Prolek News 01-08 Piemonteser oder Charolais? 1. Fleischreifung Prinzipiell sind für die Festigkeit und Zähigkeit des Fleisches zwei Proteinstrukturen verantwortlich: 1. das Bindegewebe und 2. die Struktur der Myofibrillen. 1.1. Enzyme Für die Festigkeit der Myofibrillen und ihre Änderung ist die Reifung sehr wichtig. Das Zartwerden des Fleisches wird als Folge von enzymatischen Veränderungen der Proteinverbindungen angesehen. 1.2. Warmfleisch Schlachtfrisches Fleisch (Warmfleisch) ist noch relativ weich, da die Muskeln entspannt und erschlafft sind. Die Aktin- und Myosinfilamente überschneiden sich nur geringfügig, d.h. es bildet sich nur in geringem Umfang Aktomyosin durch Querverbindungen der Filamente. Info Nr. 47 01-08.doc 1/6 © by System prolek 01.08 Prolek News 01-08 1.3. Muskelstarre Mit Einsetzen der Muskelstarre kontrahieren die Muskeln und werden kürzer. Die Muskelfasern erscheinen daher verkürzt. Durch die Kontraktion wird das Fleisch hart, undehnbar und beim Kochen zäh. Der Kontraktionsgrad der Muskeln nach dem Schlachten ist von der Temperatur abhängig. Bei tiefen Temperaturen (unterhalb von 10°C im Muskel, vor der Muskelstarre) kommt es zu einer vorzeitigen Kontraktion ("cold-shortening"). Dies ruft eine besonders starke Schrumpfung und Zähigkeit des Fleisches hervor. 1.4. Reifung Die verschiedenen Proteasen (Enzyme) spalten langkettige Proteinmoleküle an ganz bestimmten Stellen an genau festgelegten Reihenfolgen von Aminosäuren. Durch diese Spaltung von Proteinmolekülen wird eine Auflockerung der Muskelstruktur bewirkt, durch die geordnete Quer- und Längsvernetzungen der Muskelfilamente in den Fibrillen aufgebrochen werden. Es finden also Vorgänge statt, die eine Veränderung der Fleischstruktur in die Richtung bewirken, wie sie vor Eintritt der Muskelstarre vorhanden war. Es werden aber bei der Reifung keine Aktomyosin-Querbrücken gelöst, sondern die Muskelstruktur wird an anderer Stelle aufgebrochen. 1.4.1. Reifebedingungen Die Reifung ist ein muskel- oder fleischspezifischer Prozess, der Temperaturabhängig ist. Fleischeigene Faktoren, wie pH-Wert, die Menge des Bindegewebes und sowie der Zunahme der Quervernetzungen mit dem Alter oder das Ausmass der Verkürzung im Muskel vor dem Eintritt der Muskelstarre schaffen unterschiedliche Ausgangslagen. Rohschinken in einer Fleischhandlung in Valencia Spanien Info Nr. 47 01-08.doc 2/6 © by System prolek 01.08 Prolek News 01-08 1.5. Einwirkung der Hitze auf die Zartheit Nur in den allerwenigsten Fällen wird Muskelfleisch roh gegessen, wie etwa in Form von Tartar. Meistens wird das Fleisch vor dem Verzehr durch Hitzeeinwirkung gegart, wobei es zur Denaturierung der Muskelproteine kommt. Jede Grundzubereitungsart unterscheidet sich einmal durch die Erhitzungsdauer, die Höhe der angewendeten Temperaturen und auch darin, ob Wasser bei dem Garprozess beteiligt ist (trockene- oder feuchte Hitze = unterschiedliche Wärmeleitfähigkeit). 