Diagnose und Therapie von Epilepsien E. Hauser Landesklinikum Thermenregion Mödling Wie entstehen cerebrale Anfälle? Verminderte Inhibition Vermehrte Excitation Normale Situation Inhibition (GABA) Excitation (Glutamat) Der Anfall Inhibition (GABA) Excitation (Glutamat) Interiktale Situation Inhibition vermehrt Excitation vermehrt Iktale Situation Inhibition durchbrochen Excitation vermehrt Begriffe Epileptischer Anfall Epilepsien Epileptischer Anfall Klinische Manifestation von exzessiven, hypersynchronen Entladungen. Epilepsien Chronische Erkrankung mit wiederholten, nicht-provozierten epileptischen Anfällen. Häufigkeit Prävalenz aller Personen mit Anfällen 2-5 % Prävalenz aller Personen mit Epilepsien 0,5-1 % Ursachen von Epilepsien Idiopathisch/kryptogen 5% ZNS-Infektion 5% Hirntumor 11% 4% 4% 3% Trauma 68% zerebrovaskuläre Erkrankungen kongenitale Veränderungen andere Risikofaktoren Cerebralparese 17-34 % Geistige Behinderung 22-31 % FA mit Fieberkrämpfen 3,3 % Hirntraumen 8 % Encephalitis 16 % Der epileptische Anfall ist ein Symptom und keine Krankheit. Wie jedes andere Symptom auch haben cerebrale Anfälle unterschiedliche Ursachen. Diagnose Anamnese Status EEG – Schlafentzugs-EEG – Langzeit-EEG mit Videomonitoring Bildgebung – MRI, PET, SPET etc. Stoffwechsel Genetik Anfallssymptomatologie Generalisierte Anfälle Fokale Anfälle Unklassifizierbare Anfälle Syndromatologie Anfallssymptomatologie Anfallsursache Alter zu Beginn der Erkrankung Wichtige Syndrome West-Syndrom Fieberkrämpfe Absencenepilepsie Rolandi-Epilepsie West-Syndrom Infantile Spasmen Stillstand der psycho-motorischen Entwicklung Hypsarhythmie im EEG Anfallsbeginn zumeist 4.-7. Lebensmonat Fieberkrämpfe Generalisierte tonisch-klonische Anfälle ausschließlich bei Fieber Beginn zumeist in den ersten drei Lebensjahren Zumeist (96 %) gute Prognose Absencenepilepsie Beginn meist zw. 6. und 7. Lj. Im EEG generalisierte 3/Sek. Spike/wave Paroxysmen Bewußtseinspausen mit oder ohne geringen motorischen Symptomen Benigne fokale Epilepsie mit zentrotemporalen Spikes Kurze, einfach fokale Anfälle mit hemifacialen motorischen Symptomen zumeist aus dem Schlaf Anfallsbeginn zw. 3. und 13. Lj. Im EEG zentrotemporale Spikes Gute Prognose Was tun bei Anfällen? Ruhe bewahren Verletzungen wenn möglich verhindern Nichts zwischen die Zähne stecken Nach dem Anfall stabile Seitenlage Rettung wenn notwendig Akuttherapie Bezodiazepine rectal Benzodiazepine iv Phenytoin iv Phenobarbital iv Intensivstation Early identification of refractory epilepsy Kwan and Brody, N Engl J Med, 2000; 343:314-9 525 Patienten Mittlerer Beobachtungszeitraum 5 Jahre Anfallsbeginn <1-92 63 % 1-Jahresremission 47 % mit 1. AED anfallsfrei 14 % mit 2. od. 3. AED anfallsfrei Prognosis of Childhood Epilepsy in Newly Referred Patients Hauser u Mitarb., J Child Neurol 1996; 11-201-204 281 Patienten Mittlerer Beobachtungszeitraum 5,3 Jahre Anfallsbeginn neonatal bis 15. Lebensjahr 90 % 1-Jahresremission 70,1 % 2-Jahresremission 56,9 % 3-Jahresremission Beginn der 1-Jahresremission 77,9 % im 1.Jahr 6,1 % im 2.Jahr 2,6 % im 3.Jahr 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1. 2. 3. Jahr Jahr Jahr Was spricht für schlechte Prognose Früher Anfallsbeginn Neurologisches Defizit Symptomatische Ätiologie Wann kann man von „intraktabler“ Epilepsie sprechen? Wenn bei konsequenter und richtiger Therapie nicht innerhalb eines Jahres Anfallsfreiheit erzielt werden kann, muß davon ausgegangen werden, daß es sich um eine schwer behandelbare Epilepsie handelt. Monotherapie versus Kombinationstherapie Therapiezielhierarchie: Keine Medikamente und keine Anfälle Monotherapie und keine Anfälle Kombinationstherapie und keine Anfälle Kombinationstherapie und Anfälle Alte Antiepileptika Valproat Carbamazepin Phenytoin