inhalt file:///I|/fernlehre skriptum/Studienbrief4/inhalt.htm Quantenphysik I Die Konzeption der Quantenmechanik Die Quantenmechanik ist die physikalische Beschreibung des Verhaltens von Licht und Materie im atomaren Bereich. In diesem Bereich verhalten sich die Dinge auf eine Art, wie man es aus der Alltagserfahrung niemals erwarten würde. Sie verhalten sich nicht wie Wellen oder Teilchen, nicht wie Wolken oder Kugeln und nicht wie Massen oder Federn. Natürlich haben wir für gewöhnlich nur selten Kontakt mit einzelnen Elektronen, Atomen usw., sodaß uns ihr abnormes Verhalten auch nicht sonderlich bekümmert. Dennoch wird durch das Vordringen der Technologie in immer kleinere Dimensionen die Kluft zwischen der klassischen Welt und der Quantenwelt immer geringer. Bereits jetzt gibt es Anwendungen die unmittelbaren Nutzen aus der Eigenart der Quantenwelt ziehen. Im Folgenden werden wir also versuchen die grundlegenden Konzepte dieser Theorie, die nach Feynmans Worten niemand versteht (im Sinne von: "anschaulich begreift"), zu verdeutlichen. Die Einführung der Wellenfunktion Interpretation der Wellenfunktion (Schrödingers Katze) Komplementarität und Unschärferelation Zur Nichtlokalität der Quantenmechanik 1 von 1 05.02.00 15:36 teil1 file:///I|/fernlehre skriptum/Studienbrief4/teil1.htm Die Einführung der Wellenfunktion Wie wir schon bei der Behandlung der Atommodelle ausgeführt haben, hat Erwin Schrödinger 1926 eine Gleichung zur Berechnung der Energieniveaus von Teilchen in gebundenen Zuständen (etwa Elektronen in Atomen) aufgestellt. Ψ ist dabei eine komplexe Funktion und V beschreibt das Potential in dem sich das Teilchen befindet (etwa Coulombpotential für ein Elektron im Atom). Wie wir sehen kommt in dieser Gleichung keine Zeitabhängigkeit vor, es handelt sich um die zeitunabhängige Schrödingergleichung. Führt man zusätzlich noch eine Zeitabhängigkeit ein, so gelangt man zur zeitabhängigen Schrödingergleichung: Die Wellenfunktion Ψ(x,y,z,t) ist eine komplexe Funktion von Ort und Zeit, die die (lineare) Schrödingergleichung erfüllt. Jede konkrete Wellenfunktion entspricht einem bestimmten Bewegungszustand des Systems (etwa einem frei fliegenden Elektron mit Impuls p). Wenn Ψ(x,y,z,t) eine mögliche Wellenfunktion ist, dann ist auch die Funktion eiθΨ(x,y,z,t), wobei θ eine beliebige reelle Konstante ist, eine mögliche Wellenfunktion. Außerdem ist - und das ist das Wichtigste - das Quadrat des Absolutbetrages beider Funktionen identisch. Die beiden Wellenfunktionen beschreiben ein und denselben Bewegungszustand oder kurz Zustand. Wir können auch sagen, jeder Wellenfunktion entspricht eindeutig ein Zustand des Systems. Umgekehrt stimmt das jedoch nicht: Ein bestimmter Zustand definiert eine Schrödinger-Wellenfunktion nur bis auf einen konstanten komplexen Faktor mit Absolutbetrag eins. Zwei Wellenfunktionen, die sich nur durch einen derartigen Faktor unterscheiden, entsprechen dem gleichen physikalischen Zustand. Das Lösen der Schrödingergleichung gestaltet sich im allgemeinen recht schwierig. Wir können jedoch jede beliebige Lösung durch Überlagerung ebener Wellen der Form darstellen. Wir haben uns hier auf eine Raumdimension beschränkt und die de Brogliesche Beziehung zwischen Impuls und Wellenlänge sowie die Beziehung E=p2/2m=hf verwendet, wobei E die kinetische Energie und f die Frequenz ist. Für ein freies Teilchen mit der Masse m und dem Impuls p stellt die soeben angegebene Wellenfunktion eine Lösung der Schrödingergleichung