1.5.1. Einfluss der Erhitzung auf die Proteinstrukturen von Fleisch Wie bereits angetönt, denaturieren die Proteine beim Erhitzen. Dabei kann bei verschiedenen Proteinen (vor allem filamentäre Strukturen wie Bindegewebe und Myosin) auch ein Schrumpfungsprozess verbunden sein. Schrumpft das Bindegewebe das die Muskelzellen und Muskelbündel umgibt, wird hierdurch Wasser aus dem Muskel gepresst. Denaturierung und Schrumpfung erhöhen daher den Saftaustritt aus dem Fleisch (~25%). Denaturierung und Schrumpfung erhöhen aber auch die Festigkeit von Fleisch. So sind im Fleisch beim Erhitzen dann Zähigkeitszunahmen zu beobachten, wenn myofibrilläres Eiweiss ( bei 55-60° C) denaturiert und Bindegewebe bei ca. 65° C schrumpft. 1.6. Schlussfolgerung Fleisch das optimale Reifungsbedingungen erfahren hatte und natürlicherweise kurze Muskelfasern aufweist, muss weniger lang erhitzt werden, bis die Struktur soweit "aufgebrochen" ist, dass das Fleisch eine weiche und mürbe Konsistenz erhält. Während der Reifung werden die Membranen, welche die Myofibrillen im lebenden Muskel zusammenhalten, aufgebrochen. Durch den Verlust beider Membransysteme werden die Bindungen zwischen den Myofibrillen geschwächt. Die äussere Zellhülle (Sarkolem) verändert sich während der Reifung und erscheint anders als das intakte Sarkolem des frisch geschlachteten Muskels. Mit zunehmender Reifung treten Veränderungen der kollagenen Fibrillen auf. Diese strukturellen Abbauvorgänge haben eine wesentliche substantielle Wirkung auf die Struktur des Muskelgewebes und dürften die Hauptursache für die Zartheit des Fleisches sein. Info Nr. 47 01-08.doc 3/6 © by System prolek 01.08 Prolek News 01-08 2. Tropfsaftverlust, Safthaltevermögen Nicht nur die Zartheit, sondern auch das Safthaltevermögen des ungesalzenen Fleisches wird durch die nach dem Schlachten auftretenden Muskelverkürzungen beeinflusst. In verschiedenen Versuchen konnte bewiesen werden, dass sich eine Lagerung vor der Muskelstarre des Fleisches, im Kern des Muskels, bei Temperaturen unter 10°C und über 20°C, sehr nachteilig auf das Safthaltevermögen auswirkt. Am Besten ist eine Kühlung, die im Kern des Muskels, vor der Muskelstarre nicht unter 12° C und nicht über 20° C geht. Ein Vergleich lässt darauf schliessen, dass die Höhe des Tropfsaftverlustes 7 Tage p.m. von dem Ausmass der Sarkomerenverkürzung vor Eintritt des Rigor mortis abhängt. Je intensiver Kälte- und Rigorkonstruktur sind, um so mehr Fleischsaft wird während der anschliessenden Kühllagerung austreten! Je stärker die Muskelverkürzung, um so kleiner ist (nach Eintritt der Muskelstarre) der Raum innerhalb der Sarkomeren bzw. zwischen den Filamenten und um so mehr Wasser geht aus den Fibrillen in den interfibrillären und von hier in den extra-zellulären Raum über, um schliesslich an die Oberfläche des Muskels zu gelangen. Gesehen auf einem Markt in Alicante, Spanien Info Nr. 47 01-08.doc 4/6 © by System prolek 01.08 Prolek News 01-08 3. Aromabildende Stoffe im Fleisch Im Fleisch und Fett enthaltene Geschmacks- oder Geruchsstoffe bzw. deren Vorstufen. Ein kg Fleisch enthält etwa 1 bis 1.5 g Natriumchlorid (Kochsalz), das für den salzigen Geschmack des Fleisches verantwortlich ist. Darüber hinaus sind auch etwa 3.5 g Kalium im kg Fleisch vorhanden, das jedoch nicht nur eine salzige Komponente sondern auch eine Bitterkomponente enthält. Fleisch enthält relativ wenig freie Zucker, die zum Süssgeschmack beitragen könnten. Eine Ausnahme ist das Fleisch von