cappella gabetta andrés gabetta violine und leitung simone kermes

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26.11.2014
SIMONE KERMES
VIVICA GENAUX
CAPPELLA GABETTA ANDRÉS GABETTA VIOLINE UND LEITUNG
SIMONE KERMES SOPRAN VIVICA GENAUX MEZZOSOPRAN
SAISON 2014/2015 ABONNEMENTKONZERT 3
Mittwoch, 26. November 2014, 20 Uhr
Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal
BAROCKE RIVALITÄTEN –
NICOLA PORPORA
(1686 – 1768)
JOHANN ADOLF HASSE
FAUSTINA BORDONI
VS. FRANCESCA CUZZONI
CAPPELLA GABETTA
ANDRÉS GABETTA VIOLINE UND LEITUNG
SIMONE KERMES SOPRAN
VIVICA GENAUX MEZZOSOPRAN
NICOLA PORPORA
Sinfonia aus „Orfeo“ (1736)
GIUSEPPE ARENA
„Come potesti, oh dio“ aus „La clemenza di Tito“
(1739)
Sinfonia aus „Ariodante“ (1716)
LEONARDO VINCI
(1653 – 1723)
(1690 – 1730)
GIOVANNI BONONCINI
GEMINIANO GIACOMELLI
(1692 – 1740)
„Villanella nube estiva“ aus „Scipione in Cartagine nuova“
(1730)
„Scoglio d’immota fronte“ aus „Scipione“ (1726)
(1685 – 1759)
ATTILIO ARIOSTI
„L’onda Chiara che dal fonte“ aus „Ifigenia in Tauride“
(1725)
„Spera che questo cor“ aus „Astianatte“ (1727)
(1670 – 1747)
GEORG FRIEDRICH HÄNDEL
Duett „Se mai più sarò geloso“ aus „Cleofide“ (1731)
Pause
(1713 – 1784)
CARLO FRANCESCO POLLAROLO
„Nobil onda“ aus „Adelaide“ (1726)
JOHANN ADOLF HASSE
„Impallidisce in campo“ aus „Issipile“ (1732)
„Va’ tra le selve ircane“ aus „Artaserse“ (1730)
„Padre ingiusto“ from „Cajo Fabricio“ (1734)
PIETRO TORRI
„Ferma crudel/Son costretta esser crudele“ aus
„Amadis di Grecia“ (1724)
„Vorreste o mie pupille“ aus „Lucio Vero“ (1727)
(1666 – 1729)
GEORG FRIEDRICH HÄNDEL
JOHANN ADOLF HASSE
(1699 – 1783)
02 | PROGRAMMABFOLGE
„Piangero la sorte mia“ aus „Giulio Cesare“ (1724)
„Priva del caro bene“ aus „Dalisa“ (1730)
(1650 – 1737)
Das Konzert wird am Freitag, den 19. Dezember 2014, um 20.05 Uhr
auf NDR Kultur gesendet.
PROGRAMMABFOLGE | 03
CAPPELLA GABETTA
BESETZUNG
VIOLINE UND LEITUNG
OBOE
Andrés Gabetta
Diego Nadra
Thomas Meraner
ERSTE VIOLINE
Andrés Gabetta
Valentina Giusti
Francesco Colletti
HORN
ZWEITE VIOLINE
GITARRE
Boris Begelman
Juliana Georgieva
Betina Pasteknik
Eduardo Egüez
Konstantin Timokhine
Silvia Centomo
CEMBALO
Giorgio Paronuzzi
VIOLA
Ernesto Braucher
Ignacio Aranzasti Pardo
CAPPELLA GABETTA
Die Cappella Gabetta wurde im Dezember 2010
gegründet und gastierte bereits mit großem Erfolg
u. a. in der Pariser Salle Gaveau, der Hamburger
Laeiszhalle, dem Münchener Prinzregententheater,
der Züricher Tonhalle, der Berliner Philharmonie
sowie bei bedeutenden Festivals wie dem Musikfest Bremen, dem Festival Baroque de Lyon und
dem Rheingau Musik Festival. Die Cappella Gabetta
produzierte seit dem Jahr 2011 zwei Aufnahmen
bei Sony Music mit Sol Gabetta und italienischem
Barockrepertoire sowie mit der Mezzosopranistin
Vivica Genaux und Musik von Händel und Hasse.
Für diese Aufnahmen erhielt das Orchester u. a. die
Monatsempfehlung beim Gramophone Magazine
sowie die Auszeichnung „CD der Woche“ bei
NDR Kultur, BR Klassik und RBB.
Projekte mit barocker oder frühklassischer Musik
ein, darunter die Sopranistin Simone Kermes, die
Mezzosopranistin Vivica Genaux, die Sopranistin
Nuria Rial, der Trompeter Gábor Boldoczki und
der Geiger Giuliano Carmignola. Neben dem Spiel
von Meisterwerken bekannter Komponisten des
Barocks und der Frühklassik möchte die Cappella
Gabetta auf Raritäten unbekannter Komponisten
wie Giovanni Platti, Fortunato Chelleri oder Andrea
Zani aufmerksam machen. Eine besonders enge
Zusammenarbeit pflegt die Cappella Gabetta mit
dem Musikarchiv von Schloss Wiesentheid.
Die Cappella Gabetta lädt zunehmend auch andere
renommierte Instrumentalisten, Sängerinnen und
Sänger für gemeinsame Konzert- oder Aufnahme-
VIOLONCELLO
Petr Skalka
Maria Saturno
KONTRABASS
Daniel Szomor
04 | BESETZUNG
CAPPELLA GABETTA | 05
SIMONE KERMES
VIVICA GENAUX
Simone Kermes studierte bei Helga Forner an
Die in Alaska geborene Mezzosopranistin Vivica
der Hochschule für Musik und Theater „Felix
Mendelssohn Bartholdy“ ihrer Heimatstadt Leipzig.
Ihr Studium sowie zwei Aufbaustudien absolvier te
sie mit Auszeichnung. Sie ist Preisträgerin zahlreicher internationaler Gesangswettbewerbe.
1993 gewann sie den ersten Preis beim FelixMendelssohn-Bartholdy-Hochschulwettbewerb
Berlin, 1996 den dritten Preis beim Internationalen Johann-Sebastian-Bach-Wettbewerb Leipzig.
