Keynesianismus

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Demokratische Auswege: Die
Keynesianische Revolution
Vom New Deal in den USA zum
schwedischen Volksheim
Helga Schultz:
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Literatur
• Galbraith, John Kenneth: Die Geschichte der
Wirtschaft im 20. Jahrhundert. Ein Augenzeuge
berichtet, Hamburg 1995, darin die Abschnitte 9
(Der New Deal) und 10 (John Maynard Keynes
Revolution) 104-126.
• Strath, Bo: The Organisation of Labour Markets.
Modernity, culture and governance in Germany,
Sweden, Britain and Japan, London and New
York: Routledge 1996, darin: Schweden 78-108;
Grossbritannien: 109-153.
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Gliederung
• Die Keynesianische Revolution
• Der New Deal in den USA
• Die Begründung des Volksheimes in
Schweden
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1. Die Keynesianische
Revolution
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Das Ende des Laissez Faire
• Das Wirtschaftssystem des Kapitalismus war nach
der Weltwirtschaftskrise in Theorie und Praxis tief
diskreditiert. Joseph A. Schumpeter verneinte
1936 in seinem Harvard-Vortrag die Titelfrage:
Kann der Kapitalismus überleben?
• Die beeindruckende, scheinbar krisenfreie
Entwicklung der Sowjetunion bestärkte die Linken
im Glauben an sozialistische Alternativen und die
Liberalen in gleichlautenden Befürchtungen wie in
der Suche nach Auswegen.
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John Maynard Keynes
Der junge Keynes im intellektuellen
Bloomsbury Zirkel
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• Geboren 1883 in
Cambridge, Studium
am Kings College.
• Regierungsbeamter,
Theaterenthusiast,
erfolgreicher Börsianer,
größter Ökonom des
Jahrhunderts.
• Hauptwerk 1936:
Allgemeine Theorie der
Beschäftigung, des
Zinses und des Geldes.
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Grundgedanken
• Die klassische Annahme, dass ein sinkendes
Arbeitsangebot über sinkende Löhne wieder zur
Vollbeschäftigung führe (Say´s Gesetz), sei
falsch.
• Unter Unsicherheit würden die Ersparnisse nicht
notwendig ausgegeben oder investiert.
• Ein langfristiges Gleichgewicht von
Unterbeschäftigung und Depression sei möglich.
• Diese Depression sei durch eine deflationistische
Politik nicht aufzulösen, sondern nur zu vertiefen.
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Nachfrageorientierte Politik
• Der Staat müsse daher in der Krise die
Ersparnisse über Konjunkturprogramme
wieder in die Wirtschaft einführen.
• Das solle über Staatsanleihen (deficit
spending) geschehen, die das Geld der
Bürger in die staatlichen Kassen leiten.
• Beschäftigung und Nachfrage würden
wachsen, in der Folge die privaten
Investitionen und die Steuereinnahmen.
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Der konservative Revolutionär
• Wie Joseph A. Schumpeter war Keynes
keineswegs ein Sozialist.
• John Maynard Keynes bekämpfte die
klassische Orthodoxie, um die Revolution
abzuwenden.
• Insofern war er ein konservativer Liberaler:
Es ging ihm um die Rettung des
Kapitalismus als Basis bürgerlicher
Freiheit.
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Keynesianismus
• Nach Keynes Tod 1946 wurde der
Keynesianismus für drei Jahrzehnte zur
herrschenden Lehre und zur geistigen
Grundlage des westeuropäischen
Wohlfahrtsstaates.
• Vollbeschäftigung war statt Geldwertstabilität
zum Leitmotiv der Wirtschaftspolitik
geworden.
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Staatsinterventionismus
• Die Rolle des Staates in der Wirtschaft
war gestärkt. Krisenmanagement schien
machbar.
• Der Staat agierte nachfrageorientiert und
antizyklisch.
• Zielte der Vorschlag eines gelenkten
Kapitalismus auf einen dritten Weg
zwischen Marktliberalismus und
Sozialismus?
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2. New Deal
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Roosevelt
• Der Präsidentschaftskandidat der
Demokratischen Partei, Franklin D. Roosevelt
versprach am Tag seiner Nominierung einen
"new deal for the American people“.
