12 Beide deutschen Staaten hatten sukzessive Souveränitätsrechte

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15 Sachbereiche der Politik
Macht und Herrschaft

Der Sachbereich Macht und Herrschaft als Rahmen der
herrschaftlichen Existenz ist gewöhnlich an einen mehr oder
weniger souveränen Nationalstaat gebunden. Der deutsche
Nationalstaat hat nie unabhängig vom europäischen Mächtekonzert
agieren können.
Er war immer Teil davon und bekam dadurch auch seinen
Handlungsspielraum vorgegeben. Einig waren sich die europäischen Staaten
seit Jahrhunderten nur in einem einzigen Punkt: „der Notwendigkeit, die
Einigung Europas durch einen aus ihrer Mitte zu verhindern, an den sie ihre
individuelle Souveränität hätten verlieren müssen.“1
1
Wolfram Hanrieder, Deutschland, Europa, Amerika. Die Außenpolitik
Bundesrepublik Deutschland 1949-1989, Paderborn 1991, S. 157
der
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Alle Hegemonialversuche etwa Spaniens, Frankreichs oder Deutschlands
sind von Koalitionen der übrigen europäischen Staaten verhindert worden.
Europa war sich immer einig, einen Hegemon im Innern zu verhindern.
Gemeinsam nach außen war es nicht aufgetreten.
In zwei Weltkriegen war es darum gegangen, den deutschen kontinentalen
Hegemonialanspruch zu verhindern. Das war der entscheidende Antrieb für
die USA, in beide Kriege einzutreten.
In zwei Weltkriegen war es darum gegangen, den deutschen kontinentalen
Hegemonialanspruch zu verhindern. Das war der entscheidende Antrieb für
die USA, in beide Kriege einzutreten.
Die nationalsozialistische Ideologie und die Verbrechen hatten den politischen
Willen der Alliierten verstärkt, Deutschlands zweiten Griff nach der Hegemonie
in Europa unbedingt zu unterbinden. Die Folge war die totale Niederlage
Hitler-Deutschlands einerseits und die Hegemonie der Sowjetunion in
Osteuropa andererseits.
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 Geradezu zwangsläufig mussten sich die Westalliierten und die
Sowjetunion um die Kontrolle Zentraleuropas streiten. Der
ideologische und systemare Gegensatz überhöhte diesen Konflikt,
er hatte aber auch schon unabhängig davon eigene geopolitische
Wurzeln.
Jedenfalls war der zentraleuropäische Bewerber um die europäische Hegemonie,
Deutschland, für absehbare Zeit aus dem hegemonialen Wettbewerb ausgeschieden.
Die Teilung der Kontrolle über Europa zwischen den Vereinigten Staaten und der
Sowjetunion legte eine Teilung Deutschlands nahe.
Der Status Deutschlands musste zum Streitpunkt werden, weil beide Seiten die alleinige
Kontrolle über Deutschland als Schlüssel zur Gesamtkontrolle Europas angesehen
haben. Zwar war das besiegte Deutschland kaum mehr fähig, die regionale oder globale
Weltordnung zu gefährden, seine Parteinahme für die östliche oder westliche Variante
würde aber den Ausschlag für die Dominanz des östlichen oder des westlichen Modells
in Europa geben können.
Deutschland war demnach, obwohl besiegt, potentiell eine ausgleichende Macht
zwischen Ost und West. Das war eine Rolle, die keine der beiden Supermächte den
Deutschen wieder zubilligen wollte.
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 Eine Stabilisierung des Status quo lief also auf die deutsche Teilung
hinaus. Dies war der Kern des grundsätzlichen Machtkompromisses
zwischen den beiden Supermächten.
Das besiegte Deutschland war damit für einige Jahre nur Objekt der
europäischen Geschichte und Politik, kein handlungsfähiges Subjekt. Die
politische Entmündigung Deutschlands konnte mit den nationalsozialistischen
Kriegsverbrechen auch moralisch gut gerechtfertigt werden, ja dies erschien
den meisten Deutschen selbst als mehr oder weniger logische Folge der
überzogenen eigenen Macht- und Herrschaftsansprüche.
Die viel kompliziertere Frage aber war, wie Deutschland auf längere Frist eine
eigenständige Rolle verweigert werden konnte. An einer dauerhaften
Einhegung Deutschlands waren nämlich neben den beiden Supermächten die
europäischen Mittelmächte Frankreich und England genauso, wenn nicht noch
stärker, interessiert.
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Die Deutsche Frage war und blieb also ein Schlüssel europäischer Politik.
Die totale politische Entmachtung Deutschlands einschließlich des Verlusts
der Souveränität im Innern, die eigenen Angelegenheiten zu regeln, war
demnach für die zweite Hälfte der vierziger Jahre eine feste Tatsache.
