3 Cue-abhängiges Vergessen

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GEDÄCHTNIS
VORSCHAU
1 Struktur des Gedächtnissystems (Grobstruktur)
2 Prozesse, die innerhalb dieser Struktur wirken
3 Arbeitsgedächtnis
4 Langzeitgedächtnis
5 Codes im LZG - Mentale Repräsentation
6 Konzepte und Kategorien
7 Alltagsgedächtnis
1
1 Struktur des Gedächtnissystems (Grobstruktur)
Ultrakurzzeitgedächtnis
Kurzzeitgedächtnis (KZG)
Langzeitgedächtnis (LZG)
2 Prozesse, die innerhalb dieser Struktur wirken
Enkodierung (encoding) und Konsolidierung
Verarbeitungstiefe (Levels of processing)
Erinnern und Vergessen
3 Arbeitsgedächtnis
2
4 Langzeitgedächtnis
Unterscheidungen: Deklaratives (episodisch - semantisch)
– Prozedurales LZG, Explizites – implizites
Semantisches Gedächtnis
Implizites(Explizites Gedächtnis
5 Codes im LZG - Mentale Repräsentation
Propositionale Repräsentation
Repräsentation von Bildern
6 Konzepte und Kategorien
7 Alltagsgedächtnis (z.B. Zeugenaussagen)
Autobiographisches Gedächtnis
Bedeutsame gedächtnisinhalte
Augenzeugenberichte
3
STRUKTUR DES GEDÄCHTNISSES
Mehrspeichertheorien
Atkinson & Shiffrin (1968)
Unterscheidung von 3 Typen von Speichern:
1.1 Ultrakurzzeitgedächtnis
(sensorisches Gedächtnis/Speicher) für jede Sinnesmodalität,
sehr kurzfristige Speicherung
1.2 Kurzzeitgedächtnis
sehr begrenzte Kapazität, nur kurze Zeit
1.3 Langzeitgedächtnis
praktisch unbegrenzte Kapazität
extrem lange Speicherung
4
1.1 ULTRAKURZZEITGEDÄCHTNIS (UKZG)
auch:
sensorischer Speicher,
sensorisches Register
ikonisches Gedächtnis
Speichert kurzfristig Information aus Sinnesorganen
Gedächtnisspur zerfällt nach ca. 0,1 - 0,5 Sek
automatische Übertragung der Information ins UKZG
(ohne bewusste Aufmerksamkeitszuwendung,
ohne bewusste Beeinflussung durch wahrnehmende Person)
5
Experiment von Sperling (1960)
Matrix von Buchstaben kurz dargeboten - 50 ms
C
X
M
A
J
L
T
K
E
F
N
G
Vpn können im Durchschnitt 4 bis 5 Buchstaben reproduzieren.
6
Experimentalgruppe mit Zusatzinformation:
Ton bezeichnet Zeile, welche reproduziert werden soll
Zeitpunkt der Darbietung des Tones variiert
C
X
M
A
Hoher Ton
J
L
T
K
Mittlerer Ton
E
F
N
G
Tiefer Ton
7
korrekt reproduzierte
Buchstaben
18
16
14
12
10
8
Dargeboten: 18 Buchstaben (3 X 6)
Version mit Tönen:
Ergebnis hochgerechnet auf 3X6 Matrix:
d.h., z.B.:
mittl. Leistung in Zeile mit Ton: 4 Buchst
(Zeile zufällig ausgewählt)
daher:
Vpn müssen mindestens 12 Buchst
(3X4) im Speicher haben
6
4
2
0
0
0.5
1 1.5 2 2.5 3 3.5 4
Intervall zwischen Matrix und Ton
4.5
5
Sek
8
Resultat:
Wenn Ton kurz nach (oder vor) Matrix:
Vpn reproduzieren mehr Items
Interpretation: UKZG
Spätere Untersuchungen
Speicherung auch von dynamischen Elementen im UKZG
Treisman, Russell & Green (1975)
Finke & Freyd (1985).
D.h.: UKZG speichert kurzfristig Bild bewegter Szene
9
1.2 KURZZEITGEDÄCHTNIS - KZG (STM)
Kapazität: wenig Einheiten (ca. 7)
Dauer: ohne Wiederholung ca. 10-20 sek
Zerfall oder Ersetzung der Gedächtnisspur
schon William JAMES (1890): Primary - secondary memory.
