(a) Beweis.

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Kapitel 2
Euklidische Geometrie
Inhalt
2.1 Was ist Geometrie?
2.2 Axiome
2.3 Kongruenzsätze
2.4 Besondere Geraden im Dreieck und ihre Schnittpunkte
2.5 Der Kreis
2.6 Der Satz des Pythagoras
2.7 Die Strahlensätze
2.8 Beweisarten
Kapitel 2
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Seite 2
2.1 Was ist Geometrie?
• Geometrie ist die Wissenschaft von dem uns umgebenden
Raum.
• Geometrie ist das älteste mathematische Teilgebiet. Viele
Jahrhunderte lang war Mathematik im wesentlichen Geometrie. Es
gab keine Analysis, keine Algebra, keine Stochastik ...
• Ägyptern und die Babylonier (ab 3000 v. Chr.): Geometrie ist eine
Naturwissenschaft. Man fragte nicht nach logischer Ableitbarkeit,
sondern nach Übereinstimmung mit der Realität.
Man „wusste” zum Beispiel, wie man rechte Winkel konstruieren
konnte, und das reichte.
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Seite 3
Pythagoras von Samos (ca. 580 v. Chr. - 500 v. Chr.)
• Die alten Griechen entdeckten die Macht des Denkens:
Man kann durch reines Denken Erkenntnisse erzielen!
• Das Denken folgt gewissen Regeln, den Gesetzen der Logik: Wenn
die Voraussetzungen eines logischen Schlusses gegeben sind, dann
gilt automatisch auch die Folgerung. Die Griechen entdeckten die
Logik und damit auch die Möglichkeit der Mathematik.
• Im Mittelalter gab es den Ausdruck „more geometrico” („nach
geometrischer Art”). Damit wurden Argumentationsketten bezeichnet,
die streng logisch aufgebaut waren.
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Seite 4
Geometrie und Wirklichkeit
• Platon (427 v. Chr. - 347 v. Chr.): Es gibt zwei Welten: die Welt der
Ideen (die eigentliche Welt) und die Welt der Erscheinungen (die nur
ein Abbild (Schatten) der Idealen Welt ist).
• Immanuel Kant (1724 - 1804): Geometrie ist ein Produkt unseres
Verstandes: „synthetische Urteile a priori”.
• David Hilbert (1862 - 1943): Wir definieren nicht, was ein “Punkt” ist;
wir legen nur die Spielregeln fest. (Analog zum Schachspiel). “Man
muss jederzeit an Stelle von ‘Punkte, Geraden, Ebenen’ ‘Tische,
Stühle, Bierseidel’ sagen können.”
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Seite 5
2.2. Axiome
• Die axiomatische Methode
• Die Axiome
• Winkel
• Kongruenz
• Kongruenzsätze
• Winkelsummensatz
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Seite 6
Euklid (ca. 300 v. Chr.)
• Die „Elemente“: Eines der Bücher, die die Welt veränderten.
Es hat einen kaum vorstellbaren Einfluß auf die Entwicklung der
Wissenschaft gehabt.
Die Geschichte der Mathematik wäre ohne dieses Buch völlig anders
verlaufen.
Es ist das mit Abstand wichtigste Mathematikbuch aller Zeiten.
• Ziel war es, das damalige mathematische Wissen
systematisch zusammenzufassen.
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Seite 7
Thema der Woche: Euklid
• Wer war das?
• Wann und wo hat er gelebt?
• Was hat er gemacht?
• Worin liegt seine Bedeutung?
• …?
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Januar 2004
Seite 8
Die axiomatische Methode
• Euklid präsentiert sein Material nicht wie eine Datenbank, aus der
man die Informationen beliebig abrufen kann,
• Es gibt Axiome (über Punkte und Geraden), die allem zugrunde
liegen,
es gibt Sätze; jeder Satz hat Voraussetzung und Behauptung
und muss rein logisch bewiesen werden.
Euklid hat einen de-facto Standard geschaffen, der nun fast 2300
Jahre lang die Mathematik definiert hat, und dies tun wird, solange
es Mathematik geben wird.
• Man nennt dies einen axiomatischen Aufbau der Geometrie.
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Seite 9
Unsere Axiome
• Inzidenzaxiom
• Linealaxiom
• Axiom von Pasch
• Geodreieckaxiom
• Kongruenzaxiom
• Parallelenaxiom
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Seite 10
Das Inzidenzaxiom
• Es gibt Punkte und Geraden;
jede Gerade ist eine Teilmenge der Punktmenge.
Durch je zwei verschiedene Punkten P und Q gibt es genau
eine Gerade; diese Gerade bezeichnen wir mit PQ.
Es gibt drei Punkte, die nicht auf einer gemeinsamen Geraden
liegen.
• Bemerkung: „Inzidenz“ bezeichnet die Situation, dass ein Punkt auf
einer Geraden liegt. Man sagt auch, der Punkt „inzidiert“ mit der
Geraden.
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Seite 11
Folgerungen 1 aus dem Inzidenzaxiom
2.2.1 Folgerung. Es gibt mindestens drei Geraden.
Beweis. Nach dem Inzidenzaxiom gibt es drei Punkte, die nicht auf
einer gemeinsamen Geraden liegen. Wir nennen sie P, Q und R.
Je zwei dieser Punkte bestimmen – ebenfalls nach dem Inzidenzaxiom – eine Gerade. Also gibt es die Geraden PQ, QR und PR.
Diese Geraden sind verschieden! Wenn zum Beispiel
PQ = QR
wäre, so würden auf dieser Geraden sowohl die Punkte P, Q als
auch die Punkte
Q, R
liegen. Also enthielte diese Gerade die
Punkte P, Q, R; diese Punkte waren aber genau so gewählt, dass
sie nicht auf einer gemeinsamen Geraden liegen.
Kapitel 2

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Seite 12
Folgerung 2 aus dem Inzidenzaxiom
2.2.2 Folgerung. Je zwei verschiedene Geraden schneiden sich in
höchstens einem Punkt.
Beweis. Angenommen, es gäbe zwei verschiedene Geraden g und
h, die (mind.) zwei verschiedene Punkte P und Q gemeinsam
haben.
Dann wären P und Q zwei verschiedene Punkte, durch die zwei
verschiedene Geraden (nämlich g und h) gehen. Dies widerspricht
aber dem Inzidenzaxiom; denn durch je zwei verschiedene Punkte
geht genau eine Gerade (also insbesondere keine zwei Geraden). 
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Seite 13
Das Linealaxiom
• Je zwei Punkten P, Q ist ihr Abstand PQ zugeordnet;
PQ ist eine reelle Zahl mit folgenden Eigenschaften:
PQ  0,
PQ = 0 genau dann, wenn P = Q ist;
PQ = QP,
PQ  PR + RQ (Dreiecksungleichung);
Gleichheit gilt genau dann, wenn P, Q, R auf einer gemeinsamen Geraden liegen und R „zwischen” P und Q liegt.
Jede nichtnegative reelle Zahl kommt als Abstand vor.
Bemerkung: Der Name kommt von einem „Lineal mit Skala“.
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Seite 14
Strecken und Strahlen
• Seien A und B zwei verschiedene Punkte.
Die Strecke zwischen A und B besteht aus allen Punkten
zwischen A und B und den Punkten A und B. Bezeichnung: AB
• Bemerkung: Unterscheiden Sie Strecken und Geraden:
Eine Strecke hat eine Länge, eine Gerade hat keine Länge.
• Seien A und B zwei verschiedene Punkte.
Der Strahl mit Anfangspunkt A in Richtung B besteht
(1) aus allen Punkten zwischen A und B
(2) allen Punkten C, so dass B zwischen A und C liegt und
(3) den Punkten A und B. Bezeichnung: AB
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Seite 15
Dreiecke
• Seien A, B, C drei Punkte, die nicht auf einer gemeinsamen
Geraden liegen. Dann bezeichnen wir mit DABC das Dreieck mit
den Ecken A, B, C und den Seiten AB, BC, CA.
• Bemerkung: Die Seiten eines Dreiecks sind Strecken und keine
Geraden.
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Seite 16
Axiom von Pasch
• Moritz Pasch (1843-1930, Professor in Gießen)
• Ziel: Einteilung der Ebene in zwei „Halbebenen“
(rechts - links, oben - unten usw.).
