Klinische Ethikberatung im Krankenhaus - Rolf

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Klinische Ethikberatung im
Krankenhaus
Pfarrer i.R. Rolf-Michael Turek
Mitarbeit bei der Ethikberatung (KEK)
am Universitätsklinikum Leipzig
Entscheidungen treffen
Das Leben/der Tag ist eine Abfolge von Entscheidungen.
Tag
1.Aufstehen - wann?
2.Zeitung lesen – welchen Artikel?
3.Frühstück – Müsli, Brötchen, Brot?
4.Arbeitsweg – Auto, Bahn, Fahrrad?
5.Besuche – wen?
6.Essen – 4 Gerichte?
7.Pause – lesen, reden Musik hören?
8.Tee, Kaffe, Wasser?
9.Abendprogramm?
Lebensspanne
1.Schulart?
2.Beruf?
3.Partner?
4.Wohnort?
5.Wohnstil
6.Urlaub
7.Sportart / -intensität
8.Konfession
9.Freundeskreis
Entscheidungen
enthalten ein
DAFÜR
und ein
DAGEGEN
(Verzicht).
Alternative 3
Alternative 2
Alternative 4
Wenn ich zwischen mehreren Möglichkeiten auswähle
muss ich ein Entscheidung treffen.
Alternative 5
Alternative 1
Alternative 6
Wer die Wahl hat, hat die Qual.
wahr – unwahr
kurz – lang
(Aussage)
(Entfernung)
links – rechts
teuer – billig
(Richtung)
(Preis)
Entscheidung zwischen ….
Unwert 1 – Unwert 2
Wert 1 – Wert 2
Lebensqualität contra Lebenslänge
Fürsorge
- Autonomie
Wahrhaftigkeit
- Fürsorge
Schmerzen contra Lebensverkürzung
Was ist die „richtige“ Antwort?
a.)…
b.) …
c.) …
d.) …
Was ist das „Gute“?
Entscheidung nicht zwischen richtig und falsch
sondern zwischen „gut“ und „weniger gut“
Warum denn Ethik?
Wir sind als Menschen nicht in der Lage nur auf Grund unserer
angeborenen Instinkte das Leben in Großgruppen zu organisieren.
In einer sich allein durch Instinkte steuernden Großgruppe
entwickelt sich ein Kampf jeder gegen jeden (homo homini lupus).
Eine Balance zwischen egoistischen Selbstbehauptungstrieben und
altruisten Gruppenverhalten funktioniert auf Grund unseres
angeborenen Instinktverhaltens nur im kleinen Gruppen bis zur
etwa 12 Personen.
Und selbst dort funktioniert es nur auf Grund dauernden Trainings
und dauernder verarbeitender Rückkopplung (feedback).
- Stammesmoral „Das war schon immer so!“
Eine Art Moral begründet sich so:
Wir existieren, weil unsere Ahnen erfolgreich überlebt haben und ihre
Kinder – also uns – großgezogen haben. Deshalb müssen wir
vernünftigerweise genauso verfahren wie unsere Ahnen das getan
haben, um unsere Existenz und die unserer Kinder zu sichern.
Das ist die Moral und Letztbegründung der Moral der Stämme,
begründet aus dem Herkommen, oft auch Sitte genannt. Nach der
bzw. einer anderen Moral darf nicht gefragt werden. Das wäre für die
Existenz des Stammes gefährlich und ist de facto verboten.
- Herrschermoral „Das ist so angeordnet!“
Eine andere Moral begründet sich so:
Wir existieren als Beherrschte (als Untertanen) oder Herrscher.
Als Beherrschte haben wir überlebt und überleben wir, weil wir gehorchen
(und uns ausbeuten lassen und für den Herrscher arbeiten).
