III. Algebra. 8. Körper und Algebraische Zahlen.

Werbung
III. Algebra.
8. Körper und Algebraische Zahlen.
Im 6. Kapitel haben wir gesehen, dass man aus einer
Menge wie
M = {♣, ♦, ♠}
einen Vektorraum machen kann indem man die Menge
R3 (M ) = {a♣ + b♦ + c♠ | a, b, c ∈ R}
der formalen Linearkombinationen bildet und die folgenden Verknüpfungen einführt:
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
2
I. Elementare Mathematik 1
2♣ + 3♦ + 1♠
+ 1♣ + 2♦ + 4♠
− − − − − −−
3♣ + 5♦ + 5♠
5 (3♣ + 2♦ + 7♠) = 15♣ + 10♦ + 35♠
Wir haben gesehen wie man diese Rechenregeln geometrisch als Rechenregeln von Pfeilen (oder: Vektoren) interpretieren kann. Leider haben die Vektorräume einen bedauerlichen Mangel: man kann Vektoren nicht multiplizieren.
Wir wollen diesen Mangel jetzt beheben indem wir
zunächst eine Multiplikation auf der endlichen Menge
M einführen. Mit dieser Aufgabe sind wir ja vertraut,
denn wir haben früher gesehen, dass man mit Hilfe
von Gruppentafeln solche Mengen sogar zu Gruppen
machen kann. Hierfür gibt viele verschieden Möglichkeiten. Hier ein Beispiel:
·
♣
♦
♠
♣
♦
♠
♣
♦
♠
♦
♠
♣
♠
♣
♦
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
§8 Irrationale Zahlen und Körper
3
Mit Hilfe dieser Tafel können wir jetzt auch die formalen Linearkombinationen aus R3 (M ) multiplizieren. Hier ist ein einfaches Beispiel:
=(2♣ + 3♦ + 0♠) · (3♣ + 4♦ + 0♠)
=(2♣ + 3♦) · (3♣ + 4♦)
=6♣ · ♣ + 8♣ · ♦ + 9♦♣ + 12♦ · ♦
=6♣ + 8♦ + 9♦ + 12♠
=6♣ + 17♦ + 12♠
Wir sehen, dass wir durch Anwendung des Distributivgesetzes eine Multiplikation in R3 (M ) definiert
haben. Wir können so also Vektoren multiplizieren.
Können wir aber auch ”Vektoren” dividieren?
Problem. Was ist
1
2♣+3♦+5♠
?
Mit dieser Frage berühren wir eine der ganz wichtigen
Fragen der Algebra. Um dies zu erklären werfen wir
noch einmal einen Blick auf die obige Gruppentafel.
Diese Tafel ist uns von früher vertraut. Es ist die
Gruppentafel der Restklassengruppe Z3 . Wir können
also statt R(♣, ♦, ♠) = R(M ) auch schreiben
R(Z3 )
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
4
I. Elementare Mathematik 1
um anzudeuten, dass wir eine Gruppenmultiplikation
für M ausgewählt haben. Dies können wir auch für
andere endliche Mengen M so machen. Wir erhalten
dann eine ganze Folge von Bereichen
R(Z2 ), R(Z3 ), R(Z4 ), . . .
Statt R könnten wir aber auch andere Zahlbereiche,
wie Z, Q oder C als Koeffizienten wählen und erhalten dann
Q(Z2 ), Q(Z3 ), Q(Z4 ), . . .
Z(Z2 ), Z(Z3 ), Z(Z4 ), . . .
oder auch
Z3 (Z2 ), Z3 (Z3 ), Z3 (Z4 ), . . .
Allgemeiner können wir also zu jedem ”Zahlbereich”
R und jeder Gruppe G den Bereich
R(G)
bilden. Wir sehen also, dass sich so eine Art Dschungel
von Möglichkeiten ergibt. Für alle diese Möglichkeiten
stellt sich nun das Problem der Division. Wir haben
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
§8 Irrationale Zahlen und Körper
5
aber nur Zeit das Divisionsproblem für die folgenden
Bereiche zu betrachten:
Z(Z2 ), Z(Z3 ), . . . ,
Q(Z2 ), Q(Z3 ), . . .
Betrachten wir Z(Z2 ) und Q(Z2 ).
Die Elemente dieser Mengen sind gegeben durch Ausdrücke
a + bα
wobei a, b ∈ Z (resp. a, b ∈ Q) und wobei α ∈ Z2
das erzeugende Element ist. Um durch a + bα teilen
zu können müssen wir die Gleichung
(a + bα) · (x + yα) = ±1
lösen. Wir multiplizieren also aus und machen einen
Koeffizientenvergleich. Als Ergebnis erhalten wir
x=
b
a
und
y
=
a2 − b2
a2 − b2
Da dies rationale Zahlen sind, haben wir gezeigt, dass
man durch alle Elemente von Q(Z2 ) teilen kann - alle
Elemente von Q(Z2 ) sind ”invertierbar” (man nennt
invertierbare Element auch Einheiten).
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
6
I. Elementare Mathematik 1
Aber: Der Ausdruck a2 − b2 kann niemals gleich ±1
sein, d.h. die obigen Lösungen für x und y sind
niemals ganze Zahlen (es sei denn a = 0 und b = 1).