Operngastspiele führten sie als Konstanze, Königin
der Nacht, Fiordiligi, Donna Anna, Giunia, Rosalinde,
Lucia, Gilda, Ann Truelove, Alcina und Laodice
u. a. nach New York, Paris, Lissabon, Kopenhagen,
Moskau, Peking und an die deutschen Staatsopern.
Genaux überzeugt nicht nur stimmlich, sondern
auch durch ihre außergewöhnliche Bühnenpräsenz. Sie beherrscht mehr als 56 Rollen, 36 davon
sind Hosenrollen. In der Spielzeit 2012/13 debütierte Vivica Genaux an der Hamburgischen
Staatsoper als Angelina in Rossinis „La Cenerentola“, diese Rolle sang sie auch an der Pittsburgh
Opera. Es folgten Konzerttouren als Gilade in
Vivaldis „Il Farnace“ sowie ein Konzert mit Hasses
„Marc’Antonio e Cleopatra“ im Wiener Musikverein. Auf dem Programm standen auch eine
Konzerttour mit der Cappella Gabetta sowie
Aufführungen von Händels „Agrippina“ mit dem
Ensemble Al Ayre Español in Brüssel und Paris.
Sie gab Liederabende mit einem Berio-BrittenProgramm unter anderem in New York.
MEZZOSOPRAN
SOPRAN
Kermes gab Solokonzerte und Liederabende in
ganz Europa, den USA und in Japan, so u. a. in der
New Yorker Carnegie Hall, im Großen Saal des
Moskauer Konservatoriums, im Palau de la Música
Barcelona und in der Dresdner Frauenkirche. Bei
zahlreichen internationalen Festivals und Orchestern ist sie ein gern gesehener Gast. Sie arbeitet
mit Dirigenten wie Teodor Currentzis, Riccardo
Chailly, Mikhail Pletnev, Leopold Hager, Raphael
Frühbeck de Burgos, Lothar Zagrosek, Thierry
Fischer, Steven Sloane, Christopher Hogwood,
Andrea Marcon, Thomas Hengelbrock, Paul
Goodwin, Reinhard Goebel und Jean-Christophe
Spinosi. Neben vielen Rundfunk- und Fernsehproduktionen hat sie zahlreiche CDs aufgenommen.
Für ihre Soloalben erhielt sie mehrfach internationale Auszeichnungen wie den Jahrespreis der
deutschen Schallplattenkritik, den „Diapason d’Or“,
den „Midem Award“, den „Choc du Monde de la
Musique“ und die Auszeichnung „Einspielung
06 | SOLISTIN
des Monats“ des Gramophone Magazine. Für ihre
CD „Colori d’Amore“, 2010 erschienen bei SONY,
erhielt sie 2011 den ECHO Klassik in der Kategorie
„Sängerin des Jahres“. Im Oktober 2013 kam,
ebenfalls bei SONY, die CD „Bel Canto – From
Monteverdi to Verdi“ auf den Markt.
In der Saison 2013/14 war Simone Kermes unter
anderem zu Konzerten in Frankreich, Polen,
Österreich und Australien sowie in zahlreichen
deutschen Städten wie Berlin, München, Köln
und Leipzig zu Gast.
In der Saison 2013/14 war Vivica Genaux mit
Vivaldis „Tito Manlio“ beim Festival d’Ambronay
zu hören. Sie debütierte mit Lars Ulrik Mortensen
und dem Concerto Copenhagen beim Festival
Cervantino in Mexiko und beschloss das Jahr 2013
mit „La Cenerentola“ an der Wiener Staatsoper.
Als Sesto war sie dann in Mozarts „La clemenza
di Tito“ am Teatro Calderón Valladolid zu sehen.
Im Februar 2014 gab sie sie unter Nicholas
McGegan ihr Debüt beim Chicago Symphony und
war an der Palm Beach Opera in der Titelrolle von
Rossinis „La Cenerentola“ zu hören. Im April führte
sie mit dem Philharmonia Baroque Orchestra unter
Nicholas McGegan Vivaldis „Juditha triumphans“
in Kalifornien auf. Im Juni war sie als Romeo in
Bellinis „I Capuleti ed i Montecchi“ am Dortmunder
Konzerthaus engagiert.
Zwei ihrer zahlreichen Einspielungen waren für
einen Grammy nominiert: die 2003 bei harmonia
mundi erschienene CD „Arias for Farinelli“ mit der
Akademie für Alte Musik Berlin unter René Jacobs
und die 2009 bei Virgin Classics erschienene CD
„Pyrotechnics – Vivaldi Opera Arias“ mit Europa
Galante unter Fabio Biondi. Unter ihren weiteren
Einspielungen seien die CD „A Tribute to Faustina
Bordoni“ mit der Cappella Gabetta, die CD „Vivaldi –
L’Oracolo in Messenia“ mit Europa Galante unter
Fabio Biondi und die CD „Hasse – Marc’Antonio
e Cleopatra“ mit Le Musiche Nove unter Claudio
Osele genannt.
SOLISTIN | 07
ANDRÉS GABETTA
BAROCKER ZICKENKRIEG ODER GENIALER PR-COUP?
Andrés Gabetta ist regelmäßig Gast der größten
Als große Rivalinnen gingen sie in die Geschichte
der Oper ein: die Sängerinnen Faustina Bordoni
und Francesca Cuzzoni. In den Jahren 1726 bis
1728 waren beide an Georg Friedrich Händels
Londoner Royal Academy of Music engagiert – und
die Anhänger der beiden Primadonnen lieferten
sich während der Aufführungen teilweise wahre
Schlachten. Bis heute unvergessener Höhepunkt
des Konkurrenzkampfs der Diven ist die legendäre
Aufführung von Giovanni Bononcinis „Astianatte“
am 6. Juni 1727 im Londoner King’s Theatre
(heute: Her Majesty’s Theatre): „Die Hölle ist los
in St. James’s: Oder ein vollständiger und wahrer
Bericht von einem überaus schrecklichen und
blutigen Kampf zwischen Madame Faustina und
Madame Cuzzoni“, so durften die erstaunten
Londoner am Folgetag lesen. Was war geschehen?
FAUSTINA BORDONI, FRANCESCA CUZZONI UND DER „PRIMADONNENSTREIT“
VIOLINE UND LEITUNG
internationalen Festivals wie dem Menuhin Festival Gstaad, dem Rheingau Musik Festival und
der Bachwoche Ansbach und tritt als Solist und
Kammermusiker auf Bühnen wie dem KKL Luzern,
dem Musikverein Wien, dem Konzerthaus Wien,
der Pariser Salle Gaveau, dem Concertgebouw
Amsterdam, der Berliner Philharmonie und der
Kölner Philharmonie auf.