dar. Wir sehen also, daß die Bewegung eines freien Teilchens mit definiertem Impuls in der Quantenmechanik als ebene Welle beschrieben wird. Trifft nun ein derartiges Teilchen auf ein Hindernis, etwa eine Wand in der sich zwei Öffnungen befinden (Doppelspalt), so geht von dieser Wand eine neue Welle 1 von 2 05.02.00 15:36 teil1 file:///I|/fernlehre skriptum/Studienbrief4/teil1.htm aus, die anfänglich (unmittelbar nach der Wand) überall Null ist und nur im Bereich der beiden Öffnungen den Wert der ursprünglich einfallenden ebenen Welle hat. Wellenfront (Einhüllende) vor und unmittelbar nach dem Doppelspalt Bei dieser neuen Welle handelt es sich aber nun nicht mehr um eine einzige ebene Welle, sondern um eine Überlagerung von (unendlich) vielen ebenen Wellen, die in Summe die von der Wand ausgehende Welle ergeben. Aus der klassischen Wellentheorie ist nun hinlänglich bekannt, daß eine derartige Überlagerung von ebenen Wellen im Laufe der Zeit zu einem Zerfließen der ursprünglichen Form der Einhüllenden führt. D.h. die beiden rechtecksförmigen Wellenzüge A und B werden sich nach einer bestimmten Zeit überlagern. Durch diese Überlagerung wird im Falle des Doppelspaltes die Interferenz beschrieben, wie sie etwa mit Elektronen beobachtet werden kann. Es gilt zu beachten, daß wir in der bisherigen formalen Beschreibung niemals vom Ort bzw. der Bahn des Teilchens gesprochen haben. Dies ist ein typisches Merkmal quantenmechanischer Modellbildung. Diese Begriffe haben keine Verwendung mehr und verlieren ihre unmittelbare Bedeutung. An ihre Stelle tritt die Wellenfunktion. Welche physikalische Bedeutung hat nun aber diese Funktion? Zurück 2 von 2 05.02.00 15:36 teil2 file:///I|/fernlehre skriptum/Studienbrief4/teil2.htm Interpretation der Wellenfunktion (Schrödingers Katze) Die heute allgemein akzeptierte Interpretation der Wellenfunktion wurde 1926 von Max Born vorgeschlagen. Nach ihr ist die Wellenfunktion eine Wahrscheinlichkeitsverteilung. Genaugenommen ist es das Quadrat des Absolutbetrages |Ψ Ψ |2, das als Wahrscheinlichkeit interpretiert werden kann. |Ψ|2 gibt an mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Teilchen an einem gewissen Ort zu einer gewissen Zeit vorgefunden werden kann. Integration über alle Orte ergibt 1, was der Tatsache entspricht, daß das Teilchen mit Sicherheit gefunden wird, wenn an allen Orten gemessen wird. Im Falle der ebenen Welle etwa, wie wir sie im vorangehenden Abschnitt besprochen haben, ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an einem bestimmten Ort zu finden für alle Orte gleich groß, dafür aber sehr klein. (Dies ist bereits ein Ausdruck der Unschärfebeziehung, die besagt, daß der Ort für ein Teilchen mit definiertem Impuls völlig unbestimmt ist.) Beim Durchgang durch den Doppelspalt kann das Teilchen dann nur mehr in einer der beiden Öffnungen sein. Dementsprechend ändert sich die Form der Wellenfunktion. Da sich die quantenmechanische Modellbildung so grundlegend von der klassischen unterscheidet, hat E.Schrödinger 1935 einen Artikel mit dem Titel "Die gegenwärtige Situation in der Quantenmechanik" veröffentlicht (Die Naturwissenschaften 23, 807-812, 823-828, 844-849 (1935)), in dem er sich ausführlich mit Interpretationsfragen beschäftigt. Wir wollen im folgenden anhand einiger Stellen aus diesem Artikel die wichtigsten Punkte besprechen. Zur Problematik des Verlustes der klassischen Modellbildung, bei der jedes Teilchen seinen Ort oder seine Flugbahn hatte, schreibt Schrödinger: "Die Wirklichkeit widerstrebt der gedanklichen Nachbildung durch ein Modell. Man läßt darum den naiven Realismus fahren und stützt sich direkt auf die unbezweifelbare These, daß wirklich (für den Physiker) letzten Endes nur die Beobachtung, die Messung ist. Dann hat hinfort all unser physikalisches Denken als einzige Basis und als einzigen Gegenstand die Ergebnisse prinzipiell ausführbarer Messungen, denn auf eine andere Art von Wirklichkeit oder auf ein Modell soll unser Denken sich ja jetzt ausdrücklich nicht mehr beziehen." Der einzige Gegenenstand der Theorie sind also die Meßergebnisse und nicht mehr das, was "hinter" den Meßergebnissen liegt,- die Wirklichkeit. Die Theorie beschreibt lediglich das Auftrittsverhalten von Meßwerten und nicht die genaue Ursache für jeden einzelnen Meßwert. Beim Doppelspalt etwa beschreibt die Quantenmechanik nur wo die Teilchen mit welcher Häufigkeit auftreffen werden, aber nicht wie sie dorthin gelangen. Im Zusammenhang mit dem Meßprozeß, dem in der Quantenmechanik ein besonderer Stellenwert zukommt, schreibt Schrödinger: "In der Darlegung der offiziellen Lehre fortfahrend, wenden wir uns der schon oben erwähnten Ψ-Funktion zu. Sie ist jetzt das Instrument zur Voraussage der 1 von 3 05.02.00 15:36 teil2 file:///I|/fernlehre skriptum/Studienbrief4/teil2.htm Wahrscheinlichkeit von Maßzahlen. In ihr ist die jeweils erreichte Summe theoretisch begründeter Zukunftserwartung verkörpert, gleichsam wie in einem Katalog niedergelegt. Sie ist die Beziehungs- und Bedingtheitsbrücke zwischen Messungen und Messungen, wie es in der klassischen Theorie das Modell und sein jeweiliger Zustand war. Mit diesen hat die Ψ-Funktion auch sonst viel gemein. Sie wird im Prinzip, eindeutig festgelegt durch eine endliche Zahl passend ausgewählter Messungen am Objekt, halb soviele als in der klassischen Theorie nötig waren. So wird der Katalog der Erwartungen erstmalig angelegt. Von da verändert er sich mit der Zeit, genau wie der Zustand des Modells in der klassischen Theorie, zwangsläufig und eindeutig ("kausal") - das Abrollen der Ψ-Funktion wird beherrscht durch eine partielle Differentialgleichung [...] Aber das geht nur so lange, bis man wieder irgendeine Messung vornimmt. Bei jeder Messung ist man genötigt, der Ψ-Funktion (= dem Voraussagenkatalog) eine eigenartige, etwas plötzliche Veränderung zuzuschreiben, die von der gefundenen Maßzahl abhängt und sich darum nicht vorhersehen läßt; woraus allein schon deutlich ist, daß diese zweite Art von Veränderung der Ψ-Funktion mit ihrem regelmäßigen Abrollen zwischen zwei Messungen nicht das mindeste zu tun hat." Wieder wird hier die Ψ-Funktion als Voraussage der Wahrscheinlichkeit von Meßwerten ("Maßzahlen") interpretiert. Durch Präparation eines Systems (etwa durch den Doppelspalt in obigem Beispiel, der als eine Art Ortsmessung betrachtet werden kann) kann die Ψ-Funktion festgelegt werden. Danach entwickelt sie sich frei nach den Regeln der Schrödingergleichung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Messung durchgeführt und einer der vielen möglichen Meßwerte festgestellt wird. Nach dieser Messung hat das System eine neue Wellenfunktion, die vom erhaltenen Meßwert abhängt. Die unstetige Änderung der Wellenfunktion bei der Messung wird häufig als "Kollaps der Wellenfunktion" bezeichnet und gibt eine unstetige Änderung unseres Wissens über das System wieder. Die wohl berühmteste Stelle aus Schrödingers Artikel beschäftigt sich mit der philosophischen