Damit ist gezeigt, dass man in Z(Z2 ) nur durch die
Elemente der Gruppe Z2 teilen kann.
Dies ist vielleicht nicht wirklich verwunderlich, denn
man kann ja auch nicht in Z dividieren, warum sollte
man in Z(Z2 ) dividieren können.
Man zeigt nun, dass sich
Q(Z3 ), Z(Z3 ), Q(Z4 ), Z(Z4 ), . . .
ganz genauso verhalten: Wenn die Koeffizienten Q
sind, kann man durch alle Elemente dividieren und
wenn die Koeffizienten Z sind, kann man nur die
trivialen Elemente (d.h. die Gruppenelemente) dividieren.
Jetzt kommt aber die Überraschung. In
Z(Z5 )
verhält sich alles ganz anders: Es gibt in Z(Z5 ) auch
nicht-triviale Ausdrücke durch die man dividieren
kann. Hier ist ein berühmtes Beispiel:
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
§8 Irrationale Zahlen und Körper
7
(1 − α + α2 ) · (α + α2 − α4 )
=(α + α2 − α4 ) + (−α2 − α3 + α5 ) + (α3 − α4 − α6 )
=α + α2 − α4 − α2 − α3 + 1 + α3 + α4 − α
=1
Somit ist also
1
2
4
=
α
+
α
−
α
1 − α + α2
ein Beispiel für einen nicht-trivialen, invertierbaren
Ausdruck.
So elementar wie diese Entdeckung auch ist, so hat sie
doch die Tür zu einem ganz neuen mathematischen
Gebiet eröffnet, nämlich dem Studium der Einheiten
von R(G) (dies ist nicht ganz untypisch: es sind
oft gerade die kleinen, unscheinbaren Entdeckungen,
die zu wirklichen Fortschritten in der mathematischen
Forschung führen).
Wir müssen hier aber das Studium der ”Gruppenringe” und ”Gruppenalgebren” - wie die Bereiche
R(G) auch vornehm genannt werden - verlassen, um
uns einer anderen, aber doch irgendwie ähnlichen Aufgabe zuzuwenden.
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
8
I. Elementare Mathematik 1
Für die rationalen Zahlen waren die Objekte ♣, ♦, ♠
gewissermaßen ”Fremdlinge” - mit denen man aber
dennoch rechnen wollte. Wir stellen uns nun auf den
Standpunkt, dass in ganz gleicher Weise für Q die
irrationalen Zahlen
√ √
2, 3, . . .
ebenfalls ”Fremdlinge” sind.
Wir wollen nun lernen, auch mit diesen Fremdlingen
zu Rechnen.
Wir bilden
√
√
Q( 2) = { a + b 2 | a, b ∈ Q }
Dies ist eine Teilmenge der reellen Zahlen
R. Es ist
√
also naheliegend für die Menge Q( 2) die folgende
Multiplikationstafel zu wählen (die aber keine Gruppentafel ist!):
1
√1
2
√1
2
√
2
√
2
2
Wir erhalten auf diese Weise eine Teilmenge
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
§8 Irrationale Zahlen und Körper
9
√
Q( 2) ⊂ R
der reellen Zahlen. Man kann also Elemente dieser
Teilmenge dividieren, da man ja in R dividieren kann.
Wir müssen uns nur noch überzeugen,
√ dass das Ergebnis auch immer in der Menge
Q( 2) liegt. Ist dies
√
der Fall, dann bildet Q( 2) einen sog. ”Körper, oder
genauer: einen ”algebraischen Zahlkörper”.
Die Körper.
Definition. Eine Menge K, zusammen mit zwei
Verknüpfungen + (genannt: Addition) und ·
(genannt: Multiplikation), heißt Körper, wenn
gilt:
(I) (K, +) ist eine Gruppe
(mit additiver Einheit = 0),
(II) (K − {0}, ·) ist eine Gruppe
(mit multiplikativer Einheit = 1), und
(III) a + b = b + a, a · b = b · a, a · (b + c) = a · b + a · c.
Zur Sicherheit schreiben wir diese Definition ganz aus:
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
10
I. Elementare Mathematik 1
Definition. Eine Menge K, zusammen mit zwei
Verknüpfungen + (genannt: Addition) und ·
(genannt: Multiplikation), heißt Körper, wenn,
für alle a, b, c ∈ K, gilt:
a + (b + c) = (a + b) + c, a · (b · c) = (a · b) · c,
es gibt eine 0 ∈ K mit
es gibt eine 1 ∈ K mit
für a ∈ K ex. b ∈ K
für a ∈ K, a 6= 0, ex. b ∈
a + 0 = a = 0 + a,
a · 1 = a = 1 · a,
mit a + b = b + a = 0,
K mit a · b = b · a = 1,
a + b = b + a,
a · b = b · a,
a · (b + c) = a · b + a · c (Distributivität).
Beispiel. Die beiden bekanntesten Beispiele für Körper sind
Q und R,
d.h. der Körper der rationalen Zahlen und der
Körper der reellen Zahlen. Daneben ist auch Zp
ein Körper - jedenfalls solange p eine Primzahl ist.
