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Kommunikation als
Grundvoraussetzung für
gelingendes Altern
Reinhard Fiehler
(Institut für Deutsche Sprache, Mannheim)
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Altern
Altern ist sowohl ein biologischer wie auch
ein sozialer Prozess.
Biologisch: Entfaltung, Reife, Abbau
Sozial: Jugend, mittlere Generation, Alter
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Was bedeutet Altern?
Der Prozess des Alterns bedeutet, dass das
Individuum in biologischer wie sozialer
Hinsicht einem Strom nicht endender
Veränderungen ausgesetzt ist und dass es
vielfältige Erfahrungen macht.
Diese Veränderungen und Erfahrungen
unterliegen zugleich einem ständigen
Monitoring und der Reflexion.
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Grundthese
Die Erscheinungsform von Alterskommunikation ist nicht in erster Linie biologisch
bestimmt, sondern ist vielmehr Resultat der
Verarbeitung lebensgeschichtlicher
Veränderungen und Erfahrungen.
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Biologisch bedingte Veränderungen
- ‚Brüchige‘ Stimme
- Langsamere Sprechgeschwindigkeit
- Geringere grammatische Komplexität
- Wortfindungsstörungen
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Typische Veränderungen
und Erfahrungen im Alter
Typische Veränderungen der sozialen Situation:
- Ende der Berufstätigkeit - alternative Tätigkeitsfelder
- Rollenwandel: Ende der Elternrolle - Großelternrolle,
Generationsablösung / Dominanzwechsel
- Sozialer Abstieg, Armut / Alter im Wohlstand
- Verringerung sozialer Kontakte
- Zunahme an Freiheit
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Typische Veränderungen
und Erfahrungen im Alter
Typische Veränderungen der sozialen Beziehungen:
- Tod von Ehegatten, Verwandten, Bekannten
- Veränderungen / Abbau der Sexualität
7
Typische Veränderungen
und Erfahrungen im Alter
Typische Erfahrungen der Interaktion:
- Umgang mit der Zuschreibung von Alter / Altersstereotypen
- Erfahrung, nicht mehr für voll genommen zu werden
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Typische Veränderungen
und Erfahrungen im Alter
Typische Erfahrungen mit sich selbst:
- Zunahme an physischen, mentalen und psychischen
Beeinträchtigungen oder Krankheiten
- Nachlassende Fähigkeiten
- Zunehmende Routinen, weniger Flexibilität
- Akkumulation sozialer Erfahrung
- Beschäftigung mit / Vorbereitung auf den eigenen Tod
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Typische Veränderungen
und Erfahrungen im Alter
Diese vorgestellten Veränderungen und Erfahrungen
betreffen nicht alle alte Menschen in gleicher Weise. Was
den Einzelnen betrifft, kann in Hinblick auf die Auswahl,
den Zeitpunkt, die individuelle Bedeutsamkeit und die
Bearbeitungsweise (z. B. akzeptierend vs. opponierend,
dramatisierend vs. bagatellisierend, aufarbeitend vs.
verdrängend) eine große Varianz bestehen.
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Perspektive I
Diese alterstypischen Veränderungen und
Erfahrungen haben kommunikative Folgen
und wirken sich in spezifischer Weise auf
das sprachlich-kommunikative Verhalten
aus. Sie strukturieren den kommunikativen
Haushalt in quantitativer und qualitativer
Weise um.
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Veränderungen des
kommunikativen Haushalts
- Veränderung des Kommunikationsaufkommens (
)
- Gesprächsthemen (Krankheiten, Vergangenheit)
- Gesprächstypen (Erzählungen, Rekonstruktionen, Klatsch)
- Gesprächsstil (Kooperativität)
- Kommunikative Muster (Bewertungsteilung)
- Formulierungsweise (Partnerzuschnitt, Kohärenz)
- Sprachliche Mittel (Wortwahl)
- Medienrezeption (Ersatz für direkte Kommunikation)
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Perspektive II
Die kognitive und kommunikative Bearbei-
tung und Bewältigung der Veränderungen
und Erfahrungen ist Teil der Identitätsarbeit,
die sich über die gesamte Lebensspanne
erstreckt.
