Peter Berlit (Hrsg.) Klinische Neurologie 2., aktualisierte Auflage

Werbung
Peter Berlit (Hrsg.)
Klinische Neurologie
2., aktualisierte Auflage
Peter Berlit (Hrsg.)
Klinische
Neurologie
2., aktualisierte Auflage
Mit 564 Abbildungen in 851 Einzeldarstellungen, davon 53 in Farbe,
382 Tabellen und 201 Übersichten
123
Prof. Dr. Peter Berlit
Alfried Krupp Krankenhaus
Alfried-Krupp-Str. 21
45131 Essen
ISBN-10 3-540-01982-0 2. Auflage Springer Medizin Verlag Heidelberg
ISBN-13 978-3-540-01982-2 2. Auflage Springer Medizin Verlag Heidelberg
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung,
des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben,
auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses
Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der
Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.
Springer Medizin Verlag
springer.com
© Springer Medizin Verlag Heidelberg 1999, 2006
Printed in Germany
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne
besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer
Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden.
Planung: Renate Scheddin
Projektmanagement: Meike Seeker
Design u. Einbandgestaltung: deblik Berlin
SPIN 10880177
Satz: Fotosatz-Service Köhler GmbH, Würzburg
Druck- und Bindearbeiten: Stürtz GmbH, Würzburg
Gedruckt auf säurefreiem Papier
2126 – 5 4 3 2 1 0
V
Vorwort zur 2. Auflage
Inzwischen hat die Klinische Neurologie nicht nur als Lehrbuch für angehende Fachärzte, sondern
auch als Nachschlagewerk in der Praxis und Klinik ihren Platz gefunden. Dass die 1. Auflage in
großer Zahl nachgedruckt werden musste, freut mich als Herausgeber sehr. Zu verdanken ist dies
in erster Linie den engagierten Autoren der einzelnen Kapitel, die klinisch orientiert die Themen
ausgewogen erarbeitet und dargestellt haben, wobei nie der Praxisbezug verloren gegangen ist.
Für die 2. Auflage wurden sämtliche Kapitel komplett überarbeitet und aktualisiert. Neu aufgenommen wurde wegen der zunehmenden Bedeutung auch im klinischen Alltag ein Kapitel zur
funktionellen Bildgebung. Das Kapitel zur neuropathologischen Diagnostik wurde komplett neu
geschrieben, wobei der Schwerpunkt auf der Wertigkeit und Interpretation von Biopsien liegt.
Anregungen und Änderungswünsche, die aus dem Leserkreis an uns herangetragen wurden,
haben wir gerne aufgegriffen und berücksichtigt. In nahezu identischer Besetzung hat das alte und
bewährte Autorenteam auch die 2. Auflage bearbeitet. Herausgeber und Autoren haben sich bemüht, einen einheitlichen Stil bei Berücksichtigung individueller Sichtweisen beizubehalten. Wir
hoffen sehr, dass auch die 2. Auflage ihren Platz eher griffbereit auf dem Schreibtisch als in der
Bibliothek findet und im klinischen Alltag gute Dienste leistet.
Frau Seeker vom Springer Medizin Verlag danke ich für die gute Kooperation bei der Erstellung
der 2. Auflage.
Wie immer sind Anregungen und Verbesserungsvorschläge aus dem Leserkreis stets willkommen.
Essen, im Herbst 2005
Peter Berlit
VII
Vorwort zur 1. Auflage
Der angehende Arzt für Neurologie ist mit einem immensen Wissensstoff konfrontiert, welcher
von den Grundlagenfächern Neuroanatomie, Neurophysiologie und Neuropathologie bis hin zu
den Nachbarschaftsdisziplinen Psychiatrie, Psychosomatik, Neurochirurgie und Innere Medizin
reicht. Das vorliegende Lehrbuch der klinischen Neurologie für Fachärzte will das erforderliche
Wissen umfassend und praxisbezogen darstellen. Im Kernteil werden die in der klinischen Neurologie relevanten Krankheitsbilder lokalisations- und symptombezogen erarbeitet, wobei immer
wieder Übersichten und Tabellen die relevanten Fakten zusammenfassen. Großer Wert wird auf
eine einheitliche Kapitelstruktur gelegt, der sich – zum Teil murrend – die Autoren unterordnen
mussten. Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Dem Leser soll die einheitliche Darstellung das Auffinden gesuchter Inhalte erleichtern und ein systematisches Lernen ermöglichen.
Neben den neurophysiologischen und neurosonologischen Untersuchungsverfahren spielt in der
klinischen Neurologie die bildgebende Diagnostik eine zentrale Rolle. Hier bin ich meinem neuroradiologischen Kollegen, Herrn Prof. Dr. Dietmar Kühne, besonders dankbar für seine beratende Tätigkeit bezüglich der Auswahl, Wertung und Beschriftung der radiologischen Abbildungen.
Sofern dies im Text nicht anders vermerkt ist, stammen sämtliche neuroradiologischen Abbildungen aus dem Alfried Krupp Krankenhaus, um eine einheitliche Bildqualität zu gewährleisten.
Es ist naturgemäß nicht einfach, bei vielen Autoren ein Buch »aus einem Guss« herzustellen.
Jeder der Kapitelautoren hat sein Thema aber aus dem Klinikalltag erarbeitet und mit Praxisbezug
dargestellt – der tagtägliche Umgang mit den neurologischen Krankheitsbildern ist den Kapiteln
anzumerken. Bei allen Bemühungen um einen einheitlichen Stil sind individuelle Schwerpunkte in
ihrer Wertung erhalten geblieben – gelegentliche Redundanzen aus der Sicht unterschiedlicher
Autoren sind dabei durchaus erwünscht.