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
§8 Irrationale Zahlen und Körper
11
Man rechnet weiter schnell nach, dass auch die komplexen Zahlen einen Körper bilden (Bezeichnung: C).
Bemerkung. In diesem Kapitel werden im Grunde
alle betrachteten Körper aus reellen Zahlen bestehen.
Wir brauchen also die obige Definition des Körpers
nicht in ihrer ganzen Abstraktheit. Alle unsere Körper
sind konkret in dem Sinne, dass sie Teilmengen von
R sind. Die Verknüpfungen, die wir betrachten, werden also immer die gewöhnliche Addition und die gewöhnliche Multiplikation der reellen Zahlen sein.
Überhaupt werden alle Axiome der Definition eines
Körpers immer leicht zu verifizieren sein. Mit einer
Ausnahme - und das ist die Existenz der multiplikativen Inversen. Das Grundproblem, welches
wir in diesem Kapitel betrachten müssen, ist die Frage:
Wie kann man dividieren? Es wird hoffentlich bald
klar werden, was damit gemeint sein soll und warum
diese Frage so wichtig ist.
Quadratische Erweiterungen.
Q und R sind die wichtigsten Körper, die wir bisher
kennen. Mit dem Rechnen in diesen Körpern sind
wir vertraut. Zwischen Q und R liegen aber
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
12
I. Elementare Mathematik 1
noch viele andere Körper, sog. Zwischenkörper, die
sich zwischen Q und R drängen. An das Rechnen in diesen Zwischenkörpern müssen wir uns erst
gewöhnen. Darum werden wir uns jetzt kümmern.
√
√
Beispiel.
2 ist keine rationale Zahl ist, d.h.
2 6∈
Q.
√ Damit sind aber auch alle Zahlen der Form a +
b 2, a, b ∈ Q irrational. Wir wollen√nun diese Tat2 einen ganz
sache ausnutzen, um aus Q und
neuen Körper zu konstruieren. Sehen wir uns Addition Multiplikation genauer an. Wir haben z.B.
√
√
√
(2 + 3 2) + (3 + 5 2) =5 + 8 2 und
√
√
√
√
(2 + 3 2) · (3 + 5 2) =2 · 3 + 2 · 5 2 + 3 2 · 3+
√
√
√
3 2 · 5 2 = 36 + 19 2
oder allgemeiner
√
√
√
(a1 + b1 2) + (a2 + b2 2) = u + v 2 und
√
√
√
(a1 + b1 2) · (a2 + b2 2) = p + q 2,
für geeignete u, v, p, q ∈ Q.
Anders ausgedrückt: Die Menge
√
√
Q( 2) := { x + y a | x, y ∈ q },
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
§8 Irrationale Zahlen und Körper
13
ist abgeschlossen gegenüber der gewöhnlichen
Addition und Multiplikation.
Man prüft weiter
√
schnell nach, dass Q( 2) alle Körper-Axiome erfüllt
- ausser evtl. die Existenz der multiplikativen (!) Inversen.
Mit Quotienten entsteht aber etwas sehr bemerkensertes, wenn man den folgenden Trick anwendet:
√
√
√
√
2+3 2
2+3 2 3−5 2
2+3 2
√ =
√ ·1=
√ ·
√
3+5 5
3+5 5
3+5 5 3−5 2
√
√
36 + 19 2
19
36
=
= − 41 − 41 2.
9 − 25 · 2
√
3−5√2
3−5 2
Der Trick besteht darin, mit
zu multiplizieren
(was eigentlich
keinen Unterschied machen sollte, da
√
3−5√2
ja 3−5
= 1 ist). Der Trick aber bewirkt, dass der
2
√
√
2+3√2
Quotient 3+5 5 in Q( 2) liegt.
Dieser Trick funtioniert nun ganz allgemein, für alle
rationalen Zahlen a, b ∈ Q, denn es gilt für diese die
Formel:
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
14
I. Elementare Mathematik 1
√
√
√
a+b 2
a+b 2 c+d 2
√ =
√ ·
√
c+d 2
c+d 2 c−d 2
√
√
(a + b 2) · (c + d 2)
=
c2 − 2d2
√
(ac + 2bd) + (bc + ad) 2
=
c2 + 2d2
bc + ad √
ac + 2bd
+ 2
= 2
2.
c − 2d2
c − 2d2
Also Fazit: Summen, Produkte sowie√auch Quotienten von reellen Zahlen
der Form a+b 2 haben wieder
√
die Form a + b 2. Vornehmer ausgedrückt:
Satz. Die Menge
√
√
Q( 2) = {a + b 2 | a, b ∈ Q },
zusammen mit der gewöhnlichen Addition und Multiplikation, bildet einen Körper. ♦
√
Bemerkung.
Es ist Q ⊂ Q( 2) ⊂ R. Also ist
√
Q( 2) ein Beispiel für einen Zwischenkörper, der
zwischen Q und R liegt.
