V4: Energiehyperflächen, Methoden zur Energieminimierung und zum Konformationssampling Die Eigenschaften und möglichen Wechselwirkungen von organischen Molekülen hängen eng mit ihren zugänglichen Konformationen zusammen. Die Wahrscheinlichkeit, daß eine bestimmte Konformation bei Raumtemperatur eingenommen wird, hängt über die Boltzmann-Verteilung von ihrer Energie ab. In Anwendungen wie der Vorhersage von Drug-Aktivitäten ist man daher daran interessiert, alle Konformationen mit einer Energie nahe des globalen Energieminimums zu identifizieren (z.B. innerhalb von 10 kJ mol-1). Dies ist das Problem der Konformationssuche. Allerdings ist die Dimension des Konformationsraums 3N-6, wobei N die Anzahl der Atome eines Moleküls ist. Bereits für kleine Moleküle gibt es daher eine enorme Anzahl an lokalen Energieminima. Lesehinweis: Kapitel 10 aus [Schlick] 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 1 Warum kT ? Entsprechend dem Äquipartitionsprinzip hat jeder Freiheitsgrad eines Moleküls (d.h. eine bestimmte Bindungslänge, ein Bindungswinkel etc.) im Mittel die Energie kT, wobei k kB die Boltzmann-Konstante ist kB = 1,381 10-23 J K-1 und T die herrschende Temperatur. Bei Raumtemperatur (25 º C) ist kT 2.5 kJ mol-1 Ein Molekül ist ständig in Bewegung, d.h. es fliessen ständig kleine Energiebeiträge zwischen den einzelnen Freiheitsgraden hin und her. Das Molekül ist also stets in der Lage, kleine Energiebarrieren in der Grösse von ein paar kT zu überwinden. 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry Ludwig Boltzmann 1844 - 1906 2 Energiehyperflächen, Methoden zur Energieminimierung und zum Konformationssampling kleine Moleküle mit wenigen Freiheitsgraden: systematische Durchsuche des Konformationsraums (Sampling) möglich große Moleküle (Proteine) mit vielen Freiheitsgraden: verwende stochastische Suchmethoden • Energieminimimierung findet lokales Minimum • Die Frage ist, was wir möchten – globales Energieminimum – alle Minima geringer Energie – die gesamte Oberfläche der PES einschliesslich Sattelpunkte und Maxima – Einzelmoleküle oder Molekül-Ensembles • unterschiedliche Aufgaben erfordern unterschiedliche Methoden und unterschiedlich viel Aufwand 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 3 Interne Koordinaten kartesische Koordinaten Interne Koordinaten: definieren die Positionen aller Atome eines Moleküls relativ zur Position eines ausgezeichneten Atoms (‘Aufpunkt’) durch Angabe von Bindungslängen, Bindungswinkeln und Torsionswinkeln. z-Matrix: begegnet uns wieder in Vorlesung 7. Kartesische Koordinaten: definieren Position jedes Atoms i im Raum durch 3 Koordinaten (xi,yi,zi). Ein Molekül mit N Atomen hat daher 3N unabhängig voneinander variierbare Koordinaten = Freiheitsgrade. Üblicherweise hält man den Gesamtschwerpunkt des Systems im Raum fest. Damit legt man 6 Koordinaten fest = 3 Translations- und 3 Rotationsfreiheitsgrade. Es bleiben also 3N – 6 Freiheitsgrade übrig. 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 4 Energiehyperfläche 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 5 Energiehyperfläche Einfache Energiehyperflächen kann man entweder als Hyperfläche (links) oder als Contour-Plot (rechts) darstellen. f= 4. Vorlesung SS 2005 (x-2)2 + (y+1)2 Ran Friedman bioinfo.tau.ac.il/Protein_Visualization_01-02/ Lesson%207/Introduction_Prot_Simul.ppt Computational Chemistry 6 Energiehyperfläche: Drehung um 2 Torsionswinkel Vom globalen Minimum links unten geht es in beide Richtungen bergauf. Gerader Verlauf: die Drehung um beide Torsionswinkel ist energetisch recht unabhängig voneinander. http://www.brunel.ac.uk/depts/chem/ch241s/ re_view/gridview/paper/paper.htm 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 7 Energiehyperfläche Wo ist Sattelpunkt? Was erwarten Sie im Bereich von 0 bis 180 Grad für beide Diederwinkel? http://www.brunel.ac.uk/depts/chem/ch241s/ re_view/gridview/paper/paper.htm 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 8 Energiehyperfläche Energiehyperfläche für eine chemische Reaktion. http://www.brunel.ac.uk/depts/chem/ch241s/ re_view/gridview/paper/paper.htm 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 9 Energiehyperfläche: Gradient • Gradient – die erste Ableitung der Energie E bezüglich der Koordinaten kartesische Koordinaten x, y, z interne Koordinaten l, , Kraft F E r bzw E x E E F r y E z • Stationäre Punkte - Punkte auf der Energiehyperfläche, in denen der Gradient (bzw. die Kraft) gleich Null ist. Dies sind Maxima, Minima, Übergangszustände und Sattelpunkte. 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 10 Energiehyperfläche: Hess’sche Matrix • Für eine stetige und zweimal differenzierbare Funktion f ist g(x) =(g1, ..., gN) der Gradientenvektor der ersten Ableitungen gi x • f x xi Die N N Matrix der zweiten Ableitungen heisst Hess’sche-Matrix. 2 f x H ij x xi x j • In einem Minimum ist die Krümmung positiv. In höheren Dimensionen wird Konvexität in einem Punkt x* als positive Definitheit der Hess’schen Matrix bezeichnet: y T H x* y 0 y 0 Positive Definitheit garantiert, daß alle Eigenwerte in x* positiv sind. 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 11 Energiehyperfläche: Definitionen • Eine positiv-semidefinite Matrix hat nichtnegative Eigenwerte. • Eine negativ-semidefinite Matrix hat nichtpositive Eigenwerte. • Eine negativ-definite Matrix hat lediglich negative Eigenwerte. • Ansonsten ist die Matrix indefinit. Stationäre Punkte sind fett markiert. 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 12 Vorzeichen der zweiten Ableitungen • Durch Diagonalisierung der Hess’schen Matrix erhält man Eigenvektoren, die die normalen ( = orthogonalen) Schwingungsmoden des Moleküls sind. Die zugehörigen Eigenwerte sind proportional zum Quadrat der jeweiligen Schwingungsfrequenz.. • Das Vorzeichen der zweiten Ableitungen entscheidet, ob es sich bei stationären Punkten auf der PES um Maxima oder um Minima handelt, da mit einer Frequenzrechnung das Vorzeichen der Schwingungsfrequenzen bestimmt wird. Damit lässt sich auch endgültig klären, ob eine Konformation tatsächlich ein Minimum auf der PES ist • Minima auf der PES besitzen nur positive Eigenwerte bzw. reelle Schwingungsfrequenzen • Maxima oder Sattelpunkte (Maximum in einer Richtung, aber Minima in allen anderen Richtungen) besitzen eine oder mehrere imaginäre Schwingungsfrequenzen. (Die Quadratwurzel aus einer negativen Zahl ergibt eine imaginäre Zahl). 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 13 Algorithmen zur Energieminimierung Lokales Minimum: Für einen Vektor x mit n Komponenten {xi} lautet das Minimierungsproblem minx { f(x) }, x D n. Dann ist x ein lokales Minimum und f( x) < f(y) y D n, y x Globales Minimum: x n ist ein globales Minimum f( x) < f(y) y n x [Schlick 10.2.4] 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 14 Methode, die nur die Energiewerte verwendet ... • Am einfachsten zu implementieren. • Läuft in eine Richtung bis die Energie ansteigt, dreht dann um die Suchrichtung um 90º, etc. • ist am wenigsten effizient – viele Schritte notwendig – Schritte sind nicht gerichtet • wird daher selten verwendet. 