Problematik, die sich aus dem Verlust der durchgehenden Bestimmung der physikalischen Realität durch die Quantentheorie ergibt. Wir sind gewohnt, daß Objekte zu jeder Zeit bestimmte Eigenschaften haben, die andere mögliche Eigenschaften ausschließen (etwa lebendig oder tot). So etwa sollte ein Elektron beim Doppelspaltexperiment entweder durch die eine oder die andere Öffnung gehen. Tatsächlich gibt uns aber die Quantenmechanik keinen Hinweis darauf durch welche Öffnung es geht. Befindet sich ein radioaktives Atom in einer Schachtel, so glauben wir es müsse in jedem Zeitpunkt bestimmt sein, ob es schon zerfallen wäre oder nicht. Tatsächlich kann uns keine Theorie der Welt darüber Auskunft geben. Erst wenn wir nachsehen wissen wir in welchem Zustand es ist. Und die Theorie (Quantenmechanik) sagt uns nur mit welcher Wahrscheinlichkeit wir es im einen oder anderen Zustand finden werden. Bis zum Zeitpunkt der Beobachtung gibt es formal lediglich eine Superposition von beiden Möglichkeiten 2 von 3 05.02.00 15:36 teil2 file:///I|/fernlehre skriptum/Studienbrief4/teil2.htm (mit den entsprechenden Wahrscheinlichkeiten). Um die Absurdität dieser Situation drastisch zu veranschaulichen erfand Schrödinger folgendes Gedankenexperiment, das unter dem Titel "Schrödingers Katze" populär wurde. Schrödingers Katze "Eine Katze wird in eine Stahlkammer gesperrt, zusammen mit folgender Höllenmaschine (die man gegen den direkten Zugriff der Katze sichern muß): in einem Geigerschen Zählrohr befindet sich eine winzige Menge radioaktiver Substanz, so wenig, daß im Lauf einer Stunde vielleicht eines von den Atomen zerfällt, ebenso wahrscheinlich aber auch keines; geschieht es, so spricht das Zählrohr an und betätigt über ein Relais ein Hämmerchen, das ein Kölbchen mit Blausäure zertrümmert. Hat man dieses ganze System eine Stunde lang sich selbst überlassen, so wird man sich sagen, daß die Katze noch lebt, wenn inzwischen kein Atom zerfallen ist. Der erste Atomzerfall würde sie vergiftet haben. Die Ψ-Funktion des ganzen Systems würde das so zum Ausdruck bringen, daß in ihr die lebende und die tote Katze zu gleichen Teilen gemischt oder verschmiert sind." Zurück 3 von 3 05.02.00 15:36 teil3 file:///I|/fernlehre skriptum/Studienbrief4/teil3.htm Komplementarität und Unschärferelation Der Begriff der Komplementarität wurde von Niels Bohr eingeführt und dient zur Bezeichnung einer Charakteristik der Quantenmechanik, auf die wir bereits gestoßen sind. Wir haben gesehen, daß ein freies Teilchen mit definiertem Impuls in der Quantenmechanik durch eine ebene Welle beschrieben wird. Dies bedeutet aber, daß der Ort eines solchen Teilchens völlig unbestimmt ist. Schränken wir umgekehrt den Ort des Teilchens ein indem wir es etwa durch einen Spalt schicken, werden wir hinter dem Spalt feststellen, daß nunmehr der Impuls nicht mehr genau bestimmt ist. Veranschaulichung der komplementären Größen Ort und Impuls Diese wechselseitige Ausschließung einer genauen Bestimmtheit von Eigenschaften wird mit dem Ausdruck Komplementarität bezeichnet. Ort und Impuls sind komplementäre Eigenschaften. Formal drückt sich die Komplementarität in der Unschärferelation aus, die 1927 von Werner Heisenberg aufgestellt wurde. Sie besagt, daß die Bestimmtheit zweier komplementärer Eigenschaften folgender Ungleichung genügen muß: wobei die beiden Ausdrücke links die Unbestimmtheit von Ort und Impuls bezeichnen. (Jede Wellenfunktion, die eine Lösung der Schrödingergleichung ist, genügt auch automatisch