Primary memory: bleibt im Bewusstsein - psychische Gegenwart
Secondary memory: Info, die das Bewusstsein verlassen hat.
10
Speicherdauer des KZG?
Experimente von Peterson (1959), Brown (1958):
"Brown-Peterson - Aufgabe"
Vp soll sich sinnlose Silbe merken (z.B. CHJ)
damit Wiederholung verhindert: Distraktoraufgabe:
von vorgegebener Zahl in Dreierschritten rückwärtszählen
(pro Sekunde 2 Dreierschritte)
11
Ablauf:
Vl:
CHJ, 506
Vp:
506, 503, 500, 497, ...
Vl:
?
geprüft werden: viele Silben
(mit unterschiedlichen Startzahlen
und unterschiedlicher Dauer der Distraktion)
12
% richtig
erinnert
typische Resultate
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
0
3
6
9
12
15
18 Sek
Dauer der Distraktion
nach Eysenck & Keane (2000)
13
MESSUNG DER KAPAZITÄT DES KZG
Gedächtnisspanne:
Bestimmte Menge von Items vorgesprochen
Vp muss wiederholen
Typisches Resultat: ca. 7 Items
Problem der Methode der Gedächtnisspanne:
Gedächtnisspanne nicht nur von Kapazität des KZG abhängig,
mindestens noch drei andere Faktoren:
1 Strategien zur Erhöhung der Kapazität des KZG
2 Schwierigkeit der Item-Identifikation.
3 Wortlänge (Reproduktionsleistung mit kürzeren Worten
besser als mit längeren [= Wortlängeneffekt])
14
Chunking (Strategie zur Erhöhung der Kapazität)
Gruppen von Items zu einer umfassenden Organisationseinheit
zusammengefasst, als ein Item (Chunk) weiterverarbeitet.
2 4 1 2 2 0 0 9
( Andere Bezeichnung: Superzeichen-Bildung )
Item-Identifikation
•Vp muss dargebotene Items zuerst identifizieren.
•Dazu je nach Schwierigkeit und Kompetenz (Kinder) mehr oder
weniger KZG-Kapazität nötig
•nur verbleibende Kapazität für eigentliche Gedächtnisaufgabe frei.
15
1.3 LANGZEITGEDÄCHTNIS - LZG (LTM)
LZG:
viel Info - unbegrenzt lange
wichtigste Gründe für Unterscheidung LZG - KZG:
1. Dauer der Speicherung
2. Speicherkapazität
3. Vergessensmechanismen
KZG - Zerfall
Ersetzung der Information
LZG - Spurenzerfall (trace-dependent forgetting),
- Interferenz, und
- cue-dependent forgetting (vorhanden, aber cue
unzugänglich [ z.B. Kindheitserinnerungen])
16
4. Neurophysiologische Befunde (z.B. Hirnverletzungen)
- Patienten mit intaktem KZG und geschädigtem LZG ,
z.B. Korsakoff-Patienten
(Hirnschädigung aufgrund von Alkoholmissbrauch –
Ereignisse vor Amnesie werden sehr schwer erinnert)
- Patienten mit intaktem LZG und geschädigtem KZG
17
Evaluation:
Mehrspeichertheorien
Unterscheidung UKZG-KZG-LZG noch immer sinnvoll
historisch wichtiger Ausgangspunkt für spätere Gedächtnistheorien
Zu starke Vereinfachung:
Sowohl KZG als auch LZG als einheitliche Speicher betrachtet
Aber:
Sowohl KZG als auch LZG besteht aus mehreren Einheiten
Vernachlässigung der Prozesse, Überbetonung der Struktur
18
PROZESSE IM GEDÄCHTNIS
2.1 Enkodierung und Konsolidierung:
Erzeugen einer LZG-Repräsentation
externer Stimulus
Ultrakurzzeitgedächtnis (sensory Register) sehr kurze Speicherung
Aufmerksamkeitszuwendung
Kurzzeitgedächtnis
beschränkte Kapazität - kurze Speicherung (ohne Wiederholung)
Analyse der Bedeutung
Langzeitgedächtnis
grosse Kapazität / sehr lange Speicherung
19
 Modell zeigt “Normalvorgang”
 neben aufmerksamkeitsgesteuerten Enkodierung scheint auch
solche ohne Aufmerksamkeit möglich
( Poetzl, 1917: nicht bewusst wahrgenommene Bilder
können in Träumen von Vpn auftauchen )
20
Konsolidierung
nach der eigentlichen Lernsituation:
neurophysiologische Vorgänge, die einige Zeit fortdauern
(einige Stunden bis zu Tagen)
und Information dauerhaft im LZG verankern
Z.B. Strukturen im Hippocampus “binden” vermutlich
Informationen “zusammen”, die über viele corticale Areale
verteilt repräsentiert sind.