Einen wesentlichen Anteil an der sprachlichen Strukturierung des Gesamtwerkes haben die
Lektoren, Herr Dr. Stefan Meyring sowie Frau Dr. Karen Strehlow (Springer-Verlag), denen ich an
dieser Stelle herzlich danke.
Autoren und Herausgeber wünschen sich, daß das vorliegende Lehrbuch der klinischen Neurologie einen praktischen Begleiter im Praxis- und Klinikalltag, ein verlässliches Nachschlagewerk
und eine kompetente Vorbereitungshilfe für die Facharztprüfung darstellt. Anregungen und Verbesserungsvorschläge aus dem Leserkreis sind uns stets willkommen.
Essen, im Sommer 1999
Peter Berlit
IX
Inhaltsübersicht
I
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II
Muskelerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
III
Erkrankungen des peripheren Nervensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305
IV
Erkrankungen des Rückenmarks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457
V
Erkrankungen des Gehirns und seiner Hüllen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567
VI
Multilokuläre neurologische Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1103
VII
Neurologie und innere Medizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1223
VIII
Neuropsychiatrie und Psychosomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1285
IX
Begutachtung und Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1347
Farbtafeln
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1381
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1385
XI
Inhaltsverzeichnis
I
Grundlagen
1
Neuroanatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
D. Graf von Keyserlingk
III
Erkrankungen des peripheren
Nervensystems
3
13
Nervenwurzelläsionen . . . . . . . . . . . . . .
307
M. Stöhr
2
Neurophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
R.F. Schmidt
3
Klinische Neurogenetik:
DNA-Diagnostik und Beratungsaspekte . .
Neurophysiologische Diagnostik . . . . . . .
Läsionen peripherer Nerven . . . . . . . . . . 324
Bearbeitet von K. Scheglmann, Stephanie Gierer,
Stephan Gierer, M. Stöhr
15
Erkrankungen der Hirnnerven und
des Hirnstamms . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
J.T. Epplen, A. Epplen
4
14
78
360
P. Berlit
J.C. Wöhrle
16
5
Neurosonologische Diagnostik . . . . . . . .
114
Polyneuropathien . . . . . . . . . . . . . . . . . .
414
A. Engelhardt
C. Klötzsch, R.R. Diehl
17
6
Liquordiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . .
136
H. Reiber
7
8
171
Neuropathologische Beispiel-Diagnostik . .
199
IV
18
E. Neuen-Jacob
9
Muskelerkrankungen – Diagnostische
Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Erkrankungen des Rückenmarks
Spinale Syndrome . . . . . . . . . . . . . . . . .
459
B. Ende-Henningsen
19
Muskelerkrankungen
439
D. Linden, R. R. Diehl
Neuroradiologische Diagnostik . . . . . . . .
A. Dörfler, M. Forsting, M. Rijntjes, C. Weiller
II
Erkrankungen des autonomen Nervensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Blasenfunktionsstörungen . . . . . . . . . . .
471
E. Möbius
20
231
Syringomyelie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
482
H. Henningsen
S. Zierz
21
10
Muskeldystrophien, Myotonien und
metabolische Myopathien . . . . . . . . . . . .
Entzündliche, endokrine und toxische
Muskelerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . .
480
S. Knecht
236
22
K. Eger, K. Traufeller, M. Deschauer,
W. J. Schulte-Mattler, S. Zierz
11
Entzündliche Rückenmarkerkrankungen . .
Vaskuläre Erkrankungen des Rückenmarks
499
H. Henningsen
23
Spinale Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . .
R. Reilmann, H. Henningsen
510
24
Funikuläre Myelose . . . . . . . . . . . . . . . . .
529
277
K. Traufeller, S. Zierz
12
Erkrankungen der neuromuskulären
Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
K. Traufeller, S. Zierz
B. Ende-Henningsen
293
25
Zervikale Myelopathie . . . . . . . . . . . . . .
535
H. Henningsen
26
Motoneuronerkrankungen . . . . . . . . . . .
A. C. Ludolph
541
XII
Inhaltsverzeichnis
27
Toxische Myelopathien . . . . . . . . . . . . . .
561
41
A.C. Ludolph
28
Strahlenmyelopathie . . . . . . . . . . . . . . .
564
42
P. Berlit
V
Erkrankungen des Gehirns und
seiner Hüllen
29
Funktion und Symptomatik einzelner
Hirnregionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schädel-Hirn-Trauma . . . . . . . . . . . . . . . 1074
E. Rumpl
Hirntod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1096
P. Berlit, E. Rumpl
VI
Multilokuläre neurologische Erkrankungen
43
Multiple Sklerose . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1105
H. Wiethölter
569
44
R.R. Diehl
Leukodystrophien . . . . . . . . . . . . . . . . . 1138
H. Wiethölter
30
Kopf- und Gesichtsschmerzen . . . . . . . . .
587
45
Bearbeitet von R. F. Schmidt, H. D. Langohr,
J. M. Klotz, P. Berlit
31
Hirntumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
630
Fehlbildungen des zentralen
Nervensystems und des kraniozervikalen
Übergangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1148
G. Göhlich, T. Voit
J. Röther
46
32
Entzündliche Erkrankungen . . . . . . . . . .
664
Bearbeitet von E. Schmutzhard,
W. Enzensberger, M. Schwarz
33
Liquorzirkulationsstörungen . . . . . . . . . .