der Unschärfebeziehung.) Wie wir schon öfters festgestellt haben, ist die Amplitude der Wellenfunktion statistisch zu deuten. Das Teilchen befindet sich mit größter Wahrscheinlichkeit in den Raumbereiehen, in denen die Amplitude groß ist. Genauer ausgedrückt ist der Absolutbetrag des Amplitudenquadrats in einem Punkt ein Maß für die Wahrscheinlichkeit, daß das Teilchen mit 1 von 3 05.02.00 15:37 teil3 file:///I|/fernlehre skriptum/Studienbrief4/teil3.htm einem (kleinen) Detektor in der näheren Umgebung dieses Punktes nachgewiesen werden kann. Geht aus der Anfangswellenfunktion hervor, daß die Amplitude außer in einem sehr kleinen Bereich gleich Null ist (wie etwa nach einem schmalen Spalt), dann können wir sagen, daß sich das Teilchen in diesem Bereich befindet (zum Zeitpunkt t = 0). Seine Lage ist genau bekannt. Ist hingegen die Wellenfunktion so verteilt, daß die Amplitude über einen sehr großen Bereich annähernd konstant bleibt (freies Teilchen mit definiertem Impuls), dann können wir für das Teilchen keine genaue Lage angeben: Die Unschärfe seiner Lage zur Zeit t = 0 ist sehr groß. Aus dem Wellenmodell ergibt sich also zwangsläufig, daß einem Teilchen nicht in jedem Fall eine genaue Lage zugeordnet werden kann. Die Genauigkeit, mit der seine Lage angebbar ist, hängt vorn Bewegungszustand (der Wellenfunktion) des Teilchens ab. Nun sind sowohl Wellenfunktionen möglich, für die die Lage sehr genau angegeben werden kann, wie auch solche, für die die Lage nicht genauer als auf ein Lichtjahr bestimmbar ist. Für den Impuls gelten analoge Überlegungen. Da Impuls und Wellenlänge durch die de Broglie Gleichung in Beziehung stehen, kann der Impuls nicht genau definiert werden, wenn die Wellenlänge nicht genau definiert ist (und umgekehrt). Soll die Wellenlänge genauer definiert werden, dann muß die Wellenfunktion in irgendeiner Weise periodisch sein. Für eine lange Sinuswelle ist die Wellenlänge gut definiert, bei irgendeiner unregelmäßigen, unperiodischen Kurve können wir überhaupt nicht von einer Wellenlänge sprechen. Verschiedene Wellenzüge: Über die Beziehung zwischen Wellenlänge und Impuls (de Broglie) ist unmittelbar einsichtig, wieso Ort und Impuls nicht zugleich genau bestimmt sein können. Wir sehen also, daß die Genauigkeit, mit der der Impuls bestimmt ist, vom Zustand des Teilchens abhängt; der Impuls kann sehr genau oder auch sehr ungenau definiert sein. 2 von 3 05.02.00 15:37 teil3 file:///I|/fernlehre skriptum/Studienbrief4/teil3.htm Heisenberg erkannte, daß zwar die Genauigkeit mit der entweder der Impuls oder die Lage bestimmt werden kann, keinerlei Beschränkungen unterliegt, jedoch eine grundlegende Grenze für die Genauigkeit besteht, mit der Lage und Impuls gleichzeitig (also für ein und dieselbe Wellenfunktion) ermittelt werden können. Diese Erkenntnis führte zur Formulierung der berühmten Unschärferelation. Zurück 3 von 3 05.02.00 15:37 teil4 file:///I|/fernlehre skriptum/Studienbrief4/teil4.htm Zur Nichtlokalität der Quantenmechanik Die Diskussion zur Nichtlokalität (Kontextualität) in der Quantenmechanik wurde 1935 von Einstein, Podolsky und Rosen (EPR) entfacht, die sich die Frage stellten, ob man sich mit den rein statistischen Aussagen der Quantenmechanik begnügen müsse (über die genauen Eigenschaften einzelner Teilchen und deren Verhalten macht die Quantenmechanik ja keine Aussagen), oder ob es nicht vielmehr möglich wäre "hinter" der Quantenmechanik noch eine genauere oder bessere Theorie zu finden. Die Auswirkungen