• Axiom von Pasch: Sei DABC ein Dreieck, und sei g eine
Gerade, die keine Ecke des Dreiecks enthält.
Dann gilt: Wenn g eine Seite des Dreiecks DABC trifft,
dann trifft g genau eine weitere Seite von DABC.
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Seite 17
Wozu dient das Axiom von Pasch?
Mit dem Axiom von Pasch kann man vernünftig definieren, wie eine
Gerade g die gesamte Ebene in „Halbebenen“ aufteilt:
Sei P ein Punkt außerhalb der Geraden g. Man bestimmt zwei
Punktmengen H und H‘ auf folgende Weise:
H besteht aus allen Punkten Q, so dass die Strecke PQ die
Gerade g nicht schneidet. H‘ besteht demgegenüber aus allen
Punkten R, so dass die Strecke PR die Gerade g schneidet.
Mit Hilfe des Axioms von Pasch kann man beweisen, dass die
Mengen H und H‘ unabhängig von der Auswahl des Punktes P
sind und alle Eigenschaften von Halbebenen haben.
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Seite 18
Winkel
• Seien R, S und T drei Punkte nicht auf einer Geraden. Winkel
RST ist die Vereinigung der Strahlen SR und ST; das heißt:
RST = SR  ST.
Man nennt S den Scheitel und SR und ST die Schenkel des
Winkels RST.
• Inneres eines Winkels: Punkte auf den Strecken, die Punkte auf
verschiedenen Schenkeln verbinden.
• Bemerkung: Die Punkte R und T, die die Schenkel des Winkels
RST andeuten, sind nicht eindeutig bestimmt: Für R kann man
jeden Punkt auf dem Schenkel SR wählen.
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Seite 19
Das Geodreicksaxiom
Jedem Winkel RST wird ein Winkelmaß m(RST)
zugeordnet. Dies ist eine Zahl zwischen 0° (“Grad”) und 180°
(jeweils ausschließlich).
Diese Zuordnung hat die folgenden beiden Eigenschaften:
(1) Sei g eine Gerade, R und S zwei Punkte auf g, sei H eine
Halbebene von g und sei a eine reelle Zahl zwischen 0 und
180. Dann gibt es einen Punkt T in H, so dass der Winkel
RST genau das Maß a hat.
(2) Sei U ein Punkt im Innern des Winkels RST. Dann ist
m(RST) = m(TSU) + m(USR).
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Seite 20
Winkel < 180°
Bemerkung:
Der Begriff „Inneres eines Winkels“ ist – so wie wir ihn definiert
haben – nur für Winkel vom Maß < 180° sinnvoll.
Deshalb bezieht sich das Geodreiecksaxiom auch nur auf Winkel,
deren Maß größer als 0° und kleiner als 180° ist.
Alles, was wir über größere Winkel wissen müssen, ergibt sich
später automatisch.
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Seite 21
Kongruenz von Strecken und Winkeln
Zwei Strecken heißen kongruent, wenn sie gleich lang sind.
Zwei Winkel heißen kongruent, wenn sie das gleiche Maß haben.
Zum Beispiel sind alle Winkel vom Maß 30° kongruent.
Definition. Zwei Dreiecke DABC und DA’B’C’ heißen kongruent,
(Schreibweise DABC  DA’B’C’), falls folgende Aussagen gelten:
AB = A’B’, BC = B’C’, CA = C’A’
und
m(A) = m(A’), m(B) = m(B’), m(C) = m(C’).
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Seite 22
Was ist ein Kongruenzsatz?
• In einem Kongruenzsatz versucht man, aus drei der obigen
Gleichungen die anderen drei zu erschließen.
Kongruenzsätze werden abgekürzt: SWS, WSW, SSS, ...
• Beispiel: SWS: Seien DABC und DA’B’C’ Dreiecke.
Wenn AB = A’B’ und m(B) = m(B’) und BC = B’C’
gilt, so sind die beiden Dreiecke kongruent.
Das bedeutet, dass dann auch m(A) = m(A’) und
AC = A’C’ und m(C) = m(C’) gilt.
Kurz: Wenn zwei Dreiecke in zwei Seiten und dem eingeschlossenen Winkel „übereinstimmen”, dann sind sie kongruent.
Kapitel 2
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Januar 2004
Seite 23
Das Kongruenzaxiom
• Es gilt der Kongruenzsatz SWS.
• Bemerkung. Wenn man Geometrie nur aufgrund der bisherigen fünf
Axiome betreibt, kommt man zur „absoluten” Geometrie; darin ist
sowohl die euklidische als auch die nichteuklidische Geometrie
enthalten.
Wir kommen zur euklidischen Geometrie, wenn wir noch das
Parallelenaxiom fordern.
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Januar 2004
Seite 24
Das Parallelenaxiom
• Definition. Wir nennen zwei Geraden parallel, wenn sie keinen
Punkt gemeinsam haben oder gleich sind.
• Zu jedem Punkt P und jeder Geraden g mit P  g gibt es genau
eine Gerade h durch P, die parallel zu g ist.
• Bemerkung. Man kann alle Aussagen der euklidischen Geometrie
der Ebene aus diesen sechs Axiomen logisch ableiten! Für einige
werden wir das im folgenden tun.
Kapitel 2
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Januar 2004
Seite 25
Nebenwinkel, Scheitelwinkel, Wechselwinkel
• Seien g und h Geraden, die sich in einem Punkt S schneiden.
Seien R, R’ Punkte auf g und T, T’ Punkte auf h, so dass S
sowohl zwischen R und R’ also auch zwischen T und T’ liegt.
Dann heißen die Winkel RST und RST’ Nebenwinkel.
Die Winkel RST und R’ST’ werden Scheitelwinkel genannt.
• Seien g und g’ parallele Geraden, die von einer Geraden h in den
Punkten S bzw. S’ geschnitten werden. Sei T ein Punkt auf g
und T’, T“ Punkte auf g’, so dass T und T’ auf verschiedenen
Seiten, aber T und T“ auf der gleichen Seite von h liegen.
Dann heißen die Winkel TSS’ und SS’T‘ Wechselwinkel und
die Winkel TSS‘ und T“S‘S“ Stufenwinkel. (Dabei ist S“ …).
Kapitel 2
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Seite 26
Satz über Nebenwinkel, Scheitelwinkel, Wechselwinkel
2.2.3 Satz. (a) Die Summe der Maße von Nebenwinkeln ist 180°.
Kurz: Nebenwinkel ergänzen sich zu 180°.
(b) Scheitelwinkel sind gleich groß.
(c) Wechselwinkel und Stufenwinkel sind jeweils gleich groß.
Beweis. (a) Seien die Bezeichnungen wie in der Definition. Sei x =
m(RST) und y = m(RST’). Zu zeigen: x + y = 180°.
Angenommen, x + y < 180°. Dann wäre TST’ ein Winkel mit Maß
< 180°: Widerspruch, da T, S, T‘ auf einer Geraden liegen.
Angenommen, x + y > 180°: Man erhält auf ähnliche Weise einen
Widerspruch.
Kapitel 2
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Seite 27
Beweis (b), (c)
(b) Wir verwenden wieder die Bezeichnungen aus der Definition. Die
Paare RST und RST’, sowie RST‘ und T‘SR’ sind
Nebenwinkel. Also gilt
m(T‘SR’) = 180° – m(RST‘) = 180° – (180° – m(RST)) = m(RST).
(c) (etwas schwieriger …). 
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Seite 28
Winkelsummensatz
2.2.4 Satz. Die Summe der Maße der (Innen-) Winkel eines Dreiecks
ist gleich 180°. Kurz: Die Winkelsumme im Dreieck ist 180°.
Beweis. Sei DABC ein Dreieck. Sei g die Parallele durch C zu
AB. Seien D und E Punkte  C auf g, wobei D „links” und E
„rechts” liegt.
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Seite 29
Winkelsummensatz: Beweisdetails
A und ACD, B und BCE sind Wechselwinkel; daher haben
sie nach 2.2.3 das gleiche Maß.
Mit dem Geodreicksaxiom folgt:
m(DCB) = m(DCA) + m(C)
DCB und BCE Nebenwinkel, also m(DCB) + m(BCE) =
180°.