Stoffwechselerkrankungen des
Nervensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1156
G. Göhlich, T. Voit
47
Phakomatosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1173
A. Ferbert, L. Bergmann
48
Vaskulitiden, rheumatoide Arthritis
und Kollagenosen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1183
709
J. Röther
34
Bewusstseinsstörungen . . . . . . . . . . . . . .
720
Bearbeitet von R.W.C. Janzen, P. Berlit
35
P. Berlit
Die Epilepsien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bearbeitet von B. Tettenborn,
A.-E. Bredel-Geissler, G. Krämer
741
Nichtepileptische Anfälle . . . . . . . . . . . .
799
49
50
36
Neurosarkoidose . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1199
H. Wiethölter
Paraneoplastische Syndrome . . . . . . . . . . 1204
P. Berlit
K.-H. Krause
51
37
Störungen der Schlaf-Wach-Regulation . .
814
Alkoholfolgeerkrankungen . . . . . . . . . . . 1213
L. Bergmann, A. Ferbert
K.-H. Krause
38
Demenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bearbeitet von M. Hüll, J. Bauer,
M. Daffertshofer
819
Bewegungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . .
846
VII
Neurologie und innere Medizin
52
Endokrine und Stoffwechselerkrankungen 1225
H.-C. Blossey
39
40
Bearbeitet von A. O. Ceballos-Baumann,
M. Schwarz, K. Wessel, T. Weiland, S. Meyring
53
Vaskuläre Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . 941
Bearbeitet von P. Berlit, C. Klötzsch, O. Popescu,
J. Rudolf, M. Grond, E.B. Ringelstein, H. Griese,
O. Busse, H.-C. Nahser, D. Kühne, E. Berg-Dammer,
H. Henkes, W. Jänisch
54
Kardiale Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . 1243
T. Budde
Gerinnungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . 1264
P. T. Sawicki
55
Pulmonale Erkrankungen bei
neurologischen Patienten . . . . . . . . . . . . 1278
G. Maschmeyer
Inhaltsverzeichnis
VIII
Neuropsychiatrie und Psychosomatik
56
Psychiatrische Syndrome und
Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1287
M. Grözinger, J. Röschke
57
Psychosomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1320
G. Heuft, M. Langkafel
IX
Begutachtung und Rehabilitation
58
Begutachtung in der neurologischen
Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1349
P.-W. Schönle
Farbtafeln
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1381
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1385
XIII
XV
Mitarbeiterverzeichnis
Bauer, Joachim, Prof. Dr.
Psychiatrische Universitätsklinik,
Neurobiologisches Labor,
Hauptstr. 5, 79104 Freiburg
Daffertshofer, Michael,
Priv.-Doz. Dr.
Neurologische Universitäts-Klinik,
Klinikum Mannheim, TheodorKutzer-Ufer, 68135 Mannheim
Berg-Dammer, Elisabeth, Dr.
Klinik für Neurologie mit Klinischer
Neurophysiologie, Alfried Krupp
Krankenhaus, Alfried-Krupp-Str. 21,
45131 Essen
Bergmann, Lars, Dr.
Neurologische Klinik,
Städtische Kliniken Kassel,
Mönchebergstr. 41–43, 34125 Kassel
Berlit, Peter, Prof. Dr.
Klinik für Neurologie mit Klinischer
Neurophysiologie, Alfried Krupp
Krankenhaus, Alfried-Krupp-Str. 21,
45131 Essen
Blossey, Hans-Christian, Prof. Dr.
Arzt für Innere Medizin – Endokrinologie, Wilhelmshöher Allee 253–255,
34131 Kassel
Epplen, Jörg Thomas, Prof. Dr.
Institut für Molekulare Humangenetik
der Ruhr-Universität
Universitätsstr. 150, 44780 Bochum
Ferbert, Andreas, Prof. Dr.
Deschauer, Marcus, Priv.-Doz. Dr.
Universitätsklinik und Poliklinik
für Neurologie, Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg,
Ernst-Grube-Str. 40,
06097 Halle (Saale)
Diehl, Rolf R., Priv.-Doz. Dr.
Klinik für Neurologie mit Klinischer
Neurophysiologie, Alfried Krupp
Krankenhaus, Alfried-Krupp-Str. 21,
45131 Essen
Neurologische Klinik,
Städtische Kliniken Kassel,
Mönchebergstr. 41 – 43, 34125 Kassel
Forsting, Michael, Prof. Dr.
Neuroradiologische Abteilung,
Universitätsklinikum Essen,
Hufelandstr. 55, 45122 Essen
Gierer, Stephan, Dr.
Königstr. 23, 89407 Dillingen
Gierer, Stephanie, Dr.
Dörfler, Arnd, Prof. Dr.
Abteilung für Neuroradiologie,
Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg, Schwabachanlage 6, 91054 Erlangen
Königstr. 23, 89407 Dillingen
Göhlich, Gudrun, Dr.
Kinder- und Jugendärztin,
Neuropädiatrie,
Wiederholdstr. 24, 70174 Stuttgart
Eger, Katharina, Dr.
Griese, Harald, Dr.
Klinik und Poliklinik für Neurologie,
Johannes Gutenberg-Universität
Mainz, Langenbeckstr. 1, 55131 Mainz
Universitätsklinik und Poliklinik
für Neurologie, Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg,
Ernst-Grube-Str. 40,
06097 Halle (Saale)
Budde, Thomas, Prof. Dr.
Ende-Henningsen, Bettina, Dr.