Als Herrscher habe ich überlebt und überlebe ich, weil ich es geschafft
habe, mit Gewalt und listiger Organisation meinen Beherrschten erfolgreich
zu befehlen. Vernünftigerweise gehorcht man als Beherrschter den Befehlen
des Herrschers, und seien sie noch so willkürlich und uneinsehbar. Und
vernünftigerweise befiehlt man als Herrscher. Das ist die Moral und
Letztbegründung der Moral der Herrscherreiche, begründet aus oder in der
Gewalt und Willkürherrschaft des Herrschers. Nach der bzw. einer anderen
Moral darf nicht gefragt werden. Ein Herrscher muss diese Frage als Angriff
auf seine Herrschaft verstehen; deshalb muss der Fragende ausgeschaltet
werden. Der Herrscher selber setzt sich willkürlich seine eigene Moral, die
nur so realitätsbezogen sein muss, dass er nicht seine Herrscherposition
verliert. Nach der Moral bzw. einer anderen Moral zu fragen ist vom
Herrscher her verboten.
Von der Moral zur Ethik
Es gibt noch eine dritte Art von Moral.
Und die lässt sonderbarerweise das Fragen nach „sich selbst“ zu, also
das Fragen nach der Moral und ist somit Ethik.
Bei dieser Moral ist die Moral nicht „letztbegründet“, sondern sie ist
relativ, eben befragbar, veränderbar, anzweifelbar.
1.
Steigerung der technischen Möglichkeiten in das menschliche Leben
einzugreifen
2.
Pluralismus der Lebens- und Wertvorstellungen in unserer
Gesellschaft
3.
4.
Veränderung des Selbstverständnisses der verschiedenen
Berufsgruppen
„Aufgeklärte“ (und mündige) Patienten und Angehörige
Was ist das „Gute“?
Entscheidung nicht zwischen richtig und falsch
sondern zwischen „gut“ und „weniger gut“
Das Übliche
Neue Situation - Herausforderung
Begründungsorientierte
Sophistik
Ziel: Eigene Position
erfolgreich durchsetzen
(Rhetorik, Fachsprache...)
Skepsis
Moraltheorie
Moral = überflüssig
(Verweigerung)
Im Medium
argumentativer Gespräche
werden Einsichten
gewonnen und vertreten
Die ethisch reflektierte Entscheidung
In dem Maße, in dem Menschen sich emanzipieren verlangen sie nach Begründungen für
Entscheidungen, die sie betreffen.
Das gilt für Heranwachsende genauso wie für Patienten.
Aber auch Krankenschwestern und Kollegen.
Ethikkomitees sind überall dort hilfreich,
wo es darum geht zu ethisch begründeten Entscheidungen zu kommen
und diese nach innen und außen zu vertreten.
nach innen - mir selbst gegenüber (meinem Gewissen)
nach außen - die von der Entscheidung Betroffenen (Patienten, Angehörige Pflegekräfte ...)
- die interessierte Öffentlichkeit (Medien)
Begründungsorientierte
Moraltheorie
Im Medium argumentativer Gespräche
werden Einsichten gewonnen und
vertreten
Es werden gemeinsam
akzeptable Begründungen
gesucht
Vorraussetzungen sind:
• Einsicht
• Freimütigkeit
• Wohlwollen
Moderator
• Leiter des Gruppengespräches
• Neutraler Dritter
• Unterstützer der Gruppe
• Außenstehender
Moderationsablauf
1. Eröffnung
2. Informationen zusammentragen
3. Entscheidungskonflikt benennen
4. Ethische Fragestellungen formulieren
5. Diskussion der ethischen Probleme
6. Abschluss
Moderationsablauf
1. Eröffnung
• Begrüßung
• Information über klinische Ethikberatung
• Vorstellungsrunde
• Fragestellung und Ziel formulieren
• Zeitrahmen festlegen
• Moderation / Co-Moderation
Moderationsablauf
2. Informationen zusammentragen
• Medizinische Fakten
• Pflegerische Fakten
• Fakten aus der Sicht anderer Berufsgruppen
• Fragestellung und Ziel formulieren
• Perspektive von Patient/Angehörigen
Moderationsablauf
3. Entscheidungskonflikt benennen
• Legen einer PEG-Sonde
• Verzicht/Beendigung von Therapiemaßnahmen
• Gültigkeit einer Patientenverfügung
• Verzicht auf Reanimation
• Später Schwangerschaftsabbruch
Moderationsablauf
4. Ethische Fragestellungen formulieren
• Selbstbestimmungsrecht des Patienten
• Handeln zum Wohl des Patienten
• Schaden für den Patienten vermeiden
• Gerechtigkeit
Moderationsablauf
5. Diskussion der ethischen Probleme
• Am Einzelfall bleiben
• Entscheidungsorientiert diskutieren
• Ethische Fragestellung im Auge behalten
Moderationsablauf
6. Abschluss
• Ergebnis der Diskussion formulieren
• Konsens?
