Vergleich der transpalpebralen Tonometrie (TGDc-01) mit der Applanationstonometrie nach Goldmann bei glaukomerkrankten Patienten H. Landenberger 1, Dr. M. Eichner 2, Prof. Dr. N. Stübiger 3, Dr. H. Specht 4, Priv.-Doz. Dr. T. Schlote 1 1) Universitäts-Augenklinik, 72076 Tübingen; 2) Institut f. medizinische Biometrie, 72076 Tübingen, 3) Fachhochschule 73430 Aalen, 4) Universitäts-Augenklinik; 69120 Heidelberg Einleitung Als Referenzmethode zur Bestimmung des Augeninnendruckes wird im europäischen und amerikanischen Raum die Applanationstonometrie nach Goldmann angesehen. Mit dem TGDc-01-Gerät steht seit kurzem eine Möglichkeit zur transpalpepralen Tonometrie als Alternativmethode zur Verfügung. Während bei der Applanationstonometrie nach Goldmann eine Positionierung des Patienten vor dem Spaltlampenbiomikroskop notwendig wird, kann mit dem TGDc-01 weitgehend unabhängig von der Lage des Patienten gemessen werden. Voraussetzung ist, dass das Gerät in 45 Grad zur Blickrichtung des Patienten senkrecht auf das Oberlid aufgesetzt werden kann. Zudem wird bei dieser Messung die Gabe eines Lokalanästhetikums überflüssig und die iatrogene Infektionsgefahr auf die Gefahr einer Kontaktinfektion am äußeren Oberlid beschränkt. In der hier vorliegenden Studie sollte untersucht werden, ob die Bestimmung des Augeninnendruckes mit dem TGDc-01 hinsichtlich ihrer Messgenauigkeit der GoldmannApplanationstonometrie vergleichbar erscheint. Die Messungen wurden dabei auf Augen mit einer Glaukomerkrankung beschränkt. Material und Methoden Gemäß dem von der Ethikkommission der Universität Tübingen genehmigten Studienprotokoll (Aktenzeichen 21/2003V) wurden Patienten aus einer aktuellen Behandlung in der Universitätsaugenklinik Tübingen rekrutiert. Dabei wurden die folgenden Ein- bzw. Ausschlusskriterien angewandt: Fortsetzung Ausschlusskriterien: • anzunehmende fehlende Mitarbeit (Compliance) • Patienten mit möglicherweise vorhandenen oder bekannten Einschränkungen in der Einwilligungsfähigkeit zur Studie • Hornhautnarben Einschlusskriterien: • Patientenaugen, welche anamnestisch an einer Glaukomform leiden, oder bei denen eine „okuläre Hypertension besteht“ • Mögliche Voroperationen: filtrierende Eingriffe nach abgeschlossener Wundheilung, Kataraktoperation (i.d.R. nach clear cornea-Zugang) • Hornhautastigmatismus Astigmatismus > 2,0 dpt, irregluärer • Schwangerschaft • Myopia per magna (Achsenmyopie) > 10 dpt • „Blaue Skleren“ / Skleraatrophie • Z.n. Lidoperationen Ausschlusskriterien: • Alter unter 18 Jahren • Teilnahme an anderen Studien innerhalb der letzten 2 Monate vor Studienbeginn • Sonstige Voroperationen, außer Einschlußkriterien genannten. den in den Die Messungen erfolgten an 185, an einer Glaukomform erkrankten Augen von 102 (52 weiblichen und 50 männlichen) Patienten. Das Alter dieser Patienten betrug zwischen 19 und 94 Jahren (Weibliche: 67,8 +/-15,2 Jahre; Männliche: 60,6 +/- 15,3 Jahre). Alle Messungen wurden durch den gleichen Untersucher nach einem festgelegten Protokoll und gemäß den Herstellerangaben nach Absolvierung einer Lernphase an 40 Augen und Einweisung durch den Importeur durchgeführt. Jedes Auge wurde innerhalb weniger Minuten nach einer zufällig bestimmten Reihenfolge mit dem jeweiligen Verfahren gemessen (10 Messungen mit dem TGDc-01, dann 3 Messungen mit dem GoldmannTonometer bzw. umgekehrt). Die Messwerte wurden von einer zweiten Person abgelesen und protokolliert. Nach Aufnahme der Daten in eine Microsoft Access-Datenbank erfolgte die Auswertung mit dem Statistikprogramm JMP 5.1 der Firma SAS. Ergebnisse Diagnosegruppe Postoperativ/ Posttraumatisch Kongenital, Juvenil Engwinkel Neovaskularisation Inflammatorisch Pigmentdispersion/Pseudoexfoliatio Offenwinkel Mittelwert TGDc01 Goldmann Augen Prozent 6 3,2 7 3,8 9 4,9 10 5,4 13 7 18 9,7 122 65,9 185 Standardabw. paT-Test 17,9 +/- 7,1 3,2 +/- 1,2 p< 0,001 19,7 +/- 10,3 1,2 +/- 0,9 p< 0,001 In Abbildung 1 ist die Abhängigkeit der Standardabweichungen der intraindividuellen