Ressourcennutzung im Mittelalter Mittelalter als Epoche • Mittelalter: die Epoche zwischen Antike und Moderne – Periodisierung in der Moderne entstanden zur Abgrenzung der Betrachtungshorizonte • von ca. 500 – 1500 n. Chr. – Mittelalter: längere Epoche als die Neuzeit Unterteilung des Mittelalters • Frühmittelalter: 6 – 10. Jahrhundert • Hochmittelalter: 11 - 13. Jahrhundert • Spätmittelalter: 14 u. 15. Jahrhundert Mittelalter als Epoche der Ressourcennutzung • aber wie alle historischen Epochen zur Gliederung der Veränderungen der Ressourcennutzung nur bedingt geeignet Mittelalter • Was assoziieren Sie mit dem Begriff? • Welche Entwicklungen für die land- und forstwirtschaftliche Ressourcennutzung erwarten Sie? Zuschreibungen an das Mittelalter • alle Zuschreibungen sind erst nach dem Mittelalter entstanden: Sie sind immer auch als historisches Gegenbild zur Neuzeit zu verstehen Interpretationen des Mittelalters Zentrale Interpretationsstränge: • „finsteres Mittelalter“ zur positiven Absetzung der Gegenwart • Leben der Menschen in soliden, festen Verhältnissen mit harmonischen und übersichtlichen Lebensentwürfen: Verlustzuweisung an die Neuzeit • aber auch Epoche von Neuerungen? Mittelalter als Aufbruchphase • „Agrarrevolution des Frühmittelalters“ • Mitterauer, M. (2003): Warum Europa? Mittelalterliche Grundlagen eines Sonderwegs, München. 4. Aufl. 2004 • Diamomd, Jared (2001): Arm und Reich. Die Schicksale menschlicher Gesellschaften, TB., 2. Aufl., Frankfurt, M. • aber „der Himmel hat etwas nachgeholfen“ • Zitiert von Le Goff, Jacques (2003): Die Geburt Europas im Mittelalter, München (Reihe: Europa bauen). S. 75 der Sonderausgabe von 2004 Was meint „Der Himmel hat etwas nachgeholfen“? Antwort: Eine für die Entwicklung günstige Veränderung des Klimas Klima und Umwelt 1 • nach vorausgegangener Klimadepression 400 – 600 n. Chr. – in Alpen Rückgang des Baumwachstums und Ausdehnung von Gletschern – Ausdehnung der Moore – Anstieg des Meeresspiegels – in der Summe: Einengung der Lebensräume • im 7. und 9. Jahrhundert Wiedererwärmung • Mittelalterliches Klimaoptimum (ca. 900-1300) – um das Jahr 1000 Temperaturen um ca. 1ºC höher als heute – Wikingersiedelung auf Grönland • in Grundperioden aber auch Phasen anderer Wetterlagen – um 750 u. nach 900 Phasen kälteren, wechselhaften Wetters – katastrophale Sturmfluten in England und Niederlanden Klima und Umwelt 2 • zwischen 1300 und 1500 Verschlechterung des Klimas – begleitet von starken Schwankungen – 1326 Abtrennung der friesischen Inseln vom Festland als Folge einer Sturmflut • ab Mitte 14. Jahrhundert Klimawende • zwischen 1550 – 1850 Kleine Eiszeit (Neuzeitliche Klimadepression) Ressourcennutzung im expansiven Mittelalter Früh- und Hochmittelalter 600 – 1300 n. Chr. Die Ausgangssituation Zwischen Völkerwanderung und neuen Entwicklungen Entwicklungszonen • Gebiet zwischen Seine und Rhein: das Kerngebiet der Franken • Rhein und Elbe/Saale: Sachsen und andere Germanen • Von der Elbe/Saale nach Osten: Slawen West-Ost-Entwicklungsgefälle Naturräumliche Situation • • • sehr unterschiedlich Siedlungskammern Ausgedehnte Wald- und Moorgebiete – Wald hatte Gebiete wiedererobert • – infolge von Bevölkerungsrückgang und abnehmenden Druck auf die Flächen Bevölkerungsrückgang im vorhergehenden Zeitraum • • ungünstige Umweltbedingungen Wanderungsprozesse (Ab- aber auch Einwanderungen) Karte: Naturräumliche Situation um 900 Entwickungsschub durch das Zusammenspiel verschiedener Faktoren Entwicklungszusammenhang • Entwicklungen in einer Zeitperiode sind nur aus dem Zusammenspiel paralleler Prozesse und vieler Faktoren zu erklären! – sektorale Betrachtungsweisen wie die nach den Veränderungen der länd- und forstwirtschaftlichen Ressourcennutzung stoßen schnell an Grenzen • Folge: Gliederungsprobleme der LV: – Wer war zuerst: Huhn oder Ei Veränderungen der landwirtschaftlichen Produktion Schlagworte der „Agrarrevolution“ • • • • • • „Vergetreidung“ Leitpflanzen: Roggen und Hafer „schwere Pflug“ Wassermühlen Geschirrentwicklung Dreifelderwirtschaft Vergetreidung 1 • bemerkenswerter Wandel gegenüber früheren Phasen: Landwirtschaft war vordem noch ganz überwiegend Viehwirtschaft Ausnahme: römische Landwirtschaft Ursachen der Vergetreidung • gestiegener Nahungsbedarf Vergetreidung 2 • Rückgang von Weideland – auch als Folge des Übergangs von der Zwei- zur Dreifelderwirtschaft • Rückgang der Waldflächen mit ihrer Funktion für die Viehhaltung – aber Ausbaus der Viehwirtschaft über längere Zeit fast in der Höhe des Bevölkerungswachstums • vorerst nur geringer Rückgang des Fleischkonsums – Bedeutung der Viehhaltung für die Dreifelderwirtschaft Aufstieg von Roggen und Hafer zu Leitpflanzen • Erklärungen: – Geschmack der neuen Herrn • aber Weizenmehl war nach wie vor in Oberschichten begehrt – bessere Eignung für Anbau auf marginaleren Standorten • sichere, höhere Erträge auf diesen Flächen • vordringen des Ackerbaus auf eben solche marginalere Standorte im Zuge der Binnenkolonisation Aufstieg von Roggen und Hafer zu Leitpflanzen • Weiterentwicklung dieser Pflanzen in der vorausgegangenen Phase der Klimadepression (Vermutung) • Zeitweise Ausdehnung des Dinkelanbaus – geht vermutlich auf ähnliche Ursachen zurück – regional beschränkt – als Spelzgetreide für neue Mahlsysteme weniger gut geeignet Einfluss des technischorganisatorischen Fortschritts Technisch-organisatorischen Fortschritts • Technische Entwicklungen • Organisatorisch-institutionelle Entwicklungen: Die Dreifelderwirtschaft Technische Entwicklungen Veränderungen der Anspannung 1 Anspannung von Pferden • erstes Auftreten im Frühmittelalter • weite Verbreitung seit dem Hochmittelalter – daneben aber weiter Anspannung von Ochsen (das „klassische“ Zugvieh) und Kühen Voraussetzungen: • Weiterentwicklung des Geschirrs – erst Jochgeschirre – dann Kummetgeschirre um 800 • 4 bis 5 Fache der bis dahin möglichen Kraftleistung Formen des Geschirrs Veränderungen der Anspannung 2 • Beschlagen der Hufe mit Hufeisen – erstes Auftreten in Gallien im 4. Jahrhundert – Verbreitung in der Landwirtschaft im Hochmittelalter • Eisen war teuer – Folge: neuer Beruf des Hufschmieds – parallel Kampf der christlichen Kirche gegen den Verzehr von Pferdefleisch Veränderungen der Anspannung 3 Folgen der Veränderung der Anspannung – und der Zunahme der Pferde für Kriegseinsatz (Panzerreiter) • Veränderung der Futterbereitstellung – Hafer – Heu • Durchsetzung der Sense bei Grasmahd und Getreideernte bis zum 14.Jahrhundert Veränderung der Pflugtechnik 1 • Verbreitung des Beetpfluges („schwerer Pflug“) – Zeitpunkt nicht genau datierbar • ausgehend vom Frühmittelalter – wendender Pflug: Voraussetzung für Intensivierung • größere Pflugtiefe • Wendung des Bodens – Vorteile bei Unkkrautbekämpfung • besser Wasserableitung Veränderung der Pflugtechnik 2 Folgen der technischen Veränderung: • Übergang zu Langäckern (Ackerstreifen) – Ablösung der zuvor vorherrschenden quadratischen Felder – Wölbäcker • unter Wald auch in der Nähe von Göttingen konserviert – Begleiterscheinung des Übergangs zu Ackerstreifen • Anpassung der Berechung der Zinsabgaben durch den Grundherrn an die neue Feldform (institutionelle Veränderungen) Ausbreitung der Wassermühle Horizontale Wassermühlen – seit 6. Jahrhundert – Typ: unterschlächtige Wassermühle • deutliche Verbesserung der vorhandenen Großoder Handmühlen • Feudalherrn sicherten sich das Eigentumsrecht an Gewässer – Mühlenbann • Folge: neuer Beruf Müller • entscheidender Entwicklungsschritt: Nockenwelle Organisatorisch-institutionelle Entwicklung Die Dreifelderwirtschaft Dreifelderwirtschaft 1 • im Kern der mittelalterliche Intensivierung der Agrarproduktion • Ziel: Steigerung der Getreideproduktion – durch eine auf Viehwirtschaft basierende Feld-Graswirtschaft • Unterschied: – Dreifelderwirtschaft – Dreizelgenbrachwirtschaft Dreifelderwirtschaft 2 Grundprinzip der Dreizelgenbrachwirtschaft: – Einteilung der ackerfähigen Flur eines Dorfes in drei oder x mal drei Teile (Zelgen) – Anbau des „Gewanns“ im festgelegten Wechsel • Winter-, Sommergetreide, Brache (zeitweise Weide) – daneben noch Allmende an Wald und natürlichem Grünland Beispiele der Dreizelgenbrachwirtschaft Dreifelderwirtschaft 3 • Voraussetzung: – Existenz der Dorfgemeinde: Verdorfung – Entstehung einer ortfester Siedlungsstruktur – Institutionen der Regelung und Durchsetzung der Bewirtschaftungspläne/Flurzwangs • zentrale Regelung von Anbau, Aussaat, Ernte und Auftriebsterminen – oft auch kein direkter Wegezugang zu den individuellen Flächen • Bewirtschaftung der individuellen Flächen in den Zelgen durch das jeweilige Hofpersonal Dreifelderwirtschaft 4 Durchsetzung der Dreifelderwirtschaft: • erste Dreifelderwirtschaften ab 8. Jahrhundert • erste Formen der voll entwickelten Dreizelgenbrachwirtschaft ab 10. Jahrhundert • stärkere Ausbreitung von Gewandflur und Flurzwang seit dem 12. Jahrhundert – Dreizelgenbrachwirtschaft vor allem auf Altsiedlungsland nachzuweisende Form des Ackerbaus • Durchsetzung parallel zu Steigerung der Nachfrage und Vergetreidung Dreifelderwirtschaft 5 • Dreifelderwirtschaft prägte bis in die Neuzeit die Agrarproduktion • die Auflösung dieses Bewirtschaftungssystem ein eigener komplexer Vorgang Wirkungen des Dreifeldersystems • Steigerung der Produktivität – um bis 50% • Einschränkung der Handlungsfreiheiten – nicht in das System passende Pflanzen müssten in speziellen Gärten angebaut werden • z. B. wichtige Textilrohstoffe: Lein, Hanf • auch Hopfen (Bierwürze) – erstmals im 9. jahrhundert in Bayern aus einheimischen Wildhopfen kultiviert – Einschränkungen der Handlungsfreiheiten werden unter schnell verändernden Marktverhältnissen zum Problem Allmende • Rechtsform von Gemeingut, Gemeinheit • Allmende: der Teil des Gemeindeflur, der der gemeinsamen Nutzung der Nutzungsberechtigten zur Verfügung steht • Nutzungsberechtigte: – alle Gemeindemitglieder oder – eingeschränkter Teil der Gemeindemitglieder • Entstehung parallel zur Verdorfung Andere Feldsysteme • Traditionelle Zweifelderwirtschaft – Wechsel Getreide und Brache – löste an verschiedenen Orten auch Dreifelderwirtschaft ab • Einfeldsystem – Eschwirtschaft: „ewiger Roggenanbau“ • durch Plaggendüngung Plaggendüngung 1 Plaggendüngung: • Entfernung des Oberbodens samt Heidekraut mit einer Hacke – Entnahmen wurden auch auf Waldböden ausgedehnt • Auslegung als Matten an Stelle von Einstreu in die Ställe • Düngung der Äcker (Esch) mit den Plaggen-StalldungGemisch • Wiederholung des Vorgangs alle fünf bis zehn Jahre auf der gleichen Entnahmefläche • Ursache für diese Düngungsart: die mineralische Armut der Böden (Sand) Plaggendüngung 2 Folgen: • starker Waldrückgang und Ausbreitung von Heiden in Norddeutschland • in weiten Teilen Norddeutschlands verbliebene Waldreste: „Inseln“ in einem Meer aus Heide – Amt Meppen 1780 nur noch 1,4 % Wald • frühe Versuche, diese Boden schädigende Wirtschaftweise zu unterbinden und die Flächen wieder aufzuforsten, wurden von den Bauern unterlaufen Grundherrschaft als gesellschaftliche Rahmenbedingung Bedeutung des Einflussfaktors • Einfluss der Herausbildung der Grundherrschaft auf die Ressourcennutzung ist kaum zu überschätzen – ein Beispiel zeigt sich beim Landesausbau – Grundherrschaft zwingt alle in der Landwirtschaft tätigen in ihren Bann Herausbildung der Grundherrschaft 1 • Grundherrschaft ein moderner Begriff – kommt so in den zeitgenössischen Quellen nicht vor • Grundherrschaft ist eine Form mittelalterlicher Herrschaft über Menschen – aber nur über