Geschichtereferat von, Till Krüger, April 1999 © by Till Krüger Inhalt Einleitung 1. Geschichtliche Entwicklung des Hinduismus 1.1. Die vorarische Zeit 1.2. Die vedische Periode 1.3. Die klassische Zeit 1.4. Unter der islamischen Vorherrschaft 1.5. Die Zeit der britischen Vorherrschaft 2. Die Lehre 2.1. Die heiligen Schriften 2.1.1. Die Veda 2.1.2. Smitri 2.2. Das Weltbild 2.3. Das höchste Weltprinzip - Darma 2.4.Die Lehre vom Karma - Das Rad der Sansara 2 Einleitung Brahmanismus oder Hinduismus ist die Bezeichnung für die einheimische Religion Vorderindiens, der heute ungefähr 85 % der indischen Bevölkerung angehören. Religionswissenschaftlich gilt der Hinduismus zwar nicht als Religion, sondern als Sammelbezeichnung unterschiedlichster Strömungen (Der Einfachheit halber verwende ich dennoch diesen praktikablen Begriff.). Von der Abstammung her unterscheiden sich Brahmanismus und Hinduismus: Ersterer leitet sich von der indischen Priesterkaste, den Brahmanen, ab und bezeichnet auch die Bewohner Indiens, die die Brahmanen als ihre Priester anerkennen. Hinduismus hingegen ist ein geographischer Begriff, denn die Mohammedaner nannten die Bewohner des Indusgebietes Hindus. 1. Geschichtliche Entwicklung des Hinduismus 1.1. Die vorarische Zeit Ausgrabungen von Ruinen großer Städte aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. in der Landschaft Sindh und im Panjab weisen auf den hohen Stand der Induskultur. Die damalige Religion war ein hochentwickelter Bilderkult, der aus der Verehrung von männlichen und weiblichen Gottheiten bestand. Man erkannte gewisse Ähnlichkeiten mit den heutigen Gottheiten, heiligen Tieren, Pflanzen, Symbolen und Phallussteinen, weshalb sie auch als ein Vorgänger des heutigen Hinduismus bezeichnet wird. 1.2. Die vedische Periode Im 2. Jahrtausend v. Chr. wanderten die Arier ins Indusgebiet ein und siedelten sich im Nordwesten Indiens an. Ihre Religion wird die „vedische Religion“ genannt. Ihre heiligen Schriften, jahrhundertelang nur mündlich überliefert, hießen „Veda. Es findet sich eine Vorstufe eines Monotheismus, d.h. der Glaube, daß ein Gott der höchste wäre und ihm alles andere unterworfen wäre, der sog. „Henotheismus“. Um 1000 v. Chr. drangen die Arier weiter in den indischen Subkontinent vor und ließen sich als eine Herrenschicht unter den Vorbewohnern nieder. Um das zu wahren, bildeten sie das Kastenwesen aus. Als Brahmanen beeinflußten sie die Religion der Vorbewohner stark. Nun kann man vom Brahmanismus sprechen. Die Veda war zu vier heiligen Texten 3 herangewachsen und gelehrte Brahmanen verfaßten Erläuterungen, sog. Opfertexte (Brahmana). Das absolute Sein wird als Brahma(n) bezeichnet. Um 800 v. Chr. entstanden die Upanishaden. Bis 1000 n. Chr. zweigten in Opposition zu den Ansprüchen des Brahmanentums der Jainismus und der Buddhismus ab, die gegen die großen Kastenunterschiede waren. 1.3. Die klassische Periode Diese Periode stellt die Blütezeit und größte Ausbreitung dar. Es bildete sich die Hochsprache (sanskrita; im Gegensatz zur Umgangssprache, prakrita) als das sprachliche Medium. Nach und nach beherrschten die Arier die ganze Halbinsel, wodurch die Religion immer stärker den Umwelteinflüssen ausgesetzt war. So veränderte sich die Götterwelt stark und es bildete sich die Trimurti der drei höchsten Götter (Vishnu, Shiva und Brahma) weiter aus, aber auch weibliche Gottheiten gewannen an Beliebtheit. Das indische Pantheon wurde unübersehbar, denn es entwickelten sich immer mehr Lokalgottheiten. Außerdem entstand eine Vielzahl von Sekten, die jeweils andere Götter in den Mittelpunkt ihres Glaubens stellten. Einen Versuch, die verschiedenen Sprengel des Hinduismus wieder zu einer Einheit zusammenzufassen, unternahm der Brahmane Shankara, doch er scheiterte. 