Kapitel Kapitel 1 Vorsorgende Verfügungen richtig planen

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Kapitel 1
Vorsorgende Verfügungen
richtig planen
In den Medien wird immer wieder über Ereignisse berichtet,
in denen die Selbstbestimmung am Lebensende und mögliche
Verfügungen dazu Thema sind. Befragt, ob sie selbst für solche
Fälle vorgesorgt haben, antworten viele Menschen »Das brauche ich jetzt ja noch nicht, aber wenn es soweit ist will ich nicht
lange leiden.« Diese Reaktion ist verständlich. Wer befasst sich
schon gerne mit dem eigenen Sterben. Wer jedoch zu lange
wartet, hat eventuell die Gelegenheit verpasst, seine Dinge zu
regeln. Immerhin kann ein plötzlicher Unfall innerhalb kurzer
Zeit das Leben ändern.
Das heißt jedoch nicht, dass unbedingt jeder Mensch eine Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung haben muss. Es sind lediglich Optionen, mit denen Sie
für bestimmte Fälle vorbeugen können. Welche Verfügung für
Sie passend ist, hängt von Ihren Lebensumständen ab. Insofern
sollten Sie sich bei Zeiten mit dem Thema befassen und sich
überlegen, wie Sie persönlich für sich vorsorgen wollen.
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Vorsorgevollmacht, Patienten-
und Betreuungs­verfügung – Was
ist der Unterschied?
Es gibt drei verschiedene Verfügungen, mit denen sich persönliche Angelegenheiten regeln lassen. Da sie grundsätzlich
unterschiedliche Adressaten haben, sind sie für verschiedene
Lebensumstände einsetzbar.
Patientenverfügung
Mit der Patientenverfügung wenden Sie sich direkt an Ihren
behandelnden Arzt. Der Arzt ist verpflichtet, nur solche Behandlungen durchzuführen, für die er das Einverständnis des
Patienten hat. Deshalb ist diese Verfügung notwendig, um Ihrem Arzt Ihren Willen darzulegen, wenn Sie dies in der aktuellen Situation nicht können, etwa weil Sie bewusstlos sind.
Entscheidend ist dies vor allem, wenn es darum geht, Wünsche
zur Fortführung oder zum Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen zu äußern. In den Kapiteln 2 und 3 dieses Ratgebers finden
Sie Informationen darüber, welche Dinge Sie in der Patientenverfügung regeln können, und unter welchen Umständen eine
hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass Ihre Verfügung auch
umgesetzt wird.
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Vorsorgende Verfügungen richtig planen
Vorsorgevollmacht
Die Vorsorgevollmacht ermöglicht Personen Ihres Vertrauens, in Ihrem Sinne tätig zu werden, wenn Sie selbst dies nicht
mehr können. Je nach Umfang der Vollmacht kann der Bevollmächtigte für fast alle Lebensbereiche tätig werden. Experten
empfehlen, dass die Vollmacht nach außen sofort gültig sein
soll. Alle weiteren Regelungen zu Bedingungen zur Nutzung
der Vollmacht und detaillierte Ausführungen, welche Angelegenheiten wie zu regeln sind, sollten Sie im sogenannten Innenverhältnis nur zwischen Ihnen und dem Bevollmächtigten
festlegen (vgl. S. 115 ff.).
Betreuungsverfügung
Die Betreuungsverfügung ist für den Fall gedacht, dass ein gesetzlicher Betreuer bestellt werden muss. Dies ist immer dann
nötig, wenn Entscheidungen getroffen und Geschäfte getätigt
werden müssen, Sie selbst es aber nicht können. Gibt es in
dieser Situation keinen Bevollmächtigten, bestellt das Gericht
einen Betreuer, der Sie vertritt (siehe S. 141 ff.). Mit der Betreuungsverfügung erklären Sie in erster Linie gegenüber dem
Vormundschaftsgericht, welche Person Sie sich als Betreuer
wünschen. Darüber hinaus können Sie regeln, wie Ihre Angelegenheiten erledigt werden sollen.
Verfügungen miteinander kombinieren
Die weitest reichende Vorsorge können Sie treffen, indem Sie alle drei Verfügungen miteinander kombinieren. Die
Betreuungsverfügung können Sie leicht in die Vorsorgevollmacht integrieren. Die Patientenverfügung sollten Sie jedoch
in einem gesonderten Dokument erstellen.
Tipp
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Wer muss welche Verfügung
haben?
Eines zur Klärung vorweg: Niemand ist verpflichtet, eine Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung
zu erstellen. Solche Verfügungen können es jedoch erleichtern,
dass die Angelegenheiten im Sinne des Verfügenden weitergeführt werden, wenn er zeitweise oder für immer nicht mehr in
der Lage ist, diese selbst zu erledigen.
Vorsorge für jüngere gesunde Menschen
Auch wenn es aktuell keinen Anlass gibt, über Krankheit und
Sterben nachzudenken, macht es Sinn, sich in gesunden Tagen
mit der Vorsorge zu befassen. Schon ein Unfall im Straßenverkehr kann Ihr Leben ganz schnell ändern. Eine Patientenverfügung werden Sie eher allgemein halten müssen. Aussagen,
unter welchen Bedingungen Sie sich den Einsatz oder den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen vorstellen, können Sie jedoch auch jetzt formulieren. Fast noch wichtiger wird es jedoch
sein, Regelungen für das Alltagsleben zu treffen. Gibt es Familienangehörige für die Sie bestimmte Dinge wünschen? Sind
Sie selbstständig und das Geschäft muss weiterlaufen? Dann ist
die Vorsorgevollmacht besonders wichtig – vorausgesetzt, Sie
haben eine Person Ihres Vertrauens.