Gedächtnisinhalte, die noch nicht konsolidiert sind, besonders
anfällig für Vergessen.
(siehe Kapitel Vergessen)
New memories are clear but fragile and old ones are faded but
robust. Wixted (2004)
21
2.2. Verarbeitungstiefe
Craik & Lockart (1972)
Levels of processing
Verarbeitungstiefe
Je tiefer (ausführlicher) Stimulus verarbeitet wird,
desto mehr seiner Merkmale gespeichert
( und mit vorhandenen verknüpft)
22
Wichtigste theoretische Annahmen:
 Verarbeitungstiefe eines Stimulus hat substantiellen Effekt
auf Erinnerbarkeit
 Tiefere Verarbeitung produziert elaboriertere, längerdauernde,
und stärkere Gedächtnisspuren als weniger tiefe
Exp von Craik & Tulving (1975)
• Vpn nahmen angeblich an Wahrnehmungsexperiment teil
• Vp erhielten Wörter präsentiert
• Vpn hatten Fragen zum Wort zu beantworten
durch Fragen unterschiedlicher Aufwand der Verarbeitung induziert
z.B.:
Ist das Wort in Kleinbuchstaben gedruckt? (nur Form relevant)
Ist das Wort ein Tierbegriff? (Inhalt)
23
Ablauf: zuerst Frage,
dann Wort,
dann Beantwortung
UV: unterschiedliche Verarbeitungstiefe, durch Art der Frage
z.B.:
Physikalische Merkmale:
Ist das Wort in Kleinbuchstaben gedruckt ?
Phonetische Merkmale:
Reimt sich das Wort auf ...?
Semantische Merkmale:
Passt das Wort in die Lücke des folgenden Satzes:
Der .... beisst den Briefträger?
Ist das Wort ein Tierbegriff ?
Anstieg der notwendigen Verarbeitungstiefe mit Fragentyp
24
Resultate stützten Konzept der Verarbeitgstiefe:
Mit zunehmender Verarbeitungstiefe:
Reaktionszeiten länger
Merkleistung steigt
(Wiedererkennen und freie Wiedergabe)
(z.B. phon Merkm: 20% wiedererkannt
sem Merkm: 65% wiedererkannt )
25
Ausmass der Verarbeitung
Nicht nur Tiefe der Verarbeitung relevant, sondern auch Ausmass
Craik & Tulving (1975):
Vpn erhielten:
Satz mit 1 Leerstelle
Wort
Hatten zu entscheiden, ob Wort in Leerstelle passt
Ausmass der notwendigen Elaboration variiert durch Komplexität
der Sätze mit der Leerstelle, z.B.:
She cooked the
.
The great bird swooped down and carried off
the struggling
.
26
Resultat:
Wörter im Zusammenhang mit komplexen Sätzen besser erinnert.
FAZIT:
Experimente zu Verarbeitungstiefe und -ausmass beweisen,
dass Prozesse, die während des Lernens ablaufen,
für die Speicherung im LZG relevant sind.
(Wurde vor 1972 praktisch kaum untersucht)
27
Theorie in einigen Aspekten modifiziert (Lockhart & Craik, 1990)
(siehe E&K p.210)
z.B.: auch bei verarbeitung mit geringer Tiefe bleiben
Sinnesinformation gelegentlich sehr lange erhalten
Schema der Vertarbeitung von geringer zu tieferer kann
gelegentlich durchbrochen werde
Probleme:
 Keine unabhängige Methode zur Feststellung/Messung
der Verarbeitungstiefe
 Theorie beschreibt, aber erklärt nicht, warum
28
2.3 Erinnern und Vergessen
2.3.1 Gedächtnismasse (explizite Gedächtnismasse)
(free) Recall - Freies Reproduzieren (freie Wiedergabe)
gelernte Inhalte sollen wiedergegeben werden
Recognition - Wiedererkennen
Sachverhalte werden vorgegeben.