Allgemeiner gilt (und der Beweis ist wie oben):
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
§8 Irrationale Zahlen und Körper
15
Satz. Sei q ∈ Q eine rationale Zahl. Dann bildet
die Menge
√
√
Q( q) := { a + b q | a, b ∈ Q },
zusammen mit der gewöhnlichen Addition und Multiplikation, ein Körper. ♦
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
16
I. Elementare Mathematik 1
Die algebraischen Zahlen.
Definition. Eine reelle Zahl α ∈ R heißt algebraische Zahl, wenn es ein Polynom
p(x) = xn + an−1 xn−1 + . . . + a1 x + a0 ,
mit rationalen Koeffizienten ai ∈ Q,
p(α) = 0.
so gibt dass
Bemerkung. Wir sehen hier, wie sich die bisherige
Betrachtung von Zahlen gedanklich umdreht. Das
Problem ist nicht mehr länger, zu einem gegebenen
Polynom eine Zahl zu finden, die das Polynom löst,
sondern, umgekehrt, zu einer gegeben Zahl ein Polynom zu finden, dessen Lösung die Zahl ist.
√
√
Beispiel.
2 ist eine algebraische Zahl, denn
2
ist Lösung der Gleichung p(x) = x2 − 2 = 0. Damit
2
haben wir mit p(x)
:=
x
− 2 ein
√ Polynom gefunden,
√
2 ist. Für
2√ haben wir sogar
dessen Lösung
2 beliebig
genau
einen Algorithmus gesehen, der
√
ausrechnet. Daher haben wir das Gefühl, 2 ziemlich
gut zu kennen. Für andere algebraische Zahlen gilt das
nicht mehr so. Wir wissen z.B., dass jedes Polynom
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
§8 Irrationale Zahlen und Körper
17
mit ungeradem Grad eine reelle Nullstelle hat. Also
z.B.
p(x) = x3 + 2x2 + 1 = 0
hat mindestens eine reelle Lösung α. Wir wissen
aber nichts weiter über α. Wir kennen (noch) kein
numerisches Verfahren, um α zu berechnen. Ein Algebraiker will auch nichts von solchen Verfahren wissen. Er will nur wissen, was man mit α machen
kann. Alles was ihn interessiert, ist die Tatsache, dass
α eine reelle Zahl ist für die die Identität:
α3 + 2α2 + 1 = 0
gilt. Den Algebraiker interessiert, wie man mit solchen
Zahlen rechnen kann.
Frage. Bilden die algebraischen Zahlen selbst einen
Körper?
Bemerkung. Um diese Frage zu beantworten, muss
man zunächst untersuchen, ob die gewöhnliche Addition und Multiplikation von algebraischen Zahlen
wieder algebraisch ist. Gegeben zwei algebraische Zahlen α, β, sind dann auch α + β und α · β algebraisch? Hierzu müsste man ein Polynom r(x) =
xp + cn−1 xp−1 + . . . + c0 finden mit r(α + β) = 0
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
18
I. Elementare Mathematik 1
und ebenso für α · β. Ein solches Polynom müsste
man aus dem Polynomen p(x) mit p(α) = 0 und
dem Polynom q(x) mit q(β) = 0 konstruieren. Dies
ist nicht ganz einfach. Siehe Anhang 1 im nächsten
Kapitel.
Nicht-Quadratische Erweiterungen.
√
Wir haben oben gesehen, dass
das
Inverse
von
x+y
a
√
wieder die Gestalt x′ + y ′ a hat. Wir haben dazu
einen Trick angewandt. Wir wollen nun das allgemeine Phänomen herausarbeiten, dass diesem Trick
zugrunde liegt.
Um die obige Konstruktion von Zwischenkörpern von
Quadratwurzeln auf algebraische Zahlen zu verallgemeinern, betrachten wir irgendein ein Polynom mit
rationalen Koeffizienten, also etwa
p(x) = x3 + 2x2 + 1.
Sei α ∈ R irgendeine reelle Zahl mit
p(α) = 0.
Hier sind ein paar Zahlen, die man nur mit Verwendung von α und rationalen Zahlen bilden kann:
2, 2 + α, 3 + 7α, 5 + 3α + 2α2 , 2 + 3α + α2 + 4α3 , . . .
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
§8 Irrationale Zahlen und Körper
19
Aber Moment, die letzte Zahl kann man doch vereinfachen. Es gilt ja
0 = p(α) = α3 + 2α2 + 1
und somit
α3 = −2α2 − 1
Also können wir dies oben einsetzen:
2 + 3α + α2 + 4α3 = 2 + 3α + α2 + 4(−2α2 − 1)
= 2 + 3α + α2 − 8α2 − 4
= −2 + 3α − 7α2 .
Man sieht so, dass man eigentlich mit den Potenzen
α, α2 allein auskommt. Wir bilden daher die folgende
Menge:
Q(α) := { a0 + a1 α + a2 α2 | a0 , a1 , a2 ∈ Q }
Frage. Bildet Q(α), zusammen mit der gewöhnlichen Addition und Multiplikation von reellen Zahlen,
einen Körper?