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 15 Grundlegende algorithmische Konzepte Die grundlegende Struktur von iterativen, lokalen Optimierungsalgorithmen ist die des “greedy descent”. D.h. ausgehend von einem Startpunkt x0 wird eine Sequenz von Schritten {xk} erzeugt, wobei bei jeder Iteration versucht wird, den Wert der Zielfunktion f(x) zu verringern. Es gibt 2 Klassen von Algorithmen: line-search und trust-region. Beide sind weitverbreitet und sind Bestandteile von Optimierungsmethoden, die von jedem Startpunkt aus die Konvergenz zu einem lokalen Minimum garantieren. Beide Methoden sind gleichermaßen empfehlenswert. 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 16 Line-Search basierender Descent Algorithmus [A1] Von einem gegebenen Anfangspunkt x0 aus, führe für k = 0, 1, 2, … die folgenden Schritte so lange aus bis Konvergenz eintritt. (1) Überprüfe xk auf Konvergenz (2) Berechne eine Abstiegs-Richtung pk (3) Bestimme eine Schrittweite k durch eine 1-dimensionale Suche so dass für den neuen Positionsvektor xk+1 = xk + k pk und den entsprechenden Gradient gk+1 gilt: f x k 1 f x k k g Tk p k (“ausreichende Abnahme”) und g Tk 1p k g Tk p k mit 0 1 (“ausreichende Verringerung der gerichteten Ableitung”) z.B. = 10-4, = 0.9 in Newton-Methoden (4) Setze xk+1 = xk + k pk und k k + 1 und gehe zurück nach (1) 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 17 [A1] (2): Richtung der Abnahme Eine solche Richtung pk ist eine Richtung, entlang derer die Funktion f lokal abnimmt. Solch einen Vektor kann man durch g Tk p k 0 definieren. Für genügend kleine gilt dann: f x p f x g x p T 2 2 T g x p 0 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry pT H x p 18 Steepest Descent (SD) Die einfachste Möglichkeit, eine gültige Abnahme-Richtung vorzugeben, ist zu setzen: Damit ist automatisch erfüllt p k g k g Tk p k g Tk g k g1 g2 g3 g1 g2 ... g n g 3 ... g n g1 g 2 g 3 ... g n 0 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 2 2 2 2 19 Steepest Descent (SD) Methode in der Praxis • Ist die einfachste häufig verwendete Methode • folgt wie oben erwähnt jeweils dem negativen Gradienten g (also der grössten Kraft) d=-g • man legt meist einen minimalen und maximalen Wert für die Verschiebung der Koordinaten fest • jenach, wie steil der Gradient ist, wird die Schrittweite vergrössert oder verkleinert • SD ist die schnellste Methode, wenn man eine schlechte Startgeometrie besitzt • konvergiert langsam in der Nähe des Minimums • kann dort um das Minimum oszillieren 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 20 Conjugate Gradient (CG) Methode • verwendet die ‘Geschichte’ der Minimierung, also den vorherigen Wert di-1. di = - gi + i-1 di-1 • Im Gegensatz zu SD wird also implizit die Information der zweiten Ableitungen verwendet um die Suche zu steuern. • Es gibt viele Varianten von CG wie Fletcher-Reeves, Davidon-Fletcher-Powell und Polak-Ribiere Methoden. • CG konvergiert wesentlich schneller in der Nähe des Minimums als SD! 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 21 Methoden mit zweiter Ableitung • Die zweite Ableitung der Energie E bezüglich der (kartesischen) Koordinaten r – die Hess’sche Matrix H(r) – bestimmt den Suchpfad. Entwickle E(r) um r E r E r0 gt r r0 1 t r r 0 H r r0 2 Dann ist der Newton-Raphson Schritt r ' x i' i • , x i' fi i fi ist die Projektion des Gradienten entlang des Hess’schen Eigenvektors mit Eigenwert i. • Ist rechenaufwendiger, aber gewöhnlich schnell und zuverlässig, besonders in der Nähe des Minimums. • Varianten: Quasi-Newton (QN), Newton-Raphson ... 