Vp soll sie als bekannt (gelernt) oder unbekannt identifizieren
Ergebnisse beim
Wiedererkennen deutlich besser als beim freien Reproduzieren
29
Variante:
cued recall – Wiedergabe mit Hinweisreiz
Hinweisreiz wird gegeben
(“Stichwort”, Foto des Schulhauses, ...)
30
2.3.2 Vergessenstheorien





Zerfallstheorie
Interferenztheorie
Cue-abhängiges Vergessen
mangelnde Konsolidierung
Ist Verdrängung ein gesicherter Vergessensprozess?
1 Zerfallstheorie
zeitbedingter Prozess
Speicherung wird mit der Zeit immer schwächer
Vergessene Information ist verloren (sofern keine Rekonstruktion)
Im Lauf der Zeit wird immer mehr vergessen
Empirischer Status der Zerfallstheorie nicht eindeutig.
Sicher: Zerfallstheorie kann nicht alleinige Erklärung sein.
31
2 Interferenztheorie
Abruf von Information wird durch vorhandene andere Information
behindert
Vergessene Information ist nicht unwiederbringlich verloren
Im Lauf der Zeit wird nicht notwendigerweise mehr vergessen
(möglicherweise indirekt)
Eine Erklärung: Netzwerktheorien
Proaktive Interferenz:
Früher gelernte Inhalte behindern später gelernte
Retroaktive Interferenz:
Später gelernte Inhalte behindern früher gelernte
32
Proaktive Interferenz
Gruppe
Lernliste 1
Experimental
A-B
(Katze - Baum)
Kontroll
--
Lernliste 2
Test
t
A-C
(Katze - Nase)
A-C
Katze - ?
A-C
(Katze - Nase)
A-C
Katze - ?
Lernliste 2
Test
A-C
(Katze - Nase)
A-B
Katze - ?
Retroaktive Interferenz
Gruppe
Lernliste 1
Experimental
A-B
(Katze - Baum)
Kontroll
A-B
(Katze - Baum)
--
t
A-B
Katze - ?
Kontrollgruppe jeweils besser
33
3 Cue-abhängiges Vergessen
Lernen findet in bestimmtem Kontext statt,
dieser ebenfalls gespeichert (wenigstens zum Teil)
(external, z.B.: Ort des Lernens, anwesende Personen,..
internal, z.B.: Stimmung, Absicht, Gedanken, …)
cue - Hinweisreiz
Information über (externalen oder internalen) Kontext
Abruf einer bestimmten Information über cues möglich
Aber: cues werden vergessen (Zerfall oder Interferenz)
34
4 mangelnde Konsolidierung
Gedächtnisinhalte, die noch nicht konsolidiert sind, besonders
anfällig für Vergessen
daher: Vergessensrate zu Beginn der Konsolidierung höher
Konsolidierung gestört durch neue Information, die eingespeichert
wird
daher: Bedeutung des Schlafes
(weil während des Schlafes wenig neue Info gespeichert wird)
Schlaf am Beginn der Konsoldierungsphase sollte stärkeren Effekt
haben - bestätigt
35
5 Ist Verdrängung ein Vergessensprozess?
Freud (1915)
Verdrängung generell als Prozess, der Inhalte am Eintritt ins
Bewusstsein hindert
2 Typen von Verdrängung:
bewusste Unterdrückung
( Suppression)
(auch experimentell
gut bewährt)
-
unbewusstes Vergessen
(Repression)
später und spätere Psychoanalyse überwiegend:
Verdrängung als unbewusstes Vergessen
36
Verdrängung als unbewusster Prozess des Vergessens
zur Angstabwehr
Verdrängung als Konzept bei Normalen
Verdrängung bei Freud als ein Vergessensprozess neben
anderen
d.h. Existentialhypothese
37
als Universelle Hypothese eindeutig falsifiziert
Menschen erinnern auch negative Ereignisse / Flashbacks
(z.B. Konzentrationslagerinsassen, Verbrechensopfer,…)
Anekdotische Belege, klinische und andere Beispiele,
z.B. dass das Wiedererinnern Symptome beseitigt
(aber: Spontanremission nicht kontrolliert)
Experimentelle/empirische Untersuchungen:
Existenz von Verdrängung konnte nicht eindeutig gezeigt werden
wegen methodischer Mängel der Untersuchungen
(z.B.: es muss sichergestellt sein, dass der später
“verdrängte” Inhalt tatsächlich gespeichert wurde)
38
andere Erklärungsmöglichkeiten müssen ausgeschlossen
werden (z.B.: Interferenz)
weil nicht kontrollierte Störvariablen andere Erklärung zulassen,
z.B.