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
20
I. Elementare Mathematik 1
Ein kleiner Test ergibt
(nach dem Distributivgesetz)
(2+α + 3α2 ) + (3 + 2α + α2 )
= 5 + 3α + 4α2
(2+α + 3α2 ) · (3 + 2α + α2 )
= 2 · 3 + 2 · 2α + 2 · α2
+ α · 3 + α · 2α + α · α2
+ 3α2 · 3 + 3α2 · 2α + 3α2 · α2
= 6 + 7α + 13α2 + 4α3 + 3α4
= 6 + 7α + 13α2 + 4(−2α2 − 1) + 3α(−2α2 − 1)
= 6 + 4α + 5α2 − 6α3
= 6 + 4α + 5α2 − (−2α2 − 1)
= 7 + 4α + 7α2
Also liegen Summe und Produkt der obigen Ausdrücke
wieder in Q(α).
Nach dem gleichen Schema beweist man dies leicht für
alle Zahlen aus Q(α). Also sind die gewöhnliche Addition und Multiplikation Verknüpfungen für Q(α).
Wir beweisen nun:
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
§8 Irrationale Zahlen und Körper
21
Satz. Sei p(x) = x3 + 2x2 + 1 und sei α irgendeine
Lösung
p(α) = 0
dieses Polynoms. Dann ist
Q(α) := { a2 α2 + a1 α + a0 | a2 , a1 a0 ∈ Q },
zusammen mit der gewöhnlichen Addition und Multiplikation, ein Körper.
Beweis. Alle Axiome eines Körpers lassen sich, wie
oben, leicht nachrechen - bis auf das Axiom von der
Existenz der multiplikativen Inverse!
Wir müssen also noch zeigen, dass der Quotient zweier
Ausdrücke
a0 + a1 α + a2 α2
b0 + b1 α + b2 α 2
wieder ein solcher Ausdruck, d.h. ein Element von
Q(α) ist. Aber
1
a0 + a1 α + a2 α2
2
= (a0 + a1 α + a2 α ) ·
b0 + b1 α + b2 α 2
b0 + b1 α + b2 α 2
Also genügt es zu zeigen, dass die Inverse
1
b0 + b1 α + b2 α 2
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
22
I. Elementare Mathematik 1
die Form u + vα + wα2 hat, d.h. in Q(α) liegt. Hier
ein kleiner Test. Finde die Inverse von
q(α) := 1 + α + α2
in Q(α). Wir behaupten, dass diese Inverse gegeben
ist durch
(α2 + α + 1)−1 := − 21 α2 − α +
1
2
Nachrechnen ergibt
(α2 +α + 1) · (− 21 α2 − α + 21 )
= (α2 + α + 1) · (− 21 α2 − α + 12 )
+0
= (α2 + α + 1) · (− 21 α2 − α + 12 )
=
+ (α3 + 2α2 + 1) · ( 12 α + 21 )
− 21 α4 − 32 α3 − α2 − 21 α + 12
2
1 4
3 3
1
1
+ 2α + 2α + α + 2α + 2
=1
Also haben wir tatsächlich mit − 12 α2 − α +
Inverse gefunden.
1
2
die
Es ist nun ganz erstaunlich - und die Basis allen folgenden - dass es solche Inversen immer gibt (so lange
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
§8 Irrationale Zahlen und Körper
23
wie p(x) irreduzibel ist). Um sie aber zu finden,
braucht man wieder einen Trick. Der Trick beruht auf
der Berechnung des größten gemeinsamen Teilers.
Wir zeigen erst am obigen Beispiel 1 + α + α2 wie
der Trick funktioniert, bevor wir zum allgemeinen Fall
kommen.
Die Idee für den Trick geht auf die Tatsache zurück,
dass sich der ggT (a, b) von zwei Zahlen ausdrücken
läßt als
ggT (a, b) = xa + yb
Wenn wir nun den ggT von p(α) mit jeder Zahl
q(α) ∈ Q(α) ausrechnen könnten und wenn
ggT (q(α), p(α)) = r eine rationale Zahl ist, dann wäre
1 = 1r x(α)q(α) + 1r y(α)p(α) = 1r x(α)a(α),
da ja p(α) = 0. Somit hätten wir mit
multiplikatives Inverses gefunden.
1
r x(α)
ein
Bevor wir hier die Rechnung für unser Beispiel ausführen, noch einmal kurz - zur Erinnerung - die Berechnung des ggT (a, b) für ganze Zahlen a, b ∈ Z und
die Berechnung von x, y mit ggT (a, b) = xa + yb.
Beispiel. Sei a = 2415 und b = 945. Dann berechnet man den ggT wie folgt:
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
24
I. Elementare Mathematik 1
2415 = 945 · 2 + 525
945 = 525 · 1 + 420
525 = 420 · 1 + 105
420 = 105 · 4 + 0
Bemerkung. Wohlgemerkt, jede Zeile ist eine Division mit Rest.
Die Zahl 105 teilt also beides 2415 und 945. Es
ist ggT (2415, 945) = 105. Indem man nun rückwärts
arbeitet erhält man die lineare Darstellung des ggT.
105 = 525 + (−1) · 420
= 525 + (−1) · (945 + (−1) · 525)
= 2 · 525 + (−1) · 945
= 2 · (2415 + (−2) · 945) + (−1) · 945
= 2 · 2415 + (−5) · 945
und damit ist die lineare Darstellung für den ggT gefunden.