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 22 Trust-Region basierender Descent Algorithmus [A2] Nimm an, daß in einer inneren Region eine quadratische Funktion qk als Näherung an f existiert, der man “vertrauen kann”. Es reicht dann aus, das Minimum dieser quadratischen Funktion zu finden. Algorithmus: Von einem gegebenen Anfangspunkt x0 aus, führe für k = 0, 1, 2, … die folgenden Schritte so lange aus bis Konvergenz eintritt. (1) Überprüfe xk auf Konvergenz (2) Berechne einen Schritt sk durch Lösen des Subproblems min s qk s wobei qk das quadratische Model der Zielfunktion ist: 1 qk s f x k g Tk s sT H k s 2 Dies gilt für s innerhalb einer Schranke k > 0. Ausgedrückt mit einer Skalierungsmatrix Dk gilt Dk s k (3) Setze xk+1 = xk + sk und k k + 1 und gehe zurück nach (1) 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 23 praktische Empfehlungen • Benutze viele Startwerte • Vergleiche Ergebnisse mehrerer Algorithmen (bzw. mehrerer Kraftfelder) • überprüfe Eigenwerte im Minimum. Bis auf 6 Eigenwerte, die fast gleich Null sein sollten und die Translations- und Rotationsinvarianz wiederspiegeln, sollten alle positiv sein. [Schlick, Kap. 10.7] 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 24 Verfahren um das globale Energie-Minimum zu finden • Systematische Variation der Torsionswinkel • Randomization-minimization (Monte Carlo) • Moleküldynamik (Newton’sche Bewegungsgleichung) • Simulated Annealing (reduziere Temperatur während MD Simulation) • Genetische Algorithmen (man startet wird einer Menge von Konformationen; kleine Veränderungen; behalte die der geringsten Energie; wiederhole diese Schritte) • Reine Zufallssuche (funktioniert am schlechtesten) 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 25 Systematische Variation der Torsionswinkel Für N rotierbare Bindungen eines Moleküles, die mit Auflösung d abgesucht werden sollen, gibt es Nd Konformationen. Dies geht nur bei kleiner Anzahl von Freiheitsgraden, da sonst kombinatorische Explosion. NIH guide to molecular modelling http://cmm.info.nih.gov/modeling/ guide_documents/sybyl 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 26 Systematische Variation der Torsionswinkel: Gridsuche Vorgabe: Struktur soll bestimmte Distanzen aus NMR-Messung erfüllen. Lisa T. Kellogg PhD thesis, MIT 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 27 Systematische Variation der Torsionswinkel: Baumsuche Lisa T. Kellogg PhD thesis, MIT 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 28 moderne Verfahren: Teile und Herrsche (Divide-and-Conquer) • schließe Regionen des Konformationsraums aus aufgrund der Bewertung von Unterproblemen niedriger Dimensionalität • verbessere Baumsuche – bewerte jedes Stück bevor neue Aufgabe in Angriff genommen wird – nachdem Unterproblem gelöst ist, speichere Ergebnis – durch Zerlegung in Unterprobleme sind diese im Mittel leichter zu lösen als bei der Baumsuche Lisa T. Kellogg PhD thesis, MIT 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 29 Stochastische Methoden Stochastische Suchverfahren, die nur wichtige Bereiche des Konformationsraums durchsuchen ("importance sampling„) können wesentlich effizienter für Konformationssampling in grossen Molekülen sein als systematische Methoden. (1) Beginne mit Anfangskonfiguration; minimiere diese Struktur bezüglich Energie (2) Wähle beliebige Anzahl an Torsionswinkeln dieser Konformation und variiere sie zufällig. Dann minimiere die Konformation (3) Benutze ein Energiekriterium um zu entscheiden, ob die neue Konformation akzeptiert wird. Falls ja, fahre fort, sonst gehe zurück zu 1. (4) Vergleiche die neue Struktur gegen die Menge aller alten Strukturen. Falls es eine neue Konformation ist, speichere sie ab. (5) Gehe zurück zu Schritt 2 (6) Beende die Suche wenn keine neuen Strukturen mehr gefunden werden. 