Pferden, das relativ viel Zucker in Form von Glykogen enthält und daher auch süsslich schmeckt. Als saure Komponente ist die Milchsäure von Bedeutung, Sie ist für den pHWert des Fleisches verantwortlich. Milchsäure entsteht beim Abbau von Glykogen. Inosinmonophosphat (IMP), ein Geschmacksverstärker wird aus Adenosindiund Adenosinmonophosphat, durch enzymatische Hydrolyse gebildet. Glutaminsäure ist ein Bestandteil von Proteinen und wird neben anderen Aminosäuren aus diesen durch Enzyme freigesetzt. Fettsäuren sind weitere wichtige Aromakomponenten oder deren Vorläufer. Bei längerer oder unsachgemässer Lagerung können diese Fettsäuren, speziell ungesättigte Fettsäuren, unter dem Einfluss von Licht und Luftsauerstoff oxidiert werden. Aus der Oxidation resultieren geschmacklich unerwünschte Stoffe (Aldehyde und Ketone), die für den ranzigen Geschmack verantwortlich sind. 3.1. Einflussfaktoren auf das Fleischaroma Das Aroma wird beeinflusst von Faktoren, die im Erbmaterial der Tiere begründet sein können, d.h. also Tierart, Rasse oder Geschlecht der Tiere. Auch äussere Faktoren wie das Schlachtalter und die Fütterung wirken sich aus. Ausserdem hängt das Aroma von der Behandlung der Tiere vor, während und nach der Schlachtung sowie, von der Zubereitung des Fleisches ab. Literatur Chemisch-physikalische Merkmale der Fleischqualität; Institut für Chemie und Physik Bundesanstalt für Fleischforschung, Kulmbach 1986 Info Nr. 47 01-08.doc 5/6 © by System prolek 01.08 Prolek News 01-08 9 8 Checkliste Fleischreifung A Die Saftbildung im Vakuumbeutel ist sehr gering. B Vakuumverpackes Fleisch riecht nach dem Braten besser als Fleisch das unverpackt gereift und in Oel mariniert gelagert wurde? C Das Vakuumverpacken von Fleisch erfolgt nur zum Tiefkühlen oder bei einer Lagerdauer von länger als 5 Tagen. Ansonsten wird Fleisch in Oel eingelegt oder mit Plastikfilm umhüllt. D Fleisch wird vor dem Vakuumverpacken konsequent auf unter +4° C gekühlt. E Der Prozess Vakummverpacken ist exakt definiert und wird auch eingehalten. F Unsere Fleischqualität weist nach dem Braten keine Farbveränderungen (grauwerden, blasse Farbe) auf. G Unser Fleisch wird bewusst einer Reifung unterzogen. Der Fleischreifeprozess ist defiert und wird überwacht. H Alle Kühltemperaturen sind so gewählt, dass die gesetzlichen Anforderungen eingehalten werden. Fleisch am Stück max. +7° C; Fleischzubereitungen max. +4° C; Fleischwaren max. +4° C; Geflügel max. + 4° C; Innereien max. +3° C Hackfleisch max. +2° C I Lammfleisch wird zur Aromabildung in Gewürz- Oel mariniert und nicht vakuumverpackt. J Geflügelfleisch wird vor dem Zubereiten aus dem VakuumbeutelSchale entnommen und über Nacht zum atmen nicht mit Folie abgedeckt. (Abdecken mit einem Fliess oder Fleischpapier) K Auf Fleischwaren wird das Produktionsdatum immer unverändert auf die neue Folie übertragen. L Kriterien an Fleisch- und Fleischzubereitungen: Saftigkeit, Zartheit, ausgeprägter sortentiypischer Geschmack, geringer Bratverlust, Biss/Strucktur, Farbe, Reifegrad, Herkunft, Lagerfähigkeit, Lagerverlust. Für Rückfragen senden Sie dieses Formular bitte per Fax an 033 654 98 91 an Prolek GmbH. Info Nr. 47 01-08.doc 6/6 © by System prolek 01.08