Kapitel 1 Vorsorgende Verfügungen richtig planen In den Medien wird immer wieder über Ereignisse berichtet, in denen die Selbstbestimmung am Lebensende und mögliche Verfügungen dazu Thema sind. Befragt, ob sie selbst für solche Fälle vorgesorgt haben, antworten viele Menschen »Das brauche ich jetzt ja noch nicht, aber wenn es soweit ist will ich nicht lange leiden.« Diese Reaktion ist verständlich. Wer befasst sich schon gerne mit dem eigenen Sterben. Wer jedoch zu lange wartet, hat eventuell die Gelegenheit verpasst, seine Dinge zu regeln. Immerhin kann ein plötzlicher Unfall innerhalb kurzer Zeit das Leben ändern. Das heißt jedoch nicht, dass unbedingt jeder Mensch eine Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung haben muss. Es sind lediglich Optionen, mit denen Sie für bestimmte Fälle vorbeugen können. Welche Verfügung für Sie passend ist, hängt von Ihren Lebensumständen ab. Insofern sollten Sie sich bei Zeiten mit dem Thema befassen und sich überlegen, wie Sie persönlich für sich vorsorgen wollen. 13 Vorsorgevollmacht, Patienten- und Betreuungs­verfügung – Was ist der Unterschied? Es gibt drei verschiedene Verfügungen, mit denen sich persönliche Angelegenheiten regeln lassen. Da sie grundsätzlich unterschiedliche Adressaten haben, sind sie für verschiedene Lebensumstände einsetzbar. Patientenverfügung Mit der Patientenverfügung wenden Sie sich direkt an Ihren behandelnden Arzt. Der Arzt ist verpflichtet, nur solche Behandlungen durchzuführen, für die er das Einverständnis des Patienten hat. Deshalb ist diese Verfügung notwendig, um Ihrem Arzt Ihren Willen darzulegen, wenn Sie dies in der aktuellen Situation nicht können, etwa weil Sie bewusstlos sind. Entscheidend ist dies vor allem, wenn es darum geht, Wünsche zur Fortführung oder zum Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen zu äußern. In den Kapiteln 2 und 3 dieses Ratgebers finden Sie Informationen darüber, welche Dinge Sie in der Patientenverfügung regeln können, und unter welchen Umständen eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass Ihre Verfügung auch umgesetzt wird. 14 Vorsorgende Verfügungen richtig planen Vorsorgevollmacht Die Vorsorgevollmacht ermöglicht Personen Ihres Vertrauens, in Ihrem Sinne tätig zu werden, wenn Sie selbst dies nicht mehr können. Je nach Umfang der Vollmacht kann der Bevollmächtigte für fast alle Lebensbereiche tätig werden. Experten empfehlen, dass die Vollmacht nach außen sofort gültig sein soll. Alle weiteren Regelungen zu Bedingungen zur Nutzung der Vollmacht und detaillierte Ausführungen, welche Angelegenheiten wie zu regeln sind, sollten Sie im sogenannten Innenverhältnis nur zwischen Ihnen und dem Bevollmächtigten festlegen (vgl. S. 115 ff.). Betreuungsverfügung Die Betreuungsverfügung ist für den Fall gedacht, dass ein gesetzlicher Betreuer bestellt werden muss. Dies ist immer dann nötig, wenn Entscheidungen getroffen und Geschäfte getätigt werden müssen, Sie selbst es aber nicht können. Gibt es in dieser Situation keinen Bevollmächtigten, bestellt das Gericht einen Betreuer, der Sie vertritt (siehe S. 141 ff.). Mit der Betreuungsverfügung erklären Sie in erster Linie gegenüber dem Vormundschaftsgericht, welche Person Sie sich als Betreuer wünschen. Darüber hinaus können Sie regeln, wie Ihre Angelegenheiten erledigt werden sollen. Verfügungen miteinander kombinieren Die weitest reichende Vorsorge können Sie treffen, indem Sie alle drei Verfügungen miteinander kombinieren. Die Betreuungsverfügung können Sie leicht in die Vorsorgevollmacht integrieren. Die Patientenverfügung sollten Sie jedoch in einem gesonderten Dokument erstellen. Tipp 15 Wer muss welche Verfügung haben? Eines zur Klärung vorweg: Niemand ist verpflichtet, eine Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung zu erstellen. Solche Verfügungen können es jedoch erleichtern, dass die Angelegenheiten im Sinne des Verfügenden weitergeführt werden, wenn er zeitweise oder für immer nicht mehr in der Lage ist, diese selbst zu erledigen. Vorsorge für jüngere gesunde Menschen Auch wenn es aktuell keinen Anlass gibt, über Krankheit und Sterben nachzudenken, macht es Sinn, sich in gesunden Tagen mit der Vorsorge zu befassen. Schon ein Unfall im Straßenverkehr kann Ihr Leben ganz schnell ändern. Eine Patientenverfügung werden Sie eher allgemein halten müssen. Aussagen, unter welchen Bedingungen Sie sich den Einsatz oder den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen vorstellen, können Sie jedoch auch jetzt formulieren. Fast noch wichtiger wird es jedoch sein, Regelungen für das Alltagsleben zu treffen. Gibt es Familienangehörige für die Sie bestimmte Dinge wünschen? Sind Sie selbstständig und das Geschäft muss weiterlaufen? Dann ist die Vorsorgevollmacht besonders wichtig – vorausgesetzt, Sie haben eine Person Ihres Vertrauens. 