solche, die an einem bestimmten Boden ansässig sind und daher von der Grundherrschaft erfasst werden Herausbildung der Grundherrschaft 2 Grundherrschaft: • neuer Entwicklungsfaktor • von zentraler Bedeutung • Ausbau der Grundherrschaft als Herrschaftsinstrument steht im Zusammenhang mit Staats- Gesellschaftsund Bevölkerungsentwicklung Herausbildung der Grundherrschaft 3 Grundherrschaft • „verleiht“ Land an Bauern zur selbstständigen Bewirtschaftung • begründet so ein grundherrlich-bäuerliches Rechtsverhältnis • für die Nutzung des „Leihlandes“ schulden die Bauern dem Grundherrn Abgaben und Dienste • Grundherrschaft begründet dem Anspruch nach eine Schutz-Treue-Leistungsverpflichtung Herausbildung der Grundherrschaft 4 Grundherrschaft muss durchgesetzt werden! • Grundherrschaft baut auf zwei Traditionen auf – der spätantiken Agrarverfassung (Pächtersystem) – der Agrarverfassung der Germanen • zwar waren die Menschen auf eigenen Hofstellen angesiedelt – sie mussten aber Abgaben für ihre Herrn entrichten • zweifache Wurzel – der von Bodeneigentum geprägten römischen Tradition – der von persönlicher Abhängigkeit dominierten germanischen Tradition Herausbildung der Grundherrschaft 5 • in einem langen politischen Prozess entstanden • zu einem Herrschaftsmoment eigener Prägung heran gereift • entfaltete sich im 6. bis 9. Jahrhundert im Frankenreich • formte sich allmählich zu einer umspannenden Grundstruktur mit verschiedenen Typen je nach regionalen Gegebenheiten Herausbildung der Grundherrschaft 6 Villikations- oder Fronhofverfassung – besondere frühe Form der Grundherrschaft – Auftreten hauptsächlich in den Kerngebieten des Frankenreichs – Entstehung im 7. u. 8. Jahrhundert • Fördernde Faktoren der Ausbreitung – für Getreideanbau geeignete Lößböden – gute geographische Voraussetzungen – starker Einfluss des fränkischen Königtums Herausbildung der Grundherrschaft 7 Villikationsverfassung als zweigeteilte Grundherrschaft: Fronhof - Hufenbauern • im Zentrum steht ein vom Grundherrn erbauter Fronhof • mit von ihm abhängigen Bauern Bewirtschaftung des Landes von • unfreien Hofgesinde • durch Arbeitsleistungen der Hufenbauern Herausbildung der Grundherrschaft 8 Hufe: • Leistungseinheit im Rahmen der Grundherrschaft • Normalausstattung einer zum Fronhof abhängigen aber selbstständigen Bauernstelle mit Ackerland und Nutzungsrechten an der Allmende • flächenmäßige Verhältnis von herrschaftlichem Salland und bäuerlichem Hufeland bestimmte die soziale Lage der Bauern – häufig Verhältnisse von 1:2 bis 1:4 – die Masse des Landes war an Bauern „ausgeliehen“ Herausbildung der Grundherrschaft 9 • Bauern bildeten mit den Hofknechten den Verband der Hofgenossenschaft („familia“) – die Rechte und Pflichten der einzelnen Personengruppen waren unterschiedlich • soweit nicht direkt vom Grundherrn bewohnt wurden Fronhöfe von Verwaltern bewirtschaftet Herausbildung der Grundherrschaft 10 • Villikationssystem diente zur unmittelbaren Versorgung des herrschaftlichen Haushalts mit Gütern des täglichen Bedarfs – daher auch differenzierte und nicht nur landwirtschaftliche Produktion • Back-, Brauhäuser, Webhütten, Kalkbrennereien • auch als „agrarpolitisches“ Instrument zur Durchsetzung von Veränderungen der Landwirtschaft von Karl. d. Großen genutzt Herausbildung der Grundherrschaft 11 • Größere Grundherrschaften: – vor allem des Königs und reicher Klöster – hatten mehrstufige Villikationssysteme aus Oberhöfen an der Spitze von Haupt- und Nebenhöfen – Beispiel Kloster Prüm: drei Oberhöfe Herausbildung der Grundherrschaft 12 Abgaben- oder Rentengrundherrschaften • neben Villikationen weitere Art der Grundherrschaft • Herrenhöfe bilden hier „nur“ die Sammelstellen der bäuerlichen Zinsabgaben Herausbildung der Grundherrschaft 13 • Gutswirtschaft: dritte Form der Grundherrschaft – Herrenhöfe, bewirtschaftet mit hofeigenen Gesindearbeitskräften – i. d. R. Mittelpunkt konzentrierter herrschaftlicher Ländereien etwa bei älteren Adelssitzen Grundherrschaften 1 Drei Typen 1. Grundherrschaft des Königs • in Frankenreich durch die Übernahme des römisch kaiserlichen Fiskallandes größter Grundbesitzer • erhob auch Anspruch auf weite Teile des unbesiedelten Landes • im Verlauf der Durchdringung ostrheinischer Gebiete hat sich sein Anteil weiter erhöht Grundherrschaften 2 • Ansätze einer Intensivierung der Verwaltung und Bewirtschaftung – berühmte Capitulare de villis • Reichsgut war in Fiskalbezirke aufgeteilt Grundherrschaft 3 2. Geistliche Grundherrschaft • Grundbesitz von reichen Klöstern wie der Reichsklöster (z. B. Fulda) – erstreckte sich über weite Gebiete • • bedurfte einer komplexen Verwaltungsstruktur Grundbesitz entstand u. a. auch aus großzügigen Schenkungen Grundherrschaft 4 3. Grundherrschaft des Adels • regional von unterschiedlicher Bedeutung • besonders in ostrheinischen Raum groß • starker Streubesitz – verursacht durch Praxis der Ansiedlung fränkischer Adelsfamilien in eroberten Gebieten – Teil der Herrschaftssicherung Veränderungen der Grundherrschaft 1 • Ausdehnung großer Grundherrschaften – – • als Lehen zur Landeskontrolle (östlich des Rheins) im Zuge der Rodungen im 9. u. 10. Jahrhundert Bildung von zusammenhängenden grundherrlichen Bannbezirken – – Bann: das Recht unter Androhung von Gewalt Gebote und Verbote durchzusetzen Ziel: • • – besondere Bedeutung: Gerichtsbann • – Zusammenhalt der Grundherrschaft zu stärken neue Einkünfte zu erschließen zwang alle im Bezirk ansässigen Personen vor das Gericht der Grundherrn Mühlenbann Veränderungen der Grundherrschaft 2 • Auflösung der Villikationssystems im Hochmittelalter (11.