Nachdem er in Argentinien mit J. Bondar, L. Spiller
und in Spanien mit P. Kotliarewskaia, Jose Luis
García und Pierro Farulli studierte, vollendete
Andrés Gabetta sein Studium an der Musikhochschule Basel bei Raphaël Oleg und Gerard Wyss
sowie an der Schola Cantorum Basiliensis bei
Christophe Coin. Er gewann den ersten Preis
und den „Offenbarung Preis“ beim Piracicaba,
São Paulo, Brasilien, den ersten Preis beim Internationalen Wettbewerb von Córdoba, Argentinien,
und den Mayo-Bank-Wettbewerb in Buenos Aires,
Argentinien.
Gabetta ist Konzertmeister des „Ensemble Baroque
de Limoges“ unter der Leitung von Christophe
Coin, er spielt die erste Geige beim Authentica
Quartett und regelmäßig als Solist mit dem
Orchestre de Chambre de Neuchâtel und dem
Kammerorchester Basel. Im 2004 gründete
Andrés Gabetta die Swiss Baroque Soloists und
ist bis heute deren Konzertmeister und künstlerischer Leiter.
2011 erfüllte er sich seinen langjährigen Traum,
ein eigenes Barockorchester zusammen mit seiner
Schwester, der Cellistin Sol Gabetta, zu führen.
Musikalische Persönlichkeiten wie Giuliano
08 | VIOLINE UND LEITUNG
Carmignola, Vivica Genaux, Simone Kermes,
Gábor Boldoczki, Sergei Nakariakov und Maurice
Steger arbeiteten mit der Cappella Gabetta zusammen. Zu Andrés Gabettas regelmäßigen
Partnern zählt auch der Barockcellist Christophe
Coin, mit dem zusammen er die CD „Le Souvenir –
Félicien David“ eingespielt hat. Mit seinem Ensemble Swiss Baroque Soloists und der CD-Einspielung von Bachs Brandenburgischen Konzer ten,
erschienen bei Naxos, war Andrés Gabetta in 2008
für einen Grammy nominiert.
Wie so oft beginnt die Geschichte bereits viel
früher. Es ist die Geschichte zweier Ausnahmekünstlerinnen von internationalem Format, die
kurzzeitig im gleichen Ensemble sangen – und es
ist wohl auch die Geschichte eines geschickten
Mediencoups in Zeiten schlechter Verkaufszahlen
und steigenden Konkurrenzdrucks.
Francesca Cuzzoni kam 1696 in Parma zur Welt,
Faustina Bordoni ein Jahr später in Venedig. Beide
genossen eine hervorragende Gesangsausbildung
und legten bereits in jungen Jahren die Grundsteine für ihre spätere erfolgreiche Karriere.
Cuzzoni absolvierte ihr Bühnendebüt im Jahr 1714
in Parma, Bordoni im Jahr 1716 in Venedig. Neben
den Engagements in ihrer Heimatstadt, wo sie bis
1725 regelmäßig auftrat, gastierte Bordoni unter
anderem in Parma, Neapel, Mailand, Modena
und Florenz. Zu hören war die Mezzosopranistin
mit der ebenso strahlkräftigen wie hochflexiblen
Stimme und der eindrucksvollen Bühnenpräsenz in
Werken aller bedeutenden italienischen Komponisten ihrer Zeit, darunter Leonardo Vinci, Leonardo
Leo, Giovanni Bonincini (dem sie und Francesca
Cuzzoni in London wieder begegnen sollten) sowie
Antonio und Carlo Francesco Pollarolo. Zu Bordonis
ersten Rollen gehörte die der Sallustia in Antonio
Lottis „Alessandro Severo“, der 1716 zur Uraufführung kam.
Auch Francesca Cuzzoni machte rasch Karriere.
Bereits 1717 war die Sopranistin, die besonders
für ihre gefühlvolle und anrührende Rollengestaltung sowie ihre kraftvolle Stimme gepriesen wurde,
zur „virtuosa da camera“ der musikbegeisterten
toskanischen Großherzogin Violante Beatrix ernannt worden; neben Parma, Bologna und Venedig
war sie in Florenz, Siena, Genua und Mantua zu
hören und sang Hauptrollen in Werken u. a. von
Quirino Gasparini, Giuseppe Maria Orlandini und
Antonio Vivaldi. Ihren ersten gemeinsamen Auftritt mit Faustina Bordoni hatte Cuzzoni 1719 in
Venedig – in Carlo Francesco Pollarolos „Ariodante“;
mindestens ein weiteres Mal standen beide Diven
in der Saison 1721/22 auf der Bühne: als Poppea
und Octavia in Orlandinis Oper „Nerone“.
Danach trennten sich die beruflichen Wege der
Sängerinnen vorerst wieder. Faustina Bordoni
debütierte im Jahr 1723 in München und wurde
nun auch nördlich der Alpen – vor allem in Wien –
als Star und als „nuova sirena“ gefeiert. Zugleich
blieb sie ihrer Heimatstadt Venedig treu: Noch zum
Karneval 1725, ein Jahr bevor sie ihre Karriere in
London fortsetzen sollte, gestaltete sie hier die
Titelrolle in Leonardo Vincis „Ifigenia in Tauride“.
PROGRAMM | 09
Die Sängerin Faustina Bordoni mit Notenblatt“,
Pastell von Rosalba Carriera, um 1730
Francesca Cuzzoni wiederum war auf Einladung
Händels im Winter 1722/23 nach London gereist,
wo sie am 12. Januar 1723 in dessen Oper „Ottone“
debütierte. Unter den neun Rollen, die der WahlEngländer seiner Primadonna auf den Leib schrieb,
sind die der Cleopatra in „Giulio Cesare“ und die
Titelrolle von „Rodelinda“ wohl die bekanntesten –
beides Partien, die ihrer Gabe zur anrührenden
Rollengestaltung ein perfektes Podium boten.