1.4. Unter der islamischen Vorherrschaft Seit dem 15. Jahrhundert errichteten moslimische Fürsten eigene Reiche auf indischem Boden und bekehrten Hindus zum Islam. Der ausgeprägte Fanatismus der Mohammedaner, die es als ihre Pflicht und ihr Recht sahen „Ungläubige“ zu verfolgen, stand schroff im Gegensatz zum Verhalten der Hindusekten. So gründete Nanak die Gemeinde der Sikhs (Schüler), die zum Ziel hatten, Islam und Hinduismus auf dem Boden eines bildfreien Monotheismus zu einigen. 1.5. Die Zeit der britischen Vorherrschaft Seit 1498 steht Indien im Interesse europäischer Kolonisationsbestrebungen, aber erst nach dem Ende des 18. Jahrhunderts wirkt Europa nennenswert auf das Hindutum, nachdem die Britisch-Ostindische Kompanie unter den Europäern als Sieger hervorging und die Herrschaft sicher aufgerichtet hatte. 1828 gründete Raja Rammohan Ray die „ Gemeinde der Gottesgläubigen“ („Brahma-Samaj“) in Kalkutta, die den Hinduismus modernisieren wollte. Es folgten Sekten und Bewegungen mit ähnlichen Zielen. Diese breiteten sich rasch aus und es wurde so zur Selbstverständlichkeit, daß sich Hindus mit christlichen und islamischen Lehren beschäftigen, jedoch nicht ihre Religion mit dem Christentum oder Islam vertauschen. Als Beispiel: Mohandas Karamchand ("Mahatma") Gandhi als orthodoxer Hindu: "Der 4 Hinduismus ermöglicht es jedem, Gott nach seinem eigenen Glauben zu verehren (...) und gerade deshalb lebt er mit allen Religionen im Frieden." 2. Die Lehre 2.1. Die heiligen Schriften Anders als beispielsweise der Koran sind die heiligen Schriften der Hindus nicht das Werk eines Mannes, sondern eine riesige Literatur, die ein Nebeneinander der verschiedensten Vorstellungen enthält. Sie sind alle im Sanskrit, der Kunstsprache Altindiens, abgefaßt. Es gibt zwei Gruppen von Werken: Shruti-Werke, die als Offenbarung und übermenschlichen Ursprungs gelten; und die von Menschen verfaßten Smitri-Werke, den Überlieferungen. 2.1.1. Die Veda Als die heilige Offenbarng ist die Veda (heiliges Wissen) eine gewaltige Sammlung von Texten, die aus vier "Sanhitas", Lieder- und Sprüchesammlungen, besteht: 1. Die Rigveda ist die eigentliche Veda, bestehend aus 1028 Opferhymnen, um die Götter herbeizurufen. 2. Die Samaveda, gesammelte Gesänge, mit welchen der Opfervorgang begleitet wird 3. Die Yajurveda, Sprüche, die beim Vollzug des Opfers gemurmelt werden 4. Die Atharvaveda, mit Zaubersprüchen Zu jeder dieser vier Sanhitas gehören wiederum die Brahmanas (Opfertexte in Prosa mit Erklärungen der heiligen Handlungen) und die Mantras (Gebete, Lobsagungen). Zu den Brahmanas sind die Aranyakas und die Upanishaden (Geheimlehren) gefügt. 2.1.2. Smitri Zur heiligen Überlieferung gehören Sutras (Leitfäden) und Shastras (Lehrbücher) der verschiedensten Wissenschaften, die mit dem Kultus, dem religiös-sozialen Leben und der Erklärung der heiligen Texte zusammenhängen. Größtenteils sind sie erzählenden, nicht nur lehrhaften Inhaltes. Zu diesen Smitri-Werken werden die zwei großen Epen gezählt. Das Mahabharata schildert die Kämpfe der Nachkommen des Königs Bharata. Unter diesem vom Weisen Vyasa geschriebenen Epos ist die Bhagavadgita (Gesang des Erhabenen) das bedeutendste Stück. In diesem philosophischen Lehrgedicht legt der Gott Krishna dem Helden Arjuna das Wesen von Gott, Welt und Seele dar. Der zweite Epos ist dasRamayana des Valmiki und behandelt die Lebensschicksale des Helden Rama und seine Kämpfe mit dem Dämonenkönig Ravana, der ihm seine Gattin geraubt hatte. 5 Neben den beiden Epen sind die dem Vyasa zugeschriebenen 18 Puranas ("alte Erzählungen") die wichtigsten Quellen der Hindumythologie. Sie gehören zum Vishnu- und Shivakult. 