16 Vorsorgende Verfügungen richtig planen Regelungen nach der Diagnose einer schwerwiegenden Krankheit Frau N. hatte schon vor knapp zehn Jahren das erste Mal die Diagnose Brustkrebs erhalten. Nachdem lange Zeit alles gut verlief, zeigten sich plötzlich Metastasen in der Leber und in den Knochen, die sich schnell vermehrten. In Ihrer Patientenverfügung legte sie fest, dass sie eine umfangreiche Schmerztherapie wünsche und sie keine Chemotherapie mehr haben wolle. Sobald eine Behandlung im Krankenhaus nicht mehr Erfolg versprechend war, zog sie auf Ihren Wunsch in ein Hospiz um. Beispiel Die Diagnose einer schweren, möglicherweise tödlich verlaufenden Krankheit zu erhalten, ist sicherlich ein Schock. Zur Auseinandersetzung mit der Krankheit gehört aber auch, sich Gedanken dazu zu machen, wie Sie sich im weitern Verlauf der Krankheit eine Behandlung und eventuell einen Behandlungsabbruch vorstellen. Eine Patientenverfügung kann hier nicht nur nachvollziehbar Ihren Willen dokumentieren. Sie kann auch den Anstoß geben, sich mit Ihren Vorstellungen zum Leben und Sterben zu befassen. Vorsorge im Alter Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko, pflegebedürftig zu werden und eventuell an einer Demenz, z.B. der Alzheimer Krankheit zu erkranken. Abgesehen vom Wunsch des »Sterben Lassens«, der sich in der Patientenverfügung festhalten lässt, können Sie durch die Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung auch Regelungen treffen, wie und wo Sie sich eine längerfristige Pflege vorstellen können und Aussagen treffen, wer für Sie entscheiden soll, wenn es um Fragen der Freiheitsbeschränkung durch Medikamente oder mechanische Vorrichtungen geht. 17 S ind die Verfügungen auch gültig, wenn jemand geistig behindert oder dement ist? Eine Vollmacht kann nur erstellen, wer geschäftsfähig ist. Bei Erwachsenen, die an einer geistigen Behinderung oder an einer fortschreitenden geistigen Erkrankung wie der Alzheimer Krankheit leiden ist es jedoch nicht immer einfach, zu erkennen, ob die betreffende Person in der Lage ist, ihren Willen selbstständig zu bilden. Patientenverfügung und Betreuungsverfügung unabhängig von der Geschäftsfähigkeit Um eine gültige Patientenverfügung zu verfassen, müssen Sie nicht unbedingt geschäftsfähig sein. Es kommt darauf an, dass Sie in der Lage sind, den Inhalt und die Konsequenzen Ihrer Verfügung zu erfassen. Dies ist je nach Krankheitsbild durchaus möglich. Ähnliches gilt für die Betreuungsverfügung. Mit diesem Schriftstück geben Sie dem Amtsgericht Hinweise darauf, welche Person Sie sich als Betreuer wünschen. Sofern nicht gewichtige Gründe dagegen sprechen, wird das Vormundschaftsgericht diesen Wünschen entsprechen. Da der Betreuer gehalten ist, Ihre Angelegenheiten in Ihrem Sinne zu regeln, können Sie dem Betreuer auch Ihren Willen mitteilen, wenn sie nicht geschäftsfähig sind. 18 Vorsorgende Verfügungen richtig planen Problemfall Demenz Herr W. ist 86 Jahre alt Beispiel Mit dem Alter steigt die Gefahr, und leidet seit etwa fünf an einer Demenz aufgrund der Jahren an der Alzheimer KrankAlzheimer Krankheit oder von heit. Wenn er in der Nacht gut Durchblutungsstörungen zu geschlafen hat und der Morgen erkranken. Für den Krankheitsentspannt begann, ist er am verlauf ist es typisch, dass sich späten Vormittag geistig rege, in einem mittleren Stadium kann sich normal unterhalten schlechte Phasen abwechseln und dann auch seine Wünsche mit Zeiten, in denen die Kranklar zum Ausdruck bringen. ken anscheinend völlig klar Später am Nachmittag, ist er denken können. In solchem jedoch oft kaum ansprechbar. lichten Moment können die In dieser Verfassung ist er nicht Kranken durchaus geschäftsin der Lage, eine wirksame fähig und einwilligungsfähig Vollmacht zu erstellen oder die sein. Es ist jedoch im NachhiKonsequenzen seines Handelns nein oft schwer zu beweisen, zu begreifen. dass eine Vollmacht oder Verfügung gerade in diesem Moment unterzeichnet wurde. Daher sollten insbesondere Vollmachten mög­lichst in einem frühen Krank­heitsstadium erteilt werden, wenn Ärzte oder Notare noch zweifelsfrei die Geschäftsfähigkeit bestätigen können. Im Zweifelsfall Geschäftsfähigkeit bestätigen Besteht die Gefahr, dass eine Vollmacht oder Verfügung später mit dem Hinweis auf mangelnde Geschäftsfähigkeit für ungültig erklärt wird, lassen Sie auf den Dokumenten die Geschäftsfähigkeit oder die Einwilligungsfähigkeit bestätigen. Dies geschieht sicher durch die notarielle Beurkundung. Auch eine entsprechende Erklärung eines Arztes wird in vielen Fällen anerkannt. Tipp 19