• Die Karten für das amerikanische Volk neu zu
verteilen hieß, die Arbeitslosigkeit zu
bekämpfen.
• An diesem 2. Juli 1932 waren 15 Millionen in
den USA arbeitslos.
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Ein offener Brief
• Im Dezember 1933 wandte sich John Maynard
Keynes in einem Offenen Brief in der New York
Times an den neuen Präsidenten.
• Er unterstützte die eingeleiteten Notprogramme
und riet zu konsequenter Vertiefung.
• “If you fail, rational change will be gravely
prejudiced throughout the world, leaving
orthodoxy and revolution to fight it out. But if you
succeed, new and bolder methods will be tried
everywhere, and we may date the first chapter of
a new economic era from your accession to
office.”
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Politik nach Keynes´ Muster
• Abkehr vom Goldstandard.
• Aufhebung der Anti-Trust-Gesetze und damit
auch des Verbots von Gewerkschaften.
• Mindestlöhne.
• Arbeitslosen- und Rentenversicherung.
• Galbraith:
– Es dürfte schwer fallen, eine Maßnahme zu nennen,
die mehr dazu beigetragen hat, den Kapitalismus zu
retten.(S. 116)
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Öffentliche Arbeitsprogramme
Programm
Inhalt
Erfolg
Civil Works
Administration (CWA)
Bau von Straßen,
Flughäfen, Parks u.ä.
4 Millionen
Beschäftigte
Civilian Conservation
Corps (CCC)
Pflege von Landschaft Beschäftigt 2,5
und Umwelt für 1
Millionen
Dollar und freie Kost
unverheiratete Männer
Public Works
Association (PWA)
Großvorhaben wie der Keine Angabe
Grand Coulee Dam
am Columbia River
Works Progress
Administration (WPA)
1935-1943
Bau und Reparatur
von Schulen und
anderen öffentlichen
Gebäuden
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8 Millionen
Beschäftigte
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WPA baut Kanalisation
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Straßenbau in San Francisco 1934
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PWA - Bau eines Hospitals in Chicago
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Finanzierung
• Die wachsende soziale Ungleichheit hätte eine
zumindest teilweise Finanzierung der
Programme durch höhere Steuern gerechtfertigt.
• Das war politisch nicht durchsetzbar. Die
Finanzierung erfolgte über Staatsanleihen.
• Keynes hatte theoretisch eine baldige
Refinanzierung der Staatsausgaben durch
wachsende Wirtschaftsaktivität und sinkende
Arbeitslosigkeit erwartet.
• Dieser Effekt blieb erstmal aus.
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Ungleichheit in der Krise
Einkommensverteilung: Anteile am BIP in den
Vereinigten Staaten
Quelle: Graham/Seldon 1990, 92.
100%
80%
Oberste 20%
Mittlere 20%
Untere 60%
60%
40%
20%
0%
1929
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1936
1950
1955
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Auf dem Wege zum
Sozialstaat?
• Die umfangreichen Programme führten zu
hohen Budget-Defiziten. Die konservative
Opposition erzwang ihre teilweise
Rücknahme.
• 1937/38 kam es (deshalb?) zu einer
erneuten Rezession. Erst im Verlaufe des
2. Weltkrieges erholt sich die USWirtschaft nachhaltig.
• Die USA wird schließlich kein Sozialstaat
europäischen Musters.
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3. Das schwedische
Volksheim
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Streiktage pro Tausend Arbeiter
(Quelle: Strath, S. 97)
1200
1000
800
600
400
200
0
1921/25
1931/35
Europa
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1946/50
Schweden
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Arbeitskonflikte
• Schweden gehörte zu den Ländern mit
besonders vielen Arbeitskämpfen.
• Es gab keine Arbeitslosenversicherung.
• In der Krise nahm die Härte der
Auseinandersetzungen zu.
• Die konservative Regierung ließ am 14. Mai
1931 in Ådalen auf einen Zug streikender
Arbeiter schießen, die gegen Streikbrecher
protestierten.
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Ådalen 14. Mai 1931
6.000 streikende Arbeiter demonstrieren
gegen das Lager der Streikbrecher.
Minuten nach der Aufnahme fallen die
Schüsse des Militärs.
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Folkhemmet - Volksheim
• 1932 gelangten die Sozialdemokraten
unter ihrem Führer Per Albin Hanssen an
die Regierung.