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 30 Anmerkungen zu Strukturen minimaler Energie • Was bedeutet die Struktur des globalen Energieminimums eigentlich? Sie ist bei Raumtemperatur nämlich gar nicht populiert/besetzt/zugänglich. • Benutzen Reaktionen/Wechselwirkungen notwendigerweise diese Geometrien minimaler Energie? • Welche anderen Konformationen niedriger Energie sind verfügbar? Boltzmann-Ensemble 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 31 Boltzmann-Verteilung (1) In einem System mit N Teilchen sei Teilchenzahl konstant. (2) Gesamtenergie des Systems sei konstant. D.h. es gibt Energieaustausch zwischen den Teilchen, aber nicht mit der Umgebung. (3) Wenn solch ein System im Gleichgewicht ist, ist die Energie der Teilchen E entsprechend einer Boltzmann-Verteilung populiert: E N E N 0 exp E0 Boltzmann-verteilte Systeme findet man in vielen Bereichen der Physikalischen Chemie. 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 32 Phasenraumdichte Die Wahrscheinlichkeitsdichte im Phasenraum (= kurz die “Phasenraumdichte”) ist im kanonischen Ensemble proportional zum Boltzmann-Faktor: NVT X exp E X wobei E die Gesamtenergie des Systems ist und = kBT. Für zwei Zustände des Systems X und X’ lautet das Verhältnis ihrer Wahrscheinlichkeiten: NVT X exp E , NVT X ' E E X E X ' 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 33 Phasenraumdichte Der Normalisierungsfaktor der ersten Gleichung ist die Zustandssumme des gesamten Phasenraums (Raum der 3N Koordinaten und 3N Geschwindigkeiten): NVT X QNVT 1 exp E X N! QNVT h 3N exp E x dx h N! 1 3N Der Erwartungswert einer Observablen A des Systems lässt sich darstellen als: A x NVT NVT x A x dx Im Metropolis-Algorithmus erzeugt man eine geeignete Markov-Kette von Konfigurationen, so dass der Erwartungswert von A als einfacher Mittelwert folgt: Ax 4. Vorlesung SS 2005 NVT 1 lim M M M Ax i 1 i Computational Chemistry 34 Markov-Kette Betrachte Markov-Kette von N molekularen Zuständen {X1, X2, X3, ...} mit einer Verteilung NVT(X) für N . In einer Markov-Kette gehört jeder Zustand zu einer endlichen Menge an Zuständen aus dem Zustandsraum D0 D. Für die konditionelle Verteilung jedes Zustands P bezüglich aller vorherigen Zustände gilt: PX n1 D0 X 0 ,..., X n PX n1 D0 X n d.h. das Ergebnis Xn+1 hängt nur von Xn ab. Der Metropolis-Algorithmus erzeugt eine stochastische und ergodische Übergangsmatrix für die Markovkette, so dass die Verteilung für jeden Zustand Xi im Limit i = NVT (Xi) ist. So wird eine Phasenraumtrajektorie im kanonischen Ensemble erzeugt. 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 35 mikroskopische Reversibilität (“detailed balance”) Lege Übergangsmatrix fest durch Definition einer Übergangswahrscheinlichkeit für jeden Übergang von Xi nach Xj, so dass mikroskopische Umkehrbarkeit erfüllt ist: i ij j ji Das Verhältnis der Übergangswahrscheinlichkeiten hängt damit nur vom Energieunterschied zwischen den Zuständen i und j ab: i ji exp Eij j ij Eij E X i E X j 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 36 Metropolis Algorithmus Die am häufigsten verwendete Technik zur Auswahl von Konformeren („importance sampling“) mittels Monte-Carlo-Methoden ist der Metropolis Algorithmus: (1) konstruiere Anfangskonfiguration des Moleküls (2) führe zufällige Änderung eines Freiheitsgrades (z.B. eines Torsionswinkel) durch. (3) berechne Änderung der Energie E aufgrund dieser Änderung der Konformation. (4) falls E < 0 falls E > 0 akzeptiere die neue Konfiguration berechne die Wahrscheinlichkeit erzeuge Zufallszahl r im Intervall [0,1] E w exp k BT akzeptiere die neue Konfiguration, falls w r, sonst verwerfe sie. Da die Boltzmann-gewichtete Energiedifferenz mit einer Zufallszahl verglichen wird, werden auch vereinzelt Konformere hoher Energie akzeptiert. Daher erhält man ein Ensemble (Menge) von Konformationen mit einer Energieverteilung entsprechend einer Boltzmann-Verteilung. 