Selbstverständlich komponierte nicht nur Händel
für die – vor dem Eintreffen Bordonis – unumstrittene Diva der Londoner Opernszene. Die italienischen Komponisten Attilio Ariosti und Giovanni
Bononcini arbeiteten ebenfalls für die Royal Academy of Music – und gerade Bononcinis Ruhm
war einige Jahre lang dem Händels zumindest
ebenbürtig. Für Francesca Cuzzoni schrieb er
unter anderem die Titelrolle seiner 1724 uraufgeführten Oper „Calfurnia“, in der sie eine stolze
römische Patrizierin verkörperte. Trotz aller Be geisterung der Londoner Operngänger reichte die
Zugkraft Francesca Cuzzonis und des Kastraten
Einer der wenigen heute noch erhaltenen Teile
dieser verschollenen Oper ist die aufgewühlte Arie
„L’onda chiara, che dal fonte“ aus dem dritten Akt.
Dem damaligen Brauch gemäß, Naturereignisse
gleichnishaft für die menschliche Gemütsverfassung zu setzen, spricht Iphigenie in dieser Arie
vom Bach, der in ruhigen Zeiten zur Freude der
Nymphen und Schäfer lachend über die Wiesen
rauscht, bei Sturm und Unwetter jedoch zum reißenden Strom anschwillt und Mensch und Natur
in Angst und Schrecken versetzt. Die raschen
Begleitfiguren des Orchesters und die reichen
Koloraturen der Gesangsstimme bringen den seelischen Aufruhr der Protagonistin zum Ausdruck;
zugleich hatte Faustina Bordoni hier reichlich
Gelegenheit, ihre stimmliche Beweglichkeit und
Brillanz unter Beweis zu stellen.
Francesca Cuzzoni, Zeichnung von Philippe Mercier,
1740
10 | PROGRAMM
Senesino, der die männlichen Hauptrollen in der
Royal Academy of Music sang, jedoch bald nicht
mehr aus, um das Haus zu füllen – die Begeisterung der Londoner für die italienische Oper begann
nachzulassen. Daher entschloss Händel sich,
Faustina Bordoni nach London einzuladen, in der
Hoffnung, dass der Glanz des europaweit gefeierten
Stars das Publikumsinteresse neu fesseln würde.
Und so stand Bordoni bereits im Mai des Jahres
1726 gemeinsam mit ihrer Kollegin Cuzzoni und
Senesino in Händels „Alessandro“ auf der Bühne.
Von Spannungen zwischen den Sängerinnen war
in dieser Zeit noch nichts zu bemerken; allerdings
spaltete das Publikum sich im Laufe der Zeit immer
stärker in Bordoni- und Cuzzoni-Anhänger, die
eifersüchtig darüber wachten, dass ihre jeweilige
Favoritin auf der Bühne nicht benachteiligt wurde.
Aus diesem Grund sah Händel sich genötigt, die
weiblichen Hauptrollen derjenigen Opern, in denen
Bordoni und Cuzzoni gemeinsam auf der Bühne
standen, – „Admeto“, „Riccardo Primo“, „Siroe“ und
„Tolomeo“ – möglichst exakt auszubalancieren.
Der Publicity-Wert der Divenkonkurrenz war nicht
unbeträchtlich; zugleich jedoch nahmen die Probleme mit den Fans der Diven zu: Schon während
einer Aufführung des „Admeto“ am 4. April 1727
in Anwesenheit von Mitgliedern der königlichen
Familie pfiffen die Bewunderer Faustina Bordonis
Francesca Cuzzoni aus und umgekehrt. Zum eingangs erwähnten Eklat kam es dann wenige Wochen
später, am 6. Juni. „Zwei vom gleichen Fach stimmen selten überein ...“, kommentierte der Satiriker
John Arbuthnot danach, „doch wer hätte gedacht,
dass diese Krankheit auch den Haymarket erreichen
und zwei singende Damen dazu treiben würde,
sich gegenseitig an den Haaren zu reißen [...] Ich
werde nicht entscheiden, wer die Angreiferin war,
sondern mich auf die sichere Seite begeben und
weise erklären, dass beide im Unrecht sind; denn
es ist ganz offensichtlich eine Schande, dass zwei
so wohlerzogene Damen ‚Miststück’ und ‚Hure’
schreien, zanken und sich prügeln wie die Fischweiber.“ Der Skandal war enorm. Nicht nur wurde
die Aufführung des „Astianatte“ abgebrochen – die
ganze Theatersaison endete nach diesem Eklat.
Obwohl die heutige Forschung davon ausgeht, dass
es sich bei Arbuthnots – satirischer! – Beschreibung
um eine Übertreibung handelt und die Sängerinnen
selbst keineswegs handgreiflich geworden sind,
erwiesen die Geschehnisse des 6. Juni sich als
ausgesprochen werbewirksam für die Protagonistinnen des so genannten „Primadonnenstreits“:
Als die Royal Academy of Music ein Jahr später
aufgrund finanzieller Schwierigkeiten ihre Pforten
schließen musste, standen die Türen aller be deutenden europäischen Opernhäuser Francesca
Cuzzoni und Faustina Bordoni offen.
Beide zog es zunächst zurück nach Italien. Cuzzoni
trat unter anderem in Modena, Bologna, Florenz
Der Schauplatz des Primadonnenstreits, die
Londoner Haymarket Opera, Kupferstich
PROGRAMM | 11
und Parma auf, wo sie 1730 bei der Uraufführung
von Geminiano Giacomellis Oper „Scipione in
Cartagine Nuova“ die Rolle der Elvira sang. In der
Titelrolle stand der Kastrat Farinelli mit ihr auf der
Bühne. Die Geschichte beginnt unmittelbar nach
der Eroberung Neu-Karthagos durch den römischen
Feldherrn Scipio. Er lässt die gefangene iberische
Prinzessin Elvira edelmütig frei, verliebt sich
jedoch in die stolze Schönheit. Dies erweckt die
Eifersucht ihres Verlobten Lucejo. In ihrer Arie
„Villanella nube estiva“ am Ende des ersten Aktes
spricht Elvira davon, wie sie Scipio in Dankbarkeit
und Lucejo in Liebe verbunden ist und sorgt sich
um die Folgen von Lucejos Eifersucht. Gleichnishaft
zieht sie dabei das Bild eines Bauernmädchens
heran, das dunkle Wolken am Horizont entdeckt
und um ihre Ernte fürchtet. Erst wenn das drohende
Unwetter sich in erfrischenden Regen aufgelöst
hat, wird ihr das Herz wieder leicht. Ihrem Inhalt
entsprechend ist der erste Teil der Arie in sorgenvollem g-Moll mit fast trauermarschartig schreitendem Tempo und schmerzlich abwärts führender
Melodik gehalten. Einen starken Kontrast dazu
bietet der sehr schnelle Mittelteil: In seiner extremen Kürze und dem fast schon atemlos zu nennenden Tempo lässt er beinahe daran zweifeln, dass
Elvira an einen guten Ausgang ihres eigenen
Dilemmas glaubt.