2.2.Das Weltbild Nach der Lehre der Puranas besteht ein Weltsystem aus einer Erdscheibe, unter der sich die Unterwelten und Höllen befinden. Über der Erde sind stockwerkartig die Oberwelten für die Götter gebaut. Diese Welt, von denen es unendlich viele gibt, ist von einer Hülle umgeben. Jedes Lebewesen ist aus einer rein geistigen Seele (jiva) und aus einem Körper aus Materie. Das Leben des Welterschaffer Brahma währt 100 Brahma-Jahre, was 311 040 000 000 000 Menschenjahren entspricht. Ein Brahma-Tag umfaßt 1000 große Weltenalter, von denen jedes in vier Weltenalter (yugas) unterteilt ist, und die 4 320 000 Menschenjahren entsprechen. Im Kritayuga herrscht Gerechtigkeit und Wahrheit, was in jedem folgenden Yuga immer abnimmt. Nach dem Treta und Dvapara kommt das Kaliyuga, in dem die schlechtesten Zustände herrschen. Dann wiederholt es sich mit dem Krita und entwickelt sich wieder abwärts. Wir befinden uns gegenwärtig am Anfang des Kali. 2.3. Das höchste Weltprinzip - Dharma In allen Dingen und Wesen herrscht ein ewiges Gesetz (Dharma). Dieses Grundgesetz aller Dinge manifestiert sich als natürliche Ordnung. Dabei bewirkt es z.B., daß Flüsse abwärts fließen oder daß sich Pflanzen aus ihrem Samen entwickeln. Außerdem ist es die sittliche Ordnung, die das Einhalten der Kastenordnung erzwingt und rechten oder schlechten Taten den entsprechenden Lohn gibt, und stellt eine magisch-rituelle Ordnung dar, indem es die heiligen Handlungen und Opfer gebietet. Für viele Philosophen gilt das Dharma als das letzte, nicht weiter zurückführbare Weltprinzip, das über allem waltet. Wenn also Naturphilosophen des Yoga das Dasein eines ewigen Gottes (ishvara) annehmen, der nur die Weltordnung aufrechterhält, so ist er eigentlich doch nur der Vollstrecker des noch höheren Dharma. 2.4. Die Lehre vom Karma - Das Rad der Sansara Das Karma ist wirkt automatisch und erbarmungslos als Vergeltungsordnung, indem es Verdienste und Straffolgen früherer Daseinsformen in der nächsten Inkarnation (avatara) in Anrechnung bringt. Die Karmalehre besagt, daß jede in diesem Leben ausgeführte Handlung von moralischer Bedeutung das Schicksal des Lebewesens in seinem nächsten Leben entscheiden wird. Karma stellt also das Gesamtergebnis einer jeden Daseinsform im Kosmos. Dieses Karma ist eng an den Glaube der Seelenwanderung geknüpft.Das Rad der Sansara (Rad der Wiedergeburten) ist ein immer wiederkehrender Zyklus aus Geburt, Tod und Wiederverkörperung. Doch irgendwann soll dieser Kreislauf abgeschlossen sein und man 6 erreicht Mukti oder Moksha. Diese Befreiung aus dem Kreislauf der Geburten kommt durch die Vereinigung der individuellen Seele, jiva, mit dem Brahma(n) (neutrum) zustande. Das Brahman ist die Bezeichnung für das All-Eine, das absolute Sein, das schöpferische Prinzip, die höchste Seele des Universum, in dem aller Ursprung ist und alles zurückkehrt. Die Zeichen OM versinnbildlichen das Brahman. Es gibt vier Wege zu Mukti: •Karmayoga - der Weg der Taten •Jnanayoga - der Weg der Erkenntnis •Bhaktiyoga - der Weg der Hingabe •Rajayoga - besondere rhythmischen Atemübungen 3. Indiens Götterwelt Im Hinduismus kennt man fast unendlich viele Gottheiten, angefangen von den bekannteseten und beliebtesten Göttern der Trimurti, bis zu Dorf- und Hausgottheiten, die doch alle nur "Abwandlungen" großer Gottheiten sind. 3.1. Die Trimurti Die Trimurti oder hinduistische Göttertriade besteht aus den drei Göttern, Brahma, Shiva und Vishnu, als die höchsten Götter im hinduistischem Pantheon. Alle Götter haben ikonographische Merkmale, auf die ich hier jedoch nicht näher eingehen will. 3.1.1. Brahma Brahma ist der Schöpfer der Welt, spielt aber mittlerweile eine untergeordnete Rolle bei den Hindus. Das Reittier dieses mit vier Gesichtern und vier Armen dargestellten Gottes ist eine Gans, das seines weiblichen Pendants Sarasvati ist ein Pfau. 3.1.2. Shiva Shiva ist als Schöpfer und Zeuger, vor allem aber als Zerstörer, der zweitpopulärste Gott Indiens. Mit seinem Reittier, dem Nandi-Bulle, gilt er als der Herr der Tiere und des Tanzes. Shivas erste Gattin war Sati, die sich in Folge eines Streites zwischen ihrem Vater und Shiva selbst umbrachte. Daher kommt die auch heute noch verbreitete, aber abgeschaffte Witwenverbrennung. 