Stellare Reaktionsraten

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Stellare
Reaktionsraten


3. Vortrag
im Rahmen des Seminars
Experimentelle Kern- und Teilchenphysik
Vortrag von Kim Temming
Bild:
Stellare Reaktionsraten
Fe IX-X 171 Å emission showing the solar corona
at a temperature of about 1.3 million K.

1
Inhalt

 Einführung

 Grundbegriffe
 Quelle der nuklearen Energie
 Wirkungsquerschnitt
 stellare Reaktionsraten
 Bestimmung stellarer Reaktionsraten
 durch geladene Teilchen induzierte Reaktionen
 Coulombbarriere/Tunneleffekt
 Gamow-Faktor
 Gamow Peak
 S-Faktor
 Reaktionen mit Resonanzen
 Electron screening
 Zusammenfassung
Stellare Reaktionsraten

2
Einführung

 Energiequellen im Stern

 Wie lassen sich Reaktionen im Labor nachmessen?
 Welche Probleme tauchen dabei auf?
 Wie lassen sich astrophysikalische Raten im Labor messen?
 Wie müssen Experimente dafür ausgelegt sein?
 Was erwartet man für Wirkungsquerschnitte?
Stellare Reaktionsraten

3
Quelle der nuklearen Energie


 nuklearer Massendefekt: Mn  Mn  ZMp  NMN
 Einstein-Relation: E  Mnc
2
Vorsicht!
meist Atommassen
in amu angegeben
 E ist die Energie, die frei wird, wenn man den Kern aus seinen
Nukleonen zusammensetzt
 umgekehrt benötigt man genau
diese Energie, um den Kern
wieder in die Nukleonen zu
zerlegen
Bindungsenergie des Kerns
 Spaltung
Maximum
Fusion
Spaltung
 Fusion
Stellare Reaktionsraten

4
Quelle der nuklearen Energie


 Q-Wert: für 1+2  3+4
x  A  y  B
(oder auch A(x,y)B)
Qa  (Mx  MA  My  MB )c 2
Atommassen
Resonanter
Zustand
 Q < 0: Energie wird benötigt
 Q > 0: Enregie wird frei
 Beispiel:
 4 p  4He + 2e- + 2 : 26,7 MeV
davon 25MeV Wärme
1,7 MeV Neutrinoenergie
 3 4He  12C: 6,275 MeV
Tripel -Prozeß
Stellare Reaktionsraten

5
Wirkungsquerschnitt


 Wirkungsquerschnitt für
F
eine nukleare Reaktion:
WQ ist der Überlapp der WWFläche von Target und Projektil
 Wirkungsquerschnitt ~ Fläche von Target und Projektil
 klassisch:
   (RP  RT )2
 Durchmesser der Kerne abhängig von der Kernladungszahl:
R  R0 A1 3
 Beispiel:
1
H  1H :
1
H  238U :
238
U  238U :
Stellare Reaktionsraten
mit
R0  1,3  1013 cm
  0,2  1024 cm2
  2,8  1024 cm2 1 b (barn)  1024 cm2
  4,8  1024 cm2

6
Wirkungsquerschnitt


 Realität: WQ nicht klassisch nur von der Geometrie abhängig
sondern auch quantenmechanische Effekte
2
    (RP  RT ) muß ersetzt werden durch energieabhängiges
mp  mt
   2:
De Broglie

Wellenlänge
mt
(2m E )1 2
p l
 weitere Einflüsse auf :
 Coulombbarriere (Kernladung)
 Zentrifugalbarrieren (Drehimpuls)
 Effekte erschweren ein Eindringen des Projektils in den Kern
Wirkungsquerschnitte stark energieabhängig
 Stärkste Abhängigkeit von : Art der Wechselwirkung
 Starke Wechselwirkung: z.B. 15N( p, )12C,  0,5 b
 Elektromagnetische WW: z.B. 3He(, ) 7Be,  106 b
 Schwache WW: z.B.
p( p, e )d,  1020 b
Stellare Reaktionsraten
bei
El =
2 MeV