Phenobarbital Benzodiazepine Primidon Ethosuximid Mesuximid Sultiam Corticoide Neue Antiepileptika Valproat retard Oxcarbazepin Vigabatrin Lamtrigine Felbamat Tigabide Gabapentin Topiramat Zonisamide Pregabalin „Alte“ versus „neue“ Antiepileptika Felbamat (n=25) % anfallsfrei 50 42 40 Lamotrigine (n=65) 31 26 30 20 16 16 10 0 Gabapentin (n=15) 9 0 Ant i epi l ept i ka Topiramat (n=68) Vigabatrin (n=122) Phenytoin (n=51) PB/Primidon (n=119) Wenn Medikamente nicht wirken Epilepsiechirurgie Ketogene Diät Vagusnervstimulation Wann an Epilepsiechirurgie denken? Bei medikamentös nicht ausreichend behandelbaren Epilepsien und Wenn Anfallssymptomatik und/oder EEG auf fokalen Ursprung hinweist Epilepsiechirurgische Verfahren Standardresektion. zB. AmygdalaHippokampektomie „Maßgeschneiderte“ Resektion Diskonnektion Läsionsektomie Voraussetzungen für Resektion Die Anfälle müssen primär fokalen Ursprungs sein Der Fokus muß identifizierbar sein Die Resektion darf nicht zu gravierenden neurologischen Ausfällen führen Operativ behandelbare Syndrome Symptomatische Temporallappenepilepsien Kryptogene Temporallappenepilepsien Extratemporale Epilepsien (mit und ohne Läsion) Diffuse hemisphärische Epilepsien Symptomatische generalisierte Epilepsien Postoperative Anfallskontrolle 68,8 67,9 45,2 45,1 A nt er S io el re E ek T L- ti R 70 60 50 40 30 20 10 0 67,4 66,6 ve es xt A ek ra m ti Lä te yg on m si po da la H on ra ek le -H E em to R G is m es ph ie ek ti ro är ße ek on Metaanalyse nach Engel et al (1993) , to m m ul ie anfallsfrei gebessert nicht gebessert ti lo bä re R es ek ti on en Die Chancen auf Anfallsfreiheit sind mit der Epilepsiechirurgie größer als mit allen anderen Therapieoptionen, wenn es sich um eine schwer behandelbare Epilepsie handelt. Ketogene Diät Kalorienanzahl dem Idealgewicht entsprechend 4:1 Diät 1 g Protein pro kg KG Flüssigkeit 60-65 ml/kg/d (max. 12001500 ml) Wann kommt ketogene Diät in Frage? Medikamentöse Therapieresistenz (>2 Jahre) Epilepsiechirurgie nicht möglich Wenn Familie aufgeklärt und bereit ist, die Belastungen auf sich zu nehmen Regime der ketogenen Diät Max. 3 Tage stationär fasten BZ-Kontrolle alle 4 Stunden Fasten bis Ketose eintritt Dann 1. Tag 1/3 Kalorien, 2. Tag 2/3 Kalorien, 3. Tag volle Menge Wenn 4 Tage Diät toleriert, ambulante Weiterbetreuung Zusätzlich zu verabreichen Calcium Vitamine B und C Eisen Carnitin Probleme Nierensteine Infektanfälligkeit Einnahme von Calcium Flüssigkeitsaufnahme Durchhalten Krankenkasse Wirksamkeit der ketogenen Diät 56 60 50 Prozent 40 30 20 32 16 10 0 An f alls f re i > 9 > 5 0 % 0 % An f An f alls alls r ed r ed ukt ukt ion ion Lefevre und Aronson 2000 (Metaanalyse über 11 Studien) Eigene Erfahrungen mit der ketogenen Diät (n=16) 19% 19% anfallsfrei 19% 43% > 50 % Anfallsreduktion Abbruch wegen Unwirksamkeit Abbruch aus sonst. Gründen Grundlagen der Vagus-Nerv-Stimulation Stimulationselektrode linker Vagusnerv Subcutaner Generator Standardeinstellung alle 5 Minuten 30 Sekunden Schrittweise Steigerung auf max. 3.5 A Rapid-cycle Modus alle 30 Sekunden 7 Sekunden Zusätzliche Stimulation durch Magnet möglich Indikation für Vagus-Nerv-Stimulation Pharmakoresistenz Keine Möglichkeit eines kurativen epilepsiechirur-gischen Eingriffs Effekt der VNS bei Kindern (n=83) Ravish et al, Neurosurgery, (2000) 18% 29% 13% 40% > 90 Anfallsreduktion 50 - 90 % Anfallsreduktion < 50 % Anfallsreduktion unverändert Anfälle Nebenwirkungen und Probleme der VNS Heiserkeit Hustenreiz Parästhesien Muskelschmerzen Kopfschmerzen Finanzierung Zusammenfassung Schwer behandelbar ist nicht unbehandelbar. Es stellt sich bald heraus, ob eine Epilepsie schwer behandelbar ist. Die Möglichkeit eines epilepsiechirurgischen Eingriffs sollte frühzeitig in Erwägung gezogen werden. Hoffnung besteht immer