Klinik für Innere Medizin I und
Kardiologie, Alfried Krupp Krankenhaus, Alfried-Krupp-Str. 21,
45131 Essen
Am Eiskeller 14, 21339 Lüneburg
Neurologische Abteilung,
Kreiskrankenhaus Siegen,
Weidenauer Str. 76, 57076 Siegen
Engelhardt, Andreas, Prof. Dr.
Grözinger, Michael, Priv.-Doz. Dr.
Busse, Otto, Prof. Dr.
Neurologische Klinik, Evangelisches
Krankenhaus, Steinweg 13 – 17,
26122 Oldenburg
Psychiatrische Universitätsklinik,
RWTH Aachen, Pauwelsstr. 30,
52074 Aachen
Postfach 2265,
32379 Minden
Enzensberger, Wolfgang, Prof. Dr.
Henkes, Hans, Priv.-Doz. Dr.
Ceballos-Baumann, Andrés O.,
Prof. Dr.
Privatpraxis für Neurologie,
Gartenstr. 134,
60596 Frankfurt
Neurologisches Krankenhaus,
Tristanstr. 20, 80804 München
Klinik für Allgemeine Röntgendiagnostik und Neuroradiologie,
Alfried Krupp Krankenhaus,
Alfried-Krupp-Str. 21, 45131 Essen
Epplen, Andrea, Dr.
Bredel-Geissler, Anne-Elisabeth, Dr.
Institut für molekulare Humangenetik
der Ruhr-Universität,
Universitätsstr. 150, 44780 Bochum
Klinik für Rehabilitation,
Am Brinkkamp 15, Bad Oeynhausen
Grond, Martin, Prof. Dr.
Henningsen, Henning, Prof. Dr.
Klinik für Neurologie,
Städtisches Klinikum Lüneburg,
Bögelstr. 1, 21339 Lüneburg
XVI
Mitarbeiterverzeichnis
Heuft, Gereon, Prof. Dr.
Kühne, Dietmar, Prof. Dr.
Popescu, Octavian, Dr.
Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie,
Westfälische Wilhelms-Universität
Münster, Domagkstr.11,
48149 Münster
Klinik für Allgemeine Röntgendiagnostik und Neuroradiologie,
Alfried Krupp Krankenhaus,
Alfried-Krupp-Str. 21, 45131 Essen
Arzt für Neurologie,
Schillerstr. 14, 72160 Horb
Reiber, Hansotto, Prof. Dr.
Mühlenstr. 3c, 37073 Göttingen
Langkafel, Mathias, Dr.
Hüll, Michael, Priv.-Doz. Dr.
Klinikum der Albert-LudwigsUniversität Freiburg,
Universitätsklinik für Psychiatrie
und Psychosomatik,
Hauptstr. 5, 79104 Freiburg
Jänisch, Werner, Prof. Dr.
Klinik für Psychotherapie und
Psychosomatik, Universitätsklinikum
Essen, Virchowstr. 174, 45147 Essen
Langohr, Hans Dieter, Prof. Dr.
Klinik für Neurologie und Neurophysiologie, Städtisches Klinikum
Fulda, Pacelliallee 4, 36043 Fulda
Zu den Eichen 2, 14772 Brandenburg
Linden, Dieter, Dr.
Janzen, Rudolf W. C., Prof. Dr.
Neurologische Klinik, Krankenhaus
Nordwest, Steinbacher Hohl 2–26,
60488 Frankfurt
Keyserlingk, Diedrich Graf von,
Prof. Dr.
Institut für Anatomie I, Universitätsklinikum der RWTH Aachen,
Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen
Klotz, Jürgen M., Dr.
Klinik für Neurologie und Neurophysiologie, Städtisches Klinikum
Fulda, Pacelliallee 4, 36043 Fulda
Klinik für Neurologie mit Klinischer
Neurophysiologie, Alfried Krupp
Krankenhaus, Alfried-Krupp-Str. 21,
45131 Essen
Ludolph, Albert C., Prof. Dr.
Neurologische Universitäts-Klinik,
Steinhövelstr. 9, 89075 Ulm
Abteilung Akutneurologie der
Kliniken Schmieder,
Zum Tafelholz 8, 78476 Allensbach
Klinik und Poliklinik für Neurologie,
Westfälische Wilhelms-Universität
Münster, Albert-Schweitzer-Str. 33,
48129 Münster
Rijntjes, Michel, Dr.
Klinik und Poliklinik für Neurologie,
Universitätskrankenhaus HamburgEppendorf, Martinistr. 52,
20246 Hamburg
Ringelstein, E. Bernd, Prof. Dr.
Klinik und Poliklinik für Neurologie,
Westfälische Wilhelms-Universität,
Albert-Schweitzer-Str. 33,
48129 Münster
Röschke, Joachim, Prof. Dr.
Maschmeyer, Georg, Prof. Dr.
Medizinische Klinik Hämatologie
und Onkologie, Klinikum Ernst
von Bergmann, Charlottenstr. 72,
14467 Potsdam
Meyring, Stefan, Dr.
Klötzsch, Christof, Prof. Dr.
Reilmann, Ralf, Dr.
Neurologische Abteilung,
St. Lukas Klinik, Schwanenstr. 132,
42697 Solingen
St. Valentinus Krankenhaus,
Suttonstr. 24, 65399 Kiedrich
Röther, Joachim, Prof. Dr.
Neurologische Klinik,
Klinikum Minden, Friedrichstr. 17,
32427 Minden
Rudolf, Jobst, Priv.-Doz. Dr.