• Hanssen hatte schon in den zwanziger
Jahren die konservative Metapher vom
Volksheim anstelle des Klassenkampfes
propagiert und Demokratie anstelle von
Sozialismus zum zentralen
programmatischen Begriff erklärt.
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Gunnar Myrdal (1898 - 1987)
• Gunnar Myrdal war der
wichtigste Vertreter der
Stockholmer Schule
der Nationalökonomie.
• Gemeinsam mit seiner
Frau Alva
veröffentlichte er 1934
„Krise und
Bevölkerungsfrage“.
• Es lieferte die Theorie
des Volksheims.
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Von Malthus zum Wohlfahrtsstaat
„Mit dieser Technik, die wir heute beherrschen, haben wir Zugang
zu ausreichenden Ressourcen, um eine größere Bevölkerung auf
einem höheren Lebensstandard zu versorgen, und diese Technik
wird ununterbrochen verbessert.
Der Fehler liegt nicht länger bei den Ressourcen und der
Überbevölkerung. Der Fehler liegt in der gesellschaftlichen
Organisation der Produktion und der Verteilung, die mit der
technischen Entwicklung nicht mehr mitgekommen sind.
Von einer gleichmäßig fortschreitenden industriellen Entwicklung
mit steigendem Lebensstandard aber noch immer unter dem Stern
der Knappheit, sind wir in etwas geraten, was einer permanenten
'Überflusskrise' gleicht. Damit muss selbst die Bevölkerungsfrage
neu überdacht werden.“(A. u. G. Myrdal, 1935, 11.)
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Kuhhandel mit der Bauernpartei
• Das Abkommen mit der Bauernpartei, der
Kuhhandel von 1933, sicherte Hanssens
Minderheitsregierung die parlamentarische Basis.
• Die Bauern erhielten Festpreise für Agrarprodukte
zugesichert und stimmten dafür der Einführung
der Arbeitslosenversicherung ab 1935 zu.
• Die Gewerkschaften erhielten die Organisation
der Arbeitslosenversicherung, was einen hohen
Organisationsgrad sicherte. Sie wurden so
politisch eingebunden, ein wesentlicher Schritt
zum Arbeitsfrieden.
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Das Abkommen von Saltsjöbaden
• Das 1938 zwischen den Gewerkschaften und
der regierenden Sozialdemokratischen Partei
geschlossene Abkommen regelte das Verfahren
in Arbeitskonflikten unter staatlicher Mitwirkung.
• Die Gewerkschaften erhielten die Zusage
brancheneinheitlicher Tariflöhne und
verzichteten dafür auf Streiks auf lokaler und
betrieblicher Ebene.
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Kompromiss mit den Liberalen
• Arbeitsfrieden bei relativer sozialer Sicherheit
war gewonnen.
• Rationalisierung war keine Drohung mehr und
ermöglicht die rasche Modernisierung der
schwedischen Wirtschaft.
• Auf der Basis des gesicherten sozialen Friedens
willigen die Liberalen in die Finanzierung der
Arbeitslosenversicherung durch Steuern ein.
• Das Volksheim wird zum Hochsteuer- und
Hochlohnland.
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Das schwedische Modell
• Bo Stråth: Die nachhaltige Verbindung von
Keynesianischer Politik und konzertierter
Aktion von Staat, Gewerkschaften und
Unternehmerverbänden als Kern des
modernen Wohlfahrtsstaates:
– Neo-Korporatismus als demokratischer Weg
der Interessenpolitik
– Staatliche Lenkung von Wirtschafts- und
Sozialpolitik
– Partizipatorischer Kapitalismus
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Der lange schwedische Weg
Arbeiterfamilie um 1950
Arbeiter um 1850
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Zwei Wege
• In den USA wurde der Sozialstaat in der
extremen Notlage als Regierungsprogramm
durchgesetzt.
• In Schweden entstand er als
klassenübergreifender nationaler Konsens.
• In den USA erfolgte die Finanzierung über
Staatsverschuldung.
• In Schweden erfolgte Umverteilung durch hohe
progressive Steuern.
• In den USA blieb der Sozialstaat eine Episode,
in Schweden wurde er Gesellschaftssystem.
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