- 12. Jahrhundert) – ürsprünglich als Antwort auf geringe Marktverpflechtungen eingeführt • hatten hohes Maß an Autarkie bei starker Bindung bäuerlicher Arbeitskräfte (Frondienst) – mit der Entwicklung oder dem weiteren Ausbau der Märkte entfiel der Entstehungsursache – Unabhängigkeitsbestrebungen der „Meier“ Veränderungen der Grundherrschaft 3 • Ergebnis: – starke Reduktion grundherrlicher Eigenwirtschaften – Entstehung zahlreicher Kleingrundherrschaften (Lehen) – Segmentierung der Herrenrechte zwischen den einzelnen Ebenen – Umwandlung der Frondienste in Abgaben • im Zuge der Marktentwicklungen • Entlastung der Bauern von behindernden Fronden Veränderungen der Grundherrschaft 4 – Entwicklung einer leistungsfähigeren bäuerliche Landwirtschaft – deutliche Verbesserung der bäuerlichen Lebensbedingungen – große regionale Unterschiede Interpretation: Auflösung des Villikationssystems als Folge der Veränderung der ökonomischen Rahmenbedingungen Veränderungen der Grundherrschaft 5 • Entwicklung von einem Fron- und Abgabensystem hin zu einem mehr oder minder reinen Renten- oder Abgabensystem Landesausbau Landesausbau 1 • Beginn: noch unter den fränkischen Königen ab ausgehendem 7. Jahrhundert • Ursache Bevölkerungsanstieg • aber auch Herrschaftssicherung – Besiedlung der z. T. fast menschenleeren Gebiete östlich des Rheins • verschiedene Phasen: – Frühformen im 8. u. 9 Jahrhundert – Höhepunkt der mittelalterlichen Kolonisation im 12. u. 13. Jahrhundert Landesausbau 2 Landesausbau: Erweiterung der Wirtschaftsund Siedlungsfläche vor allem durch Waldrodung Erste Phase: Innerer Landesausbau • Ausdehnung bestehender Siedlung durch Erweiterungen oder ortsnahen Ausbau • Möglichkeiten waren dazu oft durch waldreiche Umgebung vorhanden Landesausbau 3 Äußerer Landesausbau • Neulanderschließung durch Gründung neuer Einzelhöfe und/oder neuer Siedlungen • Vordringen der Besiedlung durch Rodung und Landerschließung (Meliorationen) – von Tälern aus in die Mittelgebirge – in bis dahin nicht besiedelte Landschaften Landesausbau 4 Beispiele neu in die Besiedlung genommener Gebiete: • Magdeburger Börde und Saale-Ilm-Platte – bisher kleine Besiedlung • trotz fruchtbarer Böden wegen fehlender Oberflächengewässer • und Problemen bei Bodenbearbeitung – Besiedlung wurde auch aufgrund technischer Fortschritte möglich: • Pferdeanspannung • Beetpflug • Brunnenbau (vermutet) Landesausbau 5 • Land Wursten – zwischen Bremerhaven und Cuxhaven • Breite 8 - 9 km – Name: Ableitung von Wurten – nach Rückzug des Wattenmeeres im 7. und 8. Jahrhundert siedelten sich als bald wieder neue Dörfer und Gehöfte in der jungen Marsch an Landesausbau 6 • noch Land Wursten – Entstehung einer freien genossenschaftlich verfassten Bauernrepublik (bis 1525) – wegen der fortbestehenden und sich verschärfenden Hochwassergefahr mussten die Dorfwarfen im Laufe der Zeit erhöht werden – Anlage von Deichen ab 1200 Landesausbau 7 • Ursache für frühen Landesausbaus: Bevölkerungsanstieg • weiterer Landesausbau: Voraussetzung des Bevölkerungswachstums – zusätzlicher Landesausbau war für die Ernährung der Bevölkerung nicht unbedingt notwendig – Landesausbau erlaubte Personen, die in alten Siedlungsgebieten Heiratsbeschränkungen unterlagen, die Familiengründung Landesausbau 8 Träger des Landesausbaus • sind schwierig zu ermitteln setzen sich zusammen aus • bäuerlicher Eigeninitiative • grundherrliche Lenkung – vermutlich auch in Vergabe an „Subunternehmer“ • Rolle der Klöster wird neuerdings eher gering eingeschätzt Landesausbau 9 • generell erhob König Anspruch auf unbesiedelte Waldgebiete – eine Besiedlung wäre damit nur mit seiner Zustimmung möglich gewesen – aber hatte der König die Möglichkeit bzw. die reale Macht, „wilde“ Rodungen zu verhindern? • 827: erste Verbote von Rodungen mit ausdrücklichem Hinweis auf Nutzungsrechte der umliegenden Orte Die Expansion nach Osten Das war aber kein Niemandsland Die slawische Besiedlung des Raums bis zu Elbe und Saale Salwische Besiedlung Ostdeutschlands 1 • Teil der Ausbreitung der Slawen im 6. und 7. Jahrhundert über Osteuropa: – slawische Völkerwanderung • Voraussetzung: beginnend im 4. Jahrhundert hatte sich die germanische Besiedlung der Gebiete östlich und nördlich des thüringischen Stammesverbandes schrittweise verringert – germanische Völkerwanderung – weite Teile des heutigen Brandenburgs, Mecklenburgs und im östlichen Sachsen waren nur noch sehr dünn besiedelt Salwische Besiedlung Ostdeutschlands 2 • Besiedlungsrichtung entlang der Elbe flussabwärts aus Böhmen (auch ein ehemaliges Siedlungsgebiet der Germanen) – Siedlungsraum der Markomannen • Wanderung entlang der Elbe bis nördlich Madeburg • Von der Elbe – nach Osten bis zu den Havelseen um Brandenburg – nach Westen in das Saale-Elbe-Gebiet Salwische Besiedlung Ostdeutschlands 3 • weitere Wellen der slawischen Besiedlung erschließen ganz Ostdeutschland • Ostdeutschland Teil eines gesamtslawischen Siedlungsraums von der Wolga bis etwa zur Elbe-Saale-Grenze • Besiedlung Südost-Holstein • Vordringen der slawischen Besiedlung über die Elbe nach Westen in einer Schwächephase des Merowinger Reiches – ins Wendland – südlich von Unstrut und Helme – ins nordostbayerische Main-Regnitz-Gebiet Salwische Besiedlung Ostdeutschlands 4 • Ansiedlung i. d. R. zuerst entlang der Flusstäler und Seenketten • zu Beginn keine Besiedlung der Mittelgebirge und Endmoränenzüge (z. B. Fläming) und der großen Waldgebiete • Agrargesellschaft eines ähnlichen Entwicklungsniveaus wie bei Germanen • auch Nutzung der vordem germanisch gerodeten und kultivierten Flächen Salwische Besiedlung Ostdeutschlands 5 • Bildung einer Vielzahl von Stämmen • mehrstufiges Gesellschaftssystem mit großen Stammesburgen, sowie kleine und mittelgroßen Adelsburgen – z. T. Niederungsburgen mit massiven HolzErd-Wall Umfriedungen • Adelsburgen: Mittelpunkt kleinräumiger Siedlungskammern u. -landschaften Salwische Besiedlung Ostdeutschlands 