Ebenfalls im Jahr 1730 sang Francesca Cuzzoni die
weibliche Hauptrolle in der Oper „Artaserse“ des
Bergedorfer Shooting Stars Johann Adolf Hasse.
Der damals 31-jährige Komponist, der bis 1725 bei
Nicola Porpora und Alessandro Scarlatti studiert
hatte, erzielte mit diesem Werk seinen internationalen Durchbruch. Etwa zur gleichen Zeit lernte
der mittlerweile als „il divino sassone“ bekannte
Komponist auch Faustina Bordoni kennen, die er
noch im Juli 1730 heiratete. Künstlerisch wie persönlich wurde die Verbindung höchst erfolgreich:
Zukünftig schrieb Hasse seiner Frau die weiblichen
Hauptrollen seiner Opern auf den Leib; diese wiederum setzte Maßstäbe mit ihrer herausragenden
Interpretation seiner Werke.
Das Dreamteam der barocken Oper, Johann Adolf Hasse und seine Frau Faustina Bordoni, Silhouette, um 1750
12 | PROGRAMM
Im Jahr 1731 wurde Hasse als Hofkomponist und
Kapellmeister an den Hof Augusts des Starken nach
Dresden berufen. Sein Antrittsbesuch wurde mit
der Uraufführung seiner Oper „Cleofide“ begangen –
natürlich mit Faustina Bordoni in der Titelrolle.
Eine der charmantesten Nummern der Oper ist
das Duett „Se mai più sarò geloso“ der Titelheldin
mit ihrem Liebsten Poro. Mit dem Schwanken der
beiden Protagonisten zwischen der treuherzigen
Versicherung, niemals mehr eifersüchtig zu sein,
und ebenso heftigen Ausbrüchen eben jener Eifersucht zeichnete Hasse das liebenswerte und leicht
augenzwinkernde Porträt eines Paares, dessen
heftiges Temperament auch in der Zukunft immer
wieder für Zündstoff in der Beziehung sorgen dürfte.
Trotz der Verpflichtungen Hasses in Dresden war
das Ehepaar Hasse/Bordoni weiterhin auf den europäischen Bühnen präsent. Noch 1731 sang Bordoni
in Venedig die Rolle der Aristea in Giacomellis Oper
„Epaminonda“ nach einem klassischen griechischen
Stoff; ein Jahr später begegnete ihr Mann – und
wohl auch sie selbst – Francesca Cuzzoni wieder,
welche bei der venezianischen Uraufführung
von Hasses „Euristeo“ die weibliche Hauptrolle
Aglatida sang.
In London hatte mittlerweile nicht nur die Royal
Academy of Music erneut ihre Pforten geöffnet –
auch ein konkurrierendes Unternehmen, die Opera
of the nobility, hatte sich in der Saison 1733/34
formiert, mit Nicola Porpora als federführendem
Komponisten. Schon die erste Premiere dieser
neuen Opernkompanie war ein klug kalkulierter
Schlag gegen Händels Akademie: Nachdem er erfahren hatte, dass Händel eine „Arianna in Creta“
plante, vertonte Porpora kurz entschlossen die
Fortsetzung des Stoffs: „Arianna in Nasso“. Die Oper
kam Ende 1733 zur Uraufführung, noch einige
Wochen vor Händels „Arianna“. Neben Händels
früherem Starkastraten Senesino sang der mindestens ebenso berühmte Farinelli für die Opera of
the nobility – und seit April 1734 auch Francesca
Cuzzoni. Als Arianna in Porporas Oper beeindruckte
sie noch immer, konnte jedoch nicht mehr an
ihre früheren Erfolge anknüpfen. Als die Opera of
the nobility (ebenso wie Händels zweite Opernakademie) 1737 bankrott anmelden musste, kehrte
sie nach Italien zurück, wo sie noch einige Jahre
lang unter anderem in Wien, Florenz und Turin
auftrat – hier sang sie 1738 in Giuseppe Arenas
„La clemenza di Tito“. Vermutlich 1740 hatte sie
ihren letzten Auftritt auf der Opernbühne. Verarmt
und verschuldet starb Francesca Cuzzoni 1778
in Bologna – angeblich hatte sie sich ihren Lebensunterhalt zuletzt als Knopfmacherin verdient.
Faustina Bordoni hingegen konnte ihren Ruhm
bis zu ihrem Bühnenabschied im Jahr 1751 be wahren. 1763 ging sie mit ihrem Mann zunächst
nach Wien, 1773 schließlich kehrten beide in
Bordonis Heimatstadt Venedig zurück. Immer
noch hoch geehrt verstarb sie dort im Jahr 1781.
Dass beide Sängerinnen – und mit ihnen die
Werke einiger ansonsten vielleicht vergessener
Komponisten – jedoch bis heute bekannt sind,
das verdanken sie (und wir) wohl nicht zuletzt
dem berüchtigten „Primadonnenstreit“.
Juliane Weigel-Krämer
PROGRAMM | 13
TEXTE
GIOVANNI BONONCINI
SPERA CHE QUESTO COR
MAN KANN HOFFEN, DASS DIESES HERZ
ERMIONE
Spera che questo cor
Se cade il traditor
Non più drudel sarà.
Ma vivo se il vedrò
Pietà quest’alma, no,
di te mai non avrà.
HERMIONE
Man kann hoffen, dass dieses Herz,
sollte der Verräter fallen,
nicht länger grausam sei.
Doch sollte ich ihn lebendig sehen,
dann wird mein Herz, nein,
niemals Mitleid mit dir haben.
GEORG FRIEDRICH HÄNDEL
SCOGLIO D’IMMOTA FRONTE
WIE EINE UNBEWEGLICHE FELSWAND
BERENICE
Scoglio d’immota fronte nel torbido elemento
Cima d’eccelso monte
Al tempestar del vento
È negli affetti suoi
Quest’alma amante.
Già data è la mia fé
S’altri la merito
Non lagnisi di me
La sorte gli mancò
In ogni istante.
BERENIKE
Wie eine unbewegliche Felswand
im trüben Wasser,
wie der Gipfel des höchsten Bergs
im Toben des Windes
steht zu seinen Gefühlen
dies liebende Herz.
