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Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff
Universität Passau
WS 2006/07

Yr Y r
A *   D 
A *  0 
D
7. Kaufkraftparität
und
überschießender Wechselkurs
T
P( K  0)
R
Yr
KD
KR
KT
1
Literatur
Jarchow, H.-J. und P.
Rühmann: Monetäre Außenwirtschaft I. Monetäre
Außenwirtschaftstheorie, 5.,
Aufl., Göttingen: UTB, 2000, S.
263-321.
Jarchow, H.-J.: Arbeitsbuch
Geld, Makro und
Außenwirtschaft, Göttingen:
UTB, 1993, Aufgaben A25 und
A26.
2
Die Kaufkraftparität in ihrer absoluten Form
• Die Kaufkraftparität (KKP) zwischen zwei Ländern
ist erfüllt, wenn in beiden Ländern für einen
bestimmten, in die jeweilige Landeswährung
umgerechneten Geldbetrag die gleiche Gütermenge
erworben werden kann.
• In- und ausländisches Preisniveau sind dann über
den Wechselkurs fest miteinander verknüpft sein.
• Beträgt etwa der Wechselkurs 1,50 $/€, dann muss
gemäß der Kaufkraftparität in der absoluten Form
das US-amerikanische Preisniveau (in
Landeswährung gerechnet) genau um 50 Prozent
über dem des Euro-Raumes liegen.
3
• In Preisnotierung gilt dann w=0,66 €/$ und das
(nominale) Preisniveau im Euro-Raum beträgt nur
66 Prozent des US-amerikanischen.
• Allgemein muss also gelten:
p=paw
• Die Kaufkraftparität gründet in der Annahme, dass
auf den internationalen Märkten homogene Güter
gehandelt werden.
• Sofern weder Transportkosten noch Zölle, indirekte
Steuern oder Beschränkungen anderer Art den
Handel behindern, müssen die in gleicher Währung
ausgedrückten Preise dieser Güter in den einzelnen
Ländern übereinstimmen.
4
• Anderenfalls werden Arbitragegeschäfte ausgelöst,
welche eine Anpassung bewirken.
• Die Tendenz zum Ausgleich der Preise bewirkt ein
Gesetz des einheitlichen Preises (law of one price).
• Abweichungen vom law of one price sind dort zu
erwarten, wo Transportkosten und
Handelsbeschränkungen auftreten, oder mit nichthomogenen Gütern gehandelt wird (z. B.
Maschinen) besteht.
• Da heterogene Güter gegeneinander nur
unvollkommen substituierbar sind, besteht keine
ökonomische Notwendigkeit zu übereinstimmenden
Preisen.
5
• Der vom Economist
erstellte Big Mac-Index
ermittelt mit dem law of
one price einen
Wechselkurs, bei dem ein
Big Mac in allen Ländern
gleich viel kostet. Dies
unterstellt, dass der Preis
eines Big Mac
repräsentativ für alle Preise
einer Volkswirtschaft ist.
6
• Ferner wird das Gesetz des einheitlichen Preises
durchbrochen durch die Existenz von Waren und
insbesondere Dienstleistungen, die nur national
gehandelt werden (nationale Güter).
• Länder mit geringem Kapitalstock, Humankapital
oder technischem Fortschritt können international
nur konkurrenzfähig sein, wenn die Arbeitskosten
niedrig sind. Im anderen Fall wäre bei handelbaren
Gütern die Kaufkraftparität verletzt.
• Dies wird die Löhne auch im Sektor der
nichthandelbaren Gütern drücken (aufgrund von
Arbeitsmobilität zwischen Sektoren,
Gewerkschaftsmacht oder Fairness).
7
• Der Nachteil im Sektor der handelbaren (geringer
Kapitalstock, Humankapital oder schwacher
technischer Fortschritt) wird im Sektor der
nichthandelbaren Güter typischerweise weniger
ausgeprägt sein. Dies kann damit begründet werden,
dass dort weniger kapital- oder technologieintensiv
gearbeitet wird.
• Daher sind diese nicht-handelbaren Güter günstiger
als in anderen Ländern.
• Insgesamt ist daher der BIP-Deflator in Ländern mit
geringer Produktivität bei den handelbaren Gütern
niedriger.
• Dies zeigt sich auch empirisch.
8
BIP-Deflator im Jahre 2000 in ausgewählten Ländern
Western Hemisphere
Australia
74.6
Canada
79.3
France
90.7
Germany
95.0
Norway
112.4
Portugal
62.1
Spain
73.8
Switzerland
118.1
United Kingdom
98.5
United States
100.0
Middle East
Israel
Pakistan
Syrian Arab Republic
Turkey
92.5
19.9
114.3
40.3
Africa
Gabon
Mozambique
South Africa
Tanzania
51.5
19.3
36.7
54.6
Asia
Bangladesh
China,P.R.: Mainland
Japan
Nepal
Singapore
Thailand
19.6
23.1
144.8
14.8
80.1
29.6
Eastern Europe
Belarus
Czech Republic
Hungary
Latvia
Poland
Russia
11.6
33.3
41.8
36.3
42.2
17.3
Latin America
Argentina
Brazil
Colombia
Costa Rica
Ecuador
Mexico
65.6
45.1
33.1
70.9
28.9
60.8
Quelle: Penn World Table Version 6.1
http://pwt.econ.upenn.edu/php_site/pwt61_form.php
9
• Dieser Effekt wird Samuelson-Balassa-Effekt
genannt.