6 • im längeren Siedlungsprozess sind z. T. große Siedlungsgebiete entstanden die selbst wiederum von ausgedehnten Wäldern umgeben waren • Zunahme der Siedlungsverdichtung mit der Zeit (slawischer Landesausbau) – Orte wischen 35 und 50 Einwohner in frühen wuchsen auf 100 bis 140 in späteren Entwicklungsphasen Salwische Besiedlung Ostdeutschlands 7 • Art der Bebauung: Blockhäuser z. T. auch als Gruppenhäuser • kaum Nebengebäude – keine Ausbildung einer auf Gehöften beruhenden Wirtschaftsweise • aber auch Entwicklungen von Städten Salwische Besiedlung Ostdeutschlands 8 • Zentraler Werkstoff Holz – Burgen- und Siedlungsbau – Rohstoff für Eisenverhüttung • steigender Bedarf an Siedlungsflächen • Ausdünnung der Wälder vor deutscher Ostexpansion Grenze der slawischen Besiedlung 1 • Errichtung der Saale-Elbe-Grenze durch die Franken – nach Unterwerfung des Thüringer Reiches – die nachfolgende Einbindung der Gebiete West der Grenze in den Reichsverband führte zu einer deutlichen Reduktion der thüringischen Siedlungen östlich dieser Grenze • schrittweise und friedliche Einwanderung von Slawen in die aufgelassenen Gebiete Grenze der slawischen Besiedlung 2 • Versuch der Schaffung einer festen Grenze durch die Franken seit dem 8. Jahrhundert entlang der Elbe, der Saale, des Böhmerwaldes und der Donau – Limes Saxoniae in Schleswig-Holstein • die slawischen Volksstämme westlich dieser Grenze wurden in den fränkischen Feudalstaat integriert – durften aber ihre sprachlich und kulturellen Eigenheiten bewahrten (oft über Jahrhunderte) Hochmittelalterliche Ostsiedlung Hochmittelalterliche Ostsiedlung 1 • veränderte das Gebiet zwischen Elbe und Saale und der Oder bzw. z. T. darüber hinaus (z. B. Pommern) tief greifend • machte die Räume erst „deutsch“ • Prozess erstreckte sich über mehrere Jahrhunderte • verstärkte sich im 12. und 13. Jahrhundert Hochmittelalterliche Ostsiedlung 2 • Siedlung nach Aufforderung durch slawische Fürsten – Versuch, Einnahmen zu steigern • Siedlung nach deutscher Eroberung • Durchführung der Siedlung mittels so genannter „Lokatoren“ – Siedlungsunternehmer, die im Auftrag der Grundherren die Siedlung durchführten • Entlohnung z. T. mit Großhöfen (3-4 Hufen), Mühlenrechten und Zinseinnahmen Hochmittelalterliche Ostsiedlung 3 • Umfang der Besiedelung: im 12. und 13. Jahrhundert jährlich ca. 200.000 Menschen • Ursprungsregionen: Niederlande, „Franken“, „Sachsen“ Thüringen und „Bayern“ • Anlage neuer Bauerndörfer • aber auch Umwandlung slawischer Siedlungen • Vermischung der Bevölkerung – auch im Fall der slawischen Volksinsel der Sorben Hochmittelalterliche Ostsiedlung 4 • Rodungen sind Schwerstarbeit • Anwerbung von Siedlern mit besserem Besitzrecht – u. a. geringer Umfang der Frondienste • und persönlicher Freiheit – „Rodung macht frei“ Ergebnis der hochmittelalterlichen Ostsiedlung • Ende der Selbstständigkeit der Slawen im 12. Jahrhundert in diesem Raum • Aufgeben in der neuen, bunt gemischten Bevölkerung – darunter viele Menschen aus den Niederlanden • Experten der Entwässerung • heutige Menschen sind auch Erben und Nachfahren der Slawen Ergebnis des Landesausbaus 1 • Verwandlung des Bildes der mitteleuropäischen Kulturlandschaft in einem Ausmaß, wie es seit dem nur noch in der Epoche der Industrialisierung während der 19. – 20 Jahrhunderts geschah Werner Rösener Ergebnis des Landesausbaus 2 • Landesausbau durch Siedlungen – um 1400 „Siedlunggipfel“:150 000 Siedlungen – davon wurden bis heute ca. 20 % wieder aufgegeben • aus Rodungsinseln in einem Waldmeer zu Beginn des Mittelalters waren Waldinseln in der landwirtschaftlichen Flur im Hochmittelalter geworden – mit Folgen für Holzversorgung, Viehwirtschaft und gewerbliche Produktion (Holzkohle) Das Problem der Waldrodungen Nutzungskonkurrenz zwischen Forst- und Getreideproduktion Die Leistungen des Waldes • für die Agrarproduktion • für die Gewerbeproduktion Beitrag des Waldes zur Agrarproduktion Wald in der traditionellen Agrarproduktion 1 • Wald war integrierter Bestandteil der landwirtschaftliche Produktion • noch vor Holz und Brennmaterial stand die Funktion des Waldes als „Nährwald“: Wald in der traditionellen Agrarproduktion 2 • Schweinemast aus Eicheln und Bucheckern (d. h. in ausgesuchten Wäldern) – nach Aneignung des Waldes durch die Grundherrn (Mittelalter): • Regelung der Waldmast bis in kleinste Details („Schweinemeister“) • Dechelgeld (Pachtpreis für Schweineeintrieb) • Wald als Weide von Rindern, Pferden, Schafen und Ziegen – erfolgte in allen Arten von Wäldern (auch in Nadelwäldern) – Waldweide wurde wegen Verbiss- u. Trittschäden an Bäumen später sehr kritisch beurteilt Wald in der traditionellen Agrarproduktion 3 • Wald als Produzent von Futter – „schneiteln“ • Wald als Produzent von Einstreu – Laubstreu: Stroh war (Winter-) Futter • Zunahme besonders mit dem Übergang zur Stallhaltung zur Mitte des 18. Jahrhunderts und mit Aufkommen des Kartoffelanbaus und von Handelsgewächsen • Wald als Lieferant von Plaggen Wald in der traditionellen Agrarproduktion 4 • Waldfeldbau – eine landwirtschaftliche Zwischennutzung – Niederwaldwirtschaft: alle 20 – 30 Jahre werden die Jungbäume gefällt – die „Stöcke“ der Bäume treiben nach einigen Jahren neu aus – in der Zwischenzeit wird Getreide (Hafer, Roggen) auf den Waldflächen und zwischen den Stöcken angebaut – durch „Haubergswirtschaft“, “Reuteberge“, „Birkenberg“ „Schiffelland“ • starke Ausdehnung im 17. Jahrhundert • erhalten bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts Wald in der traditionellen Agrarproduktion 5 • Waldbienenzucht: „Zeidelweide“ – Hönig als Süßungsmittel und als Rohstoff für Kerzen, Schreibtafeln, Siegelwachs u. a. von großer Bedeutung – Zeidler, ein eigener Beruf, betrieben Waldbienenproduktion – gegen