• Votum?
• Empfehlung?
• ggf. weitere Beratung anbieten
• Rückmeldung des Teams an die klinischen
Ethikberater
• Dank an alle (Ethikberatung ist anstrengend!)
Probleme/Fragen
• Wie viel Wissen
über ethische Begriffe/Entscheidungsstrategien…
ist (unbedingt) notwendig?
Ethiktheorien
traditionelle
neuere
• Tugendethik (Aristoteles)
• Care-Ethik (Gilligan)
• Pflichtenethik (Kant)
• Diskursethik (Habermas)
• Kosequenzialismus (Bentham)
• Prinzipienethik (Childress)
Prinzipien mittlerer Reichweite
•
•
•
•
•
•
Respekt vor der Autonomie des Patienten
Fürsorgepflicht des Arztes (“salus aegroti suprema lex“)
Nichtschadensgebot („primum nil nocere“)
Gerechtigkeit
Wahrhaftigkeit
Zuverlässigkeit
Probleme/Fragen
• Vereinbarung über gültige Argumentationsstrategien
D.h.: Welche Bedingungen muss ein Argument
erfüllen, um in der Diskursgemeinschaft anerkannt zu
sein?
Regeln vernunftorientierter Argumentation
Argumentation
„gültige“ Argumente
„ungültige“ Argumente
„Fehlschlüsse“
• Deduktive
• Induktive
• indirekte
„Scheinargumente“
•
Autoritätsverweis
•
Killerphrase
•
Mitleid
•
Scheinrationalität
•
Hpothetisches
•
Schweigen
•
Scheinkausalität
•
Übertreibung
•
Zirkelschluss
•
…
•
Naturalistischer
•
Nazi-Vergleich
•
…
FangfragenTec hnik
HinhalteVarianten
unfairen Argumentierens
Tec hnik
PersonalisierungsTec hnik
AutoritätsTec hnik
Vergleic hsTec hnik
BestreiteTec hnik
Ja-AberTec hnik
Unfair
Argumentieren
AbwertungsTec hnik
Übertreibungstec hnik
Sc heinstützenTec hnik
Ausweic hTec hnik
EntstellungsTec hnik
VerwirrungsTec hnik
STOP
STOP
EmotionalisierungsTec hnik
Ziele
Organisationsebene
• „corporate Identity“
• Qualitätsentwicklung (Zertifizierung)
• Personal und Organisationsentwicklung
fallbezogene Ebene
• bessere Patientenversorgung
• Unterstützung von Mitarbeitern
• „präventive Ethik“
Aufgaben
• Ethikberatung
• Leitlinienentwicklung
• Fort- und Weiterbildung
Leitlinienentwicklung
•
•
•
•
•
Regelung für häufige ethische Konflikte
krankenhausspezifisch
Erarbeitung durch Arbeitsgruppe
Verabschiedung durch KEK
Inkraftsetzung durch Klinikleitung
Fort- und Weiterbildung
•
•
•
•
•
Mitglieder des KEK als Multiplikatoren
Ethische Fallbesprechung auf Station
Fortbildungsveranstaltungen
Ethiktag
Ethik-Caffee
Ethikberatung
1. Ethischer Konflikt
2. Anfrage
3. Beratung
3.1 Vorstellung des Falles
3.2 Kennzeichnung der Entscheidungssituationen
3.3 Erarbeitung der Alternativen und deren Folgen
3.4 ethischer Kommentar zu den Alternativen
3.5 Empfehlung
Fallbezogene
Stationsrunden
Allgemeine
Stationsberatung
Die 4 Ebenen der Ethikberatung
Individuelle
Fallberatung
Entwicklung von
Ethik-Leitlinien
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