Längst habe ich meine Treue verpfändet,
auch wenn andere sie verdient hätten.
Er soll sich über mich nicht beklagen,
mein Schicksal habe ich ihm überlassen
zu jeglicher Stunde.
14 | TEXTE
ATTILIO ARIOSTI
VORRESTE O MIE PUPILLE
IHR WÜRDET GERNE, O AUGEN
BERENICE
Vorreste o mie pupille
Sfogar la doglia ria
Ma la sventura mia
Non vuol ch’io pianga.
Così tolto al dolor
L’unico sfogo
Convien ch’ei nel mio cor
Tutto rimanga.
BERENIKE
Ihr würdet gerne, o Augen,
meinem üblen Weh freien Lauf lassen,
doch mein Unglück
erlaubt nicht, dass ich weine.
So bleibt dem Schmerz
das einzige Ventil verwehrt,
und es muss alles
in meinem Herzen bleiben.
GEORG FRIEDRICH HÄNDEL
PIANGERÒ LA SORTE MIA
BEWEINEN WERDE ICH MEIN LOS
CLEOPATRA
Piangerò la sorte mia
sì crudele e tanto ria
finché vita in petto avrò;
CLEOPATRA
Beweinen werde ich mein Los,
so grausam und dermaßen hart,
solange sich ein Hauch von Leben in meiner Brust
findet;
doch bin ich dann tot, zum Geist geworden,
allerorten suche ich den Tyrannen heim,
Tag und Nacht.
Beweinen werde ich usw.
ma poi morta d’ogn’intorno
il tiranno e notte e giorno
fatta spettro agiterò.
Piangerò etc.
TEXTE | 15
JOHANN ADOLF HASSE
PRIVA DEL CARO BENE
MEINES HERZALLERLIEBSTEN BERAUBT
DALISA
Priva del caro bene
Ah, che partit conviene,
e pur (non so che sia)
sento nell’alma mia
qualche speranza ancor.
Tal per campagna errando
Vedova tortorella,
trova la cara e bella
delizia del suo amor.
DALISA
Meines Herzallerliebsten beraubt,
muss ich wohl, ach, von hier scheiden,
und doch (ich weiß nicht wie),
spüre ich in meinem Innern,
dass noch Hoffnung besteht.
So über die Felder irrend
findet die verwitwete Taube
die süße, teure Wonne
ihrer Liebe.
NICOLA PORPORA
NOBIL ONDA
DIE EDLE WELLE
ELISA
Nobil onda
Chiara figlia d’alto monte
Più ch’è e stretta e prigioniera
più gioconda scherza in fonte,
più leggera all’aure va.
Tal quest’alma
Più ch’è oppressa dalla sorte
Spiegherà più in alto il volo
E la palma d’esser forte
Dal suo duolo acquisterà.
ELISA
Die edle Welle,
klare Tochter des hohen Bergs,
je eingeengter und gefangener,
desto fröhlicher scherzt sie an der Quelle,
desto leichter steigt sie zum Himmel.
So auch dies Herz:
Je mehr vom Schicksal unterdrückt,
desto höher wird es fliegen,
und den Siegeskranz für seine Stärke
erwirbt es sich durch den Schmerz.
16 | TEXTE
JOHANN ADOLF HASSE
DUETT
SE MAI PIÙ SARÒ GELOSO
DUETT
SOLLTE ICH JE WIEDER EIFERSÜCHTIG SEIN
PORO
Lode agli dei: son persuaso alfine
della tua fedeltà.
POROS
Gelobt seien die Götter: Endlich bin ich
überzeugt von deiner Treue.
CLEOFIDE
Lode agli dei: Poro di me si fida,
più geloso non è.
KLEOPHIS
Gelobt seien die Götter: Poros vertraut mir,
er ist nicht länger eifersüchtig.
PORO
Dov’è, dov’è chi dice
che un femminil pensiero
dell’aura è più leggero?
POROS
Wo nur, wo gibt es einen, der behauptet,
der Gedanke einer Frau
sei leichter als ein Lufthauch?
CLEOFIDE
Dov’è, dov’è chi dice
che più del mare un sospettoso amante
è torbido e incostante?
Io non lo credo.
KLEOPHIS
Wo nur, wo gibt es einen, der behauptet,
mehr als das Meer sei ein argwöhnischer Liebhaber
finster und unberechenbar?
Ich glaube es nicht.
PORO
Ed io no ‘l posso dir.
POROS
Auch ich kann es nicht sagen.
CLEOFIDE
Mi disinganna assai.
KLEOPHIS
Ich bin von meinem Irrtum ziemlich befreit …
PORO
Mi convince abbastanza
POROS
Ich bin recht überzeugt …
CLEOFIDE
La placidezza tua
KLEOPHIS
dank deiner Friedfertigkeit.
TEXTE | 17
PORO
La tua costanza
POROS
von deiner Standhaftigkeit.
CLEOFIDE
Ricordo il giuramento
KLEOPHIS
Ich denke an deinen Schwur.
PORO
La promessa rammento
POROS
Ich erinnere mich an dein Versprechen.
CLEOFIDE
Si conosce …
KLEOPHIS
Man weiß …
PORO
Si vede …
POROS
Man sieht …
CLEOFIDE
Che placido amator!
KLEOPHIS
Was für ein sanfter Liebhaber!
PORO
Che bella fede!
POROS
Welch schöne Treue!
CLEOFIDE
Se mai più sarò geloso,
mi punisca il sacro nume
che dell’India è domator.
KLEOPHIS
Sollte ich je wieder eifersüchtig sein,
dann bestrafe mich der heilige Gott,
der Indien bezwungen hat.
PORO
Se mai turbo il tuo riposo,
se m’accendo ad altro lume
pace mai non abbia il cor.
Infedel, questo è l’amore?
POROS
Sollte ich je deinen Seelenfrieden stören,
sollte ich je an einem anderen Licht Feuer fangen,
möge mein Herz nie Frieden finden.
Treulose, ist das deine Liebe?
CLEOFIDE
Menzogner, questa è la fede?
KLEOPHIS
Lügner, ist das etwa Treue?
18 | TEXTE
A DUE
Chi non crede al mio dolore
che lo possa un dì provar.
BEIDE
Der meinem Schmerz nicht glaubt,
könnte er/sie ihn eines Tages nur selber erfahren.
PORO
Per chi perdo, giusti dei,
il riposo dei miei giorni?