Entgelt für die Nutzung des Waldes – Anlage von Kunsthöhlen („Beuten“) für die Bienen • Aushöhlen der „Beutenbäume“ führt zu deren Absterben • Fällen der „Beutenbäume“ war strengstens untersagt Wald in der traditionellen Agrarproduktion 6 • Einnahmen aus Zeidelweide überstiegen „nicht selten“ sämtliche anderen Waldeinnahmen • Niedergang der Waldbienenwirtschaft Ende des Mittelalters aus Mangel an entsprechenden großen Bäumen – Verlagerung der Honigproduktion auf Imker – aber noch 1740 im Nürnberger Reichswald 50 spezielle Zeidlergüter Wald in der traditionellen Gewerbeproduktion 1 • Lieferant von Bauholz – vor allem auch für Städte • Lieferant von Brennholz – mengenmäßig größer als der Bauholzbedarf • Unter der Annahme von 1,5 bis 2 m³ Brennholz je Bürger • Holzkohle für die Produktion von Eisen – spezialisierter Beruf: Köhler Wald in der traditionellen Gewerbeproduktion 2 • Wald als Lieferant von Harz – Harz als wichtiger Grundstoff zur Herstellung von Pech – Gewinnung des Harzes durch anschneiden von Kiefern und Fichten („Ablaufwinkel“) – Verarbeitung in Pechöfen – eigenes Gewerbe: „Pecher“ – vor allem in Wäldern anzutreffen, die nicht auf andere Art zu nutzen waren (Pechsieder, Teerschwelger) – Pech/Teer notwendig zum Abdichten von Booten, zum Schmieren der Wagenräder, Kampfmittel usw. Wald in der traditionellen Gewerbeproduktion 3 • Rinde der Linde lieferte Bast („Sisal“ des Mittelalters“) • Rinde von Eichen und Fichten wurde als Grundstoff des Gerbens benötigt Wald in der traditionellen Gewerbeproduktion 4 Beispiel Glasherstellung • generell hoher Bedarf an Holz • seit dem 14. Jahrhundert wurden in den großen Waldgebieten von Schwarzwald, Bayrischen Wald usw. Glashütten errichtet – Glashütten wanderten nach „Fressen des Waldes“ dem Holz nach Wald in der traditionellen Gewerbeproduktion 5 • Aschenbrenner lieferten Pottasche zur Herstellung von Glas – über die Pottasche wurde das für die Glasherstellung notwendige Kali gewonnen – Rohstoff verschlingender Prozess: von einem m³ Holz blieben nur 0.05 bis 1.5 Tausendstel Volumen Pottasche übrig – Verbrauch von Holz für Pottascheherstellung überstieg den für Hausbrand Wald in der traditionellen Gewerbeproduktion 6 • Immenser Anstieg der Glasnachfrage durch Entwicklung des Kreuzrippengewölbes – Kennzeichen der aufkommenden Gotik • ab 1140 – Bauform mit dünneren Wänden, größeren Höhen und stark ausgedehnten Fensterflächen Wald in der traditionellen Gewerbeproduktion 7 Beispiel Salzgewinnung • Holzbedarf – allein für die Pfannenheizung der Saline in Lüneburg mussten pro Jahr 14-17 km² Holz eingeschlagen werden (bei heutigen durchschnittlichem Holzvorrat des Waldes) • mit verantwortlich für Bildung von Heidelandschaften – als1616 die Wälder um Berchtesgaden für die Salzproduktion von Reichenhall aufgebraucht waren, baute man eine hölzerne Soleleitung zu den Wäldern nach Traunstein • es war leichter, die Sole zu transportieren als das Holz Wald in der traditionellen Gewerbeproduktion 8 • Holztransport über Bäche und Flüsse – zum Teil dafür besonders ausgebaut • • bis zum 17. Jahrhundert wurde vor allem Schwachholz /Schnittholz bis an den Mittelrhein geflößt Wachsender Holzbedarf in Holland und auch England nach starken Stammholz führten zum Ausbau der Flößerei bis in das 19. Jahrhundert Maßnahmen gegen den Raubau 1 • Holznachwuchs soll bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts in etwa ausgereicht haben, den Bedarf zu decken • schon früh unterstützt durch institutionelle Versuche, die Holznutzung zu steuern – etwa durch Einschränkung der Nutzung • u. a. durch Karl d. Großen – Gebote für jede entnommene Eiche/Buche einen neuen Baum zu pflanzen Maßnahmen gegen den Raubau 2 • 1380 Entwicklung des Verfahrens, Tannen, Kiefern und Fichten zu säen, durch einen Nürnberger Ratsherrn • Bruch auch mit der Tradition, Fichten oder Kiefern als wertlose Bäume zu betrachten, deren Rodung Gott erfreute – Wertlos, weil sie nicht „fruchten“ Maßnahmen gegen den Raubau 3 • Maßnahmen zum Schutz der Wälder werden erst mit der Duschsetzung von Eigentumsrechten an Wald möglich – ein Konflikt beladener Prozess • führte noch im Bauernkrieg 1524-26 zu Forderungen der Bauern nach Wiederherstellung ihrer alten „Gemeinfreiheiten“ am Wald – Gemeinfreiheiten: Gewohnheitsrecht sich frei am Wald zu bedienen Maßnahmen gegen den Raubau 4 • warum ist trotz des Raubbaus an den Wäldern in Mitteleuropa keine solche Entwaldung eingetreten wie in den Mittelmeerländern? • Ist dies damaligen den Schutzbemühungen zuzuschreiben? • die entscheidende Ursache: ein Wald freundlicheres Klima in Nordeuropa Wald am Ende des Hochmittelalters • durch Rodung und Übernutzung war der Wald in Umfang und Zustand massiv eingeschränkt und belastet Literatur zu Waldentwicklung 1 • Hasel, Karl u. Schwartz, Ekkehard (2002). Agrargeschichte. Ein Grundriss für Studium und Praxis, Remagen • Plochmann, Richard (1983): Mensch und Wald. In: Stern, Horst u. a. Rettet den Wald, München, S. 175 – 222 • Palla, Rudi (1995): Verschwundene Arbeit. Ein Thesaurus der untergegangenen Berufe. Frankfurt/M. Literatur zu Waldentwicklung 2 • Bode, Wilhelm u. Hohnhorst, Martin von (2002): Waldwende. Vom Försterwald zum Naturwald, 4. Aufl., München • Küster, Hansjorg (1998): Geschichte des Waldes. Von der Urzeit bis zur Gegenwart, München Entwicklung der Dörfer Verdorfung Verdorfung • Entstehung von Dörfern als typische ländliche Siedlungstypen im Mittelalter • Entwicklung einer charakteristischen Form dörflicher Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft im Hoch- u. Spätmittelalter Charakteristische Züge des Dorfes • Gemeinsam angelegte und genutzte Einrichtungen (Infrastruktur) • Gemeinsam geregelte wirtschaftliche und rechtliche Angelegenheiten – Beispiel: dörfliche