• Unterschiede bereits beim Einspeichern?
auch: keine Klarheit über Detail des Prozesses
Überblick und Literatur in:
Holmes, D.S.: The evidence for repression: An examination
of sixty years of research. In: Singer, J. (Ed): Repression
and dissociation: Implications for personality theory,
psychopathology, and health. Chicago, University of
Chicago Press, 1990.
39
FAZIT:
Verdrängung als unbewusster Prozess des Vergessens
 Keine Evidenz aus kontrollierten Untersuchungen
(>70 Jahre Forschung)
 “Evidenz” noch immer aus unkontrollierten “impressionistischen”
klinischen Fallstudien
 Für alle berichteten positiven Fälle von Verdrängung:
methodisch nicht zu trennen von anderen
Erklärungsmöglichkeiten (z.B. Interferenz)
 Verdrängungshypothese eine Existentialhypothese, daher nicht
falsifizierbar – aber eben auch nicht zweifelsfrei verifiziert
 Extreme Emotionen bei einem Ereignis können führen zu
besserer Erinnerbarkeit (auch extrem negativer Erlebnisse)
 Selektivität bei Erinnern und Wahrnehmung unbestritten,
aber andere Erklärungen
40
3 ARBEITSGEDÄCHTNIS (WORKING MEMORY)
Baddeley (Baddeley & Hitch, 1974; Baddeley, 1976; ….. )
Konzept des KZG ersetzt durch Arbeitsgedächtnis
KZG nicht passiver Speicher, sondern aktives Arbeitsgedächtnis
(z.B. in dem Prozesse durchgeführt werden)
KZG nicht einheitlicher Speicher, sondern mehrere Komponenten
Begriffe:
Kurzzeitgedächtnis – Speicherung in einheitlichem Speicher
Arbeitsgedächtnis (working memory)
- Information wird gespeichert und weiterverarbeitet
- Speicher aus mehreren Komponenten
41
Modell des Arbeitsgedächtnis von Baddeley
3 Hauptkomponenten (derzeit):
 Central executive:
modalitätsfrei, Ähnlichkeit mit Aufmerksamkeit
Anderen Komponenten (Sklavensystemen)
übergeordnet - kontrolliert diese
Notwendig bei kognitiv anspruchsvollen Aufgaben
 Akustisches System:
Information in akustischer und phonologischer
(sprach-basierter) Form
 Visuo-spatiales System:
räumliche und/oder visuelle Information
jede Komponente hat Kurzzeitspeicher
42
Central
Executive
Wiederholungssystem
Wiederholungssystem
( Visual Scribe )
( Articulatorischer Prozess )
visuo-spatial
sketch pad
Episodischer
Buffer
Phonologischer
Speicher
Echo-Speicher
Visuo-spatiales
System
Akustisches
System
LZG
43
AKUSTISCHES SYSTEM (“PHONOLOGICAL LOOP”)
Akustisches System speichert Geräusche und Sprache
wichtig für Verstehen von Sprache
Behaltensdauer durch inneres Wiederholen ausdehnbar
Subkomponenten
Akustischer Speicher
Articulatorischer Prozess:
44
Akustischer Speicher
• ┌ Echo-Speicher (Kurzzeitspeicherung von Geräuschen)
└ Phonologischer Speicher:
passiv, direkt mit Sprachwahrnehmung verbunden
gespeicherte Information “verblasst”,
unzugänglich nach 1 1/2 - 2 Sek
•
Articulatorischer Prozess:
verbunden mit Spracherzeugung - “inneres Sprechen”
kann Information aus dem Phonologischen Speicher einlesen
und dann wieder zurückspeisen (subvokales Wiederholen)
konvertiert geschriebenes Material in den phonologischen Code
und speist in den Phonologischen Speicher
45
Experimente von Baddeley und Mitarbeitern,