Adelfon Emmanuil 16, Kato Toumba,
54454 Thessaloniki, Griechenland
Möbius, Eckhard, Dr.
Knecht, Stefan, Prof. Dr.
Klinik und Poliklinik für Neurologie,
Westfälische Wilhelms-Universität,
Albert-Schweitzer-Str. 33,
48129 Münster
Klinik für Neurologie mit Klinischer
Neurophysiologie, Alfried Krupp
Krankenhaus, Alfried-Krupp-Str. 21,
45131 Essen
Rumpl, Erik, Prof. Dr.
Neurologische Abteilung,
Landeskrankenhaus Klagenfurt
St. Veiter Str. 47, 9026 Klagenfurt,
Österreich
Nahser, Hans-Christean, Dr.
Krämer, Günter, Dr.
Schweizerische Epilepsie-Klinik,
Bleulerstr. 60, 8008 Zürich, Schweiz
Krause, Klaus-Henning, Prof. Dr.
Friedrich-Baur-Institut,
Medizinische Universitätsklinik
Innenstadt, Ziemssenstr. 1a,
80336 München
Consultant Neuroradiologist,
The Walton Centre for Neurology
and Neurosurgery, Lower Lane,
Fazakerley, Liverpool L9 7LJ,
Großbritannien
Sawicki, Peter T., Prof. Dr.
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen,
Dillenburger Str. 27, 51105 Köln
Scheglmann, Konrad, Dr.
Neuen-Jacob, Eva, Priv.-Doz. Dr.
Institut für Neuropathologie, Universitätsklinikum Düsseldorf,
Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf
Neurologische Klinik, Zentralklinikum
Augsburg, Stenglinstr. 2,
86156 Augsburg
XVII
Mitarbeiterverzeichnis
Schmidt, Robert F., Prof. Dr.
Weiland, Tobias, Dr.
Physiologisches Institut der
Universität Würzburg,
Röntgenring 9, 97070 Würzburg
Neurologische Klinik, Städtisches Klinikum, und Forschungsgesellschaft
für Kognitive Neurologie, Institut
an der TU Braunschweig,
Salzdahlumer Str. 90,
38126 Braunschweig
Schmutzhard, Erich, Prof. Dr.
Universitätsklinik für Neurologie,
Neurologische Intensivstation,
Anichstr. 35, 6020 Innsbruck,
Österreich
Weiller, Cornelius, Prof. Dr.
Schönle, Paul-Walter, Prof. Dr. Dr.
Neurologische Universitätsklinik,
Universitätsklinikum Freiburg,
Breisacherstr. 64, 79106 Freiburg
NRZ Magdeburg, Gustav-Ricker-Str. 4,
39120 Magdeburg
Wessel, Karl, Prof. Dr.
Neurologische Klinik und Poliklinik,
Universität Regensburg,
Universitätsstr. 84, 93053 Regensburg
Neurologische Klinik, Städitsches
Klinikum, und Forschungsgesellschaft
für Kognitive Neurologie,
Institut an der TU Braunschweig,
Salzdahlumer Str. 90,
38126 Braunschweig
Schwarz, Michael, Prof. Dr.
Wiethölter, Horst, Prof. Dr.
Neurologische Klinik,
Städtische Kliniken Dortmund,
Beurhausstr. 40,
44137 Dortmund
Bürgerhospital, Neurologische Klinik,
Tunzhofer Str. 14–16,
70191 Stuttgart
Schulte-Mattler, Wilhelm J.,
Priv.-Doz. Dr.
Wöhrle, Johannes C., Priv.-Doz. Dr.
Stöhr, Manfred, Prof. Dr.
Fritz-Strassmannstr. 35,
86156 Augsburg
Neurologische Klinik im Klinikum der
Stadt Mannheim der Universität
Heidelberg, Theodor-Kutzer-Ufer 1–3,
68135 Mannheim
Tettenborn, Barbara, Priv.-Doz. Dr.
Klinik für Neurologie,
Kantonsspital St. Gallen,
Rohrschacherstr. 95,
9007 St. Gallen, Schweiz
Traufeller, Kathrin, Dr.
Universitätsklinik und Poliklinik
für Neurologie,
Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg, Ernst-Grube-Str. 40,
06097 Halle (Saale)
Voit, Thomas, Prof. Dr.
Klinik und Poliklinik für Kinderund Jugendmedizin,
Zentrum für Kinderheilkunde,
Abteilung für Allgemeine Pädiatrie,
Universitätsklinikum Essen,
Hufelandstr. 55, 45122 Essen
Zierz, Stephan, Prof. Dr.