Flurordnungen • Geregelt durch – Dorfvorsteher – Dorfgenossenschaft • später auch durch schriftliche Dorfordnungen Dörfer und Grundherrschaft • Dörfer (fast) immer Teil einer Grundherrschaft • daneben vereinzelt Reichdörfer – reichsunmittelbare Orte, die kleiner Leibeigenschaft oder keinen Frondiensten unterworfen waren – zahlten nur Reichssteuern – im 14. Jahrhundert rd. 100 solcher Dörfer Dorfformen • nicht planmäßige oder planmäßige – planmäßige Anlagen im Landesausbau • Größe und Gestalt je nach naturräumlichen Bedingungen und Entstehungszeit • Vielfalt – Haufendorf: am meisten verbreite Dorftyp Soziale Struktur in den Dörfern • Sozial Schichtung nach Besitz und Einkommen – deutliche Grenzen zwischen Gruppen in den Dörfern Entwicklung der europäischen Städte Ein weiteres Kennzeichen des Mittelalters Entwicklung der Städte 1 • im Zuge des Bevölkerungswachstum und des Ausbaus der Wirtschaft aus Märkten entstanden, wiederbesiedelt oder neu gegründet – regionale Voraussetzung: Abklingen der Normannenüberfälle • Gründungen von Landesherrn zum Ausbau ihrer Herrschaft – 1120 Freiburg Entwicklung der Städte 2 • seit Mitte des 11. Jahrhunderts werden Siedlungen, die sich von den agrarischen Lebensformen des Umlands abheben, als Stadt bezeichnet • Verleihung von Stadtrechten • Entwicklung in und gleichzeitig am „Rande“ der Feudalenordnung • Sonderkonditionen: – Steuern, Abgaben – Marktrechte Entwicklung der Städte 6 • Bevölkerung aus Handwerkern, Händlern • Monopolisierung des Handwerks in Zünften – auch Abgrenzung zum „groben“ Dorfhandwerk • letzteres zur alltäglichen Versorgung der Dorfbevölkerung – aber weiterhin ländliche überregional agierendes Gewerbe • z. B. auf Erzabbau beruhende Produktion Entwicklung der Städte 3 • Durchsetzung deutlich besserer Freiheitsrechte in Städten • zum Teil in kriegerischen Auseinandersetzungen mit Grundherrn erkämpft • z. B. Schlacht bei Worringen 1288: Bürger Kölns u. a. gegen den Erzbischof von Köln Entwicklung der Städte 4 • Stadtluft macht frei – Jeder Leibeigene, der „Jahr und Tag“ in einer Stadt verbrauchte, ohne von seinem Herrn zurückverlangt zu werden, wurde als freier man in die Stadt aufgenommen“ Entwicklung der Städte 5 • Stadtökonomie: Import von Lebensmittel und Rohstoffen – Export von Fertigprodukten des Handwerks • Land als Rohstofflieferant • Entstehung des politischen und ökonomischen „Land-Stadt-Verhältnisses“ – oft Land-Stadt-Gegensatz interpretiert – Stadt als „Gegenpart“ des Dorfes Entwicklung der Städte 7 • Nahrungsversorgung der Stadt vom Land • Eigenproduktion von Nahrungsmittel in der Stadt insgesamt nur von geringer Bedeutung – aber große „Bedeutung“ für Leben in der Stadt • Schweinehaltung u. a. beruhend Abfällen aus der Kloake der Stadt: den Straßen • auch Kuhhaltung selbst in den größeren Städten – Handel mit Lebensmitteln auch über große Entfernungen (Beispiel Fernhandel um 1500) Entwicklung der Städte 5 • Zentral Aspekt: Übergang von einer Selbstversorgungswirtschaft zu einer an Märkten orientierten – wie vor knapp einem Jahrtausend in den römischen Provinzen Entwicklung der Städte • Lebenserwartungen in den Städten geringer als in Dörfern • Demographisches Grundproblem: Städte waren im Mittelalter immer auf Zuzug vom Land zum Erhalt ihres Bevölkerungsumfangs angewiesen Folgen der Bevölkerungsentwicklung • Landesausbau • Stadtentwicklung – und damit u. a. Veränderungen der Wirtschaftsstrukturen • Änderung in der landwirtschaftlichen Produktion – „Vergetreidung“ Die Entwicklung der Sozialstruktur Sozialstruktur 1 • gestaffelt nach Geburtsstand und Rang – erschließt sich aus den Festlegungen der alemannischen Volksrechte des 6. u. 9. Jahrhunderts über Wergeld (Bußezahlungen) • Freie unterteilt nach gering-, mittel- und reichbegüterten • darin enthalten auch der Adel – ab 8. Jahrhundert allerdings Sonderstellung • abgeleitet von dem Besitz von Herrenhöfen und Verfügung über zahlreiches unfreies Hausgesinde Sozialstruktur 2 – in der gesamten Zeit Rückgang der Freien – aber freie Bauern mit kleineren Hofstellen im Frühmittelalter noch keineswegs ganz verschwunden • unfreie Knechte und Mägde auf den Herrenhöfen – zu ungemessenen Diensten zu jeder Zeit in der Fronhofwirtschaft verpflichtet Sozialstruktur 3 • bäuerliche und handwerkliche Tagewerker – mit der Zeit mit eigenen Hofstellen ausgestattet • behauste Unfreie: Masse der hörigen bäuerlichen Bevölkerung – betriebliche Ausstattung unterschiedlich: Beispiele: Knechthufen, Litenhufen (minderfreie Hintersassen), Vollhufen und deren Mehrfaches Sozialstruktur 4 • im Zeitablauf rechtliche Angleichung – freie Bauern gerieten zunehmen unter den Einfluss von Grundherren – „Hintersassen“ immer stärker unter das Hoferecht Sozialstruktur 5 • statische Gesellschaft mit nur vereinzelter sozialer Dynamik – vereinzelt • über Kirchen, Kloster etc. • Flucht in die Stadt • Siedlung • Grenzen in der Gesellschaft gottgewollt – Paradox: sozialer Ausstieg wäre zwar im Fall des Gelingen der Willen Gottes aber gleichzeitig die Missachtung der von Gott gesetzten Grenzen Ernährung • im Hochmittelalter ernährte sich Breite Masse der Menschen fast ausschließlich von Getreide – Form von Brei, Brot oder Mus – Hungersnöte waren keine Seltenheit • Nahrungskonsum stark vom sozialen Stand geprägt – Fleischkonsum: Speise der Wohlhabenden • Verbot von Fleisch und anderem Konsum an rd. 150 kirchlichen Fastentagen im Jahr Ernährung • Ernährung war grundsätzlich immer gefährdet – geringen Ernteüberschüsse in Normalzeiten – unregelmäßig wiederkehrende regionale „Teuerungen“ des Grundnahrungsmittels Getreide – Hungersnöte als reale Erfahrung Bevölkerungsentwicklung Bevölkerungsentwicklung 1 • starke Bevölkerungsverluste in Mitteleuropa vom 4. – 7. Jahrhundert – verursacht vor allem