auch Zhang & Simon (1985)
Wortlängeneffekt:
Reproduktionsleistung bei Wortsequenzen besser mit kürzeren als
mit längeren Worten
Es können in etwa soviele Worte unmittelbar wiederholt werden,
als Vp in ca. 2 Sek laut lesen kann
Vermutung:
Wortlängeneffekt durch Wiederholungsprozess verursacht
Articulatorischer Prozess
46
Auditorisch dargebotene Worte unterschiedlich verarbeitet als visuell
dargebotene:
Auditorische Präsentation - direkter Zugang zum phonologischen
Speicher
Visuelle Präsentation - indirekter Zugang zum phonologischen
Speicher über subvokale Artikulation
Daher:
Wortlängeneffekt nur bei auditorischer Präsentation
(weil bei Wiederholung articulatorischer Prozess aktiviert)
Bei visueller Präsentation von Wörtern verschwindet Wortlängeneffekt,
wenn artikulatorischer Prozess durch zweite Aufgabe besetzt wird
(z.B. lautes Aussprechen der Zahlen von 1 bis 8)
47
VISUO-SPATIALES SYSTEM
System speziell zur Speicherung räumlicher Information,
Konstruktion und Manipulation visueller Bilder
z.B.:
Wieviele Fenster hat Ihr Wohnhaus ?
Die meisten Vpn bilden (einfaches) Bild des Hauses, und
zählen dann die Fenster (von “aussen” oder von “innen”
wichtig für geographische Orientierung und Planung räumlicher
Aufgaben
48
SUBKOMPONENTEN
• Visuo-spatial sketch pad
Speicherung räumlicher & visueller Information
• visuell/räumlicher Wiederholungssystem (visual scribe)
49
CENTRAL EXECUTIVE
Vergleichbar einem Aufmerksamkeits-System (Shallice, 1982)
beschränkte Kapazität
modalitätsfrei
dient einer Reihe von Zwecken, z.B.:
Planungs- und Entscheidungsprozesse
Kontrolle und Koordination von untergeordneten
Systemen
trouble-shooting (Beseitigung von Störungen), wenn
untergeordnete Prozesse inadäquat sind
Situationen mit wenig Routine
50
kontrolliert Sklavensysteme
benutzt Episodischen Buffer als Speicher
Episodischer Buffer integriert auch Information aus
visuo-spatialem System und Akustischem System und LZG
51
Evaluation:
Working memory Modell
Positiv:
 aktive Verarbeitung von Info einbezogen
 Kann die partiellen Ausfälle nach Hirnverletzungen besser erklären
Wenn nur eine Komponente des Arbeistgedächtnisses geschädigt,
dann sollten nur spezielle Aufgaben davon betroffen sein.
Negativ
 Central Executive – möglicherweise selbst aus mehreren
Komponenten bestehend
(Patient EVR (Eslinger & Damasio, 1985) nach Tumoroperation.
Hoher IQ, sehr gute Leistungen log. Schliessen, Konzentration
- grosse Probleme bei Entscheiden und Urteilen)
52
4
UNTERSCHEIDUNGEN IM LZG (LTM)
deklaratives - prozedurales LZG (Wissen)
 deklaratives LZG (Wissen)
Wissen "was", Fakten und Informationen
 prozedurales LZG (Wissen)
Wissen "wie", Handlungswissen, Prozedurenwissen
semantisches - episodisches LZG
 semantisches LZG
Gedächtnis für allgemeines Weltwissen
 episodisches LZG: ( Tulving, 1972)
autobiographisches Wissen
53
implizites - explizites Gedächtnis
 Explizites Gedächtnis
Bewusste Erinnerung beim Abruf
Beispiele: Freies Reproduzieren (Recall),
Wiedererkennen (Recognition).
 Implizites Gedächtnis
Abruf ohne bewusste Erinnerung.