• Im Falle von Produktivitätssteigerungen bei
handelbaren Gütern steigen die Löhne auch im Sektor
der nationalen Gütern.
• Dies bewirkt eine erhöhte Inflation, ohne dass
hierdurch die internationale Wettbewerbsfähigkeit
geschwächt wird.
• Diese Überlegungen sprechen gegen die Gültigkeit
der Kaufkraftparität in der absoluten Form.
10
• Den Bedenken gegen die absolute Form der
Kaufkraftparität trägt die abgeschwächte,
komparative Formulierung teilweise Rechnung:
p=gpaw
• Falls g1 weicht das heimische Preisniveau von der
Kaufkraftparität in der absoluten Form ab.
• Bei der komparativen Form wird unterstellt, dass
sich g im Zeitablauf nicht verändert.
• Damit bleibt auch der reale Wechselkurs (wpa/p) im
Zeitablauf konstant.
• Insbesondere bei festen Wechselkursen liefert die
komparative Kaufkraftparität (KKP) brauchbare
Prognosen.
• Dies veranschaulicht das folgende Schaubild: 11
Schaubild: Großhandelspreise Deutschlands (D), Großbritanniens (GB) und
der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) 1880-1913 (1913=100).
12
• Tatsächlich werden aber kurzfristig oftmals
Wechselkursschwankungen beobachtet, welche im
Widerspruch auch zur KKP in komparativer Form
stehen.
• Insgesamt zeigen etliche Untersuchungen, dass die
KKP in ihrer komparativen Form langfristig nicht zu
widerlegen ist.
• Insbesondere bei flexiblen Wechselkursen zeigen
sich jedoch kurzfristig bis mittelfristig erhebliche
Abweichungen von der KKP.
• Dies wird durch folgendes Schaubild verdeutlicht.
13
Schaubild: Änderung des Dollarkurses und Inflationsdifferenz auf der
Grundlage von Jahreswerten 1961-1998
InflationD abzgl.
InflationUSA
Wechselkursänderungsrate (in
Preisnotierung)
14
• Langfristig zeigt sich aber sowohl bei festen als auch
flexiblen Wechselkursen, dass sich derartige
Abweichungen umkehren und die realen
Wechselkurse somit langfristig zur Kaufkraftparität
tendieren.
• Hierbei ist die Hälfte der Anpassung erst nach drei
bis fünf Jahren erreicht.
15
Monetäre Wechselkurstheorie
• Die Entwicklung des Wechselkurses wird Folgenden
in Abhängigkeit der inländischen Geldpolitik
betrachtet.
• Das ausländische Preisniveaus wird als exogen
angenommen, das inländische Preisniveau ist
abhängig vom inländischen Geldangebot.
• Im langfristigen Gleichgewicht sind
Wechselkursanpassungen vollzogen, so dass mit
keinen weiteren Wechselkursänderungen gerechnet
wird. Daher gilt die einfache Zinsparität i=ia.
16
• Insgesamt folgt damit:
p=gpaw
Yr=Yr*
(exogen gegeben)
mB=pLr(i, Yr)
i=ia.
• Einsetzen erbringt für die Entwicklung des
Preisniveaus:
mB
p r
.
r*
L  ia , Y 
• Das Preisniveau entwickelt sich proportional zur
inländischen Geldbasis.
17
• Der Wechselkurs im langfristigen Gleichgewicht
ergibt sich, wenn dies in die KKP eingesetzt wird:
mB
w
.
r
r*
g pa L  ia , Y 
• Der Wechselkurs sinkt also z.B., wenn die monetäre
Basis abnimmt, das Auslandspreisniveau steigt oder
das Inlandsprodukt steigt.
• Diese Störungen bewirken eine
Überschussnachfrage nach Geld, welche zu einem
Überschussangebot an Devisen führt.
• Bei flexiblen Wechselkursen induziert dies eine
Abwertung der Auslandswährung.
18
Überschießende Wechselkursreaktion
• Wird neben dieser langfristigen Bestimmung des
Wechselkurses noch die kurzfristige Reaktion
modelliert, so kann ein Überschießen des
Wechselkurses als Reaktion beobachtet werden.
• Für die langfristige Betrachtung gilt erneut:
mB
wl 
.
r
r*
g pa L  ia , Y 
• Kurzfristig können jedoch
Wechselkursänderungserwartungen auftreten.
