Seminar: Konflikt und Gewalt in Gruppen

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Seminar: Konflikt und Gewalt in Gruppen
Dozent: Dr. Andreas Zick
Referenten: Sandra Lehmann und Claudia Rothe
Thema: Konflikttheorien Teil II
1. Social Identity Approach
Social Identity Approach (Sichtweise)
Theorie der sozialen
Identität (SIT)
„minmal-group“ Selbst-KategorisierungsParadigma
Theorie (SCT)
Theorie der
Reizklassifikation
2. Die Theorie der sozialen Identität (SIT) – Henri Tajfel, John Turner 1979, 1986
2.1. Ziel: Erklären von intergruppalen Differenzierungsprozessen, die vor allem durch
Konflikte zwischen Gruppen gekennzeichnet sind, mit Blick auf das Individuum
fokussierte Fragen: Warum grenzen Individuen ihre Bezugsgruppe gegen
andere Gruppen ab? Warum werten Individuen Fremdgruppen ab?
2.2. Ausgangspunkte der Entstehung
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führten verschiedene Experimente dazu durch  „minimal-group“ Paradigma
Versuchspersonen wurden realen oder künstlichen Kategorien zugeordnet und dann
gebeten, bestimmte Beträge (Geld, Münzen) zwischen zwei Versuchspersonen, einer aus
der gleichen Gruppe und einer aus einer Anderen, aufzuteilen  Die Versuchspersonen
hatten keines der Mitglieder der eigenen oder fremden Gruppe bewusst als solches
vorher kennen gelernt und es gab keinerlei Hinweise darauf, dass dies zukünftlich
geschehen könnte. Die Gruppe existierte also nur im Kopf der Versuchspersonen, war
rein kognitiv und wird daher als minimale Gruppe bezeichnet.  damit Ausschalten
aller Bedingungen, die zur Bevorzugung der eigenen Gruppe führen könnten
die Versuchspersonen hatten verschiedene Möglichkeiten die Beträge aufzuteilen:
maximaler Gewinn für beide Gruppen, maximaler Gewinn für die Person derselben
Kategorie, maximale Differenzierung
haupts. Aufteilung des Geldes nach dem Prinzip der maximalen Differenz  also wurde
festgestellt, dass Individuen Mitglieder der eigenen Gruppe favorisieren und dass sie
nicht motiviert sind, die Beträge aus Fairness gleich aufzuteilen
die Bevorzugung der eigenen Gruppe wird laut der Theorie des Realistischen
Gruppenkonfliktes von Muzafer Sherif als ingroup bias (Gruppenverzerrung)
bezeichnet, welcher aber einen realen Konflikt zwischen Gruppen um knappe
Ressourcen voraussetzen würde. Solch ein Konflikt hätte aber zur Folge haben sollen,
dass die Versuchspersonen versuchen, ihrer eigenen Gruppe den höchsten Geldbetrag zu
verschaffen.
Welches Ziel wurde von den Gruppen dann verfolgt?
 die Versuchspersonen wollten die eigene Gruppe möglichst weit von der anderen
Gruppe abheben und so eine positive soziale Identität für sich herstellen und das,
obwohl die Gruppen willkürlich eingeteilt wurden  eine willkürliche Kategorisierung kann also ausreichen, damit sich Individuen selbst definieren und sie
dazu zu motivieren, die Ingroup zu favorisieren und die Fremdgruppe zu
diskriminieren.
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2.3. Inhaltliche Konzepte der SIT
intergruppales, interpersonales Verhalten
Intergruppenverhalten kann als Kontinuum zwischen interpersonalem und intergruppalem
Verhalten beschrieben werden. Interpersonales Verhalten bezeichnet die Interaktionen
zwischen zwei oder mehreren Individuen, die ausschließlich durch ihre individuellen
Merkmale bestimmt sind. Am intergruppalen Pol des Verhaltens ist die soziale Identität
vollständig durch die Mitgliedschaft zu einer sozialen Kategorien bzw. Gruppe definiert.
