Social Identity Theory (Handout)

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Die Theorie der Sozialen Identität (SIT)
1. Grundzüge der Theorie der Sozialen Identität
Begründer: Henri Tajfel und John Turner (1979/1986)
Theorieart: sozialpsychologische Theorie intergruppaler Prozesse
Ziel: erklären von intergruppalen Differenzierungsprozessen, welche vor allem durch
Konflikte gekennzeichnet sind
Grundlage: Experimente zum Minimal-Gruppen Paradigma
Paradigma: In solchen Studien werden Versuchspersonen realen oder künstlichen Kategorien
(z.B. Gruppen) zugeordnet. Sie werden gebeten bestimmte Beträge (Geld)
zwischen zwei unbekannten Personen zu verteilen. Ihnen ist lediglich bekannt,
dass eine Person derselben Kategorie angehört. Dabei sind die Grundlagen der
Entscheidung minimal. Die Versuchspersonen interagieren nicht mit den anderen
Personen, sie wissen nicht, wer die anderen Personen sind, es gibt keine rationale
oder instrumentelle Beziehung zwischen den Kategorisierungskriterien und der
Beurteilung.
Ergebnis: Individuen favorisieren Mitglieder der eignen Kategorie (Gruppe) und sie sind
nicht bestrebt, die Beträge aus Fairness gleich zu verteilen.
Rückschlüsse: Tajfel und Turner (1979) waren der Meinung, dass die soziale Kategorisierung
in diesem Paradigma eine soziale Identität für die Versuchsperson schafft. Die
Versuchsperson akzeptiert die Kategorie als Grundlage der Selbstdefinition.
Weiterhin postulierte Tajfel, dass unterschieden werden muss zwischen einer
personalen und einer sozialen Identität.
Grundannahme: Tajfel und Turner leiteten 1986 aus ihrer Theorie drei Grundannahmen ab
I. Individuen streben danach, eine positive Selbsteinschätzung zu erhalten
bzw. ihre Selbsteinschätzung zu verbessern
II. ein Teil dieser Selbsteinschätzung ist die soziale Identität, welche sich
zusammensetzt aus der Mitgliedschaft in verschiedenen sozialen Gruppen
und der Bewertung dieser Mitgliedschaft.
III. Bewertung der Mitgliedschaft ergibt sich aus Vergleich mit anderen
relevanten Gruppen
Prinzipien:
Grundannahmen führen zu theoretischen Prinzipien
I. Individuen strebt danach eine positive soziale Identität zu erreichen,
welche vollständig durch eine Mitgliedschaft in einer Gruppe definiert ist
II. Positive soziale Identität beruht auf vorteilhaftem Vergleich zwischen
der Ingroup und einer relevanten Outgroup
III. Unbefriedigende soziale Identität führt zum Versuch, die eigene Gruppe
zu verlassen und in eine positivere zu gelangen oder die Individuen
versuchen, ihre Gruppe stärker positiv abzusetzen.
Die sich daraus ergebene Hypothese ist: „Der Druck, die eigene Gruppe
positiv durch Ingroup-Outgroup-Vergleiche zu beurteilen, führt dazu, dass
soziale Gruppen sich abgrenzen.“1
2. Die SIT als Konflikttheorie
Fragestellung: Welche individuellen Motive und Bedürfnisse sind mit der Bereitschaft
verbunden, soziale Konflikte der Ingroup mit einer Outgroup auszutragen?
Konfliktverständnis und Bedingungsfaktoren
Soziale Konflikte: nach der Theorie - intergruppale Konflikte mit dem Ziel des Aushandelns
sozialer Identitäten
Psychische Prozesse: für Entstehung sozialer Konflikte verantwortlich
 Soziale Kategorisierung
 sozialer Vergleich
 Identifikation mit Ingroup
 Distinktheit (Abgrenzung) von Outgroup
Folge: alle aufgeführten Prozesse führen zur Wahrnehmung der Knappheit von „Ressourcen“
(Macht, Werte, Ansichten etc.) und damit zu Konflikten mit anderen Gruppen
aufgrund von Interessenskonflikten
Faktoren: Ausmaß der Konflikte ist abhängig
1. Stärke der Identifikation und der wahrgenommenen Identitätsbedrohung
2. hinreichende Vergleichbarkeit mit Fremdgruppe
3. Statuswahrnehmung der Ingroup
Feststellung: nach SIT sind soziale Konflikte Optionen zur Verhinderung von
Identitätsbedrohung bzw. Strategien zur Aufrechterhaltung, Stabilisierung und
Stärkung des Selbstwertes.