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
§8 Irrationale Zahlen und Körper
25
Der Divisionsalgorithmus. Wir berechnen nun nach obigem Verfahren - den ggT unserer neuen Zahlen
q(α) = α3 + 2α2 + 1 und p(α) = α2 + α + 1.
Wir beginnen mit der ersten Division mit Rest:
(α3 + 2α2 + 1) : (α2 + α + 1) = α + 1 Rest − 2α
α3 + α2 + α
α2 − α + 1
α2 + α + 1
− 2α
Also erhalten wir die erste Zeile des folgenden Prozesses:
α3 + 2α2 + 1 = (α2 + α + 1) · (α + 1) + (−2α)
α2 + α + 1 = (−2α) · (- 21 α − 12 ) + 1
−2α = 1 · (−2α) + 0
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
26
I. Elementare Mathematik 1
wobei wieder jede Zeile durch Division mit Rest erhalten wird. Im obigen Fall ist der Prozess kurz, er stoppt
schon nach zwei Zeilen. Nun arbeiten wir rückwärts:
1 =(α2 + α + 1) + (−2α) · ( 21 α + 12 )
=(α2 + α + 1) + ((α3 + 2α2 + 1)−
(α2 + α + 1)(α + 1)) · ( 21 α + 12 )
=(α2 + α + 1) − (α2 + α + 1)(α + 1)( 12 α + 21 )+
(α3 + 2α2 + 1)( 21 α + 21 )
=(α2 + α + 1)(1 − 12 (α2 + 2α + 1)
=(α2 + α + 1)(− 21 α2 − α + 12 )+
(α3 + 2α2 + 1)( 21 α + 21 )
Damit haben wir die gesuchte lineare Darstellung des
ggT gefunden: es gilt:
1 = (α2 +α+1)·(− 21 α2 −α+ 12 )+(α3 +2α2 +1)·( 21 α+ 21 ).
Da α3 + 2α2 + 1 = 0 ist, folgt:
1 = (α2 + α + 1) · (− 21 α2 − α + 12 )
Somit haben wir mit
x(α) := − 21 α2 − α +
1
2
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
§8 Irrationale Zahlen und Körper
27
die Inverse von α2 + α + 1 gefunden.
Damit ist schließlich der Beweis erbracht, dass Q(α)
tatsächlich ein Körper ist. ♦
Bemerkung. Man kann nicht erwarten, dass der ggT
von q(α) und p(α) immer gleich 1 ist. Aber
ggT(q(α), p(α) ist immer eine rationale Zahl, etwa r
(jedenfall, wenn (p(x) ein irreduzibles Polynom ist deswegen werden wir im folgenden darauf achten, dass
das Ausgangspolynom p(x) irreduzibel ist). Wenn
r 6= 1, dann ist die wie oben erhaltene Zahl x(α)
noch nicht ganz die Inverse von q(α) - man muß sie
erst noch durch die rationale Zahl r teilen, um die
wirkliche Inverse von q(α) zu erhalten.
Ganz genauso beweist man nun, dass sich so, für viele
algebraische Zahlen, α, ein Körper, Q(α), konstruieren läßt.
Satz. Sei p(x) = xn + an−1 xn−1 + . . . + a1 x + a0
ein irreduzibles Polynom (d.h. kein Produkt von
nicht-trivialen Polynomen). Sei α ∈ R eine Lösung
p(α) = 0.
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
28
I. Elementare Mathematik 1
Dann ist die Menge
Q(α) := {an−1 αn−1 + . . . + a1 α + a0 | ai ∈ Q },
zusammen mit der gewöhnlichen Addition und Multiplikation, ein Körper.
Beweis. (Skizze) Wir wissen wieder nicht, was α
ist, denn wir wissen im allgemeinen nicht, wie man die
Gleichung p(α) = 0 nach α auflösen soll. Wir wissen
nur, dass
−αn = an−1 αn−1 + . . . + a0 .
Aber das genügt, um zu zeigen, dass Q abgeschlossen
ist gegenüber Addition und Multiplikation. Alle
Axiome eines Körpers, außer der Existenz der multiplikativen Inversen, lassen sich leicht nachrechnen.
Um schließlich die multiplikative Inverse einer Zahl
q(α) ∈ Q(α) zu bestimmen, berechnet man - wie
oben - den ggT(q(α), p(α). Da p(x) irreduzibel
ist, muß dieser ggT = 1 sein. Also folgt wieder aus
1 = ggT(q(α, p(α)) = u(α)q(α)+v(α)p(α), dass u(α)
die Inverse von q(α) ist. ♦
Im Grunde haben wir sogar noch mehr bewiesen.
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
§8 Irrationale Zahlen und Körper
29
Satz. Sei K ⊂ R ein Körper und p(x) = xn +
an−1 xn−1 + . . . + a1 x + a0 ein irreduzibles Polynom.
Sei α ∈ R eine Lösung p(α) = 0. Dann ist
K(α) := {an−1 αn−1 + . . . + a1 α + a0 | ai ∈ K }
ein Körper. ♦
Bemerkung. Man überzeugt sich auch schnell, dass
K(α) der (bzgl. der Inklusion) kleinste Körper in R
ist, der sowohl K ⊂ R als auch α enthält.