7
Stellare Reaktionsraten

 Wirkungsquerschnitte von Kernreaktionen stark energieabhängig

bzw. geschwindigkeitsabhängig (relative Geschwindigkeit!!)
v
NX VX
NX: Teilchen der Sorte X/Vol
NY VY
 r  N X NY v v  Einheit: cm-3 s-1
NY: Teilchen der Sorte Y/Vol
v: Relativgeschwindigkeit NX gegen NY
 Geschwindigkeit ist W-keitsverteilung:
Maxwell-Boltzmann verteilt

R  N X NY   (E )  f (E )dE
0
 totale Reaktionsrate: R  N X NY  v
Stellare Reaktionsraten

8
Bestimmung stellarer Reaktionsraten

 stellare Reaktionsrate:
12
 8 
v   
  
3 2
 1 
 kT 


  E 

 E 


kT 

E e
dE
0
 Aufgabe: Bestimmung von  v unter stellaren Bedingungen bei
durch geladene Teilchen induzierte Reaktionen
 zu Diskutieren: Energieabhängigkeit des Wirkungsquerschnitts
 Reaktionen ohne Resonanzen
 Reaktionen mit Resonanzen
 im Labor: electron screening Effekte!
Stellare Reaktionsraten

9
geladene Projektile: Coulombbarriere


 Anfangsphase des Sterns: Wasserstoffbrennen
4 p  4He  2e  2
 hohe Temperaturen (~107 K) im Sonnen-Kern
 Grund: Coulombabstoßung proportional zur Kernladung
 repulsives Potential:
Höhe des Coulombwalls bei p+p:
~0,55 MeV
Z1Z2e2
VC (r ) 
4 0  r
VC(r)
Z1Z2 e2
4 0 r
~ Faktor 1000
Energie des Projektils
bei Sonnentemperatur
(E=kT): ~0,86 keV
Stellare Reaktionsraten
R0
RC
Ep
r

10
Coulombbarriere

 für p + p Reaktion: effektive Höhe der Columbbarriere

e2
EC 
 550 keV
4 0 2rp
1
 klassisch: Mindestenergie für Reaktion: 550 keV
 das entspräche einer stellaren Temperatur (E = kT) von
T = 6,4 x 109 K (T9 = 6,4)
 nicht beachtet: Geschwindigkeiten Maxwell-Boltzmann verteilt
 bei niedrigerer (realistischerer) Temperatur von T9 = 0,01
(kT=0,86keV):
 (550keV )
 3  10275
  0,86keV 
 schnell klar: die Zahl der hochenergetischen Teilchen ist viel zu
niedrig, um die von Sternen abgestrahlte Energie zu produzieren
Stellare Reaktionsraten

11
Tunneleffekt


 Gamow, Condon und Gurney: Tunneleffekt
für Teilchen mit Energien E < EC gibt es einen sehr kleine aber
endliche Wahrscheinlichkeit, die Coulombbarriere zu überwinden
 Transmissionskoeffizient T gibt Wahrscheinlichkeit an, daß Teilchen
eine Barriere überwinden
 allgemein zunächst: Rechteckpotential
d
V(r)
E
V0
r
r
r=0
Bereich 1
Stellare Reaktionsraten
r=d
Bereich 2
Bereich 3

12
Tunneleffekt


 Lösung der Schrödingergleichungen für Bereich 1, 2, 3
 Stetigkeitsbedingungen:
  stetig
 d stetig

T ~e
2
2m(V0  E )d
 für beliebige Potentialform:
2
T  T1  T2  T3  ... ~ e
D
   2m(V ( r ) E )dr
0
 Tunneleffekt abhängig von
 Masse des tunnelnden Teilchens
 Höhe des Potentials
 Strecke, die durchtunnelt werden
muß
Stellare Reaktionsraten
T1
d
0
T2
T3
... ...
D

13
Gamow-Faktor und S-Faktor


 für niedrige Energien E << EC kann T genähert werden:
T  exp( 2 )
Gamow-Faktor
Z1Z2e2

4 0 v
SommerfeldParameter 
 Wirkungsquerschnitt proportional zur Tunnelwahrscheinlichkeit
  E   exp(2 )
 zusammen:
aber auch (s.o.)
1
  E   exp( 2 )  S(E )
E
 E   
2
1