Zusammen folgt
180° = m(DCB) + m(BCE)
= m(DCA) + m(C) + m(BCE) = m(A) + m(C) + m(B).
Somit ist m(A) + m(C) + m(B) = 180°. 
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Januar 2004
Seite 30
Konstruktion von Parallelen I
2.2.5 Satz (Konstruktion von Parallelen). Seien g und g‘
Geraden, die eine dritte Gerade so schneiden, dass die Innenwinkel
zusammen genau 180° ergeben. Dann sind g und g‘ parallel.
Beweis. Sei h die Gerade, die von g und g‘ geschnitten wird;
seien die Schnittpunkte A und A‘. Angenommen, g und g‘ würden
sich in einem Punkt schneiden B schneiden. Dann wäre DAA‘B ein
Dreieck, dessen Winkelsumme größer als 180° ist: ein Widerspruch.

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Seite 31
Eindeutigkeit von Parallelen
2.2.6 Satz (Eindeutigkeit von Parallelen). Seien g und g‘ Geraden, die eine dritte Gerade so schneiden. Wenn g und g‘ parallel
sind, so ist die Summe der Innenwinkel zusammen genau 180°.
Beweis. Sei h die Gerade, die von g und g‘ geschnitten wird;
seien die Schnittpunkte A und A‘. Angenommen die Summe der
Innenwinkel wäre verschieden von 180°. Dann gäbe es ein von g‘
verschiedene Gerade g‘‘ durch A‘, so dass die Summe der
Innenwinkel von g und g‘‘ gleich 180° ist. Nach 2.2.5 wäre auch
g‘‘ eine Parallele zu g durch A‘. Also gäbe es zwei Parallelen zu g
durch A‘: ein Widerspruch! 
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Seite 32
Konstruktion von Parallelen II
Wir nennen zwei Geraden senkrecht, wenn sie sich schneiden und
einen Winkel von 90° einschließen. Wenn g senkrecht auf h steht,
nennt man h auch ein Lot auf g.
2.2.7 Satz. (a) Wenn zwei Geraden senkrecht auf einer dritten
stehen, dann sind sie parallel.
(b) Sei P ein Punkt außerhalb einer Geraden g. Man kann die
Parallele h zu g durch P wie folgt konstruieren: Fälle das
Lot l von P auf g und errichtet dann das Lot h in P auf l.
Beweis. (a) Spezialfall von 2.2.4.
(b) Dies ist nur eine explizite Form von (a). 
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Seite 33
2.3 Kongruenzsätze
• Basiswinkelsatz
• Außenwinkelsatz
• WSW
• SWW
• SSS
• SsW
• Mittellotsatz
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Seite 34
Basiswinkelsatz
2.3.1 Basiswinkelsatz. Sei DABC ein Dreieck.
Wenn die Seiten
AC und BC kongruent sind,
dann sind auch die Winkel A und B kongruent.
Kurz: Ein gleichschenkliges Dreieck hat gleich große Basiswinkel.
Beweis. (Achtung: kurz und trickreich!)
Wegen CA = CB, ACB  BCA
und
CB = CA
folgt mit SWS, dass DACB  DBCA gilt.
Aus der Kongruenz von DACB und DBCA folgt: CAB  CBA. 
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Seite 35
Außenwinkelsatz
Sei DABC ein Dreieck, und sei D ein Punkt, so dass B zwischen
A und D liegt. Dann heißt der Winkel CBD ein Außenwinkel des
Dreiecks DABC; die Winkel A und C heißen die
gegenüberliegenden Innenwinkel des Dreiecks DACB
2.3.2 Außenwinkelsatz. Das Maß eines Außenwinkel eines
Dreiecks ist gleich der Summe der Maße seiner gegenüberliegenden Innenwinkel.
Insbesondere ist jeder Außenwinkel größer als jeder gegenüberliegende Innenwinkel
Kapitel 2
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Januar 2004
Seite 36
Beweis des Außenwinkelsatzes
Beweis. Sei DABC ein Dreieck, und sei D ein Punkt mit A - B - D.
Wir müssen zeigen, dass m(CBD) = m(A) + m(C) ist.
Da CBD und ABC Nebenwinkel sind, gilt
m(CBD) + m(B) = 180°.
Aus dem Winkelsummensatz folgt m(A) + m(B) + m(C) = 180°.
Zusammen ergibt sich:
m(CBD) = 180° – m(B)
= 180° – (180° – m(A) – m(C))
= m(A) + m(C). 
Kapitel 2
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Seite 37
WSW
2.3.3 Satz. Es gilt der Kongruenzsatz WSW.
Zusatz: Seien a und b zwei Zahlen zwischen 0 und 180 mit a+b
< 180, und sei c eine positive reelle Zahl. Dann gibt es ein Dreieck
DABC mit m(A) = a, m(A) = b und AB = c. Alle solchen
Dreiecke sind kongruent.
Beweis. Seien DABC und DA'B'C' Dreiecke mit
A  A', AB = A'B' und B  B'.
Wir müssen zeigen: DABC  DA‘B‘C‘.
1. Fall: BC = B'C'.
Dann sind die Dreiecke kongruent nach SWS.
Kapitel 2
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Seite 38
Beweis WSW (2. Fall)
2. Fall: BC  B'C'.
Wir müssen daraus einen Widerspruch ableiten.
Wir können o.B.d.A. BC > B'C' annehmen.
Dann gibt es auf BC einen Punkt C* mit BC* = B'C'.
Also gilt nach SWS DABC*  DA'B'C'.
Insbesondere ist C*AB = C'A'B'.
Da aber C* im Innern des Winkels A liegt, ist nach dem
Geodreiecksaxiom C*AB < CAB.
Zusammen folgt A' = C'A'B' = C*AB < CAB = A,
ein Widerspruch! 
Kapitel 2
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Januar 2004
Seite 39
SWW
2.3.4 Satz. Es gilt der Kongruenzsatz SWW.
Zusatz: Sei c eine positive reelle Zahl, und seien b und g zwei
Zahlen zwischen
0
und 180
mit b+g < 180. Dann gibt es ein
Dreieck DABC mit AB = c, m(B) = b und m(C) = g. Alle
solchen Dreiecke sind kongruent.
Beweis 1 (rechnerisch). Da b und g bekannt sind, kann man mit
dem Winkelsummensatz auch
a
ausrechen. Dann wendet man
WSW an.
Kapitel 2
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Seite 40
SWW: Beweis
Beweis 2 (geometrisch). Seien DABC und DA'B'C' Dreiecke mit
AB = A'B', B  B' und C  C'.
1. Fall: BC = B'C'. Dann sind die Dreiecke kongruent (SWS).
2. Fall: BC  B'C', o.B.d.A. BC > B'C'.
Dann gibt es auf BC einen Punkt C* mit BC* = B'C'.
Nach SWS gilt DABC*  DA'B'C'.
Insbesondere ist m(AC*B) = m(A'C'B‘) = m(ACB) (nach Vor.).
Dann wäre der Außenwinkel AC*B von DAC*C so groß wie der
gegenüberliegende Innenwinkel ACC* (= ACB): Widerspruch!
Kapitel 2

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Januar 2004
Seite 41
SSS
2.3.5 Satz. Es gilt der Kongruenzsatz SSS.
Zusatz: Seien a, b, c positive reelle Zahlen mit a + b > c, a + c > b,
b + c > a. Dann gibt es ein Dreieck DABC mit BC = a, AC = b
und AB = c. Alle solchen Dreiecke sind kongruent.
Beweis. Seien DABC und DA'B'C' Dreiecke mit
AB = A'B', BC = B'C' und CA = C'A'.
Es gibt einen eindeutigen Punkt C* mit folgenden Eigenschaften:
C und C* liegen auf verschiedenen Seiten von AB,
ABC*  A’B’C’, BC* = B’C’.
Dann gilt DABC*  DA’B’C’ nach SWS.
Kapitel 2
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Januar 2004
Seite 42
SSS: Beweis, Teil 2
Wir werden zeigen, dass DABC*  DABC gilt. Dann folgt DABC 
DA’B’C’.