Ein Handlungsspielraum für deutsche Politik nach außen gab es nicht, der
Handlungsspielraum im Innern war stark eingeschränkt. Die Aufteilung in
Besatzungszonen und die jeweiligen Besatzungsregime waren dafür
sichtbarer Ausdruck des mehr oder weniger totalen Souveränitätsverlusts.
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 Der Hegemoniekonflikt zwischen Ost und West hielt aber von Anfang an auch
den Hebel bereit, den die deutsche Politik nutzen konnte, um aus diesem
Zustand totaler Fremdherrschaft wieder herauszukommen. Das Werben der
beiden Supermächte um ihre jeweiligen Besatzungszonen konnte nur darauf
hinauslaufen, diesen sukzessive mehr Selbstkontrolle zuzugestehen.
Die Einbindung der Besatzungszonen in den westlichen und östlichen Herrschaftsbereich musste über kurz oder lang politisch so abgesichert werden, dass die
Zustimmung zumindest eines Teils der politischen Elite in Deutschland gewonnen
werden konnte. Der Preis, den die politischen Eliten dafür forderten, waren allgemein
ausgedrückt mehr Mitbestimmungsrechte.
Dies galt sowohl für die Gruppe Ulbricht in der sowjetischen Besatzungszone wie für die
neu gewählten Parteiführungen in den westlichen Besatzungszonen. Das Ausmaß der
Zustimmung war im Osten und im Westen freilich völlig unterschiedlich.
Während die KPD auf regulärem Weg nicht mit einer Mehrheit der Wähler rechnen
konnte und deswegen zu stalinistischen Methoden griff (Zwangsvereinigung von KPD
und SPD zur SED im April 1946), bildete sich in den westlichen Besatzungszonen ein
demokratisches Parteiensystem, das an die Gruppierungen der Weimarer Republik
anknüpfen konnte.
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 Mit dem Untergang des Deutschen Reiches, das in der Version von
Hitler-Deutschland sich selbst ad absurdum geführt hatte, erschien
den meisten Europäern die Teilung Deutschlands als logisch und
deshalb auch nicht lösungsbedürftig.
Die alten Vorbehalte gegen eine Vereinigung Deutschlands, von dem erneut
eine dominante europäische Machtrolle befürchtet wurde, verdeutlicht der
Ausspruch des französischen Schriftstellers François Mauriac, der meinte,
„er liebe Deutschland so sehr, dass er sich freue, dass es deren zwei gebe“.1
1 Zitiert
nach Hanrieder 91, (Anm. 1), S. 165
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Die Teilung
Das politische Umfeld in Europa empfahl also die Teilung Deutschlands. Damit
war allerdings das Teilungsmodell über die Besatzungsregime hinaus noch nicht
festgelegt. Dafür brauchten die Supermächte die Zusammenarbeit mit Deutschen,
also bereitwillige deutsche Kooperateure. Die Institutionalisierung der Teilung
fand unter deutscher Beteiligung statt.
Beide Besatzungslager wollten nicht nur oktroyieren, sondern ein möglichst hohes Maß
von Zustimmung in ihrem Macht- und Herrschaftsbereich gewinnen. In diesem Prozess
konnte sich deutsche Politik neu entwickeln.
Auf dem Boden der sowjetischen Besatzungszone wurde die SED sehr schnell in die
politische Mitverantwortung gestellt. Wie weit dabei der Handlungsspielraum der
deutschen Kommunisten bei einem eigenständigen Weg zum Sozialismus ging oder
inwieweit sie lediglich Erfüllungsgehilfen der sowjetischen Besatzungsmacht waren, ist
umstritten.
Über kurz oder lang entwickelte sich jedoch ein politisches Selbstverständnis der
Parteikader, das über die von politischen Hilfstruppen der Sowjetunion hinausging. Der
Zentralismus innerhalb der SED ließ freilich wenig Spielraum für die untere Ebene der
Hierarchie zu.
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 In den Westzonen ging die Entwicklung von unten aus. Die
Besatzungsmächte räumten als erstes kommunale Selbstverwaltung
ein. Danach bildete sich über die Länder sukzessive mehr deutsche
politische Mitwirkung heraus.
Auf der Bundesebene erreichte Adenauer mit dem Petersberger Abkommen
im November 1949 ersten außenpolitischen Spielraum und vor allem eine
Kürzung der Liste der Demontagen.
Es war ein erster deutsch-alliierter Kompromiss, bei dem Adenauer sich als
erfolgreicher Vertreter deutscher Interessen zu profilieren verstand. Adenauer
trat auch persönlich gegenüber den alliierten Hochkommissaren ungewöhnlich selbstbewusst bis schroff auf und war bei diesen überaus unbeliebt.