Beispiele:
Gelernte Bewegungsmuster
Grammatik,
Erkennen von Gesichtern,
Automatisierte Abläufe (z.B. Lesen)
54
GEDÄCHTNIS
deklarativ
(verbalisierbar
bewusst bei Abruf)
semantisch
episodisch
prozedural
(nicht bewusst
bei Abruf)
Fertigkeiten Priming Klassisches
Konditionieren
55
4.1 SEMANTISCHES GEDÄCHTNIS
Gedächtnis, das Bedeutung (Inhalt, Sinn,..., meaning) speichert
 Wenn Vpn in Experimenten verbale Info erhalten, wird nicht
der Wortlaut gespeichert, sondern der Sinn
 Bei Bildern: Üblicherweise nicht “fotografische” Details,
sondern inhaltliche Repräsentation des Bildes
 Unmittelbares Gedächtnis für ein Ereignis enthält verbale
und visuelle Details.
Diese werden jedoch sehr rasch vergessen (ca. 1 Minute),
übrig bleibt der Inhalt.
Frage: Wie wird Bedeutung gespeichert?
56
SEMANTISCHE NETZWERKE (z.B. Anderson, 20005 p 152ff)
Ursprünge: Collins & Quillian (1972)
Struktur
Begriffe und Eigenschaften als Knoten
diese verknüpft durch gerichtete Assoziationen (=Kanten,Pfade)
Assoziationen gerichtet
2 Typen von Assoziationen:
Oberbegriffs-Assoziationen
Eigenschafts- Assoziationen
WICHTIG: graphische Form ist nur eine Form der
Darstellung im Rahmen der Theorie, man nimmt nicht an,
dass es im Gedächtnis tatsächlich so ist.
Prozess der Info-Abfrage:
Aktivationsausbreitung
(spreading activation)
57
Knoten
Kanten
58
hat Haut
P
P
kann sich bewegen
P
isst
Tier
ie
Hat Federn
P
hat Flügel
Kanarienvogel
ist gelb
hat Flossen
kann schwimmen
Fisch
hat Kiemen
ie
P
atmet
ie
Vogel
kann fliegen
P
P
kann
singen
ie
ie
Strauss
P
P
hat
kann
lange nicht
Beine fliegen
ie
Hai
P
ist gefährlich
Lachs
P
Ist rot
P
laicht in
Flüssen
59
empirischer Test:
Satzverifikations-Aufgabe
Vp erhält einfache Sätze dargeboten
muss entscheiden, ob Satz wahr oder falsch
(z.B. "ein Eichhörnchen ist ein Vogel"
"ein Lachs hat Flossen")
RZ (Reaktionszeit) wird gemessen
weil: unterschiedlich lange RZ,
wenn Begriffe im Netzwerk unterschiedlich
weit entfernt
60
Typische Resultate (aus Klimesch, 1988)
Beispiele für zutreffende Relationen
Abstand Oberbegriffsrelation
Hierarchiex
y
stufen
RZ
(ms)
Merkmalsrelation
x
y
RZ
(ms)
Lachs -
1305
0
Lachs - Lachs
1000
1
Lachs - Fisch
1165
Lachs - Kiemen
1385
2
Lachs
1240
Lachs
1465
- Tier
laicht
- Haut
61
zwei (wichtigste) Probleme mit dem C & Q - Modell:
1 Annahme der kognitiven Ökonomie (Nonredundanz)
Experiment von Conrad (1972):
empirische Sammlung von Eigenschaften verschiedener Begriffe
(z.B.: Rotkehlchen, Banjo, Zwiebel) mit Stichprobe von Studenten
wertete Häufigkeiten aus
(mit welcher Häufigkeit wird bestimmte Eigenschaft genannt)
dann:
Satzverifikationsexperiment (mit anderer Studenten - Stichprobe)
 Eigenschaften scheinen auf verschiedenen Ebenen
wiederholt gespeichert zu werden.
 Häufigkeit wesentlich besserer Prädiktor als Hierarchiestufe
62
2 Typikalitätseffekte
Fragen betreffend typische Vertreter einer Kategorie haben
kürzere RZ als mit untypischen
typische Vögel:
Rotkehlchen, Amsel
untypische Vögel: Huhn, Pinguin
Neuere Entwicklungen:
Propositionale Netzwerke
Kombinieren semantisches und episodisches Gedächtnis
63
4.2 IMPLIZITES / EXPLIZITES GEDÄCHTNIS
Roediger, Henry L. III (1990). Implicit memory. Retention without
remembering. American Psychologist 45, 1043-1056
 Explizites Gedächtnis
Bewusste Erinnerung beim Abruf des Gedächtnisinhaltes
Beispiele: Freies Reproduzieren (Recall),
Wiedererkennen (Recognition).