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Altersidentität
In der kommunikativen Be- und Verarbeitung
dieser alterstypischen Veränderungen und
Erfahrungen bilden sich die personale wie die
kategoriale Altersidentität aus sowie eine
bestimmte Einstellung zum Alter(n).
Dies geschieht unter Bezugnahme auf und im
Kontrast zur mittleren Generation.
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These
Weite Strecken der Gespräche, die alte
Menschen untereinander oder mit jüngeren
führen, lassen sich als – häufig impliziter –
Identitätsdiskurs interpretieren, in dem es
um die Ausarbeitung von Altersidentität
geht.
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Zentrale Komplexe im Identitätsdiskurs des Alters
(1)
Nachweis der Erwachsenenidentität
(2)
Umgang mit Abweichungen von der
Erwachsenenidentität
(3)
Konturierung eigenständiger
Merkmale von Altersidentität
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Perspektive III
Die gemeinschaftliche kommunikative Beund Verarbeitung der alterstypischen
Veränderungen und Erfahrungen ist eine
wesentliche Voraussetzung für gelingendes
Altern.
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Kommunikative Be- und Verarbeitung
der Veränderungen und Erfahrungen
- mit anderen darüber reden
- hören, wie es bei anderen ist und wie sie
damit umgehen
- eine Haltung dazu entwickeln
- die Bewertung klären
- es sich von der Seele reden
- es redend bewältigen
- eine neue Perspektive darauf entwickeln
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Gelingendes Altern
Kriterium für gelingendes Altern ist, dass es
einer Person in Auseinandersetzung mit
den Einschränkungen und Lasten des
Alters gelingt, ein positives Selbstverständnis als alternder und alter Mensch zu
entwickeln, ein Einverständnis mit sich
selbst und seiner Lebenssituation zu
erzielen – trotz dieser Einschränkungen,
Belastungen und Widrigkeiten.
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Untersuchungsmethode
Die Untersuchung des Kommunikationsverhaltens älterer Menschen erfolgt gesprächsanalytisch. D.h.
- Grundlage sind Aufzeichnungen
authentischer Gespräche aus dem Alltag.
- Sie werden detailliert verschriftlicht.
- Die Analysefragestellungen werden aus
dem Material selbst entwickelt.
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Gespräch „Keine Zeit“
F1
F2
F3
F4
F5
M1
=
=
=
=
=
=
Frau Miegel (67)
Frau B (84)
Frau K (70)
Frau L (75)
Frau Vorwerk (89)
Herr Miegel (69)
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Ausschnitt (1):
‚M1: Herr Miegel‘
[ Sie können den Ausschnitt in den ‚Materialien‘ mitlesen.]
22
Ausschnitt (2):
‚F1: Frau Miegel‘
[ Sie können den Ausschnitt in den ‚Materialien‘ mitlesen.]
23
Ausschnitt (3):
‚F1: Frau Miegel‘
[ Sie können den Ausschnitt in den ‚Materialien‘ mitlesen.]
24
Ausschnitt (4):
‚F 5: Frau Vorwerk‘
[ Sie können den Ausschnitt in den ‚Materialien‘ mitlesen.]
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Drei Formen der Be- und Verarbeitung
Herr Miegel: Demonstratives Reklamieren der
Identität der mittleren Generation →
Verdrängung:
Nicht gelingendes Altern
Frau Miegel: Messen am Leitbild der mittleren
Generation → Defiziterfahrung:
Nicht gelingendes Altern
Frau Vorwerk: Akzeptanz des Alters → Altersgemäße Maßstäbe:
Gelingendes Altern
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Herzlichen Dank
für Ihre Aufmerksamkeit!
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