Meßreihen vom Mittelwert des jeweils mit der Goldmann-Tonometrie bestimmten Augeninnendruckes dargestellt. Die mittlere Differenz der Standardabweichungen bleibt über den gesamten dargestellten Druckbereich konstant bei -1,95 mmHg. In Abbildung 2 ist die Differenz der Mittelwerte der jeweiligen Meßreihe über dem Mittelwert der GoldmannMeßreihe aufgetragen. Unterhalb 16,8 mmHg ist die mittlere Differenz negativ, d.h. die Mittelwerte der Messungen mit dem TGDc-01 sind zu hoch. Über 16,8 mmHg liegen die Werte des TGDc-01 deutlich zu niedrig. Der Geradenparameter sind mit p jeweils < 0,001 hoch signifikant. Abbildung 1: Differenz der Standardabweichungen Abbildung 2: Differenz der Mittelwerte Die Meßwerte, die mit dem TGDc-01 erhoben wurden steigen über Meßreihe mit einer Signifikanz von p< 0,001 um jeweils 0,12 mmHg an, so daß für den Vergleich zur Goldmann-Tonometrie jeweils nur der Wert T(n=1), berechnet über die Vorhersagewerte einer linearen Anpassung, verwendet wurde. In Abbildung 3 ist die Entwicklung der Güte des jeweiligen Meßwertes(n) angegeben: Die Güte wurde definiert als Integral der Normalverteilung von -3 mmHg bis + 3mmHg um den als wahr angenommenen Goldmann-Mittelwert in Abhängigkeit von N = 1..10, beträgt also im Idealfall 1,0 (wenn MW TGDc-01(1..n) = MW Goldmann(1..3); SD TGDc-01(1..n) = SD Goldmann(1..3)) . Man erkennt eine etwa von Meßreihenposition n nahezu nicht abhängige gleichbleibende Güte über die gesamte Meßreihe hinweg. Abbildung 3: Entwicklung der „Güte“ der TGDc-01Messung über die gesamte Meßreihe Diskussion und Zusammenfassung: Die vorliegenden Aussagen: Messergebnisse gestatten folgende 1) Das Tonometer TGDc-01 ermöglicht in keinem Druckbereich eine der Präzision der GoldmannApplanations-tonometrie entsprechende Druckmessung, insbesondere sind die TGDc-01 Werte unterhalb 16,6 mmHg systematisch um durchschnittlich 2,2 mmHg zu hoch. Bei Goldmannwerten oberhalb 16,6 mmHg liegen die Mittelwerte der TGDc-Messreihen um 5,6 mmHg zu tief. 2) Der Mittelwert einer Messreihe des TGDc-01 nähert sich mit zunehmender Messwertanzahl nicht an den mittels Goldmann-Applanationstonometrie bestimmten Augeninnendruck an. 3) Insbesondere fand sich in den von uns erhobenen Messreihen bei einem applanatorisch bestimmten Wert über 32 mmHg in keinem Fall ein korrespondierender TGDc-01 Wert, welcher weniger als 5 mmHg unter dem tatsächlichen Wert lag. Das Tonometer TGDc-01 bietet die Möglichkeit einer Präzisierung der herkömmlichen transpalpebralen Einschätzung der Drucklage mittels der digitalen Palpation. Es umgeht die klassischen Nachteile der GoldmannApplanationstonometrie (Bindung an Biomikroskop, Infektionsgefahr, topische Anästhesie) und erlaubt eine Aussage über den Augeninnendruck auch bei pathologischen Veränderungen der Hornhaut. Beschränkt wird das Verfahren durch pathologische Lidhautveränderungen (Narben, reaktive konjunktivale Veränderungen), der Grad dieser Beeinflussung sollte Inhalt weiterführender Studien sein. Die Präzision der Messungen mit dem TGDc-01 entspricht derzeit nicht den Erfordernissen der primären Glaukomdiagnostik. Auch die begleitende Glaukomdiagnostik verlangt die Präzision der GoldmannApplanationstonmometrie. Die propagierte Eigenmessung mit dem TGDc-01Tonometer erscheint uns nur eingeschränkt möglich: Die geforderte senkrechte Lage des Gerätes in 45° zur Blickrichtung, ausgerichtet auf die Bulbusmitte bedarf nach unserer Einschätzung einiger Übung. Weitergehende Studien sollten den Einfluß der Eigenmessung auf die Meßgüte untersuchen. Veröffentlichungen über Studien mit dem TGDc-01Tonometer lagen während des Untersuchungszeitraumes nicht vor. Eine vergleichende Betrachtung der Ergebnisse von andernorts durchgeführten, ähnlich angelegten Studien ist nun erforderlich. Literatur: Goldmann VH, Schmidt T (1957) Über Applanationstonometrie. Ophthalmologica 1957, 134: 221 – 242 Whitacre M, Stein R. (1993) Sources of Error With Use of Goldmann-type Tonometers. Surv Ophthalmol 1993, 38(1): 1 – 30