durch die Pest 541 - 545 • um 500 lebten bei 2,2 Menschen/km² auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik rund 5 600000 Einwohner • seit der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts deutlicher Bevölkerungsanstieg • um 1000 ca. 4 Mio. Einwohner in Mitteleuropa Bevölkerungsentwicklung 2 • im 10. Jahrhundert u. a. durch kriegerische Einfälle (Wikinger, Ungarn) Stagnation von Wirtschafts- und Bevölkerungsnetwicklung • in der Blühte des 11 – 13. Jahrhundert Wachstum der Bevölkerung um das Zweibis Dreifache • Bevölkerung um 1250: etwa 11-15 Mio. Lebenserwartung • Durchschnittliche Lebenserwartung 30 – 35 Jahre – Säuglingssterblichkeit stieg von rd. 20% im Frühmittelalter auf ca. 30 % im Spätmittelalter – rd. 50 % der Kinder und Jugendlichen erreichte das 20. Lebensjahr nicht – wer älter wurde, wurde im Durchschnitt fast 50 Jahre alt Situation am Ende des Hochmittelalters • Land- und forstwirtschaftliche Ressourcennutzung – nach starkem Bevölkerungswachstum • und trotz Anpassung de Ernährung: Getreidebrei – sowie Zunahme der gewerblichen Nachfrage ausgedehnt bis an die damaligen Grenzen de Möglichkeiten! • Grenzen der Entwicklung werden sichtbar – z. B. die einer weiteren Bevölkerungszunahme Literatur 1 • Beck, Rainer (1993): Unterfinning. Ländliche Welt vor Anbruch der Moderne, München • Freden, U. v. u. Schnurbein, S. v. (Hg.) (2003): Spuren der Jahrhunderte. Archäologie und Geschichte in Deutschland, Stuttgart • Hägermann, Dieter u. Schneider, Helmuth (1997): Landbau und Handwerk 750 v. Chr. Bis 1000 n. Chr., Propyläen Technikgeschichte, Bd. 1, Berlin Literatur 2 • Henning, Friedrich-Wilhelm (1994): Deutsche Agrargeschichte des Mittelalters 9. bis 15. Jahrhundert, Stuttgart • Henning, Friedrich-Wilhelm (1979): Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft in Deutschland, Bd. 1: 800 – 1750, Paderborn u. a. O. Literatur 3 • Herrmann, Klaus (1985): Pflügen, Säen, Ernten. Landarbeit und Landtechnik in der Geschichte, Deutsches Museum, Kulturgeschichte der Naturwissenschaften und der Technik, Reinbek • Jankrift, Kay Peter (2003): Brände, Stürme, Hungersnöte. Katastrophen in der mittelalterlichen Lebenswelt; Ostfildern Literatur 4 • Küster, Hansjorg (1999): Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa. Von der Eiszeit bis zur Gegenwart, München • Küster, Hansjorg (1998): Geschichte des Waldes. Von der Urzeit bis zur Gegenwart, München Literatur 5 • Lamb, H. H: (1994): Klima und Klimageschichte. Der Einfluss des Wetters auf den Gang der Geschichte, Reinbek • Le Goff, Jacques (2003): Die Geburt Europas im Mittelalter, München (Reihe Europa bauen). • Mitterauer, M. (2004): Warum Europa? Mittelalterliche Grundlagen eines Sonderwegs, München Literatur 6 • Rexroth, Frank (2005): Deutsche Geschichte im Mittelalter, München • Rösener, Werner (1992): Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter. Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 13, München Literatur 7 • Rösener, Werner (1997): Einführung in die Agrargeschichte, Darmstadt • Märtl, Claudia (2006): Die 1001 wichtigsten Fragen – Mittelalter, München Exkurs Wikinger und Grönland Beispiel: für Zusammenhang von Klima und Ressourcennutzung Klimawechsel an der grenze zum Spätmittelalter Mythos Wikinger • Was assoziieren Sie mit den Wikingern? • Welche Vorstellungen über die Ressourcennutzung leiten sich daraus ab? Realität Wikinger 1 • • • • Bauern Seefahrer Krieger / Räuber Händler – große Nachfrage nach Luxusgütern aus dem Orient – geringes Angebot eigener Waren • darunter vieler Sklaven Realität Wikinger 2 • keine ethisch geschlossene Gruppe – viele unterschiedliche Stämme • auch untereinander verfeindet • Herkunft aus Skandinavien Wikinger und Deutschland? Was haben sie miteinander zu tun? Wikinger in Deutschland • Haithabu: wichtige Handelsort der Wikinger lag an der Schlei bei Schleswig • „Danewerk“ schützte dänisches Wikingerkönigreich quer durch SchleswigHolstein in Höhe von Schleswig vor Angriffen aus dem Süden (Franken) Expansion der Wikinger • Wikingerzeit von 793 bis 1066 – 793 erster verbriefter Überfall der Wikinger – 1066 Niederlage eines Wikingerheeres in England – Zerstörung von Haithabu durch Truppen des benachbarten slawische Königreiches • Im Südosten Schleswig-Holsteins Ursachen Expansion Wikinger • Teil der Völkerwanderung • Ursachen aber umstritten: – Klimaverschlechterung – Überbevölkerung mit Verknappung landwirtschaftlicher Ressourcen – technische Möglichkeiten (Schiffbau und Steuerung über Segel, Trockenfisch) – landwirtschaftliches Erbrecht: erstgeborenen Recht Einwanderungen • England • Normandie (Normannen) • Island 870 – Getreidebau bis zur Aufgabe im späten Mittelalter • Grönland: 986 • Vinland: Nordamerika – nur für wenige Jahre Wikinger in Grönland • „Grünland“: auch eine PR-Maßnahme • Temperaturen mindestens wie in der Gegenwart • aber immer wechselhaft, windig, nebelig und kühl • 2 Siedlungen – Ostsiedlung: 190 Höfe – Westsiedlung: 90 Höfe • Viehzucht • Untergang – Westsiedlung nach 1342 – Ostsiedlung nach 1377 Ursachen für Scheitern • Klimaverschlechterung • Krankheiten • Inzucht – nur geringe Verbindung zum „Mutterland“ • möglicherweise Konfrontation mit eingewanderten Menschen der Thulekultur (Vorläufer heutigen Inuit) • keine Adaption der Überlebensstrategien der Menschen der Thulekultur Literatur zu Wikinger in Grönland • Diamond, Jared (2005): Kollaps. Warum Gesellschaften überleben oder untergehen, Frankfurt, M., S. 225 - 345 • Magnusson, Magnus (2003): Die Wikinger. Geschichte und Legende, Düsseldorf u. Zürich • Reichholf, Josef H. (2007): Eine kurze Naturgeschichte des letzten Jahrtausends, Franfurt,M, S. 277ff Literatur zu Wikinger in Grönland • Simek, Rudolf (1998): Die Wikinger. Beck´sche Reihe Wissen, München