3.1.3. Vishnu Mit dem Aspekt des Erhaltens und Bewahrens wird Vishnu oft mit vier Armen dargestellt. Seine Frau ist Lakshmi, die die Göttin des Glücks, Reichtums und der Gesundheit ist. Vishnu reitet auf dem sog. Garudavogel, der halb Mann, halb Vogel ist. Vishnu kommt in 10 avataras (Manifestationen, Inkarnationen) vor: 1. als Matsya (Fisch), 2. als Kurma (Schildkröte), 3. alsVahara (Eber), 4. als Narasimha (Mann-Löwe), 5. als Vamana (Zwerg), 6. als Parasurama (Rama mit der Streitaxt), 7. als der im Ramayana-Epos bekannten Rama, 8. in der populärsten Inkarnation als Krishna, der im Mahabharata-Epos vorkommt, 9. als Buddha, 10. als Kalki. 7 3.2. Einige Götter 3.2.1. Kartikkeya Der Gott des Krieges und Führer des Heeres der guten Dämonen wird in Südindien Skanda oder Subrahmanya genannt und ist ein Sohn von Shiva. 3.2.2. Ganesha Ganesh(a) ist ebenfalls Sohn von Shiva und ist "Lieblingsgott" von Millionen Hindus. Er hat einen Elefantenkopf und ist Gott des Lernens und des Erfolges. Mit seinem Reittier, einer Ratte, räumt er Hindernisse aus dem Weg. 4. Das religiöse Leben eines Hindus 4.1. Das Kastensystem Das von den Ariern eingeführte Kastensystem ist zwar de iuro abgeschafft, bestimmt aber de facto noch immer eines jeden Hindu Leben. Anfangs bestand es aus vier solcher Kasten: 1. Priester (Brahmanen), 2. die Kaste der Krieger (Kshatryas), 3. Bauern, Gewerbetreibende (Vaishyas) und 4. Diener (Shudras). Unter dieser Unterteilung, und somit am tiefsten, stehen die Unberührbaren (Parias). Das sind z.B. Wäscher, Fischer, Lederarbeiter,... 4.2. Tagtäglich... Das gesamte tägliche Leben eines gläubigen Hindus ist stark in religiöse Traditionen und Rituale eingebunden. So sollte täglich jeder Hindu seinem Gott am Hausaltar eine Puja bringen. Diese Verehrung und Anbetung wird in einer Zeremonie mit Gebeten begleitet. Mit einem Opfer wird die Gottheit gespeist. 4.3. Wichtige religiöse Stationen im Leben Schon vor der Geburt eines Hindu-Kindes finden mehrere Zeremonien statt, um das Kind vor bösen Geistern zu schützen und zu bewirken, daß es ein Sohn wird. Mädchen lassen sich nur mit hohen Kosten verheiraten. Danach wird das Kind von weiteren Zeremonien begleitet, wenn das Kind eien Namen bekommt oder wenn es zum ersten Mal feste Nahrung ißt. Die Heirat ist das nächste wichtige Ereignis, obwohl auch noch heute die meisten Ehen von den Eltern arrangiert werden, wobei die zukünftige Gattin am wenigsten zu entscheiden hat. Durch die Kastenzugehörigkeit kann man nicht in eine andere Kaste heiraten. So kommen Liebesheiraten zumindest auf dem Land fast nie vor. Wenn doch, kann es zum Ausstoß aus der Familie kommen. Die letzte Station im Leben eines Hindu ist der Tod. Der Tote wird an den Verbrennungsplatz, der meistens an einem Fluß liegt, getragen, auf eien Scheiterhaufen gelegt und schließlich 8 vom ältesen Familienmitglied angezündet. Nach Ablauf der Trauerzeit unternimmt die Familie dann eine Reinigungszeremonie. Quellennachweis Internet: http://www.sachsen-info.de/stab/t4.html Buchliteratur: Schleberger, Eckard; Die indische Götterwelt: Gestalt, Ausdruck und Sinnbild; Köln 1986; Eugen Diederichs Verlag 9 Helmut von Glasenapp; Die fünf Weltreligionen: Brahmanismus, Buddhismus, chin. Universismus, Christentum, Islam; Köln 1982 Eugen Diederichs Verlag John Dowson, A classical dictionary of Hindu mythology and religion, geography, history and literature; Calcutta - Allahabad - Bombay (Mumbai) - New Delhi, 3. Auflage 1987; Klaus Wolff; Hildebrand`s Urlaubsführer Indien, Nepal; 5. aktualisierte Auflage 1992; K+G Karto+Grafik Verlag; Frankfurt/Main Hans-Joachim Schoeps; Religionen; Bertelsmann, Güterloh © by Till Krüger 10 ;