Aus DABC*  DA’B’C’ folgt aufgrund der Voraussetzung:
AC = A‘C‘ = AC* und BC = B‘C‘ = BC‘.
Wir betrachten wir den Schnittpunkt S von CC* mit AB.
Also sind DCAC* und DCBC* gleichschenklig. Also folgt mit Basiswinkelsatz: m(ACS) = m(AC*S) und m(BCS) = m(BC*S).
Also ist
m(ACB) = m(ACS) + m(BCS)
= m(AC*S) + m(BC*S) = m(AC*B).
Damit ergibt sich DABC  DABC* wegen SWS. 
Kapitel 2
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Seite 43
SsW
2.3.6 Satz. Es gilt der Kongruenzsatz SsW. Das bedeutet: Seien
DABC und DA'B'C' Dreiecke mit
AB = A'B', BC = B‘C' und C  C'.
Wenn AB > BC ist, dann gilt DABC  DA'B'C‘.
Zusatz: Seien c und a positive reelle Zahlen mit c > a, und sei g
eine Zahl zwischen 0 und 180. Dann gibt es ein Dreieck DABC mit
AB = c, BC = a und m(C) = g. Alle solchen Dreiecke sind
kongruent.
Kapitel 2
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Januar 2004
Seite 44
Ein Hilfssatz
Hilfssatz zum Beweis von SsW.
Im Dreieck liegt der längeren Seite der größere Winkel gegenüber
und umgekehrt.
Beweis. Hausaufgabe 2, Übungsblatt 7
Kapitel 2
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Januar 2004
Seite 45
Beweis zu SsW, Teil 1
Beweis zu SsW.
Seien DABC und DA‘B‘C‘ Dreiecke mit
AB = A‘B‘, BC = B‘C‘ und  C   C‘.
Sei außerdem AB > BC.
Indirekter Beweis: Wir nehmen an, dass DABC nicht kongruent zu
DA‘B‘C‘ ist und zeigen, dass dann AB < BC folgt.
Annahme: DABC  DA‘B‘C‘. Dann gilt AC  A‘C‘ wegen SSS.
Kapitel 2
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Seite 46
Beweis von SsW, Teil 2
1. Fall: AC > A‘C‘. Dann gibt es einen Punkt A* auf der Geraden
AC, für den A*C = A‘C‘ gilt. Nach SWS gilt
DA*BC  DA‘B‘C‘
und damit ist A*B = A‘B‘ = AB. Daher ist DABA*
gleichschenklig, und also ist m( AA*B) < 90°. Daher gilt m(
BA*C) > 90°, und nach dem Hilfssatz zu SsW gilt BC > A*B =
AB. Widerspruch!
2. Fall: AC < A‘C‘. Diesen Fall führt man wie in Fall1 zu einem
Widerspruch, indem man AC und A‘C‘ vertauscht.
Kapitel 2

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Seite 47
Senkrechte Geraden. Lote
Definitionen. Zwei Geraden stehen senkrecht aufeinander, wenn
sie sich schneiden und einen Winkel vom Maß 90° einschließen.
Wenn die Geraden g und h senkrecht aufeinander stehen,
so nennt man h auch eine Senkrechte zu g.
Wenn P ein Punkt von h ist,
so heißt h auch das Lot von P auf g.
Der Schnittpunkt von g und h heißt Fußpunkt des Lots.
2.3.7 Satz. Sei P ein Punkt und g eine Gerade. Dann gibt es
genau ein Lot von P auf g.
Kapitel 2
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Seite 48
Beweis des Satzes über Lote
Beweis. 1. Fall: P liegt auf g.
Dann folgt die Aussage direkt aus dem Geodreiecksaxiom.
2. Fall: P liegt nicht auf g.
Betrachte beliebige Punkte A und B auf g.
Es gibt einen Punkt P’ mit folgenden Eigenschaften
P und P’ liegen auf verschiedenen Seiten (Halbebenen) von g.
m(BAP) = m(BAP’)
AP = AP’.
Sei S der Schnittpunkt von PP’ mit g. Falls S = A ist, so sind
BSP und BSP’ kongruente Wechselwinkel, also sind beide
rechte Winkel.
Kapitel 2
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Seite 49
Beweis des Satzes über Lote – Fortsetzung
Sei S  A.
(a) Existenz eines Lotes:
DSAP  DSAP’ (SWS).
Also folgt m(PSA) = m(P’SA). Da sie Nebenwinkel sind,
müssen beide rechte Winkel sein. Also steht PS senkrecht auf g.
(b) Eindeutigkeit: Angenommen, es gäbe einen Punkt T  S auf g,
so dass auch PT auf g senkrecht steht.
Sei R ein Punkt, so dass T zwischen S und R liegt.
Dann ist PTR Außenwinkel des Dreiecks DPST mit gegenüber-
liegendem Innenwinkel PST. Also hätte der Außenwinkel das
gleiche Maß wie ein gegenüberliegender Innenwinkel: Widerspruch.
Kapitel 2
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Seite 50
Mittellot
Definition:
Seien P und Q verschiedene Punkte.
Das Mittellot (die Mittelsenkrechte) der Strecke PQ
ist diejenige Gerade, die
(1) durch den Mittelpunkt von PQ geht und
(2) senkrecht auf PQ steht.
Kapitel 2
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Seite 51
Mittellotsatz
2.3.8 Satz. Seien P und Q verschiedene Punkte. Dann hat jeder
Punkt des Mittellots von PQ den gleichen Abstand von P wie von
Q.
Beweis. Sei X ein Punkt des Mittellots h von PQ.
Sei M der Schnittpunkt von h mit PQ. Wenn X auf PQ liegt, so
ist X = M der Mittelpunkt der Strecke PQ.
Also gilt die Aussage für diesen Punkt.
Sei nun X nicht auf PQ. Dann sind die Dreiecke DXMP und
DXMQ nach SWS kongruent. Daraus folgt XP = XQ. 
Kapitel 2
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Seite 52
Umkehrung des Mittellotsatzes
2.3.9 Satz. Seien P und Q verschiedene Punkte. Dann liegt jeder
Punkt, der den gleichen Abstand von P wie von Q hat, auf dem
Mittellot von PQ.
In altertümlicher Sprache: Der „Ort“ aller Punkte mit gleichem
Abstand von P und Q ist das Mittellot von PQ.
Kapitel 2
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Seite 53
Beweis der Umkehrung des Mittellotsatzes
Beweis. Sei X ein beliebiger Punkt mit XP = XQ. Wir müssen
zeigen, dass X auf dem Mittellot von PQ liegt.
Betrachte den Mittelpunkt M der Strecke PQ. Wenn X auf PQ
liegt, so ist X = M, und also liegt X auf dem Mittellot.
Sei also X  PQ. Es genügt zu zeigen, dass die Gerade XM
senkrecht auf PQ steht. Denn dann ist XM das Mittellot von PQ;
insbesondere liegt M dann auf dem Mittellot.
Nach SSS sind die Dreiecke DXMP und DXMQ kongruent.
Insbesondere sind die Winkel XMP und XMQ kongruent.
Als kongruente Nebenwinkel sind sie also beide rechte Winkel,
daher steht XM senkrecht auf PQ. 
Kapitel 2
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Seite 54
2.4 Besondere Geraden im Dreieck
• Wir untersuchen Mittellote, Höhen, Seitenhalbierende und
Winkelhalbierende eines Dreiecks.
• Es wird sich zeigen, dass diese Geraden jeweils durch einen
gemeinsamen Punkt gehen.
• Dies ist eine sehr bemerkenswerte Tatsache, denn im allgemeinen
werden sich drei Geraden (von denen keine zwei parallel sind) in drei
verschiedenen Punkten schneiden.
Es ist etwas Besonderes, wenn drei verschiedene Geraden durch
einen gemeinsamen Punkt gehen!
Kapitel 2
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Seite 55
Satz über die Mittellote eines Dreiecks
2.4.1 Satz. Sei DABC ein Dreieck. Dann schneiden sich die
Mittellote der drei Seiten in einem gemeinsamen Punkt. Dieser Punkt
hat von allen Ecken den gleichen Abstand.
Beweis. Sei ga das Mittellot der Seite BC und gb das Mittellot der
Seite AC. Nach dem Mittellotsatz haben
(1) alle Punkte auf ga den gleichen Abstand von B wie von C,
(2) alle Punkte auf gb den gleichen Abstand von A wie von C.