POROS
Für wen, gerechte Götter,
gebe ich die Ruhe meines Lebens auf?
CLEOFIDE
A chi mai gli affetti miei,
giusti dei, serbai finora?
KLEOPHIS
Für wen habe ich, gerechte Götter,
bis heute meine Liebe aufgespart?
A DUE
Ah, si mora, e non si torni
per l’ingrato a sospirar.
BEIDE
Ach, lieber jetzt sterben und nicht von neuem
dem/r Undankbaren hinterherseufzen.
GIUSEPPE ARENA
COME POTESTI, OH DIO
WIE KONNTEST DU NUR, OH GOTT
VITELLIA
Come potesti, oh dio,
perfido traditor?
Ah, che la rea so io!
Sento gelarmi il cor,
mancar mi sento.
Pria di tradir la fe’,
perché, crudel, perché ...
Ah, che del fallo mio
Tardi mi pento.
VITELLIA
Wie konntest Du nur, oh Gott,
du gemeiner Verräter!
Ach, und die Schuldige bin ich!
Ich spüre, wie mein Herz mir friert,
ich fühle, wie ich vergehe.
Ehe du die Treue brichst,
warum nur, Grausamer, warum …?
Ach, zu spät bereue ich
meine Verfehlung.
TEXTE | 19
LEONARDO VINCI
L’ONDA CHIARA
DAS HELLE BÄCHLEIN
IFIGENIA
L’onda chiara che dal fonte
sussurrando adacqua il prato
va scherzando fra le rose,
alla ninfa, al pastorello
bacia il piede e lo rallenta.
Ma se torbida s’aumenta
di ruscello in rio torrente
già sormonta la campagna,
rompe i paschi e fugge
l’agna, e d’orror freme e spaventa.
IPHIGENIE
Das helle Bächlein, das von der Quelle her
plätschernd die Wiese benetzt,
fließt scherzend zwischen die Rosen
zur Nymphe, zum Hirten,
küsst seinen Fuß und verlangsamt ihn.
Doch wenn es sich trübt und anschwillt,
vom Rinnsal zum bösartigen Strom,
überflutet es schon das Land
und zerstört die Weiden; es flieht das Lamm,
stöhnt vor Angst und erschrickt sich.
GEMINIANO GIACOMELLI
VILLANELLA NUBE ESTIVA
SO SCHAUT DAS BAUERNMÄDCHEN
ELVIRA
Villanella nube estiva
Talor guarda e si scolora
In lei teme ascoso il nembo
Che la messe gli divora
Quando i solchi col suo grembo
Si prepara a ristorar.
Ma se al fine si diffonde
Sciolta in dolci amiche stille
Sulle piagge sitibonde
Torna il riso alle pupille
E ravviva il suo sperar.
ELVIRA
So schaut das Bauernmädchen
das sommerliche Wölkchen an und erbleicht,
fürchtet sie doch darin versteckt ein Gewitter,
welches ihr die Saat verschlingt,
wenn sie sich anschickt, aus ihrer Schürze
die Furchen herzurichten.
Doch wenn sie sich schließlich verzieht,
aufgelöst in süße, freundliche Tröpfchen
über den ausgedörrten Hügeln,
dann kehrt auch das Lächeln in ihre Augen zurück
und entfacht von neuem die Hoffnung.
20 | TEXTE
JOHANN ADOLF HASSE
IMPALLIDISCE IN CAMPO
ES ERBLEICHT IM FELDE
ISSIPILE
Impallidisce in campo
anche il guerrier feroce
a quella prima voce
che all’armi lo destò.
D’ardir non è difetto
quel resto di terrore
che nel fuggir dal
HYPSIPYLE
Es erbleicht im Felde
auch der wildeste Krieger
bei jener ersten Stimme,
die ihn zu den Waffen ruft.
Es ist kein Mangel an Kühnheit,
dieser Rest von Furcht,
der beim Entweichen aus der Brust
auf dem Gesicht innehielt.
JOHANN ADOLF HASSE
VA’ TRA LE SELVE IRCANE
GEH IN DIE TIEFSTEN WÄLDER
MANDANE
Va’ tra le selve ircane,
barbaro genitore,
fiera di te maggiore,
mostro peggior non v’è.
Quanto di reo produce
l’Africa al sol vicina,
l’inospital marina,
tutto s’aduna in te.
MANDANE
Geh in die tiefsten Wälder,
grausamer Vater,
scheußlicher als du
ist keine noch so wilde Bestie.
Wie viel an Schlimmem auch
das der Sonne nahe Afrika hervorbringt
oder die unwirtliche Küste –
alles vereint sich in dir.
TEXTE | 21
JOHANN ADOLF HASSE
PADRE INGIUSTO, SPOSO INGRATO
UNGERECHTER VATER, UNDANKBARER GATTE
SESTIA
Padre ingiusto, sposo ingrato,
che usi forza a’ miei lamenti,
che le lagrime correggi;
Odi, senti:
il mio duol non prende leggi
dalla vostra crudeltà.
Questo cor del pari irritano
fier rigor, pietà indiscreta;
chi di piangere mi vieta
di morir non mi torrà.
Padre ingiusto, etc.
SESTIA
Ungerechter Vater, undankbarer Gatte!
Du, der du meinen Klagen mit Gewalt begegnest,
und du, der mich meiner Tränen wegen tadelt,
hört, vernehmt:
keine Vorschriften macht meinem Schmerz
eure Grausamkeit.
Mein Herz erzürnen gleichermaßen
stolze Unerbittlichkeit wie aufdringliches Mitleid.
Wer mir das Weinen verwehrt,
am Sterben wird er mich nicht hindern können.
Ungerechter Vater usw.
PIETRO TORRI
AMADIS
Ma poiché già ti è noto,
con qual ragion pretendi
che d’ardor cangi il core,
mentre ch’è destinato ad altro oggetto?
S’io mancassi di fede
meritar non potrei da te mercede,
anzi indegno sarei d’ogni tuo affetto.
AMADIS
Da du es so oder so schon weißt,
mit welcher Begründung verlangst du,
dass mein Herz seine Glut anderswohin richtet,
wo es doch diesem Ziel zugeeignet ist?
Hätte es mir an Treue gefehlt,
dürfte von dir ich keine Belohnung erwarten,
wäre vielmehr deiner Zuneigung unwürdig.
MELISSA
Crudel tu m’abbandoni, e mi disprezzi,
ma di vana speranza il cor nutrisci.