E
nuklearer oder
astrophysikalischer
S-Faktor
 S-Faktor enthält alle übrigen reinen Kern-Effekte
 für nichtresonante Reaktionen: S-Faktor langsam veränderliche
Variable bei Änderung der Energie, im Gegensatz zu WQ
 daher S-Faktor viel besser zu verwenden für Extrapolation von
gemessenen WQ in den astrophysikalischen Energiebereich
Stellare Reaktionsraten

14
S-Faktor


ansteigend, da
nur Näherungsformel
oder möglicherweise
Screeningeffekte
Stellare Reaktionsraten

15
Gamow Peak

 Reaktionsrate mit dieser Näherung:
12
 8 
v   
  
b   2 
12
3 2
 1 
 kT 




bb 
 EE
S
(
S
E
(
E
)
)exp
ex
p




dE
 0   kTkT EE1122dE
0
0
 e2Z1Z2 /
 b2: Gamow-Energie EG
 S(E) = S(E0) = const
Gamow-Peak
Stellare Reaktionsraten

16
Gamow Peak

 durch Ableiten erhält man das Maximum bei
 bkT 
E0  

2


23

 1,22(Z12Z22 T62 )1 3 keV
 Beispiel: T6 = 15 (Sonne) effektive Brennenergie:
 p + p:
E0 = 5,9 keV
(kT = 1,3 keV)
 p + 14N:
E0 = 26,5 keV
 16O + 16O:
E0 = 237 keV
 maximaler Wert des Integranden durch Einsetzen von E0
3E0
 3E0 

Imax  exp  
 exp(  )

kT
 kT 
 Reaktionsrate proportional zur Intensität
 starke Abhängigkeit von der Coulombbarriere
 Begründung für Sternentwicklung: Wasserstoffbrennen,
Heliumbrennen, …
Stellare Reaktionsraten

17
Probleme bei der Messung

 Hauptproblem in nuklearer Astrophysik:

 E0, also die Brennenergie liegt weit entfernt von Energien, bei
denen direkte Messung des WQ oder auch des S-Faktors möglich
ist
 Standardlösung: S(E) über weiten Abschnitt von Energien
messen, dann in Niedrigenergiebereiche extrapolieren
 WQ dann erschließbar
 E  
1
exp( 2 )  S(E )
E
 Näherungsformel dafür extrem hilfreich…
z.B.: Gaußfunktionsnäherung für den Gamow-Peak
Stellare Reaktionsraten

18
Beispiel: Sonne


 p-p Zyklus: p + p  d + e+ + 
 Sonnentemperatur: ca. 1,5 x 107 K
kT = 1,3 keV = EP
 Coulombwall: EC ~ 0,5 MeV
 Typische Werte:
 v ~ 10
50 m3
sec
 Dichte Sonneninneres:  ~ 105 kg
 Reaktionsrate p+p:
R N
2
 v ~ 3,6  10
13
1
m3 sec
 Lebenserwartung der Sonne:
~ 1010 a
Stellare Reaktionsraten
m3
Relative Wahrscheinlichkeit
 für p+p:
MaxwellVerteilung Gamow Peak
kT = 1,3 keV
WQ (E)
~10 keV
~10-30 keV
Energie

19
Reaktionen ohne Resonanzen Beispiel 1

Stellare Reaktionsraten


20
Reaktionen mit Resonanzen

 Reaktionen mit Resonanzen bilden im Eingangskanal der Reaktion

einen angeregten Zwischenzustand mit der Energie Er
 Resonanz hat Wellenfunktion
i 
i  
(t )  exp   Er   t 
mit komplexem Energie2 
 
eigenwert, da Zustand instabil
 Zustand zerfällt (t ) 2  exp   t 


 Wellenfunktion wird entwickelt nach ebenen Wellen
(t ) 

 iEt 
a
E
exp
   dE

2 


1
 Amplitude a(E) ist offensichtlich die Fouriertransformation von (t):
a E  
Stellare Reaktionsraten

 iEt 

(
t
)exp

dt

2 


1

21
Reaktionen mit Resonanzen

 Einsetzen von (t) liefert dann:
1
2
a(E ) 
 Er
E  
2

Breit-Wigner Formel
2
4
 schmale Resonanzen im Wirkungsquerschnitt ändern die
Brenntemperatur massiv
 das Brennen findet bei der
Resonanzenergie statt
 Wirkungsquerschnitte in
der Nähe der
Resonanzenergie können
sehr hoch sein
Stellare Reaktionsraten