Also hat der Schnittpunkt S von ga und gb auch den gleichen
Abstand von A wie von B. Nach der Umkehrung des Mittellotsatzes
liegt S auf dem Mittellot gc von A und B.
Also gehen alle Mittelsenkrechten durch den Punkt S. 
Kapitel 2
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Seite 56
Bemerkungen
• Der gemeinsame Schnittpunkt der Mittellote ist auch der
Umkreismittelpunkt des Dreiecks DABC.
• Wir haben hier folgende Beweisstrategie verwendet:
Betrachte den Schnittpunkt von zwei der betrachteten Geraden und
zeige, dass auch die dritte betrachtete Gerade durch diesen
Schnittpunkt geht. Dann gehen alle drei betrachteten Geraden durch
diesen Punkt.
Kapitel 2
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Seite 57
Das Mittendreieck
Definition. Sei DA*B*C* ein Dreieck. Sei A der Mittelpunkt von
B*C*, B der Mittelpunkt von A*C* und C der Mittelpunkt von A*B*.
Dann nennt man DABC das Mittendreieck von DA*B*C*.
2.4.2 Hilfssatz. Sei DABC ein Dreieck. Konstruiere DA*B*C*:
–
A* ist der Schnittpunkt der Parallelen zu AC durch B mit der
Parallelen zu AB durch C,
–
B* ist der Schnittpunkt der Parallelen zu BC durch A mit der
Parallelen zu BA durch C,
–
C* ist der Schnittpunkt der Parallelen zu CB durch A mit der
Parallelen zu CA durch B.
Dann ist DABC das Mittendreieck von DA*B*C*.
Kapitel 2
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Seite 58
Beweis des Hilfssatzes
Beweis. Zu zeigen: A ist der Mittelpunkt von B*C* usw.
Dazu zeigen wir, dass DBAC* und DCB*A kongruent zu DABC
sind: Die Winkel ABC* und BAC sind als Wechselwinkel
kongruent; ebenso sind die Stufenwinkel BAC* und ABC
kongruent. Da DABC und DBAC* auch die Seite AB gemeinsam
haben, sind die Dreiecke nach WSW kongruent.
Ebenso zeigt man die Kongruenz der anderen Dreiecke. Also sind
die Seiten AC* und AB* beide so lange wie BC, also gleich lang.
Somit ist A der Mittelpunkt der Strecke B*C*.
Ebenso zeigt man die Behauptungen für B und C. 
Kapitel 2
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Seite 59
Die Höhen
Definition. Sei DABC ein Dreieck. Wir bezeichnen mit ha das Lot
durch A auf die Seite BC (= a) und nennen es die Höhe von A auf
a. Entsprechend definiert man die Höhen hb und hc.
2.4.3 Satz. Die Höhen eines Dreiecks schneiden sich in einem
gemeinsamen Punkt; dieser wird der Höhenschnittpunkt genannt.
Kapitel 2
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Seite 60
Beweis des Höhenschnittpunktsatzes
Beweis. Sei DABC ein Dreieck. Wir konstruieren dazu ein Dreieck
DA’B’C’, so dass DABC das Mittendreieck von DA’B’C’ ist.
Beobachtung: Die Höhe ha von DABC ist die Mittelsenkrechte der
Seite B‘C‘ des Dreiecks DA’B’C’. (Denn ha geht durch den
Mittelpunkt von B‘C‘ und steht senkrecht auf BC, und BC ist
parallel zu B‘C‘.) Entsprechendes gilt für die anderen Höhen.
Also: Die Höhen von DABC sind genau die Mittellote von DA’B’C’ !
Die Mittellote jedes Dreiecks (also auch von DA’B’C’) schneiden sich
in einem gemeinsamen Punkt (2.4.1). Also schneiden sich auch die
Höhen des Dreiecks DABC in einem gemeinsamen Punkt. 
Kapitel 2
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Seite 61
Winkelhalbierende, Abstand
Definitionen. (a) Sei BAC ein Winkel. Die Winkelhalbierende
des Winkels BAC ist diejenige Gerade AD mit der Eigenschaft,
dass m(DAB) = ½m(BAC) gilt.
(b) Sei DABC ein Dreieck. Dann nennt man die Winkelhalbierenden
der Winkel A, B, C die Winkelhalbierenden des Dreiecks
DABC.
Definition. Sei P ein Punkt außerhalb einer Geraden g.
Der Abstand von P zu g ist die Länge des Lots von P auf g
(genauer gesagt: die Länge der Strecke PF, wobei F der Fußpunkt
des Lots von P auf g ist). Der Abstand von P zu g ist die
kürzeste Verbindung von P zu einem Punkt von g.
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Seite 62
Satz über die Winkelhalbierenden
2.4.4 Satz. Seien g1 und g2 zwei Geraden, die sich in dem Punkt
S schneiden, und sei h die Winkelhalbierende von g1 und g2.
Dann sind die Punkte auf h genau die Punkte,
die den gleichen Abstand von g1 wie von g2 haben.
Beweis. Wir müssen zwei Dinge zeigen:
(1) Jeder Punkt auf h hat den gleichen Abstand von g1 wie von g2.
(2) Jeder Punkt, der den gleichen Abstand von g1 wie von g2 hat,
liegt auf h.
Kapitel 2
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Seite 63
Beweis des Satzes über die Winkelhalbierenden
Sei X ein Punkt, und sei F1 (bzw. F2) der Fußpunkt des Lots von X
auf g1 (bzw. g2).
(1) Sei X auf h, o.B.d.A. X  S. Zu zeigen: XF1 = XF2.
Die Dreiecke DSXF1 und DSXF2 sind rechtwinklig, und die
Hypotenusen und ein weiteres Paar von Winkeln sind gleich groß
sind. Daher sind sie kongruent (ÜA). Also ist XF1 = XF2.
(2) Nun gelte X F1 = X F2. Zu zeigen: m(XSF1 ) = m(XSF2).
DSXF1 und DSXF2 sind rechtwinklige Dreiecke, bei denen die
Hypotenusen und ein Paar von Katheten gleich lang sind. Also sind
sie kongruent (ÜA).
Insbesondere sind die Winkel XSF1 und XSF2 gleich groß. 
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Seite 64
Schnittpunkt der Winkelhalbierenden
2.4.5 Satz. In jedem Dreieck schneiden sich die Winkelhalbie-renden
in einem gemeinsamen Punkt. Dieser Punkt hat von allen Seiten des
Dreiecks den gleichen Abstand (Mittelpunkt des Innkreises).
Beweis. Sei DABC ein Dreieck. Seien sa (bzw. sb bzw. sc) die
Winkelhalbierende von A (bzw. B bzw. C).
Hilfssatz 2.4.4 sagt: Der Schnittpunkt S von sa und sb hat den
gleichen Abstand von AC, AB und BC. Insbesondere hat er den
gleichen Abstand von AC und BC. Wiederum nach 2.4.4 liegt S
also auf der Winkelhalbierenden sc durch C.
Also schneiden sich alle Winkelhalbierenden in dem Punkt S. 
Kapitel 2
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Seite 65
Ein Hilfssatz
2.4.5 Hilfssatz. Seien g1 und g2 parallele Geraden, sei P ein
Punkt außerhalb von g1 und g2, und seien F1 und F2 die
Fußpunkte der Lote von P auf g1 bzw. auf g2. Sei h eine
beliebige Gerade durch P, die g1 und g2 in den Punkten P1 und
P2 schneidet. Dann gilt:
PP1 = PP2  PF1 = PF2.
Kurz: Man kann die Tatsache, dass P den gleichen Abstand von g1
und g2 hat, auch an einer „schrägen“ Geraden h ablesen.
Kapitel 2
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Seite 66
Beweis des Hilfssatzes
Beweis. Die Dreiecke DPF1P1 und DPF2P2 haben beide einen
rechten Winkel, ferner sind die Winkel F1PP1 und F2PP2
kongruent, da sie Scheitelwinkel sind. Nach dem Winkelsummensatz
sind also auch die Winkel PP1F1 und PP2F2 kongruent.
Nun zeigen wir die beiden Implikationen.