 Bsp.: Die Ausführung von Schießbefehlen gegen Soldaten einer fremden Nation, die sich
in vielen biographischen und persönlichen Merkmalen ähnlich sein können, Bsp.: die
nationale Identität in Konflikten zwischen Ländern, womit die soziale Identität zur
Wahrnehmungs- und Handlungsgrundlage wird
Soziale Identität
Die Gruppenmitgliedschaft definiert den Platz eines Individuums in der Gesellschaft und trägt
zu seinem Selbstkonzept bei. Nach Tajfel setzt sich die soziale Identität aus folgenden
Komponenten zusammen:
- der kognitiven Komponente; dem Wissen um die Gruppenzugehörigkeit
- der evaluativen Komponente; der Bewertung der Gruppe
- der emotionalen Komponente; dem Gefühl (z.B. Liebe, Haß etc.), das mit der
Gruppenmitgliedschaft verbunden ist
Das Wissen um die Gruppenmitgliedschaft ist dabei ausreichend für die Bildung einer
sozialen Identität, es müssen nicht extra interpersonale Beziehungen zwischen den
Mitgliedern einer Gruppe bestehen.
Soziale Kategorisierung
Über die Kategorisierung schreibt sich das Individuum eine soziale Identität zu, mit dem Ziel
der Selbstwerterhöhung. Durch diese Verfahrensweise ist es dem Individuum möglich, seine
Umwelt zu systematisieren und zu vereinfachen. Die Mitglieder streben danach, eine positive
soziale Identität zu erhalten, beziehungsweise diese zu verbessern (man will Mitglied einer
positiv bewerteten Gruppen sein).
Sozialer Vergleich und soziale Distinktheit
Eine positive soziale Identität erhält man durch Vergleiche mit der Fremdgruppe. Der Grad
der Vergleichbarkeit wird von der Relevanz der Vergleichsgruppe, der raum-zeitlichen Nähe
und der situationsbedingten Salienz bestimmt (Salienz = Passung der Kategorie zu den
Stimuli einer spezifischen Situation Bsp.: Fußball Fans gehen nicht zu Handballspiel da
kaum/keine Salienz): Der Vergleich dient der Stärkung der sozialen Identität und dem
Erlangen von positiver Distinktheit, also dem positiven Abheben von der Fremdgruppe.
Das Ergebnis des sozialen Vergleiches der eigenen Gruppe mit einer Fremdgruppe kann
positiv oder negativ ausfallen. Während bei einem positiven Ergebnis eine stabile und
zufriedenstellende soziale Identität für das Individuum erreicht wird, stellt sich bei demselben
Menschen eine negative soziale Identität ein, sollte seine Gruppe im Vergleich schlechter
abschneiden. Das Ziel der Selbstwerterhöhung ist somit nicht erreicht und das Individuum
versucht nun durch andere Strategien zu einer positiven sozialen Identität zu gelangen.
Strategien zur Herstellung des Selbstwertes
1. Soziale Mobilität: setzt den Glauben an durchlässige Gruppengrenzen Voraus. Somit kann
das Individuum relativ leicht seine Position verändern. Bsp.: Arbeitsplatzwechsel und
folgender Aufstieg in eine sozial höhere Gruppe
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2. Soziale Veränderung: entspricht der Überzeugung, dass die Grenzen zwischen den
gesellschaftlichen Gruppen unveränderlich, rigide und starr sind und damit nicht zwischen
den Gruppen gewechselt werden kann. Deshalb ist eine Veränderung der Situation bzw. der
Gesellschaft, nötig. Die Individuen können zwei Strategien wählen: Soziale Kreativität
oder sozialen Wettbewerb.
2a) soziale Kreativität = Strategien, die den gegenwärtigen Zustand nicht verändern, aber
einer Aufwertung der sozialen Identität dienen. Diese werden gewählt, wenn der Status
der Gruppe als instabil aber legitim beurteilt wird.
3 Formen: die Wahl einer anderen Dimension, die dem Vergleich zur Outgroup dient
die Redefinition (Umbewertung) vorhandener Vergleichsdimensionen
die Wahl einer anderen Vergleichsgruppe
2b) sozialer Wettbewerb = Strategien, die den gegenwärtigen Zustand verändern können.
Diese werden gewählt, wenn der Status der Gruppe stabil und illegitim ist.
z.B. direkter Wettbewerb, möglicherweise offener Konflikt dem eine Politisierung der
Unzufriedenheit oder gewalttätiger Terrorismus folgen kann
2.4. Konflikt
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Im Zentrum des Konflikts steht: das ‚Aushandeln sozialer Identitäten’, das
Wiederherstellen einer sozialen Identität bzw. die Verhinderung von
Identitätsbedrohungen, die Aufrechterhaltung, Stabilisierung und Stärkung des
Selbstwertes und der sozialen Identität, meist auch die Interessenvertretung.
