und typischer Zielperson positiver Effekt
Bewertung einer Fremdgruppe nach Kooperation
mit einem FG-Mitglied (Wilder, 1984)
11
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
Qualität d. College
zu empfehlen?
typ.
atyp.
angenehm
typ.
atyp.
unangenehm
KG
• Zentraler Befund: Auf beiden Bewertungs-Variablen
unterscheidet sich allein die "angenehm + typisch"-Bedingung
von der Kontrollbedingung
• Aber: Keine entsprechenden Effekte auf Stereotypikalität von
Meinungen über die FG (wenn überhaupt, eher Bestätigung
des Stereotyps in den "typisch"-Bedingungen).
• Folgeuntersuchung (Exp. 3): Einfluss der Typikalität evtl. über
wahrgenommene Repräsentativität des Verhaltens der
Zielperson vermittelt: Bei hoher Typikalität wird genauere
Vorhersage des Verhaltens anderer FG-Mitglieder möglich.
• Fazit zu neueren Varianten der Kontakthypothese: Alle
vorgeschlagenen Vorgehensweisen sind wirksam (und können
kombiniert werden); Generalisierung scheint Wahrnehmung
von Typikalität vorauszusetzen.
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