19
• Somit gilt kurzfristig nicht i=ia, sondern die
ungesicherte Zinsparität:
1+ia erw
w=
w
1+i
• Wir unterstellen, dass Spekulanten rational ihre
Wechselkurserwartungen bilden und somit der
erwartete Wechselkurs stets mit dem langfristigen
Gleichgewichtskurs übereinstimmt. Ferner sei die
Anpassung an den langfristigen Gleichgewichtskurs
entsprechend der Kaufkraftparität nach einem Jahr
vollzogen. Es folgt dann:
werw=wl
20
• Ein Geldmarktgleichgewicht liegt sowohl kurz-, als
auch langfristig vor:
mB=pLr(i, Yr*).
• Wir unterstellen nun aber ein kurzfristig starres
Preisniveau:
p=p0.
• Diese Modellgleichungen lassen sich nun im
Rahmen einer einfachen graphischen Analyse
darstellen.
21
• Eine GE-Kurve bezeichnet in einem i/p-Diagramm
das Geldmarktgleichgewicht.
• Steigt bei unveränderter monetärer Basis das
Preisniveau, dann sinkt das reale Geldangebot. Bei
gegebenem realen Sozialprodukt muss der Zins
zunehmen, um die reale Geldnachfrage an das
gesunkene reale Geldangebot anzupassen.
• Daraus ergibt sich ein ansteigender Verlauf der GEKurve.
• Eine Erhöhung des monetären Basis verschiebt die
GE-Kurve nach rechts.
22
• Eine ZP-Kurve kennzeichnet alle Kombinationen
von Zins und Wechselkurs, bei denen die Zinsparität
erfüllt ist.
• Es resultiert ein fallender Verlauf der ZP-Kurve,
weil bei gegebenen anderen Einflussgrößen der
laufende Kassakurs (w) mit steigendem Inlandszins
abnehmen muss.
• Bei einem Zinsanstieg im Inland kann die
Zinsparität nur aufrecht erhalten bleiben, wenn der
Ertrag einer Anlage im Ausland durch einen
erwarteten Wechselkursänderungsgewinn ebenfalls
ansteigt.
23
• Der langfristige Gleichgewichtswechselkurs (wl) und
der Auslandszins (ia) sind Lageparameter der ZPKurve.
• Wenn sich beispielweise die monetäre Basis erhöht
und damit auch der langfristige Gleichgewichtskurs
zunimmt, ergibt sich eine Rechtsverschiebung der
ZP-Kurve.
• Der Kursgewinn, der mit einer Erhöhung des
langfristigen Gleichgewichtskurses verbunden ist,
muss durch einen Anstieg des laufenden
Wechselkurses (w) ausgeglichen werden, damit die
Zinsparität weiterhin erfüllt bleibt.
24
Überschießende Wechselkurse bei expansiver Geldpolitik
i
i
GE0
B
GE1
ia
i‘
P1
P0
ZP0
ZP1
P1
P0
P‘
p0
i=ia
wl
p1
p
w0
w1
P‘
w`
w
25
• Bei kurzfristig konstantem Preisniveau muss der
Zinssatz sinken.
• Weil kurzfristig der Inlandszins auf i' gesunken ist,
wird die Zinsparität im Punkt P' erfüllt.
• Der laufende Wechselkurs steigt also auf w'.
• Der starke Wechselkursanstieg lässt sich auf zwei
Einflüsse zurückführen.
• Aufgrund eines langfristigen Preisniveauanstiegs
erhöht sich der langfristige Gleichgewichtskurs.
• Aufgrund einer kurzfristigen Zinssenkung muss der
kurzfristige Wechselkurs den langfristigen
„überschießen“, damit eine Abwertungserwartung
für die ausländische Währung eintritt.
26
• Da nach der Störung der Inlandszins im kurzfristigen
Gleichgewicht niedriger ist als der Auslandszins,
lohnen bei unverändertem Wechselkurs
Kapitalexporte.
• Die dadurch ausgelöste Devisennachfrage lässt den
laufenden Wechselkurs ansteigen. Diese Erhöhung
des laufenden Wechselkurses geht über den
langfristigen Gleichgewichtskurs und damit über den
erwarteten Wechselkurs hinaus, so dass der
Zinsvorsprung des Auslands durch einen erwarteten
Kursverlust ausgeglichen wird.
• Die ungesicherte Zinsparität ist wieder erfüllt.
27
• In einer Untersuchung der Wechselkursentwicklung
zwischen dem Schweizer Franken und dem Dollar
wurde die Hypothese überschießender Wechselkurse
überprüft.
• Für den Untersuchungszeitraum von 1973 bis 1977
sind die Ergebnisse mit der Hypothese vereinbar,
dass eine Erhöhung der Geldmenge in der Schweiz
kurzfristig (im gleichen Quartal) einen
überproportionalen und langfristig einen
proportionalen Anstieg des Dollarkurses bewirkt.
• Insgesamt ist aber die empirische Evidenz zu
überschießenden Wechselkursen als schwach
einzustufen.
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