Bei der Mitteilung über das Inkrafttreten des Besatzungsstatuts durch die
Hohen Kommissare betrat er z. B. publikumswirksam den Teppich, auf dem
protokollgemäß nur diese stehen sollten (sogenanntes Teppichfoto).
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 Das entscheidende Jahr war 1949, als sich der westdeutsche Staat
in folgenden Etappen konstituierte:
23.05.
Grundgesetz tritt in Kraft
14.08.
Wahlen zum ersten Bundestag
15.09.
Konrad Adenauer wird erster Bundeskanzler
21.09.
Besatzungsstatut tritt in Kraft
21.10.
Adenauer formuliert in seiner Regierungserklärung den
Alleinvertretungsanspruch
03.12.
Adenauer tritt öffentlich für die deutsche Beteiligung an einer
europäischen Armee ein
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 Parallel dazu trat am 7.10.1949 die Verfassung der DDR in Kraft. In den
formalen Schritten bei der Etablierung der beiden deutschen Teilstaaten
folgte also die DDR der vorauseilenden Bundesrepublik.
Im Grundgesetz der Bundesrepublik war die Verpflichtung verankert, die Einheit
Deutschlands anzustreben. Die Hindernisse dafür schienen schon damals für längere
Zeit unüberwindlich.
Die Zweiteilung des europäischen Staatensystems hatte in der Teilung Deutschlands
an der Nahtstelle zwischen beiden Lagern ihren Ausdruck gefunden.
Politisch definitiv vollzogen wurde die Teilung im Jahr 1955, als beide deutsche Staaten
den jeweiligen Militärbündnissen, der NATO und dem Warschauer Pakt, beitraten.
Die Bundesrepublik wurde am 9. Mai in die NATO aufgenommen, der Warschauer Pakt
am 14. des gleichen Monats gegründet.
Am 20. September 1955 erklärte die Sowjetunion dann die DDR für souverän. Zwei
Tage später billigte der deutsche Bundestag die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Sowjetunion.
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 Beide
deutschen
Staaten
hatten
sukzessive
Souveränitätsrechte
zurückgewonnen, zugleich waren sie aber auch in die jeweiligen Bündnisse
so fest eingebunden, dass ihr außenpolitischer Handlungsspielraum, aus
eigenem Antrieb aufeinander zuzugehen, um eine Vereinigung zu
organisieren, nahe Null war.
Für die Westmächte und für Bonn war klar, dass ein vereintes und demokratisches
Deutschland auf Seite des Westens stehen werde und müsse.
Der Bildung einer gesamtdeutschen Regierung hätten deshalb konsequenter Weise
freie Wahlen in Ostdeutschland vorauszugehen. Dies schloss ein, dass ein
wiedervereintes Deutschland auch Teil des westlichen Bündnisses sein müsse.
Im Klartext hieß dies, dass der Westen verlangte, dass die Sowjetunion ihre Kontrolle
über die DDR, also ihre geostrategische Stellung auf dem Kontinent als Ergebnis des
zweiten Weltkrieges aufzugeben habe. Das waren zwar durchaus verständliche und
legitime Ziele, ihre Realisierung erschien aber in den fünfziger Jahren völlig
unrealistisch.
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 Reziprok ebenso unrealistisch dazu forderte die Sowjetunion die
Neutralisierung eines vereinten Deutschlands und die Bildung einer
gesamtdeutschen Regierung, in der Ost- und Westdeutschland gleichermaßen vertreten wären. Damit sollte die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik
und die Wiederherstellung der rechtlichen Souveränität des westdeutschen
Staates verhindert werden. Das politische Störmanöver der Sowjetunion zielte
also gegen die Westbindung der Bundesrepublik.
Die Zielkataloge beider Seiten waren völlig unvereinbar, und die diplomatischen
Positionen ließen deshalb nur rhetorische Auseinandersetzungen um die Deutsche
Frage mit propagandistischem Unterton zu.
Praktisch konnten weder die Vereinigten Staaten noch die Sowjetunion die
Wiedervereinigung Deutschlands angesichts ihrer eigenen Interessenlage in den
fünfziger Jahren unterstützen. Der geostrategische Kompromiss einer gespaltenen
europäischen Ordnung lief auf die Zementierung der deutschen Teilung hinaus.
Erst auf dieser Grundlage konnte das Verhältnis zwischen den beiden Blöcken, der OstWest-Konflikt, gesteuert und konsolidiert werden. Für die beiden deutschen Staaten lief
dies praktisch auf ein Wiedervereinigungsverbot durch die jeweiligen Vormächte der
antagonistischen Bündnissysteme hinaus.
