Was ist eigentlich Biodiversität?

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Technische Universität Braunschweig
Geobotanik
als Beispiel für Biodiversitätsforschung
Dietmar Brandes
Institut für Pflanzenbiologie & Universitätsbibliothek
Technische Universität Braunschweig
Was ist eigentlich Biodiversität?
• Unter „Biodiversität“ wird die Vielfalt biologischer
Einheiten wie Gene, Zellen, Arten, Populationen,
Lebensgemeinschaften und Ökosysteme bis hin
zur gesamten Biosphäre (= Gesamtheit der
biotischen Vielfalt) verstanden.
• Der Begriff Biodiversität wurde erst 1985 auf einem
Kongress geprägt und trat rasch seinen Siegeszug
in Wissenschaft, Medien und Politik an.
• Übereinkommen über die Biologische Vielfalt 1992
(= Biodiversitätskonvention, CBD).
• In der CBD hat sich auch Deutschland zu
umfangreichen Aufgaben bei Erhaltung und
Erforschung der Biodiversität verpflichtet!
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Kormophytendiversität als „Maßeinheit“ für Biodiversität
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Alles abgearbeitet?
Natürlich nicht!
Allein der Erkenntniszuwachs zur
Gefässpflanzenflora von Deutschland ist
beachtlich:
Moore (1991): 2.600
Korneck et al. (1996): 3319
Haeupler & Muer (2007): ca. 4.200
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Teilgebiete der Geobotanik
• Die Geobotanik ist die Grundlagenwissenschaft von
der Pflanzendecke der Erde, die große Bedeutung
insbesondere für Geoökologie, Umweltschutz und
Klimafolgenforschung besitzt. 4 Teilgebiete:
• Floristik und Arealkunde
• Zönologische Geobotanik (Phytozönologie;
Pflanzensoziologie)
• Historisch-genetische Geobotanik (Floren- und
Vegetationsgeschichte)
• Ökologie der Pflanzen (Autökologie,
Vegetationsökologie)
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Ökologie der Pflanzen
• Beobachtende Pflanzenökologie
• Experimentelle Pflanzenökologie:
Keimungsversuche, Konkurrenzversuche,
Vegetationsversuche, Sukzessionsversuche
• Wissenschaftlich geplante experimentelle Eingriffe
in Ökosysteme werden gesellschaftlich nicht
toleriert, es müssen daher „fremdbestimmte“
Experimente ausgewertet werden, z. B.
Auswirkung von Rodungen, Verstädterungen,
Biologische Invasionen, Besiedlung anthropgener
Substrate, Klimafolgen…
• Theoretische Pflanzenökologie (Modellbildung)
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Zeit als wesentlicher Faktor
• Die heutige Flora ist ebenso wie die heutige
Vegetation historisch bedingt; insofern hat die
Geobotanik eine starke historische Komponente.
• Ist die Entwicklung unserer Ökosysteme
eigentlich reversibel? Wie groß ist der
anthropogene Einfluss?
• Wie schnell erfolgt die Bildung einer neuen Art?
[Was ist überhaupt eine Art?: Schwierigkeiten mit
der Definition der Biologischen Art]. Verändern
sich möglicherweise die Arten während unserer
Kartierungen?
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Einwanderung der Buche
Quelle: G. Lang (1994):Quartäre Vegetationsgeschichte Europas. Stuttgart: Fischer
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Nacheiszeitliche Einwanderung von
Eryngium campestre
Huy
Ergebnis der AFLP
Mit dieser molekular-genetischen
Fingerprint-Methode lassen sich die
Teilpopulationen zu zwei Gruppen
zusammenfassen, was auf zwei Kaiserstuhl
unterschiedliche nacheiszeitliche
Einwanderungswege hindeutet.
Gr. Bartensleben
Bad Kösen
Heeseberg
Seega
Dresden
Bad Deutsch
Czerszektomaj
Konya
50
Wetterau Hegysed
Erlangen
58
Budapest
54
52
78
Tangermünde
Magdeburg
Worms
80
Gartow
Coswig
Mühlberg
70
71
Schreckhof
60
Reinacher Heide
86
Könnern
Artlenburg
Limni Amvrakia
Lebus
Ikaria
Agon - Countainville
Coimbra
Orret
Mallorca
Gatteville
Marsanay
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Biologische Invasionen
• Neophyten
• Rasche Anpassung oder Präadaption?