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
30
I. Elementare Mathematik 1
Die Temperatur eines Körpers.
Wir wollen die Temperatur von Körpern messen, insbesondere von den Körpern, die wir bisher konstruiert haben. Dabei stellen wir uns vor, dass wir unsere neuen Körper erhalten, indem wir den Körper
Q der rationalen Zahlen mit irrationalen Zahlen ”infizieren”. Die Körper enthalten also neben den rationalen Zahlen eine Reihe von irrationalen Zahlen
als
√
2 usw.
”Bazillen”, vielleicht z.B. den ”Bazillus”
Ihre Temperatur ist umso höher je mehr ”Bazillen” sie
haben. In diesem Bild ist der Körper der rationalen
Zahlen ”eiskalt” und der Körper der reellen Zahlen
”glühend heiß”, denn die rationalen Zahlen enthalten
keine und die reellen Zahlen enthalten unendlich viele
irrationale Zahlen.
Allerdings tun sich unsere Bazillen gerne mit rationalen Zahlen
zusammen,
um neue Rechenausdrücke,
√
√
wie 2 + 2 + 7 3 usw., zu bilden. Diese Rechenausdrücke, sind zwar oft auch wieder irrationale Zahlen,
aber eigentlich nicht wirklich neu, denn sie sind ja
lediglich
Konglomerate der ursprünglichen Bazillen
√ √
2, 3. Um die Temperatur eines Körpers zu messen,
dürfen wir nur die wirklich ursprünglichen Bazillen
zählen. Um das nun formal richtig zu machen, gehen
wir wie folgt vor:
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
§8 Irrationale Zahlen und Körper
31
Sei K ⊂ R irgendein ein Körper und darin eine
Kollektion von (irrationalen) Zahlen
α1 , . . . , αn ∈ K.
Wir sagen, diese Kollektion erzeugt den Körper K
(linear), wenn jedes Element α ∈ K ein Rechenausdruck der Form
α = a1 α1 + . . . + an αn
ist, mit ai = rationale Zahl.
Uns interessiert nun die Minimalzahl der Zahlen
α1 , . . . , αn (Bazillen) mit denen man einen Körper
erzeugen kann. Das wäre dann seine ”Temperatur”.
Oft ist diese Zahl unendlich, aber vielfach ist sie auch
endlich. Kann man dann diese Minimalzahl bestimmen? Oder anders gefragt: kann man für eine gegebene Kollektion α1 , . . . , αn von Zahlen, die einen
Körper erzeugen, wirklich jemals wissen, ob es eine
minimale Kollektion ist? Glücklicherweise gibt es hierfür das folgende:
Minimalitäts-Kriterium. Sei K ein Körper. Sei
α1 , . . . , αn ∈ K eine Kollektion von reellen Zahlen.
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
32
I. Elementare Mathematik 1
welches K linear erzeugt. Dann ist diese Kollektion
minimal, d.h. eine kleinste solche Kollektion, wenn
a1 α1 + . . . + an αn = 0 ⇒ a1 = a2 = . . . = an = 0
Definition. Sei K ⊂ R ein Körper, der endlich
linear erzeugt wird. Dann ist der Grad des Köpers
K gegeben durch die Anzahl
grad (K) = n,
der Elemente einer Kollektion α1 , . . . , αn ⊂ K, die
(1) K linear erzeugt und für die
(2) das Minimalitäts-kriterium gilt.
Bemerkung. Im allgemeinen ist es gar nicht so leicht,
die Temperatur eines Körpers zu messen, d.h. seinen
Grad zu bestimmen. Für die Körper Q(α), mit denen
wir uns bisher beschäftigt haben, gibt es aber zum
Glück dafür eine einfache Formel.
Satz. Sei α ∈ R eine algebraische Zahl und sei p(x)
ein irreduzibles Polynom mit rationalen Koeffizienten,
welches α als Lösung hat, d.h. p(α) = 0. Dann ist
grad(Q(α)) = grad p(x),
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
§8 Irrationale Zahlen und Körper
33
wobei grad p(x) der höchste Exponent des Polynoms
p(x) ist.
Beweis. Sei n = grad p(x). Dann wird, nach Definition, Q(α) von der Kollektion
α0 := 1, α1 := α, α2 := α2 , . . . , αn−1 := αn−1
linear erzeugt. Wir behaupten diese Kollektion erfüllt
das Minimalitäts-Kriterium. Andernfalls
0 = a0 α0 + a1 α1 + . . . + an−1 αn−1
= a0 + a1 α + . . . + an−1 αn−1
mit mindestens einem ai 6= 0. Dann ist aber
q(x) = a0 + a1 x + . . . + an−1 xn−1
ein nicht-triviales Polynom mit grad q(x) = n − 1 <
n = grad p(x), welches ebenfalls α als eine Lösung
hat. Dann konnte p(x) aber nicht irreduzibel gewesen sein (siehe Anhang 2 für einen Beweis). Dieser
Widerspruch beweist den Satz. ♦
√
√
Beispiel. grad Q( 2) = 2, denn
2 ist Lösung
des Polynoms p(x) = x2 − 2 vom Grad 2. Es ist klar,
dass p(x) irreduzible ist, denn andernfalls gäbe es
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
34
I. Elementare Mathematik 1
rationale Zahlen a1 , a2 mit x2 − 2 = (x − a1 )(x − a2 ).