2.1. Selbstkategorisierung (SCT)
Neben den schon angeführten Prozessen(die sozialen Kategorisierung, der Identifikation, der
Distinktheit und der soziale Vergleich) hat die Forschung weitere Faktoren aufgezeigt, die die
Beziehung zwischen Identität und Konflikt vermitteln. Wahrscheinlich bedeutsamster Faktor
ist die Selbstkategorisierung von Individuen. Turner hat 1987 genaue Annahmen zum Prozess
der Selbstkategorisierung formuliert.
Die SCT ist eine sozial-kognitiv orientierte Weiterentwicklung der SIT. Beide Theorien
werden heute zusammen mit der Theorie der Reizklassifikation und den Minimalen-Gruppen
Studien als Social Identity Approach verstanden.
Theorieziel: erklären von inter- und intragruppalen Prozessen in Abhängigkeit vom
kognitiven Mechanismus und Voraussetzungen
1
Zick: Die Theorie der Sozialen Identität. Seite 3.
Selbstkonzept: kann definiert werden als ein Set von einer Person zugänglichen kognitiven
Repräsentationen des Selbst, welche in Form von Kategorisierungen
organisiert sind, die sich aus Ähnlichkeiten innerhalb einer Klasse und
Unterschieden zwischen den Klassen ableiten
Ebenen: Turner setzt drei Ebenen voraus
1. oberste Ebene – Konzept von sich selbst als „menschliches Wesen“
2. soziale Ebene – Zuordnung aufgrund von Ähnlichkeiten zu einer Gruppe
3. individuelle Ebene – Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten zwischen sich und
Mitgliedern der Ingroup
Vorrausetzung:
Voraussetzung der Theorie ist die, dass eine Kategorisierung auf Grund
von Vergleichen zwischen Stimuli stattfindet, die beide Teil der
nächst höheren Ebene des hierarchischen Systems sind
 auf Selbst-Kategorisierungen angewendet bedeutet dies, der
Vergleich zwischen zwei Individuen ist ein Vergleich innerhalb einer
Gruppe (höhere Ebene), ein Vergleich zwischen Gruppen ist daher ein
Vergleich innerhalb der Ebene „menschliches Wesen“
Kategorienbildung: erfolgt nach dem Prinzip des Metakontrastes (MCR), d.h., dass eine
Ansammlung von Stimuli so zu einer Einheit kategorisiert wird, so
dass die Unterschiede auf einer relevanten Vergleichsdimension
zwischen ihnen minimal und die Unterschiede zu anderen Stimuli
maximal sind
Hypothesenbildung:
aus den geschilderten Vorraussetzungen leitet Turner eine Vielzahl
von Hypothesen ab, z.B. finde für die Kategorisierung eines
Individuums in einer Gruppe ein Prozess der Selbst-Stereotypisierung
und Depersonalisation der Selbstwahrnehmung statt
Selbst-Stereotypisierung:
Depersonalisation:
Wahrnehmung individueller Differenzen nimmt innerhalb der
Gruppe ab und ein Gruppenverhalten (z.B. Abgrenzung) wird
aktiv
Wahrnehmung der Ähnlichkeit mit den in-group Mitgliedern wird
erhöht, eine Re-Definition des Selbst führt zur Transformation des
individuellen ins kollektive Verhalten
 Depersonalisation ist die Ursache für sämtliche bekannten
Gruppenphänomene.
Fazit: „Die SCT nennt im Gegensatz zur SIT präziser die Faktoren, die die Salienz der
sozialen Kategorien bestimmen. Zusätzlich nennt sie intragruppale Faktoren, die
Konflikte fördern: Besonders kohäsive Gruppen, Gruppen mit starker konfliktären
Normen und Werten, Gruppen mit enger Kategorisierungsgrenze […].“2
2
Zick: Die Theorie der Sozialen Identität. Seite 6-7.
3. Ansätze der Konfliktregulierung
In Bezug auf Konfliktaustragungs- und Lösungsstrategien rekurriert der Social Identity
Approach vor allem auf der Kontakt-Hypothese.
Kontakt-Hypothese: Kontakt zwischen Gruppen vermindert soziale Konflikte, ist aber
abhängig von unterschiedlichsten Faktoren:
I. wenn Mitglieder beider Gruppen bei Kontaktaufnahme einen
vergleichbaren Status haben
II. Kontakt sollte durch soziale Normen und Legitimationen unterstützt
werden
III. Kontaktsituation sollte kooperativen Charakter haben
IV. Mitglieder der Out-group sollten zur Reduktion bestehender
Stereotypen beitragen
Diese konkreten Faktoren, welche sich durch empirische Studien herauskristallisiert haben,
erleichtern die strategische Intervention. Auf der Theorieebene existieren jedoch
unterschiedliche Ansichten über die zentrale Bedeutung und Wirkung der sozialen
Kategorisierung. Hier liegen drei Modelle vor.