“”: Wegen PP1 = PP2 sind die Dreiecke DPF1P1 und
DPF2P2 kongruent nach WSW. Also ist auch PF1 = PF2.
“”: Da PF1 = PF2 ist, folgt DPF1P1  DPF2P2 nach WSW.
Also ist auch PP1 = PP2. 
Kapitel 2
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Seite 67
Abstand von parallelen Geraden
2.4.6 Hilfssatz. Seien g und g‘ parallele Geraden. Dann haben je
zwei Punkte P1 und P2 auf g den gleichen Abstand zu g‘.
Beweis. ÜA. 
Definition. Diesen Abstand nennt man kurz auch den Abstand der
Geraden g und g‘.
Kapitel 2
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Seite 68
Seitenhalbierenden
Definition. Sei DABC ein Dreieck. Man nennt die
Verbindungsstrecken einer Ecke mit dem Mittelpunkt der
gegenüberliegenden Seite die Seitenhalbierenden von DABC.
2.4.7 Satz. Die Seitenhalbierenden eines Dreiecks schneiden sich in
einem gemeinsamen Punkt S.
Dieser Punkt S teilt jede Seitenhalbierende im Verhältnis 2:1,
wobei der größere Teil jeweils bei der entsprechenden Ecke liegt.
Der Punkt S heißt Schwerpunkt des Dreiecks.
Kapitel 2
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Seite 69
Beweis des Satzes über die Seitenhalbierenden, I
Beweis. Sei DABC ein Dreieck. Seien Ma, Mb, Mc die Mittelpunkte
der Seiten BC, AC und AB.
Sei S der Schnittpunkt von sa = AMa und sb = BMb.
Wir betrachten die Parallelen g1, g2, g3 und g4 zu BMb durch die
Punkte A, Mc, Ma und C.
Behauptung: Die Abstände von g1 und g2, g2 und BMb, BMb und
g3, g3 und g4 sind alle gleich.
„g1 und g2 sowie g2 und BMb haben den gleichen Abstand“:
Da Mc der Mittelpunkt von A und B ist, ist McA = McB. Nach
dem Hilfssatz 2.4.5 hat daher Mc den gleichen Abstand von g1 wie
von BMb; also hat g2 den gleichen Abstand von g1 wie von BMb.
Kapitel 2
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Seite 70
Beweis des Satzes über die Seitenhalbierenden, II
Genauso: „g3 hat den gleichen Abstand von BMb wie von g4“.
Betrachte die Schnitte der fünf Geraden mit der Seite AC von
DABC. Da g2 denselben Abstand von g1 wie von BMb hat, muss
X nach 2.4.5 der Mittelpunkt von A und Mb sein.
Ebenso folgt: Y ist Mittelpunkt von Mb und C. Da aber Mb der
Mittelpunkt von A und C ist, teilen die Geraden g1, g2, BMb, g3
und g4 die Strecke AC in vier gleich lange Strecken ein.
Nach 2.4.5 ist auch der Abstand von BMb zu g2 der gleiche wie der
zu g3.
Damit ist die (Zwischen-)Behauptung bewiesen.
Kapitel 2
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Seite 71
Beweis des Satzes über die Seitenhalbierenden, III
Zwischenbehauptung und 2.4.5 ergeben: g1, g2, BMb, g3 zerlegen
AMa in drei gleich lange Strecken. Also teilt S die Strecke AMa im
Verhältnis 2:1, wobei der längere Teil die Strecke SA ist.
Ebenso: S teilt die Strecke BMb im Verhältnis 2:1, wobei der
längere Teil bei der Ecke B liegt.
Warum liegt S auch auf der dritten Seitenhalbierenden?
Der Schnittpunkt S' von BMb und CMc teilt (nach entsprechenden
Überlegungen) sowohl BMb als auch CMc im Verhältnis 2:1.
Also teilt sowohl S als auch S‘ die Strecke BMb im Verhältnis 2:1,
wobei in beiden Fällen der längere Teil bei der Ecke B liegt. Also ist
S' = S, und der Satz ist bewiesen. 
Kapitel 2
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Seite 72
2.5 Der Kreis
Definition: Sei M ein Punkt, und sei r eine positive reelle Zahl.
Der Kreis mit Mittelpunkt M (um M) und Radius r ist die Menge
K aller Punkte P mit PM = r.
Mit anderen Worten: Ein Kreis besteht aus allen Punkten, die von
einem festen Punkt denselben Abstand haben:
K = {P  PM = r}.
Sei K ein Kreis mit Mittelpunkt M und Radius r. Sei P ein Punkt
auf K. Dann heißt die Strecke MP ein Radius von K.
(Achtung: Das Wort “Radius” hat zwei Bedeutungen!)
Kapitel 2
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Seite 73
Sehnen, Sekanten und Tangenten
Sei K ein Kreis um M mit Radius r.
Definition: Seien P und Q verschiedene Punkte von K. Dann
heißt die Strecke PQ eine Sehne von K. Wenn M  PQ ist, so
heißt PQ ein Durchmesser von K.
Definition: Eine Gerade, die einen Kreis K in genau zwei Punkten
trifft, wird Sekante genannt; eine Gerade, die K in genau einem
Punkt P trifft, heißt Tangente an K in dem Punkt P.
Definition: Die Menge X aller Punkte mit XM < r heißt das
Innere von K; die Menge der Punkte Y mit YM > r wird das
Äußere von K genannt.
Kapitel 2
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Seite 74
Existenz und Eindeutigkeit von Tangenten
2.5.1 Satz. Sei K ein Kreis um M mit Radius r. Dann gilt:
(a) (Konstruktion von Tangenten) Wenn t eine Gerade ist, die
durch den Punkt P von K geht und senkrecht auf dem Radius PM
steht, dann ist t eine Tangente von K.
(b) (Eindeutigkeit von Tangenten) Wenn t eine Tangente ist, die
K in dem Punkt P berührt, dann steht t senkrecht auf dem Radius
PM .
(c) Jeder Punkt von K liegt auf einer eindeutig bestimmten
Tangenten.
(d) Eine Tangente enthält keinen Punkt aus dem Innern von K.
Kapitel 2
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Seite 75
Beweis des Satzes über Tangenten, (a)
Beweis. (a) Sei t die Gerade durch P, die senkrecht auf PM steht.
Angenommen, t schneidet den Kreis K in einem weiteren Punkt Q
 P.
Wegen PM = r = QM ist DMPQ ein gleichschenkliges Dreieck.
Also sind die Basiswinkel kongruent. Da aber der Basiswinkel
MPQ nach Voraussetzung ein rechter Winkel ist, muss auch
MQP ein rechter Winkel sein: ein Widerspruch, da die
Winkelsumme 180° ist.
(b) Sei t eine Tangente, die K in dem Punkt P berührt.
Sei F der Fußpunkt des Lots von M auf t.
Falls F = P, sind wir fertig.
Kapitel 2
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Seite 76
Beweis des Satzes über Tangenten, (b), (c), (d)
Wir nehmen an, dass F  P ist.
Dann gibt es P’  P auf t = FP, so dass F der Mittelpunkt von P
und P’ ist. Dann ist MF das Mittellot von P und P’.
Da M auf dem Mittellot von P und P’ liegt, folgt mit dem
Mittellotsatz MP’= MP = r.
Also liegt P’ auf K. Daher würde t zwei Punkte von K enthalten,
ein Widerspruch zur Definition einer Tangente.
(c) folgt aus (a) und (b).
(d) folgt weil der Radius die kürzeste Verbindung von M zum
Berührpunkt einer Tangente ist. 
Kapitel 2
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Seite 77
Umfangswinkel
Definition. Sei AB eine Sehne eines Kreises K mit Mittelpunkt M.
Dann teilt diese Sehen den Kreis in zwei “Kreisbögen” ein.
Sei C ein von A und B verschiedener Punkt von K.
Dann heißt der Winkel ACB Umfangswinkel (Peripheriewinkel).
Der Winkel AMB heißt Mittelpunktswinkel. Sei AD eine
Tangente. Dann heißt DAB ein Sehnentangentenwinkel.
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Seite 78
Umfangswinkelsatz
2.5.2 Umfangswinkelsatz. Sei AB eine Sehne eines Kreises K.
Dann sind alle Umfangswinkel ACB, wobei C in einem
Kreisbogen ist, gleich groß.