 Implizites Gedächtnis
Abruf des Gedächtnisinhaltes ohne bewusste Erinnerung.
Beispiele: Gelernte Bewegungsmuster
(z.B.Schuhebinden),
Grammatik,
Erkennen von Gesichtern,
Automatisierte Abläufe (z.B. Lesen)
64
Konzept des impliziten Gedächtnis bereits 1885 eingeführt von
H. Ebbinghaus
( Über das Gedächtnis. Leipzig: Veith )
Pathologie
Patienten mit Amnesien üblicherweise
wesentlich schlechter als Normale bei Aufgaben mit explizitem
Gedächtnis,
aber häufig auf dem gleichen Niveau wie Normale bei Aufgaben mit
implizitem Gedächtnis.
65
WIE IMPLIZITES GEDÄCHTNIS PRÜFEN?
Methoden wie Freies Reproduzieren (Recall) und Wiedererkennen
(Recognition) testen nur explizites Gedächtnis.
Ebbinghaus (1885): Ersparnismethode (savings method):
 Vp lernt Material (z.B. sinnlose Silben)
registriert: Zahl der Wiederholungen (oder Zeit)
bis zur perfekten Beherrschung
 Vp vergisst
 Vp lernt gleiches Material wieder.
wieder registriert: Zahl der Wiederholungen (oder Zeit)
AV: Differenz zwischen Zahl der notwendigen Wiederholungen
(oder Zeitdifferenz) beim ersten und beim zweiten Lernen
Differenz (=Ersparnis) kann gemessen werden, auch wenn Vp nicht
in der Lage, das zuerst gelernte Material bewusst zu erinnern!
Ersparnismethode auch in gegenwärtiger Psychologie verwendet.
66
Andere Methoden:
 Wort-Identifikation:
Wort wird sehr kurzfristig dargeboten, Vp muss entscheiden,
welches Wort es ist.
 Erkennen verstümmelter Worte (word fragment identification):
Vp muss verstümmelt dargebotenes Wort erkennen.
(z.B. Buchstaben unleserlich)
 Wortkomplettierung (word stem completion):
Anfangsteil eines Wortes (z.B. die ersten 3 Buchstaben) dargeboten,
Vp muss 1. Wort angeben, das ihr einfällt, welches mit diesen
Buchstaben beginnt.
( z.B.: Kat - Kategorie, Katze )
 Bei allen diesen Aufgaben Leistung besser, wenn Wort vorher
bereits gesehen wurde, auch wenn Vp keine bewusste Erinnerung
hat.
67
Typische Ergebnisse:
z.B.: Jacoby & Dallas (1981)
• Vpn erhielten Liste von Worten
mussten ja/nein Fragen beantworten betreffend
1 die Bedeutung des Wortes (semantic questions)
2 ob es sich mit einem anderen Wort reimt (rhyme questions)
3 ob es bestimmten Buchstaben enthält (physical questions)
d.h.: Verarbeitungstiefe variiert
anschliessend:
• Vorgabe einer Wortliste mit Worten von vorher und neuen
Prüfung des Gedächtnis:
1 explizites Gedächtnis: Wiedererkennen
2 implizites Gedächtnis: Wort-Identifikation
68
Ergebnisse:
Implizites Gedächtnis unabhängig vom Fragen-Typ
Explizites Gedächtnis: Unterschiede beim Fragen-Typ
( entsprechend unterschiedlicher Verarbeitungstiefe)
AV:
100
%-Satz
90
richtig
erkannt 80
70
60
implizites Ged.
50
explizites Ged.
40
30
20
10
0
physical
rhyme
semantic
69
Dieses Experiment ist Nachweis von Priming-Effekten
Priming Effekte
Erleichterungseffekte aufgrund vorangegangener
Verarbeitungsprozesse mit diesem Material
Ersparnismethode (u.a.) beweist Priming-Effekte
70
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