Brewer&Miller (1984): Reduktion von Konflikten dadurch möglich, dass der sozialen
Kategorisierung eine geringe Bedeutung als psychologisches
Werkzeug eingeräumt wird
Gaertner (1993/2000): Konfliktlösung zwischen zwei verfeindeten Gruppen nur möglich
durch Bildung einer gemeinsamen übergeordneten Identität, d.h.
Mitglieder der unterschiedlichen Gruppen nehmen sich jetzt als eine
einzige Gruppe war
 beide Modelle fokussieren die Auflösung von Gruppengrenzen und die Bildung von
Subgruppen-Identitäten, dies ist in der Praxis aber schwer erreichbar
Hewstone/Brown (1986): Salienz der Gruppen sollte bei Kontaktsituation erhalten bleiben,
Ziel des Kontaktes müsse darin bestehen, die Aufmerksamkeit auf
den intergruppalen Pol des Verhaltenskontinuums zu richten und
den Kontakt positiv, kooperativ und erfolgreich zu gestalten
Die Modelle und die empirische Forschung zu den Modellen haben dazu beigetragen weitere
Bedingungen für eine erfolgreiche Konfliktlösung zu generieren.
Dazu zählen u.a.: I. Schaffung eines vertrauensvollen Klimas
II. Kontakt sollte nicht zu einer Bedrohung der sozialen Identität führen
III. Konflikte begrenzen sich oft nicht auf zwei Gruppen
4. Vorurteile als Ausdruck sozialer Differenzierung
Aus Sicht der SIT sind Vorurteile im Widerspruch zu den klassischen Ansätzen (intra- und
interpersonale Ursachen) Gruppenphänomene.
Klink/Wagner (1999): in ihren Feldstudien zur täglichen Diskriminierung von Ausländern
haben sie deutsche Personen im Alltag beobachtet, mit dem
Ergebnis, dass eine Diskriminierung stattfindet, wenn eine Person der
Wahrnehmung nach zur Kategorie „Ausländer“ gehört
Faktoren der Vorurteilsbildung: I. Ausmaß, in dem sich Vorteile ergeben, von
Selbstkategorisierung einer Person in eine relevante
Gruppe abhängig
II. Stereotypen und Vorurteile sind Repräsentationen der
Gruppe
Funktionen von Vorurteilen: I. individuelle Funktion – Vorurteile erschaffen eine Bildnis
der Umwelt
II. Wertfunktion – Vorurteile tragen zur positive
Selbstbewertung der sozialen Identität
III. soziale Funktion – Vorurteile erklären für Ereignisse und
Notsituationen
IV. soziale Differenz – Vorurteile rechtfertigten
Benachteiligungen
Anhand der Faktoren für soziale Konflikte und den Funktionen von Vorurteilen definiert die
Social-Identity Vorurteile und Stereotypen folgendermaßen:
„Sie sind (1) spezifische Kognitionen über soziale Kategorien, die (2) sozial konstruiert sind.
(3) Vorurteile sind Stereotypen gegenüber bestimmten Gruppen oder Individuen, weil sie
Mitglied dieser Gruppen sind […] (4) Vorurteile und Stereotypen können als kategoriale
Informationen zur Einordnung von Personen dienen. (5) Sie dienen zugleich der
Rechtfertigung zur Diskriminierung der Outgroup-Mitglieder. (6) Als Normen machen sie die
Gruppenmitgliedschaft salient und ermöglichen dadurch die Beeinflussung der
Gruppenmitglieder […].“3
5. Kritik und Weiterentwicklung
Brown (2000) sieht vier Ansatzschwerpunkte:
I. Weiterentwicklung des Konzepts der Sozialen Identität
II. bessere Voraussagen, welche Vergleiche Individuen in einem Konflikt vornehmen
III. Affektive Komponente sozialer Konflikte ist genauer zu untersuchen
IV. genauere Analyse, wie multiple Identitäten in multikulturellen Kontexten gemanagt
werden
Quelle: Zick, Andreas (demn./2001): Die Theorie der Sozialen Identität. In T. Bonacker
(Hrsg.), Sozialwissenschaftliche Konflikttheorien: Eine Einführung (Friedens- und
Konfliktforschung. Bd.5) Opladen: Leske+Budrich.
3
Zick: Die Theorie der Sozialen Identität. Seite 13.
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