Konfliktentstehung ist von der Relevanz der sozialen Kategorie, Relevanz der Outgroup,
Relevanz der Inhalte des Vergleichs, der Statuswahrnehmung abhängig.
Konflikte zwischen gesellschaftlichen Gruppen sind insbesondere bei Personen, die sich
stark mit einer Gruppe identifizieren, oft mit Aggressionen verbunden.
die Konfliktbereitschaft wird vor allem durch die sogenannte Selbst-Kategorisierung
beeinflusst, mit der sich Turner 1987 genauer befasst hat
3. Die Selbst-Kategorisierungstheorie (SCT) – John Turner 1987
3.1. Ziel: versucht, inter- als auch intra-gruppale Prozesse in Abhängigkeit vom kognitiven
Mechanismus der Selbst-Kategorisierung zu erklären
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Selbst-Kategorisierung = Die Kategorisierung eines Individuums in einer Gruppe.
Wie funktioniert diese? Die Wahrnehmung individueller Differenzen innerhalb der
Gruppe nimmt ab und ein Gruppenverhalten (Gruppenbildung und Abgrenzung) wird
aktiviert. Das einzelne Individuum definiert sich neu, indem das individuelle Verhalten
in kollektives Verhalten transformiert wird. Und das aber nicht weil das Individuum von
Außen kategorisiert wurde, sondern weil es sich selbst definiert hat.
Meta-Kontrast-Prinzip: Eine Ansammlung von Individuen wird stärker als eine Gruppe
kategorisiert, wenn die Differenzen innerhalb der Gruppen als
geringer wahrgenommen werden als die Differenzen zwischen
der Gruppe und relevanten Outsidern.
3.2. Einige Hypothesen:
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Kategorisierung eines Individuums in einer Gruppe ist Prozess der Selbst- Stereotypisierung
und Depersonalisation der Selbstwahrnehmung:
Depersonalisation: Wahrnehmung individueller Differenzen innerhalb der Gruppe nehmen ab,
und ein Gruppenverhalten (Gruppenbildung und Abgrenzung) wird aktiviert. Die
Wahrnehmung der Ähnlichkeit mit den ingroup-Mitgliedern wird erhöht durch die
Hervorhebung der ingroup-outgrup - Differenzen. Dabei wird auf Stereotype zurückgegriffen,
die den Charakter der ingroup-Mitgliedschaft beschreiben. Depersonalisation ist die Ursache
für sämtliche bekannten Gruppenphänomene. Depersonalisation ist kein Verlust an
individueller Identität, sondern schlicht Wechsel von der individuellen Ebene auf die soziale
Ebene der Selbst-Kategorisierungen.
Salienz: Sobald eine Person in einer sozial definierten Situation ist, wird jene Kategorisierung
salient, die am besten zu den erreichbaren Informationen passt.
Subjektive Validität: ist die eigene Sicherheit beziehungsweise Unsicherheit über die
„Richtigkeit“ der eigenen Meinungen, Einstellungen usw. Je geringer der wahrgenommene
Unterschied zu den Meinungen anderer ähnlicher Personen, so höher die subjektive Validität.
Uniformitätsdruck: ist das beiderseitige Bedürfnis, einer Meinung zu sein. Ist
Uniformitätsdruck gegeben, so ergibt sich die Richtung der Einflussnahme innerhalb einer
Gruppe (wer beeinflusst wen) aus der Überzeugungskraft der einzelnen Gruppenmitglieder.
Die Überzeugungskraft ist je größer, so mehr man dem Prototyp der Gruppe entspricht.
Gruppenpolarisation: Unter Gruppenpolarisation versteht man den Effekt, dass Meinungen
und Einstellungen von Mitgliedern einer Gruppe nach einer Diskussion innerhalb der Gruppe
stärker in jene Richtung ausschlagen, die sich schon vor der Diskussion abgezeichnet hat.
Eine Voraussetzung des Effektes ist, dass Individuen das Bedürfnis haben, ihre eigenen
Meinungen und Einstellungen zu bewerten, z.B. durch soziale Vergleiche.
4. Vorurteile als Ausdruck von Konflikten
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Soziale Vorurteile und rassistische Ideologien sind besonderer Ausdruck und eine Folge
sozialer Konflikte.