Universitätsklinik und Poliklinik für
Neurologie, Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg, Ernst-Grube-Str. 40,
06097 Halle (Saale)
I
Grundlagen
1 Neuroanatomie – 3
D. Graf von Keyserlingk
2 Neurophysiologie
– 32
R. F. Schmidt
3 Klinische Neurogenetik: DNA-Diagnostik
und Beratungsaspekte – 58
J.T. Epplen, A. Epplen
4 Neurophysiologische Diagnostik – 78
J. C. Wöhrle
5 Neurosonologische Diagnostik – 114
C. Klötzsch, R. R. Diehl
6 Liquordiagnostik
– 136
H. Reiber
7 Neuroradiologische Diagnostik – 171
A. Dörfler, M. Forsting, M. Rijntjes, C. Weiller
8 Neuropathologische Biopsie-Diagnostik – 199
E. Neuen-Jacob
1
1 Neuroanatomie
D. Graf von Keyserlingk
1.1
Großhirnrinde: Neokortex – 3
1.1.1
1.1.2
1.1.3
Allgemeiner Aufbau – 3
Topographische Organisation – 4
Element des Neokortex – 6
1.6.2
1.6.3
Element der Formatio reticularis – 17
Leitungsbahnen – 18
1.7
Aktivierungssysteme – 18
Klassisches Aktivierungssystem – 19
Serotoninerges System – 20
Noradrenerges System – 21
Dopaminerges System – 21
Cholinerges System – 22
1.2
Limbisches System – 7
1.2.1
1.2.2
1.2.3
Archilimbisches System – 7
Element der Hippokampusformation – 8
Paleolimbisches System – 9
1.7.1
1.7.2
1.7.3
1.7.4
1.7.5
1.3
Basalganglien – 10
1.8
Rückenmark – 22
1.3.1
1.3.2
Topographische Organisation – 10
Element der Basalganglien – 11
1.8.1
1.8.2
1.8.3
Topographische Organisation der Afferenzen – 22
Topographische Organisation der Efferenzen – 24
Element des Rückenmarks – 25
1.4
Thalamus – 12
1.4.1
1.4.2
Topographische Organisation – 12
Element des Thalamus – 14
1.9
Blutversorgung – 26
1.9.1
1.9.2
1.9.3
1.9.4
1.9.5
1.9.6
Arterien des Gehirns – 26
Circulus Willisii – 29
Arterien des Rückenmarks – 29
Venen des Gehirns – 29
Sinus durae matris – 30
Venen des Rückenmarks – 31
1.5
Kleinhirn – 14
1.5.1
1.5.2
Topographische Organisation – 15
Element des Kleinhirns – 15
1.6
Hirnstamm – 16
1.6.1
Topographische Organisation – 16

Neurologische Beobachtungen in der Klinik lassen sich
häufig auf die Anatomie und die Entwicklungsgeschichte
des Nervensystems zurückführen. Wenn man in der Vielzahl der Strukturen und Zusammenhänge des Gehirns
versucht, wesentliche Bauprinzipien zu erkennen, so fallen
vor allem zwei Gegebenheiten auf: der modulare Aufbau
und die topographische Organisation des zentralen
Nervensystems.
Modularer Aufbau heißt, dass die Gehirnteile aus vielen kleinen, in gewissen Grenzen variierenden Elementen
bestehen. Die topographische Organisation und der Bau
aus modularen Elementen sind im Folgenden in den Vordergrund gestellt worden, weil beide zusammen dazu
führen, das Gehirn als Ganzes zu verstehen.
Literatur – 31
1.1
Großhirnrinde: Neokortex
1.1.1 Allgemeiner Aufbau
Die Oberflächenansicht des Großhirns ist durch Gyri und
Sulci gekennzeichnet. Die Orientierungsfurche auf der lateralen Ansicht ist der Sulcus lateralis, auch Fissura Sylvii
genannt (⊡ Abb. 1.1 a). Der R. posterior des Sulcus lateralis
trennt den Frontallappen und den Parietallappen vom
Temporallappen und liefert den Zugang zur Insel. Der
R. horizontalis und der R. ascendens schneiden in den Gyrus frontalis inferior ein. Die zweite Hauptfurche ist der
Sulcus centralis, der 1 cm hinter dem Scheitelpunkt der
Mantelkante beginnt und in einem Winkel von etwa 70°
gegen die Horizontale nach vorn in Richtung auf den Sulcus
lateralis zieht. Der Sulcus centralis trennt den Frontallappen vom Parietallappen. Auf der Medianseite (⊡ Abb. 1.1 b)
kennzeichnet vorne der Sulcus cinguli die Mitte zwischen
Balken und Mantelkante. Der Sulcus calcarinus beginnt wenige Millimeter vom Okzipitalpol entfernt und verläuft
S-förmig in Richtung auf das Splenium des Balkens. Er
mündet in den Sulcus parietooccipitalis, der den Parietal-
4
Kapitel 1 · Neuroanatomie
A
1
ruft (Areae corticae, Rindenfelder). Ein Rindenfeld ist definitionsgemäß ein Rindenbezirk, der durch einheitlichen
Schichtenaufbau gekennzeichnet ist und sich vom Schichtenbau des benachbarten Feldes unterscheidet.
5
7
8
9
39
44
47
18
22
37
21
38
20
B
a
1.1.2 Topographische Organisation
40
46
45
11
2
4
6
10
31
43 41
17
19
42 52
C
3 1
6
8
2
4
32
9
5
24
7
23
10
D
19
31
25
34
11
28
38
b
18
F
37
20
36
35
18
19
E
17
26
⊡ Abb. 1.1 a, b. Laterale (a) und mediane (b) Ansicht der Großhirnhemisphäre mit Brodmann-Arealen. A Sulcus centralis, B Sulcus lateralis, C Sulcus cinguli, D Sulcus parietooccipitalis, E Sulcus calcarinus,
F Sulcus collateralis. Die Zahlen geben die entsprechenden Brodmann-Areale an
lappen vom Okzipitallappen trennt. Der Sulcus collateralis
trennt den medialen Teil des Temporallappens vom lateralen. Die Großhirnrinde besitzt einen entwicklungsgeschichtlich jüngeren Teil, den Neokortex, und einen
entwicklungsgeschichtlich älteren Teil, den limbischen
Kortex.