Son costretta esser crudele
MELISSA
Grausamer, du verlässt und verachtest mich
und nährest doch mein Herz mit aussichtsloser
Hoffnung.
Viel lieber wäre mir, dich zerfetzten böse Geister,
Riesen, Ungeheuer und Flammen,
der Rivalin zu Füßen.
Und widerstündest dank
deiner Tapferkeit du denen,
dann besiegtest du doch nicht meinen
grausamen Zorn.
Ich bin gezwungen, grausam zu sein …
Più tosto bramerei che i demoni,
giganti, mostri e fiamme ti squarcino
della rivale ai piedi.
E se col tuo valore
resisterli potrai
tu l’ira mia crudel non vincerai.
DUETT FERMA CRUDEL/
SON COSTRETTA ESSER CRUDELE
DUETT WARTE GRAUSAMER/
ICH BIN GEZWUNGEN, GRAUSAM ZU SEIN
MELISSA
Ferma crudel! Ogn’un ritragga il passo.
Perfido, ingrato, deluder ardirai
le mie speranze? E partirai sprezzando
il mio dolore?
MELISSA
Warte, Grausamer! Keinen Schritt weiter!
Hinterhältiger, Undankbarer, du wagtest
meine Hoffnungen zu enttäuschen? Gehst fort,
meinen Schmerz verachtend?
AMADIS
Ho giurato esser fedele
AMADIS
Ich habe Treue geschworen …
MELISSA, AMADIS
e d’amor mai cangerò.
MELISSA, AMADIS
… und meine Liebe wird sich nie ändern.
AMADIS
Quella gloria che sempre ...
AMADIS
Jener Ruhm, der stets …
MELISSA
Coll’affetto, e col furore
il mio ben m’acquisterò.
MELISSA
Mit Hingabe und mit Rage
werde ich mir den Geliebten kaufen.
MELISSA
Nel labbro inghiotti sì odiosi accenti:
di già t’intendo: il volto di Nicea
nel tuo petto ha introdotto quell’amor
ch’è cagion de’ miei tormenti.
MELISSA
Dein Mund schlucke solch verhassten Worte herunter!
Ich habe dich längst verstanden: Es ist Nikes Antlitz,
welches in dein Herz jene Liebe einpflanzte,
die den Grund meiner Pein bildet.
AMADIS
Colla fede, e coll’amore
il mio ben conserverò.
AMADIS
Mit Treue und mit Liebe
werde ich mir meinen Schatz erhalten.
MELISSA
Son costretta etc.
MELISSA
Ich bin gezwungen usw.
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TEXTE | 23
KONZERTVORSCHAU
NDR DAS ALTE WERK
NDR PODIUM DER JUNGEN
NDR DAS NEUE WERK
NDR CHOR
ABONNEMENTKONZERT
Montag, 1. Dezember 2014, 20 Uhr
Hamburg, Rolf-Liebermann-Studio
Freitag, 12. Dezember 2014, 20 Uhr
Hamburg, Rolf-Liebermann-Studio
Mittwoch, 17. Dezember 2014, 20 Uhr
Hamburg, Hauptkirche St. Jacobi
Abo-Konzert 4
Mittwoch, 28. Januar 2015, 20 Uhr
Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal
TRIO & SONGS
TORU TAKEMITSU & CLAUDE DEBUSSY
ES IST EIN ROS ENTSPRUNGEN
Trio Karénine
Paul Schweinester Tenor
Lech Napierala Klavier
ROBERT SCHUMANN
Klaviertrio Nr. 2 F-Dur op. 80
WOLFGANG RIHM
Fremde Szene III
Lieder von:
FRANZ SCHUBERT
HUGO WOLF
BENJAMIN BRITTEN
Brad Lubman Dirigent
Yaara Tal Klavier
Andreas Groethuysen Klavier
NDR Sinfonieorchester
Werke von:
TŌRU TAKEMITSU, CLAUDE DEBUSSY
FLORENT MOTSCH (EA)
Philipp Ahmann Dirigent
Deutsche Weihnachtslieder a cappella
GLI INCOGNITI
Gli Incogniti
Amandine Beyer Violine und Leitung
ARCANGELO CORELLI
Concerti grossi op. 6
Nr. 2 F-Dur, Nr. 3 c-Moll
Nr. 4 D-Dur, Nr. 7 D-Dur
Nr. 8 g-Moll, Nr. 10 C-Dur
Einführungsveranstaltung um 19 Uhr im Kleinen Saal
18.30 Uhr: Vorkonzert
Tal & Groethuysen spielen CLAUDE DEBUSSY
Philipp Ahmann
Tōru Takemitsu
Amandine Beyer
Trio Karénine
Karten im NDR Ticketshop im Levantehaus,
Tel. (040) 44 192 192, online unter ndrticketshop.de
24 | KONZERTVORSCHAU
KONZERTVORSCHAU | 25
IMPRESSUM
In Hamburg auf 99,2
Weitere Frequenzen unter
ndr.de/ndrkultur
Herausgegeben vom
NORDDEUTSCHEN RUNDFUNK
PROGRAMMDIREKTION HÖRFUNK
BEREICH ORCHESTER, CHOR UND KONZERTE
Rothenbaumchaussee 132 | 20149 Hamburg
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NDR Das Alte Werk im Internet:
www.ndr.de/dasaltewerk
Leitung: Andrea Zietzschmann
Redaktion NDR Das Alte Werk: Angela Piront
Redaktionsassistenz: Janina Hannig
Redaktion des Programmheftes:
Dr. Ilja Stephan
Der Text von Dr. Juliane Weigel-Krämer
ist ein Originalbeitrag für den NDR.
NDR | Markendesign
Gestaltung: Klasse 3b; Druck: Nehr & Co. GmbH
Litho: Otterbach Medien KG GmbH & Co.
Foto: Nicolaj Lund | NDR
Fotos:
[M] Ocean/Corbis; Image Source/gettyimages
(Titel); Holger Talinski (S. 5, S. 8);
Gregor Hohenberg (S. 6); Christian Steiner (S. 7);
akg-images (S. 10 links, S. 10 rechts, S. 12);
akg-images / De Agostini Picture Lib. / A. Dagli Orti
(S. 11); Oscar Vazquez (S. 24 links); Beatrice
Cruveiller (S. 24 rechts); Guy Vivien (S. 25 links)
Klaus Westermann | NDR (S. 25 rechts)
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26 | IMPRESSUM
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