22
Reaktionen mit Resonanzen

Stellare Reaktionsraten


23
Reaktionen mit Resonanzen Beispiel 1

Stellare Reaktionsraten


24
Reaktionen mit Resonanzen Beispiel 2

Stellare Reaktionsraten


25
Reaktionen mit Resonanzen Beispiel 3

Stellare Reaktionsraten


26
Electron Screening


 WQ:
1
  E   S(E ) exp( 2 )
E
nackter Kern
 im Labor:
 Atome
 Elektronenwolke
umgibt Kern
 Abschirmung des Coulombpotentials durch die Elektronen
 Elektrostatisches Potential der Elektronen innerhalb Atomradius
konstant:
  Z e/R
a
1
a
 Gesamtpotential innerhalb des Atoms
tot   Z1e / r    Z1e / Ra 
Stellare Reaktionsraten

27
Electron Screening


 effektive Höhe des Coulombpotentials:
Z1Z2e2 Z1Z2e2
Eeff 

Rn
Ra
 Rn/Ra~10-5: Abschirmkorrektur oft vernachlässigbar
 falls RC für den nackten Kern in der Nähe oder sogar außerhalb von
Ra liegt, bekommt Abschirmungseffekt Bedeutung:
Z1Z2e2
E  Ue 
Ra
 meist liegen relevante Energien (in der Nähe des Gamow-Peaks) viel
höher als diese Grenzenergie
 p + p:
Gamow-Peak bei E0 = 5,9 keV
Grenzenergie bei Ue = 0,029 keV
Stellare Reaktionsraten

28
Electron Screening


 Wirkungsquerschnitt:
 LAB (E )  fLAB (E )   BARE (E )
fLAB (E )  1
electron shielding factor
 für E0 >> Ue:
U 
f  exp  e 
 kT 
Stellare Reaktionsraten

29
Electron Screening Beispiel 1

Stellare Reaktionsraten


30
Electron Screening Beispiel 2

Stellare Reaktionsraten


31
Electron Screening


 hohe Temperaturen im Stern:
 Atome liegen ionsiert vor: Plasma
 Ionen in einem See von freien Elektronen
ähnlicher Effekt wie bei Orbitalelektronen
 wenn kT >> Coulombenergie zw. Teilchen:
 Elektronen lagern sich um die Kerne im Debye-Hückel-Radius RD

kT
RD  
 4 e 2  N 

A
12





i
 
Zi2
 Zi

Xi
Ai
 für steigende Dichte im Stern wird Debye-Hückel-Radius kleiner
und Abschirmungseffekt gewinnt an Bedeutung
 PLASMA (E )  fPLASMA (E )   BARE (E )
Stellare Reaktionsraten
 BARE (E ) 
Experiment
 LAB (E )
fLAB (E )

32
Zusammenfassung

 Reaktionen mit und ohne Resonanzen getrennt diskutiert

 meist in Realität aber vermischt
 Reaktionen durch geladene Teilchen induziert
 WQ fällt extrem schnell ab für kleine Energien aufgrund der
Coulombbarriere
 relevante stellare Energien sind gerade die niedrigen, daher
extrem schwer zu messen
 Extrapolation über den energieabhängigen S-Faktor nötig
 Resonanzen können auch unerkannt in niedrigen Energien
liegen und WQ stark beeinflussen (aber dort nicht meßbar!)
 Reaktionsrate und damit Sternentwicklung völlig anders
 Electron Screening
 Abschirmeffekte durch Elektronen beim Messen von WQ
Stellare Reaktionsraten

33
Ende


verwendete Literatur: C. Rolfs, Cauldrons in the Cosmos
Vortrag von C. Rolfs: Laboratory approaches to nuclear astrophysics
D. Frekers Vorlesung Kernphysik 1
Stellare Reaktionsraten

34
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