dieser Diskussion reichen bis ans Ende des 20. Jahrhunderts und werden wohl noch weiter reichen. Erst kürzlich wurden von der Gruppe von Prof. Zeilinger in Wien wieder erfolgreich Experimente im Zusammenhang mit diesen Fragen durchgeführt (Dik Bouwmeester et al., Physical Review Letters 82, 1345-1349 (1999)). Dies ist für uns Grund genug auch diesen fundamentalen Aspekt der Quantenmechanik kurz zu diskutieren. Lassen wir zunächst wieder E.Schrödinger zu Wort kommen, der in seinem schon weiter oben zitierten Artikel die Argumente von EPR zusammenfaßt. Gegenstand der Überlegungen ist ein System, das aus zwei Teilchen besteht von denen das eine durch die möglichen Meßwerte q und p (q für den Ort und p für den Impuls, beides eindimensional) und das andere in ebensolcher Weise durch Q und P charakterisiert ist. Wie wir wissen sind Ort und Impuls komplementäre Größen, können also für jeweils ein Teilchen nicht zugleich bestimmt sein. Die beiden Teilchen im EPR- Experiment "In der zitierten Arbeit (von EPR, Anm.v.Verf.) ist gezeigt, daß zwischen diesen zwei Systemen eine Verschränkung bestehen kann, die in einem bestimmten Augenblick, auf den sich alles Folgende bezieht, kurz durch die beiden Gleichungen q = Q und p = -P bezeichnet wird. Das heißt: ich weiß, wenn eine Messung von q am ersten System einen gewissen Wert ergibt, wird eine sogleich darauf ausgeführte Q-Messung am zweiten denselben Wert geben und vice versa; und ich weiß, wenn eine p-Messung am ersten System einen gewissen Wert ergibt, so wird eine sogleich darauf ausgeführte P-Messung den entgegengesetzten Wert geben und vice versa. [...] Man kann also nicht beide Gleichheiten (q = Q und p = -P, Anm.v.Verf.) in einern Versuch prüfen (da Ort und Impuls eben komplementär sind, Anm.v.Verf.). Aber man kann den Versuch tausendmal ab ovo wiederholen; immer wieder dieselbe Verschränkung herstellen, je nach Laune die eine oder die andere Gleichheit prüfen (q = Q oder p = -P, Anm.v.Verf.); die man jeweils zu prüfen geruht, bestätigt finden. Wir setzen voraus, daß das geschehen ist. Wenn man dann beim tausendundersten Versuch Lust bekommt, auf weitere 1 von 3 05.02.00 15:37 teil4 file:///I|/fernlehre skriptum/Studienbrief4/teil4.htm Prüfungen zu verzichten und statt dessen am ersten System q und am zweiten P zu messen, und man findet q = 4; P = 7; kann man dann zweifeln, daß q = 4; p = -7 eine richtige Voraussage für das erste System gewesen sein würde, oder Q = 4; P = 7 eine richtige Voraussage für das zweite? Nicht vollinhaltlich im Einzelversuch prüfbar, das sind Quantenvoraussagen ja nie, aber richtig, weil, wer sie besessen hätte, keiner Enttäuschung ausgesetzt war, welche Hälfte er auch zu prüfen beschloß. Mann kann daran nicht zweifeln. Jede Messung ist an ihrem System die erste. Direkt beeinflussen können einander Messungen an getrennten Systemen (den beiden Teilchen, Anm.v.Verf.) nicht, das wäre Magie. Zufallszahlen können es auch nicht sein, wenn aus tausend Versuchen feststeht, daß Jungfernmessungen (q u. Q oder p u. P, Anm.v.Verf.) koinzidieren. Der Voraussagenkatalog q = 4, p = - 7 wäre natürlich hypermaximal (da dann zwei komplementäre Größen zugleich genau bekannt wären, Anm.v.Verf.)