Vorurteile werden in klassischen Theorien vor allem auf intra- und interpersonale
Ursachen zurückgeführt, wie z.B. autoritäre Charakterstrukturen, Frustrationen und
Aggressionen oder Dogmatismus.
Vorurteile sind dagegen aus der sozialen Identitätsperspektive heraus betrachtet Gruppenphänomene.
Ursache: Laut SIT sind Prozesse der Vorurteilsbildung, Stereotypisierung und
Diskriminierung zugleich Basis und Produkt der Vergleiche zwischen Gruppen. Sie basieren
darauf, dass Menschen Kategorien zugeordnet werden und danach bewertet.
Feldexperimente Klink und Wagner (1999) zur alltäglichen Diskriminierung von Ausländern:
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deutsche Personen im Alltag beobachtet
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mit deutschen oder südländisch aussehenden Menschen in Situationen konfrontiert, in
denen sie
a) einen Gefallen tun konnten (einen verlorenen Brief mit Briefmarke und Anschrift in
den Postkasten stecken), oder aktiv um einen Gefallen gebeten werden (ein Wegstrecke
erklären oder 30 Pfennig zum Telefonieren ausleihen),
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in denen sich b) jemand für eine angebotene Wohnung interessiert,
oder in denen c) die Person im Restaurant bedient werden wollte
- Acht der dreizehn Experimente zeigen, dass Ausländer in den verschiedenen Bereichen schlechter behandelt werden als Deutsche
Die Wahrnehmung, dass eine Person zur Kategorie ‚Ausländer’ gehört, und die Salienz
dieser Kategorie scheinen zur Diskriminierung zu reichen.
Vorurteile und Diskriminierungen sind jedoch keine Automatismen, die in Gang gesetzt
werden, wenn Menschen sich sozial kategorisieren.
Bedingungen nach SCT:
1. ist das Ausmaß, in dem sich Vorurteile im Prozess der Differenzierung ergeben, von
der Selbstkategorisierung einer Person in eine relevante Gruppe abhängig. Die Kategorien müssen verfügbar sein und sie müssen für die Person passen (Rechtsextremisten
nehmen in nahezu allen Situationen die Differenz nationaler Kategorien als passend
wahr).
2. sind Stereotype und Vorurteile Repräsentationen einer Gruppe. Sie gehen mit der
Wahrnehmung einher, dass die Outgroup homogen ist (‚alle Ausländer sind gleich’).
Funktionen von Vorurteilen und Stereotypen:
1. Die individuelle Funktion besteht darin, dass Vorurteile eine kognitive Funktion haben: Sie kreieren ein wohldifferenziertes und scharfes Bild der Umwelt.
2. Zudem haben sie eine Wertfunktion: Sie tragen individuell zu einer relativ positiven
Selbstbewertung bei.
3. Die sozialen Funktionen bestehen darin, dass Vorurteile implizit Erklärungen für weit
verbreitete Ereignisse oder Notlagen von Menschen und Gruppen bieten (soziale Kausalität kreieren).
4. Zudem rationalisieren und rechtfertigen sie die Benachteiligung und Abwertung von
Gruppen
5. Ferner dienen sie der Selbstrechtfertigung, d.h. der Rechtfertigung der Überlegenheit
der Ingroup.
Vorurteile und Stereotype können aus einer Social-Identity-Perspektive definiert werden
als:
(1.) spezifische Kognitionen über soziale Kategorien, die (2.) sozial konstruiert sind.
(3.) Vorurteile sind Stereotype gegenüber bestimmten Outgroups oder gegenüber Individuen, weil diese Mitglieder von Outgroups sind.
(4.) Vorurteile und Stereotype können als Informationen zur Einordnung von Personen
dienen.
(5.) Sie dienen zugleich der Rechtfertigung zur Diskriminierung von OutgroupMitgliedern
(6.) Als Normen machen sie die Gruppenmitgliedschaft salient und ermöglichen dadurch die Beeinflussung der Gruppenmitglieder
5. Kritikpunkte
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mangelnde empirische Überprüfung
fehlende Feld-und Längsschnittuntersuchungen
ausbaufähig
SIA gilt immer noch als innovativ und ist die meist zitierte Theorie überall dort wo es
um Gruppenkonflikte geht.
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