• Klassisch: Einschleppung in Häfen und
Ausbreitung mit der Eisenbahn
• Längst spielen Straßen und Autobahnen eine
wichtigere Rolle
• Inzwischen ist die Gartenkultur Hauptquelle:
Wir kaufen heute in den Gartenmärkten die
Neophyten von morgen
(Brandes/Weiss/Lenin)
• Welche Rolle werden Kulturpflanzen spielen?
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Biologische Invasionen:
Viatische Migration an der A 2
Atriplex sagittata
(Westasien)
Senecio inaequidens
(Südafrika)
Dittrichia graveolens
(Mittelmeergebiet)
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Fließdiagramm des
Lebenszyklus von
Xanthium albinum
im stationären
Zustand
„Adulte Pflanzen“ (Pf)
sind die Individuen, die
bis zur Fruchtreife
überdauern, auch wenn
sie u. U. keine
Fruchtstände aus-bilden.
Die Zahlen geben
Individuen pro
Quadratmeter an, die bei
unseren
Geländearbeiten
ermittelt wurden.
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Auswirkungen von Klimaänderungen
• Konkurrierende Ansätze:
• Begasungsversuche mit
höherem CO2-Gehalt (Opentop-Kammern): kurzfristig
• Expertenwissen über das
Verhalten unserer Bäume
bei veränderten
Klimabedingungen
• Slowenien als Modell für
wärmere und feuchtere
Sommer? Hier ist die Buche
bereits seit ca. 9.000 Jahren
vertreten.
http://www.klimadiagramme.de/Europa/ljubljana.html
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Slowenische Buchenwälder als Modell?
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Fazit
• Die Geobotanik ist eine eigenständige Disziplin
der Biologie mit eigenem Aufgabenspektrum und
eigenen Methoden.
• Der Einfluß der Zeit auf Vegetationssysteme ist
kaum zu überschätzen: Seit einigen
Jahrtausenden spielt der Mensch eine
zunehmend Rolle als lenkender und
selektierender Faktor.
• Ausbreitungsbiologie, Konkurrenz und
Sukzession lassen sich mit den Instrumentarien
von Zellbiologie und Molekulargenetik ebenso
wenig erfassen wie vorhersagen.
• Molekulargenetische Methoden ermöglichen
jedoch die Beantwortung vieler anderer
Fragestellungen.
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Exkursionen
• Exkursionen als Lehrveranstaltung sowie
als Attraktion für interessierte Laien: viele
Institute nehmen inzwischen interessierte
Nichtstudenten gegen Aufpreis mit.
• Exkursionsberichte als hochschultypische Literaturgattung (Ausstellung UB
Braunschweig 2001).
• Virtuelle Exkursionen.
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Die Geobotanik benötigt Experimentierflächen und botanische Sammlungen
• Botanische Gärten als wichtige Lebendsammlungen (in D ca. 100, weltweit > 1.000)
und [kontrollierte] Versuchsflächen.
• Genbanken (Diasporenbanken).
• Herbare („hortus hyemalis“): Umfrage nach
Herbarien in UBs vor ca. 20 Jahren. Große
Herbare in eigenen Kompaktanlagen.
• Sicherung der Rohdaten (DFG).
Vegetationstabellen: VegetWeb
(http: www.floraweb.de/vegetation/vegetweb)
„Vegetationsbilder“ (Dokumentation), virtuelle
Forschungsumgebungen
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Besonderheiten der Literatur
• Große Datensätze (Vegetationstabellen etc.)
• Hoher Streuungsgrad der Zeitschriftenartikel
über zahlreiche Zeitschriftentitel
• Hoher Monographienanteil
• Relativ hoher Anteil grauer Literatur
• Viele Publikationen werden (immer noch) in den
Nationalsprachen abgefasst
• Halbwertszeit > 10 Jahre (Brandes 2000)
• Langzeit-Gültigkeit
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Erschließung der Literatur
(Literaturinformation)
• BIOSIS
• Scopus, Web of Science
• Excerpta Botanica B (1959-1998): verzeichnete
mehr als 90.000 Publikationen
• Zahlreiche spezifische Bibliographien: z.B.
Bibliographia Phytosociologica Syntaxonomica
• Google Scholar
• Literaturdatenbank Vegetationsökologie
Mitteleuropas (> 12.000 Veröffentlichungen und
Links auf Volltexte)
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