." Über die Korrelation (q = Q und p = -P), die zwischen den Resultaten besteht, können wir also auf indirektem Wege Kenntnis über komplementäre Größen erhalten, wie wir sie durch direkte Messung nicht bekommen können. Die Kenntnis, die wir erhalten ist aber von eigentümlicher Art. Sie drückt sich nämlich nur in einer Möglichkeit aus. Habe ich etwa q=4; P=7 gemessen, so kann ich lediglich sagen: Hätte ich statt P die Größe Q bestimmt, so hätte ich für Q den Wert 4 erhalten (das weiß ich aus der q-Messung). Ich kann das zwar jetzt nicht mehr prüfen, da ich ja tatsächlich schon P gemessen habe und eine zusätzliche Messung von Q aufgrund der Komplementarität keinen Sinn mehr macht (durch die genaue Bestimmung von P wird Q unbestimmt und eine Messung von Q würde die Beziehung q=Q nicht mehr erfüllen), aber aufgrund der Korrelation (die ich tausendfach geprüft habe) nehme ich dennoch an, daß meine Aussage (Hätte ich statt P die Größe Q bestimmt, so hätte ich für Q den Wert 4 erhalten.) einen Sinn hat, d.h. den Schluß auf eine Realität des Wertes Q zuläßt. Da die Quantenmechanik jedoch die Möglichkeit einer gleichzeitigen genauen Kenntnis von komplementären Größen ausschließt, wurde von EPR der Verdacht geäußert, daß sie unvollständig sein könnte und es möglicherweise eine genauere Theorie gibt. 1966 konnte jedoch J.S.Bell beweisen, daß es "hinter" der Quantenmechanik keine genauere Theorie gibt. Die Komplementarität ist eine Eigenschaft der Quantenmechanik, die sich auf tatsächlich durchgeführte Messungen bezieht. Die indirekte Kenntnis, die wir im EPR-Experiment über die komplementäre Größe des jeweils anderen Teilchens haben, steht daher nicht in unmittelbarem Widerspruch zur Quantenmechanik. Im Gegenteil-, daß wir diese Kenntnis niemals experimentell überprüfen können, ist gerade eine Bestätigung der 2 von 3 05.02.00 15:37 teil4 file:///I|/fernlehre skriptum/Studienbrief4/teil4.htm Quantenmechanik. Was nun Bell zeigen konnte, und dies wird allgemein als eine der größten Entdeckungen der Physik und Philosophie betrachtet, ist, daß der Schluß von der Möglichkeitsaussage: "Hätte ich statt P die Größe Q bestimmt, so hätte ich für Q den Wert 4 erhalten." auf die Realität des Wertes Q unzulässig ist. Geht man nämlich in einer neuen "genaueren" Theorie "hinter" der Quantenmechanik davon aus, daß derartige Schlüsse erlaubt sind, und führt dementsprechend genau bestimmte Werte für komplementäre Größen ein, kann man in kritischen Experimenten (ähnlich dem von EPR) unmöglich die erhaltenen Meßwerte beschreiben. Dies vermag einzig und allein die Quantenmechanik. (Übrigens wurden derartige Experimente bereits vielfach durchgeführt. Das erste von Freedman und Clauser 1972.) Versucht man nun trotzdem in einer Theorie "hinter" der Quantenmechanik alle Meßwerte genau zu bestimmen, so müßte eine derartige Theorie eine merkwürdige Eigenschaft haben um dennoch konsistent mit der Quantenmechanik zu sein und damit der von Bell bewiesenen Einschränkung zu entgehen. In den schon angesprochenen kritischen Experimenten können die beteiligten Teilchen beliebig weit voneinader entfernt sein. Dennoch müßten die Meßwerte für das eine Teilchen von der Art der Messung (im obigen Beispiel q oder p), die am anderen Teilchen durchgeführt wird, abhängen. Diese Abhängigkeit wird als Nichtlokalität oder Kontextualität bezeichnet. Der interessiert Leser sei an dieser Stelle an des letzte Kapitel des nächsten Abschnittes verwiesen. Dort wird ein Experiment vorgestellt, in dem die Nichtlokalität deutlich zutage tritt. Dieser Abschnitt ist aufgrund der doch beträchtlichen Komplexität des Gedankenganges nicht mehr Teil des Stoffumfanges und somit nur wirklich interessierten Studenten zur freiwilligen Beschäftigung zu empfehlen. Zurück 3 von 3 05.02.00 15:37