Genauer gilt: Jeder Umfangswinkel ist genau halb so groß wie der
Mittelpunktswinkel über der Strecke AB
und genau so groß wie der auf der anderen Seite von AB liegende
Sehnentangentenwinkel.
Kapitel 2
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Januar 2004
Seite 79
Satz des Thales
2.5.3 Folgerung: Satz des Thales (650 bis 560 v. Chr.).
Sei AB ein Durchmesser eines Kreises K.
Dann gilt für jeden von A, B verschiedenen Punkt C von K:
m(ACB) = 90°.
Kurzform: „Der Winkel im Halbkreis ist ein rechter“.
Beweis. (Umfangswinkelsatz wird vorausgesetzt!).
Der Umfangswinkelsatz sagt, dass der Winkel ACB genau so
groß ist wie der “gegenüberliegende” Sehnentangentenwinkel.
Da die Sehne in diesem Fall ein Durchmesser ist, steht die Tangente
senkrecht auf der Sehne. Also ist der Sehnentangentenwinkel, und
damit auch der Umfangswinkel ACB ein rechter Winkel. 
Kapitel 2
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Seite 80
Beweis des Umfangswinkelsatzes
Betrachte den Fall „M liegt innerhalb von DABC. Andere Fälle: ÜA
Sei a+b die Größe des Umfangswinkels, g die Größe des Sehnentangentenwinkels und m die Größe des Mittelpunktswinkels.
Dann haben die drei Winkel bei M die Größen m, 180°–2a und
180°–2b. Somit gilt:
m + 180°–2a + 180°–2b = 360°,
also a+b = m/2.
Da der Winkel BAM das Maß (180°–m)/2 hat, gilt
g + (180°–m)/2 = 90°, also g = m/2.
Zusammen folgt a+b = g. Damit sind alle Behauptungen bewiesen. 
Kapitel 2
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Seite 81
2.6 Der Satz des Pythagoras
• Flächeninhalt
• Satz des Pythagoras
• Kathetensatz
• Höhensatz
Kapitel 2
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Seite 82
Flächeninhalt I
Definition des Flächeninhalts: Problem!
(a) Kongruente Dreiecke haben den gleichen Flächeninhalt.
(b) Zerlegung: Seien F und F' Figuren. Wir zerlegen F in Figuren
F1, F2, ... und F' in Figuren F1', F2', ... Wir setzen fest: Wenn F1
und F1‘, F2 und F2', ... jeweils den gleichen Flächeninhalt haben,
dann haben auch F und F' den gleichen Flächeninhalt.
Folgerung: Wenn die Figuren F und F' so in Dreiecke D1, D2, ...
und D1', D2', ... zerlegt werden können, dass D1  D1', D2  D2', ...,
dann haben die beiden Figuren den gleichen Flächeninhalt.
Kurz: Zerlegungsgleiche Figuren haben den gleichen Flächeninhalt.
Kapitel 2
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Januar 2004
Seite 83
Flächeninhalt II
Bemerkung: Wir können bislang nur sagen, ob zwei Figuren den
gleichen Flächeninhalt haben oder nicht. Wir können aber noch
keinen Flächeninhalt "messen".
Wir können sagen „ ein Quadrat der Seitenlänge 2 hat den gleichen
Flächeninhalt wie ein Rechteck mit den Seitenlängen 1 und 4“.
Wir legen fest: Wenn eine Figur F in Teilfiguren F1, ..., Fn zerlegt ist
und die Teilfiguren F1, ..., Fn alle den gleichen Flächeninhalt haben,
so ist der Flächeninhalt von F das n-fache des Flächeninhalts von
F1 .
Kapitel 2
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Januar 2004
Seite 84
Flächeninhalt eines Rechtecks
Beispiel: Ein Rechteck mit Seitenlängen a und b (a, b  N)
hat einen Flächeninhalt, der ab mal größer ist als der Flächeninhalt
eines Quadrats der Seitenlänge 1 (Einheitsquadrat).
Wir legen fest: Das Einheitsquadrat hat den Flächeninhalt 1 !
Dann hat ein Rechteck mit Seitenlängen a, b  N den Flächeninhalt
ab.
Wir legen fest: Ein Rechteck mit den Seitenlängen a, b  R hat den
Flächeninhalt ab. Insbesondere hat ein Quadrat der Seitenlänge a
den Flächeninhalt a2.
Kapitel 2
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Seite 85
Flächeninhalt eines rechtwinkligen Dreiecks
2.6.1 Satz. Sei DABC ein rechtwinkliges Dreieck mit rechtem
Winkel bei C; seien a und b die Längen der beiden Katheten.
Dann hat DABC den Flächeninhalt ab/2.
Beweis. Wir betten das Dreieck DABC in ein Rechteck ACBD mit
den Seitenlängen a und b ein.
Dann sind die Dreiecke DABC und DBAD kongruent.
Also ist der Flächeninhalt des Rechtecks doppelt so groß wie der
Flächeninhalt des Dreiecks.
Mit anderen Worten: Der Flächeninhalt des Dreiecks DABC ist halb
so groß wie der Flächeninhalt des Rechtecks.
Also ist der Flächeninhalt des Dreiecks gleich ½ab. 
Kapitel 2
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Januar 2004
Seite 86
Satz des Pythagoras
Berühmtester Satz der Mathematik;
insgesamt gibt es über 100 verschiedene Beweise!
2.6.2 Satz des Pythagoras. In einem rechtwinkligen Dreieck mit
den Kathetenlängen a und b und der Hypotenusenläge c gilt
a2 + b 2 = c 2 .
In Worten: Das Quadrat über der Hypotenuse ist gleich der Summe
der Quadrate über den Katheten.
Kapitel 2
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Seite 87
Beweis des Satzes von Pythagoras
Beweis. Wir verlängern die Seiten CA und CB des Dreiecks
DABC. Dann legen wir dreimal ein rechtwinkliges Dreieck mit den
Seitenlängen a, b, c so an, daß wir ein Quadrat mit der Seitenlänge
a+b erhalten.
Da die vom rechten Winkel verschiedenen Winkel der Dreiecke
zusammen 90° ergeben, ist auch das im Innern entstehende Viereck
ein Quadrat. Dieses hat die Seitenlänge c. Daher gilt:
Flächeninhalt des großen Quadrats =
Flächeninhalt des Quadrats in der Mitte + 4 · Fläche des Dreiecks.
Das heißt: (a+b)2 = c2 + 4ab/2.
Daraus ergibt sich a2 + 2ab + b2 = c2 + 2ab, bzw. a2 + b2 = c2.
Kapitel 2

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Januar 2004
Seite 88
Beispiel zum Satz des Pythagoras
Mit dem Satz des Pythagoras kann man die dritte Seite eines
rechtwinkligen Dreiecks ausrechnen, wenn zwei Seiten gegeben
sind.
Beispiel: Wenn die Längen der Katheten 3 und 4 sind, so muss
die Länge der Hypotenuse gleich
32  42  25  5
sein.
Man kann schrittweise Strecken der Länge 2, 3, 4, 5, …
konstruieren (Quadratwurzelschnecke).
Kapitel 2
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Januar 2004
Seite 89
Satz des Pythagoras für „beliebige“ Figuren
Man kann den Satz des Pythagoras so variieren, dass man statt
Quadraten „beliebige“ Figuren an die Seiten zeichnet.
Es gilt dann immer
Summe der Flächen der Figuren über den Katheten
= Fläche über der Hypotenuse
Als Voraussetzung braucht man nur, dass der Flächeninhalt der
Figuren jeweils ein fester Prozentsatz der Quadratfläche ist.
Kapitel 2
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Januar 2004
Seite 90
Umkehrung des Satzes des Pythagoras
2.6.3 Satz. Sei DABC ein beliebiges Dreieck mit den
Seitenlängen a, b, c. Wenn gilt
a 2 + b2 = c 2 ,
dann ist DABC rechtwinklig mit rechtem Winkel bei C.
Anwendung: Konstruktion eines rechten Winkels im 3,4,5Dreieck.