Die Rinde besteht aus Gruppen zusammengehörender
Nervenzellen, die die Rinde säulenförmig bzw. streifenförmig senkrecht durchsetzen (Columnae corticae, Rindensäulen). Die Nervenzellen einer Säule reagieren gleich auf
ein experimentelles Merkmal. Die Ausdehnung einer Säule
beträgt je nach Lokalisation in der Großhirnrinde zwischen
0,03 und 0,5 mm. Die Säulen können auch ineinander verschachtelt sein. Säulen verschiedener Lokalisation und
Funktion unterscheiden sich histologisch in Größe, Art und
Dichte der Nervenzellen.
Die seitliche Aneinanderreihung von Säulen gleichen
Typs führt zu der charakteristischen Lamellierung der Rinde, die mikroskopisch die Erscheinung eines Feldes hervor-
Die topographische Organisation des Neokortex prägt
sich in der histologischen Felderung der Großhirnrinde
aus. Diese Felderung diente schon lange als Grundlage
für Hirnkarten. Die zytoarchitektonische Karte von
Brodmann ist die älteste und nach Verbesserung durch die
myeloarchitektonischen Befunde von Vogt auch heute
noch die gebräuchlichste histologische Karte (⊡ Abb. 1.1).
Anderen Hirnkarten liegen elektrophysiologische Messungen zugrunde. In der Terminologie dieser Karten steht M
für Motorik, S für Sensibilität, V für Vision und A für
Akustik.
Je nach Art der Informationsverarbeitung in den Feldern unterscheidet man Projektionsareale, unimodale und
multimodale Assoziationsareale in der Großhirnrinde.
Motorische Rinde
Zur motorischen Rinde gehören alle Regionen des Frontallappens, von denen sich eine Bewegung durch elektrische
Reizung auslösen lässt. Es sind dies das motorische Projektionsareal, Area 4 nach Brodmann, das unimodale Assoziationsfeld mit Area 6 (M I – Area 4 und 6), das supplementäre motorische Areal, das Augenfeld, Teil der Area 8,
und ein Teil der Broca-Region, Area 44 (⊡ Abb. 1.1). Im
Motorkortex ist die gegenüberliegende Körperhälfte kaudal/kranial von der dorsalen Mantelkante nach lateral bis an
den Sulcus lateralis heran repräsentiert. Weiterhin gibt es
eine anterior-posteriore Ordnung. Anterior in der Area 6
liegt der Bewegungsbeginn, ausgehend von der Halte- und
Stellmotorik des Rumpfes, während posterior in der Area 4,
am Sulcus centralis, die differenzierte willkürliche Feinmotorik folgt. Die Halte- und Stellmotorik, die mit wenigen,
großen motorischen Einheiten reguliert, nimmt weniger
Raum in der Großhirnrinde ein als die Feinmotorik mit
vielen, kleinen motorischen Einheiten. Eine Rindensäule
(sog. motorische Kolonie) mit Nervenzellen, die für eine
bestimmte Bewegung zuständig sind, hat einen Durchmesser von etwa 0,5 mm. Rindensäulen für verschiedene Bewegungen sind miteinander vermischt. Man spricht von frakturierter Repräsentation von Bewegungen. Die Säulen für
eine bestimmte Bewegung sind an einer Stelle konzentriert;
dort liegt das Epizentrum, von dort ausgehend sind die Säulen lockerer verteilt. Für die Verwirklichung einer Bewegung müssen mehrere solcher Säulen, eine Mikrozone, aktiviert werden. Eine Mikrozone setzt sich je nach Bewegungsziel und Verbindung mit anderen Bewegungen aus
verschiedenen Säulen zusammen. Die Kolonien der proximalen Stellmotorik umgeben wie ein Nest die Regionen der
5
1.1 · Großhirnrinde: Neokortex
6
5
3
1
4
2
⊡ Abb. 1.2. Somatotope Abbildungen in der Großhirnrinde. 1 Somatosensibles Areal SI, 2 somatosensibles Areal SII, 3 motorisches Areal
(Feinmotorik) am Sulcus centralis, 4 frontales Augenfeld, 5 prämotorisches Areal (Halte- und Stellmotorik), 6 supplementäres Areal
distalen Feinmotorik. Die Regionen der Feinmotorik sind
daher voneinander abgesetzt ( Homunkulus in Abb. 1.2).
Im unimodalen Assoziationsfeld, Area 6, beginnt der
Bewegungsablauf. Erst wird die für die geplante Bewegung
erforderliche Körperstellung eingenommen, dann folgt die
Feststellung der großen Gelenke und des Halteapparates,
und erst dann werden die fein differenzierten Bewegungen
der Hände, Füße, des Gesichts, der Zunge und der Stimmbildung ausgeführt. Das supplementäre motorische Feld,
das im Gegensatz zur M I bilateral projiziert, hat eine Bedeutung für den Bewegungsentwurf und für den Beginn
der Willkürbewegung. Schon die gedankliche Vorstellung
einer Bewegung führt zu einer erhöhten Durchblutung des
supplementären Feldes. Eine aktivierte Mikrozone im motorischen und prämotorischen Feld muss jedoch nicht notwendig zur Kontraktion führen. Die Ausführung kann
durch präfrontale Neurone blockiert werden.
Sensible Rinde
Die Empfindungen des Körpers laufen im vorderen Parietallappen zusammen. Es gibt 2 sensible Felder, S I und S II.