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 37 Moleküldynamik-Simulation Basiert auf Newtonscher Bewegungsgleichung für ein Atom i eines Moleküls: 2r Fi m i 2 t wobei Fi die Kraft, mi seine Masse und die Beschleunigung ist, die auf Atom i wirkt. 2ri ai 2 t Die Kräfte lassen sich aus den Ableitungen der Energie nach den kartesischen Koordinaten ausrechnen. • Die Trajektorie eines Systems ist die Aneinanderreihung der einzelnen Koordinaten und Geschwindigkeiten, also ein Film, der die Dynamik des Systems zeigt. • Ein Ensemble ist eine Menge von Konfigurationen, aus den man Eigenschaften des Systems berechnen kann (mittlere Energie, Wärmekapazität ...) • mehr zu MD-Simulationen folgt in Vorlesung 4 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 38 Energie = potentielle Energie + kinetische Energie was bedeutet Moleküldynamik ? Startkonfiguration Energie, die dem minimierten System zu Beginn der Simulation mitgeben wird. lokales Minimum Konformation kann nicht durch Standard-MD erreicht werden; MD ist also nicht optimal für Suche des Konformationsraums! Konformationelle Koordinate 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 39 Simulated Annealing Beginne Konformationssampling (z.B. mit Moleküldynamik) bei hoher Temperatur um Energiebarrieren leicht zu überwinden. Kühle Simulationstemperatur dann ab. Temperatur Viele verschiedene Abkühlstrategien möglich: Simulationszeit Davon ist keine “richtig” oder “falsch”. Wichtig ist, was praktisch funktioniert. http://members.aol.com/btluke/simanf1.htm 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 40 Genetische Algorithmen (GA) • Genetische Algorithmen basieren auf dem Prinzip der Vererbung und dem Überleben des am besten Angepassten, “survival of the fittest”. • Starte Konformationssuche in lokalem Minimum (lokalen Minima). Eine “Generation” i enthalte N Konformationen (z.B. N = 100). • Die nächste Generation i+1 unterliegt natürlicher Selektion, d.h. wir behalten die N/Faktor Strukturen aus Generation i mit den niedrigsten Energien und erzeugen im Sinne der “Evolution” neue Konformationen durch kleine “Mutationen” der Elternkonformationen, also z.B. Änderungen der Bindungswinkel und Torsionswinkel. • Interessant werden GAs durch Genduplikation und Cross-over. 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 41 Genetische Algorithmen (GA) Bsp. lineares n-mer Peptid mit 2n Diederwinkeln des Rückgrats. Angenommen, es wurden 2 Konformationen gefunden, in denen entweder die erste Hälfte des Peptids eine energetisch günstige Konformation einnimmt oder die zweite. Eine vorteilhafte “cross-over” Mutation kombiniert nun die zwei günstigen Hälften des Moleküls miteinander. 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 42 Sampling des Konformationsraums Zurück zu der anfänglich gestellten Frage: Was möchten wir charakterisieren? – Verfeinerung einer experimentellen Struktur bei geringer Auflösung (lokales Energieminimum) – globales Energieminimum – alle Minima geringer Energie – die gesamte Oberfläche der PES einschliesslich Sattelpunkte und Maxima – Einzelmoleküle oder Molekül-Ensembles? Zu jedem dieser Problem gibt es einfache oder mächtige Methoden, die die Lösung prinzipiell finden können. In den Fällen grosser Moleküle mit vielen Freiheitsgraden ist eine perfekte Lösung jedoch oft nicht praktikabel. 4. Vorlesung SS 2005 Computational Chemistry 43