Dann hätte aber x2 − 2 rationale Lösungen, nämlich
a1 , a2 .
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
§8 Irrationale Zahlen und Körper
35
Anhang 1.
Beweis des Minimalitätskriteriums.
Minimalitäts-Kriterium. Sei K ein Körper. Sei
α1 , . . . , αn ∈ K eine Kollektion von reellen Zahlen.
welches K linear erzeugt. Dann ist diese Kollektion
minimal, d.h. eine kleinste solche Kollektion, wenn
a1 α1 + . . . + an αn = 0 ⇒ a1 = a2 = . . . = an = 0
Beweis. Sei αa , . . . , αn eine Kollektion von Zahlen
aus K, welches K linear erzeugt und welches das
Minimalitäts-Kriterium erfüllt. Angenommen es gibt
weiter eine andere Kollektion β1 , . . . , βm , welches
auch K linear erzeugt, aber für das m < n.
Da β1 , . . . , βm linear erzeugt, gilt insbesondere
α1 = b1 β1 + b2 β2 + . . . + bn βn ,
für geeignete rational Zahlen ai ⊂ Q. O.B.d.A. b1 6=
0, da andererseits alle Koeffizienten bi gleich Null
wären, was aber unmöglich ist. Also
β1 =
1
b1 α1
−
b2
b1 β2
−
b3
b1 β3
− ... −
bn
b1 βn
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
36
I. Elementare Mathematik 1
(hier benutzen wir, dass Q ein Körper ist). Es folgt,
dass wir alle Elemente aus K als Linearkombinationen von α1 , β1 , . . . , βn schreiben können. Insbesondere
α2 = b1 α1 + b2 β2 + b3 β3 + . . . + bn βn .
O.B.d.A. b2 6= 0, da, wegen des Minimalitäts Kriteriums für α1 , . . . , αm , nicht alle bi gleich Null sein
können.
Also ist
β2 =
1
b2 α2
−
a1
b1 α1
−
b3
b2 β3
− ... −
bn
b2 βn .
Es folgt, dass wir alle Elemente aus K linear durch
die Zahlen α1 , α2 , β3 , . . . , βn erzeugen können. usw.
usw.
Wir sehen wie immer mehr βi weggefressen und durch
αi ersetzt werden. Nach endlich vielen Schritten sind
schließlich alle βi weg und durch αi ersetzt. Es folgt
dann, dass K durch die Zahlen α1 , . . . , αn linear
erzeugt wird.
Aber dies gilt insbesonder auch für alle Zahlen
αm+1 , . . . , αn . Also z.B.
αm+1 = a1 α1 + . . . + am αm
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
§8 Irrationale Zahlen und Körper
37
Somit
0 = a1 α1 + . . . + an αn + 1 · αm+1 .
Aber dies widerspricht dem Minimalitäts-Kriterium
für α1 , . . . , αn . ♦
Anhang 2.
Minimale Polynome.
Wir können statt α auch x schreiben. Dann werden
aus den Zahlen
α3 + 2α2 + 1 und α2 + α + 1
die Polynome
u(x) = x3 + 2x + 1 und v(x) = x2 + x + 1
Dann beschreibt der obige Prozess wortwörtlich ein
Verfahren wie man Polynome dividiert und wie man
den ggT von Polynomen bestimmt. Also haben wir
ggT (u(x), v(x)) = 1 und
1 = v(x) · (− 21 x2 − x + 12 ) + u(x) · ( 21 x + 12 )
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
38
I. Elementare Mathematik 1
Der Unterschied der Polynome zu den algebraischen
Zahlen besteht darin, dass wir für die Polynome kein
”Aquivalent die Identität p(α) = 0 haben. Daher
verhalten sich Polynome eher wie ganze, als rationale
Zahlen (oder besser: sie bilden einen Ring, aber keinen
Körper).
Satz. Ein Polynom p(x) ist genau dann minimal,
wenn es sich nicht als ein nicht-triviales Produkt
p(x) = f (x) · g(x) von Polynomen schreiben läßt.
Beweis. Ist 0 = p(α) = f (α)·g(α), dann ist entweder
f (α) = 0 oder g(α) = 0, da f (α), g(α)→inR.
Daraus folgt eine Richtung des Satzes. Für die andere Richtung, seien p(x), q(x) zwei Polynome mit
p(α), f (α) = 0 und gradp(x) > gradq(x) und q(x)
das kleinste mit dieser Eigenschaft. Dann gilt
p(x) = f (x)q(x) + r(x)
und somit
p(α) = f (α)q(α) + r(α)
Da gradr(x) < gradq(x) muß, nach Wahl von q(x),
das Polynom r(x) verschwinden. Also p(x) =
f (x)q(x). ♦
Klaus Johannson, Elementare Mathematik 1
Herunterladen