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 Die umstrittene sowjetische Initiative aus dem Jahr 1952, die Stalinnote
vom 10. März zur Frage eines Friedensvertrages und die zweite Note
vom 9. April über freie gesamtdeutsche Wahlen, war deshalb
vermutlich auch kein allzu ernstgemeintes Angebot.
Die westliche Seite war aber auch gar nicht ernsthaft bereit es auszutesten.
Das europäische Umfeld erzwang die Spaltung Deutschlands und ließ
Wiedervereinigungsinitiativen zu rhetorischen und propagandistischen Spielen
verkommen.
Teilsouveränitäten waren nur für zwei deutsche Staaten jeweils getrennt zu
haben. Deutschland blieb Objekt der Politik der Siegermächte und war de facto
von außen gesteuert und beherrscht, auch wenn de jure Souveränitätsrechte
zurückgegeben worden waren.
Diese Souveränitätsrechte schlossen zwar das Recht zur Formulierung des
Wiedervereinigungsziels ein, nicht aber das Recht und die Möglichkeit der
tatsächlichen Wiedervereinigung.
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
Kompliziert ist die Frage der deutschen Mitwirkung an dieser
Entwicklung.
Während der Bevölkerung der DDR zugestanden werden muss, dass ihre Mitwirkungsrechte minimal waren und die SED gehorsam sowjetische Deutschlandpolitik betrieb,
hatte die westdeutsche Bevölkerung die Regierung Adenauer ja frei gewählt und
bestätigte diese nach 4 Jahren mit wesentlich höherem Stimmanteil.
Adenauers Zielkatalog besaß eine Rangordnung, in der das Doppelziel der nationalen
Einheit unter gleichberechtigter Partnerschaft im westlichen Bündnis zu Lasten der
Einheit ging.
Die Schöpfer des Grundgesetzes waren dagegen nicht bereit gewesen die Teilung
hinzunehmen und legten der neuen Republik ein Wiedervereinigungsgebot im
Grundgesetz auf. Die Regierung bemühte sich dagegen um mehr Souveränität, die sie
nur um den Preis der vertieften Spaltung Deutschlands erhalten konnte.
Das war ein Dilemma für die Regierung Adenauer, weil sie auch die Teile der CDU
einzubinden hatte, die die Wiedervereinigung sehr ernst nahmen. Für Adenauer selbst
war die Nachrangigkeit des Wiedervereinigungsziels wohl kein großes persönliches
politisches Problem.
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 Schwierig war der Alleinvertretungsanspruch für alle Deutschen, der
juristisch durch die Selbstdefinition der Nachfolge des Deutschen
Reiches erreicht wurde.
Dieser Rechtsstandpunkt ging auf Kosten des politischen Ziels, ja gerade eine
im moralischen Sinne neue, vom Hitler-Regime distanzierte Ordnung zu
versinnbildlichen.
Mit dem Alleinvertretungsanspruch und dem Anspruch auf Nachfolge war für
die fünfziger Jahre die Forderung nach der Wiederherstellung des Deutschen
Reiches in den Grenzen von 1937 verbunden.
Das musste als eine große Belastung für jegliche Form von ernsthafter
Ostpolitik wirken. Die DDR hatte die Oder-Neiße-Linie schon am 6. Juni 1950
als endgültig anerkannt.
Ob dies der Einstellung der Mehrheit der Bevölkerung in der DDR zu diesem
Zeitpunkt entsprochen hat, muss allerdings bezweifelt werden.
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 Der Anspruch der Bundesrepublik auf Wiedervereinigung Deutschlands
innerhalb der Grenzen von 1937 verlieh ihr aus östlicher Perspektive,
besonders Polens, den Makel einer revisionistischen Macht, die den
territorialen Status quo in Mittel- und Osteuropa ändern wollte.
Der westdeutsche Staat, ohne eigene Grenzen mit Polen, geriet mit dieser
Nachfolgerolle des Deutschen Reiches und dem Alleinvertretungsanspruch für alle
Deutschen in eine komplizierte außenpolitische Position.
Die Position war auf jeden Fall legal, sie war aber auch legitim, weil nur in der
Bundesrepublik eine freigewählte deutsche Regierung bestand und bestehen konnte.
Einen wirklich verbindlichen Territorialverzicht konnte letztlich nur ein gesamtdeutscher
Souverän aussprechen.
Territorialverzichte der Bundesrepublik und der DDR waren automatisch vorläufig und
politisch programmatisch, sie banden einen späteren gesamtdeutschen Souverän nur
politisch, nicht völkerrechtlich.
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