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Vorsorgende Verfügungen richtig planen
Regelungen nach der
Diagnose einer schwerwiegenden Krankheit
Frau N. hatte schon vor
knapp zehn Jahren das
erste Mal die Diagnose Brustkrebs erhalten. Nachdem lange
Zeit alles gut verlief, zeigten
sich plötzlich Metastasen in
der Leber und in den Knochen,
die sich schnell vermehrten.
In Ihrer Patientenverfügung
legte sie fest, dass sie eine
umfangreiche Schmerztherapie wünsche und sie keine
Chemotherapie mehr haben
wolle. Sobald eine Behandlung
im Krankenhaus nicht mehr
Erfolg versprechend war, zog
sie auf Ihren Wunsch in ein
Hospiz um.
Beispiel
Die Diagnose einer schweren,
möglicherweise tödlich verlaufenden Krankheit zu erhalten, ist sicherlich ein Schock.
Zur Auseinandersetzung mit
der Krankheit gehört aber
auch, sich Gedanken dazu zu
machen, wie Sie sich im weitern Verlauf der Krankheit
eine Behandlung und eventuell einen Behandlungsabbruch
vorstellen. Eine Patientenverfügung kann hier nicht nur
nachvollziehbar Ihren Willen
dokumentieren. Sie kann auch
den Anstoß geben, sich mit Ihren Vorstellungen zum Leben und Sterben zu befassen.
Vorsorge im Alter
Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko, pflegebedürftig zu
werden und eventuell an einer Demenz, z.B. der Alzheimer
Krankheit zu erkranken. Abgesehen vom Wunsch des »Sterben
Lassens«, der sich in der Patientenverfügung festhalten lässt, können Sie durch die Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung
auch Regelungen treffen, wie und wo Sie sich eine längerfristige Pflege vorstellen können und Aussagen treffen, wer für Sie
entscheiden soll, wenn es um Fragen der Freiheitsbeschränkung
durch Medikamente oder mechanische Vorrichtungen geht.
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S ind die Verfügungen auch
gültig, wenn jemand geistig
behindert oder dement ist?
Eine Vollmacht kann nur erstellen, wer geschäftsfähig ist. Bei
Erwachsenen, die an einer geistigen Behinderung oder an einer fortschreitenden geistigen Erkrankung wie der Alzheimer
Krankheit leiden ist es jedoch nicht immer einfach, zu erkennen, ob die betreffende Person in der Lage ist, ihren Willen
selbstständig zu bilden.
Patientenverfügung und Betreuungsverfügung unabhängig von der Geschäftsfähigkeit
Um eine gültige Patientenverfügung zu verfassen, müssen Sie
nicht unbedingt geschäftsfähig sein. Es kommt darauf an, dass
Sie in der Lage sind, den Inhalt und die Konsequenzen Ihrer
Verfügung zu erfassen. Dies ist je nach Krankheitsbild durchaus möglich.
Ähnliches gilt für die Betreuungsverfügung. Mit diesem Schriftstück geben Sie dem Amtsgericht Hinweise darauf, welche Person Sie sich als Betreuer wünschen. Sofern nicht gewichtige
Gründe dagegen sprechen, wird das Vormundschaftsgericht
diesen Wünschen entsprechen. Da der Betreuer gehalten ist,
Ihre Angelegenheiten in Ihrem Sinne zu regeln, können Sie
dem Betreuer auch Ihren Willen mitteilen, wenn sie nicht geschäftsfähig sind.
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Vorsorgende Verfügungen richtig planen
Problemfall Demenz
Herr W. ist 86 Jahre alt
Beispiel
Mit dem Alter steigt die Gefahr,
und leidet seit etwa fünf
an einer Demenz aufgrund der
Jahren an der Alzheimer KrankAlzheimer Krankheit oder von
heit. Wenn er in der Nacht gut
Durchblutungsstörungen zu
geschlafen hat und der Morgen
erkranken. Für den Krankheitsentspannt begann, ist er am
verlauf ist es typisch, dass sich
späten Vormittag geistig rege,
in einem mittleren Stadium
kann sich normal unterhalten
schlechte Phasen abwechseln
und dann auch seine Wünsche
mit Zeiten, in denen die Kranklar zum Ausdruck bringen.
ken anscheinend völlig klar
Später am Nachmittag, ist er
denken können. In solchem
jedoch oft kaum ansprechbar.
lichten Moment können die
In dieser Verfassung ist er nicht
Kranken durchaus geschäftsin der Lage, eine wirksame
fähig und einwilligungsfähig
Vollmacht zu erstellen oder die
sein. Es ist jedoch im NachhiKonsequenzen seines Handelns
nein oft schwer zu beweisen,
zu begreifen.
dass eine Vollmacht oder Verfügung gerade in diesem Moment unterzeichnet wurde. Daher
sollten insbesondere Vollmachten mög­lichst in einem frühen
Krank­heitsstadium erteilt werden, wenn Ärzte oder Notare noch
zweifelsfrei die Geschäftsfähigkeit bestätigen können.
Im Zweifelsfall Geschäftsfähigkeit bestätigen
Besteht die Gefahr, dass eine Vollmacht oder Verfügung
später mit dem Hinweis auf mangelnde Geschäftsfähigkeit für
ungültig erklärt wird, lassen Sie auf den Dokumenten die Geschäftsfähigkeit oder die Einwilligungsfähigkeit bestätigen. Dies
geschieht sicher durch die notarielle Beurkundung. Auch eine
entsprechende Erklärung eines Arztes wird in vielen Fällen anerkannt.
Tipp
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