Kapitel 2
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Januar 2004
Seite 91
Der Höhensatz
2.6.4 Höhensatz. Sei DABC ein rechtwinkliges Dreieck (mit
rechtem Winkel bei C. Sei F der Fußpunkt des Lots von C auf
AB. Sei h = CF, p = AF und q = BF. Dann gilt
h2 = pq.
Anwendung: Gegeben ein Quadrat mit Seitenlänge h und eine
positive reelle Zahl p < h. Konstruiere ein Rechteck, das eine Seite
der Länge p hat und gleichen Flächeninhalt wie das Quadrat hat.
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Seite 92
Beweis des Höhensatzes
Beweis. Wende Pythagoras auf die Dreiecke DAFC und DBFC an:
h2 + p 2 = b 2 , h 2 + q 2 = a 2 .
Wir addieren die beiden Gleichungen und wenden Pythagoras an:
2h2 + p2 + q2 = a2 + b2 = c2 ...
Wegen c = p + q ist also
2h2 + p2 + q2 = c2 = (p+q)2 = p2 + 2pq + q2,
also 2h2 = 2pq, und damit h2 = pq. 
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Seite 93
Der Kathetensatz
2.6.5 Kathetensatz. Sei DABC ein rechtwinkliges Dreieck mit
rechtem Winkel bei C. Sei F der Fußpunkt des Lots von C
auf AB. Sei q = BF. Dann gilt
a2 = qc.
Anwendung: Gegeben ein Rechteck mit Seitenlängen q und c.
Konstruiere ein Quadrat, das den gleichen Flächeninhalt wie das
Rechteck hat.
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Seite 94
Beweis des Kathetensatzes
Beweis. Wende Pythagoras auf das Dreieck DBFC an:
a2 = q 2 + h 2 .
Mit dem Höhensatz folgt:
a2 = q2 + h2 = q2 + pq = q(q+p) = qc. 
Bemerkung: Auf dem Höhen- und Kathetensatz beruht die Fähigkeit
der Griechen, variable Größen multiplizieren zu können.
(Problem: Das Produkt ist eine andere Sorte von Größe (nämlich
eine Fläche) als die Ausgangsgröße.)
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Seite 95
2.7 Die Strahlensätze
2.7.1 Erster Strahlensatz. Sei DABC ein Dreieck,
sei B* ein Punkt auf AB, und sei C* ein Punkt auf AC.
Dann gilt: Wenn B*C* parallel zu BC ist, so gilt:
AB* / AB = AC* / AC.
Beweis. Ist technisch aufwändig, weil man den Satz zunächst für
natürliche, dann rationale und dann reelle Zahlen beweist.
Spezialfall: AB = 2AB*.
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Seite 96
Bemerkung zum ersten Strahlensatz
Unter den Voraussetzungen des 1. Strahlensatzes gilt auch
AB* / B*B = AC* / C*C.
Beweis. Aus AB / AB* = AC / AC* (1. Strahlensatz) folgt
1 + B*B / AB* = (AB* + B*B) / AB* = AB  / AB*
= AC / AC* = (AC* + C*C) / AC* = 1 + C*C / AC* .
Also B*B / AB* = C*C / AC*; das heißt
AB* / B*B = AC* / C*C. 
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Seite 97
Anwendungen
1. Aufteilung einer Strecke in gleiche Teile. Sei AB eine Strecke,
die in n gleiche Teile eingeteilt werden soll.
Dazu bildet man einen Strahl ACn, der in n gleiche Teilstrecken
AC1, C1C2, ..., Cn–1Cn aufgeteilt ist.
Die Parallelen zu BCn durch die Punkte C1, C2, ..., Cn–1 schneiden
die Strecke AB in den Punkten B1, B2, ..., Bn–1;
diese teilen die Strecke AB in n gleiche Teilstrecken ein.
2. „Projektionssatz“: Wenn drei parallele Geraden zwei Geraden g
und h schneiden, so haben die auf g bzw. h ausgeschnittenen
Strecken das gleiche Verhältnis.
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Seite 98
Umkehrung des ersten Strahlensatzes
2.7.2 Umkehrung des ersten Strahlensatzes. Sei DABC ein
Dreieck, sei B* ein Punkt auf AB, und sei C* ein Punkt auf AC.
Dann gilt: Wenn gilt
AB* / AB = AC* / AC,
dann ist B*C* parallel zu BC.
Beweis. Sei h die Parallele zu BC durch B*, diese schneidet AC
in dem Punkt C+. Wir müssen zeigen, dass C+= C* ist.
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Seite 99
Beweis der Umkehrung
Wir wenden den 1. Strahlensatz an:
AB* / AB = AC+ / AC,
also
AC+ =  AB*  AC / AB.
Nach Voraussetzung ist aber AB* / AB = AC* / AC, also
AC* = AB*  AC / AB.
Zusammen folgt C+ = C*. 
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Seite 100
Der zweite Strahlensatz
2.7.3 Zweiter Strahlensatz. Sei DABC ein Dreieck,
sei B* ein Punkt auf AB, und sei C* ein Punkt auf AC.
Dann gilt: Wenn B*C* parallel zu BC ist, so gilt:
AB* / AB = B*C* / BC.
Beweis. Wir betrachten die Parallele zu AC durch B*; diese
schneidet BC in einem Punkt S.
Das Viereck C*B*SC ist ein Parallelogramm;
also ist SC = B*C*.
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Seite 101
Beweis des zweiten Strahlensatzes
Wir wenden den ersten Strahlensatz “von B aus” an:
BS / SC = BB* / B*A.
Wegen BC = BS + SC ergibt sich
BC = BB*  SC / B*A + SC
= (BB*  SC + B*A  SC) / B*A
= (AB* + BB*)  SC / B*A = AB  SC / B*A
= AB  B*C* / B*A.
Also folgt BC / B*C* = AB / AB*. 
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Seite 102
Die Mittellinie eines Dreiecks
Definition. Sei DABC ein Dreieck. Sei Mb der Mittelpunkt der Seite
AC, und sei Ma der Mittelpunkt der Seite BC. Dann heißt die
Strecke MbMa die Mittellinie (oder Mittelparallele) des Dreiecks
DABC.
2.7.4 Satz über die Mittellinie. Die Mittellinie ist parallel zur
Grundseite AB und genau halb so lang wie diese.
Beweis. Aus der Umkehrung des ersten Strahlensatzes folgt die
Parallelität. Aus dem zweiten Strahlensatz ergibt sich dann die
Tatsache, dass die Mittellinie halb so lang wie die Grundseite ist. 
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Seite 103
Einfacher Beweis des Schwerpunktsatzes
Beweis des Satzes 2.4.7 (Schnittpunkt der Seitenhalbierenden):
Sei DABC ein Dreieck. Sei Mb der Mittelpunkt der Seite AC, Ma
der Mittelpunkt der Seite BC, und sei MbMa die Mittellinie.
Sei S der Schnittpunkt der Seitenhalbierenden AMa und BMb. Da
die Mittellinie parallel zur Grundseite ist, können wir den zweiten
Strahlensatz anwenden. Es folgt, dass S die beiden
Seitenhalbierenden im Verhältnis 2:1 teilt.
D.h. BMb schneidet AMa in dem Punkt, der die Strecke AMa im
Verhältnis 2:1 teilt. Ebenso folgt aber: CMc teilt AMa in dem Punkt,
der die Strecke im Verhältnis 2:1 teilt. Also gehen alle drei
Seitenhalbierenden durch denselben Punkt.
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Seite 104
Umkehrung des zweiten Strahlensatzes?
Umkehrung des zweiten Strahlensatzes?
Sei DABC ein Dreieck, sei B* ein Punkt auf AB, und sei C* ein
Punkt auf AC.
Sei AB* / AB = B*C* / BC.
Gilt dann: B*C* ist parallel zu BC ??
Nein!
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Seite 105
2.8 Bemerkung zu Beweisen
Jeder mathematische Satz ist von der Form “A  B”.
Aus A (der Voraussetzung) folgt B (die Behauptung).
Behauptung: A  B.
Direkter Beweis: Es gelte A.
Bla bla bla.
Also gilt B. 
Indirekter Beweis: Angenommen, B ist falsch.
Bla bla bla: Ein Widerspruch!
Also ist die Annahme falsch. Also gilt B. 
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Seite 106
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