Der Gyrus postcentralis beherbergt S I, welches die Projektionsareale Area 3a und 3b sowie die unimodalen Assoziationsareale 2, 1 und 5 umfasst. Die Größe der Abbildung der
Körperteile ist proportional zur Dichte der Rezeptoren in
der Peripherie (⊡ Abb. 1.2). Der Streifen 3a liegt im Grund
des Sulcus centralis, hier enden die Projektionen der Tiefensensibilität und dazu Informationen aus dem vestibularen Organ. Der Streifen 3b befindet sich in der Hinterwand
des Sulcus centralis. Hier landen die Afferenzen von der
Körperoberfläche. Im folgenden Streifen, Area 1, in der
Kuppel des Gyrus postcentralis werden Tiefen- und Oberflächensensibilität spiegelbildlich zusammengeführt. Im
nächsten Streifen, Area 2, sind die Neurone nicht mehr
empfindlich auf einzelne Reize, sondern reagieren auf Reizserien, d. h. Reize in bestimmter Reihenfolge. In der Area 5
ist die Aktivität der Zellsäulen abhängig von Reizfolgen und
dazu von der Ausgangsstellung der Gelenke. S II liegt im
parietalen Operculum und entspricht den Brodmann-Arealen 40 und 43 (⊡ Abb. 1.1 und 1.2). Das sensible Feld S II
enthält eine grobe Somatotopie. Aktivitätssteigerungen von
Rindenneuronen lassen sich hier kontralateral und ipsilateral auslösen.
Die sensible Rinde projiziert in den Motorkortex.
Die Sensibilität ist unverzichtbare Voraussetzung für den
geordneten Ablauf von Bewegungen. Sie ist weiterhin erforderlich für die intellektuelle Vorstellung vom eigenen Körper und die Einordnung des eigenen Körpers im umgebenden Raum. Die Vorstellung von Tastempfindungen sind
zusammen mit Erfahrungen des Hörens und Sehens wichtig
für abstrakte Begriffsbildungen und das Denken.
Akustische Rinde
Die Hörrinde liegt auf der Oberseite des Gyrus temporalis
superior in der Heschl-Querwindung sowie in der umgebenden Rinde. Im akustischen Projektionsfeld A I entsprechend Area 41 und 42 nach Brodmann (⊡ Abb. 1.1) und in
umgebenden unimodalen Assoziationsfeldern findet man
eine tonhöhenabhängige Empfindlichkeit der Nervenzellen, eine tonotopische Gliederung. Im Projektionsfeld A I
liegt die Empfindlichkeit auf tiefe Töne lateral, die auf hohe
Töne inselnah. Ventrolateral schließt sich das akustische
Feld A II an, welches nicht tonotopisch geordnet ist. In der
Hörrinde sind einfache und komplexe akustische Signale in
Rindensäulen kodiert. Säulen mit komplexen Reaktionen
sind notwendig zum Musikverständnis, zur Einordnung
von Geräuschen und zur Erkennung der phonetischen Elemente der Sprache.
Visuelle Rinde
Die Sehrinde nimmt beim Menschen einen großen Teil der
Großhirnrinde ein. Sie dehnt sich als Projektionsfeld
Area 17 (V1) tief in der Furche des Sulcus calcarinus aus. Es
schließt sich die unimodale Assoziationsrinde mit der
Area 18 (V2) und mit der Area 19 (V3 und V4) an. Das
visuelle System reicht über den Okzipitallappen hinaus. Es
schließt ein das mittlere temporale Feld, MT (V5), das an
der Hinterwand des okzipitalen Endes des Sulcus temporalis superior liegt, und das mediale superiore temporale Feld,
MST (V5a), das an der gegenüberliegenden Vorderwand
des Sulcus temporalis liegt. Auch das inferotemporale Feld
mit den Brodmann-Arealen 20 und 21 ist Teil des visuellen
Systems.
Im Projektionsfeld Area 17 vereinigen sich die Informationen, die vom kontralateralen Gesichtsfeld über rechtes
1
6
1
Kapitel 1 · Neuroanatomie
und linkes Auge aufgenommen wurden. Die sich aus den
beiden Blickwinkeln ergebenden Unterschiede werden zur
Abschätzung der Raumtiefe genutzt. In der Sehrinde lassen
sich zwei Informationswege, deren Anfänge schon in der
Retina liegen, unterscheiden. Der Weg der Informationen
des räumlichen Sehens und der Bewegung von Gegenständen in der Raumtiefe verläuft vom Projektionsfeld
V1 über die Felder V2 und V3 zum mittleren Temporalfeld, V5, sowie zum medialen, superioren Temporalfeld,
V5a, und von dort über das Brodmann-Areal 7 zum motorischen frontalen Augenfeld. Der zweite Weg beginnt
schon abgesetzt vom ersten in der Area 17, läuft getrennt
weiter in den Feldern V2 und V3, mündet in das Feld
V4, in dem die farbempfindlichen Zellen konzentriert
sind, und setzt sich in die infratemporale Region zur
differenzierten Formerkennung fort. Differenzierte Formerkennung bedeutet Identifizierung von Gesichtern,
Handstellungen und komplizierten Schriftzeichen. Der
erste Weg befasst sich – vereinfacht gesagt – mit dem
Wo im Raum, der zweite Weg mit dem Was im Gesichtsfeld.
Multimodale Assoziationsrinde
Es gibt zwei multimodale Rindengebiete. Das hintere befindet sich am parietotemporalen Übergang und das vordere
vor der motorischen Rinde im Frontallappen.
Die parietotemporale multimodale Assoziationsrinde
mit den parietalen Arealen 7, 39 und 40 und den temporalen 22, 21 und 20 (⊡ Abb. 1.1) ist umgeben von unimodalen
Assoziationsgebieten des Fühlens, des Sehens und des Hörens. Beispielsweise findet man in der Area 7 Zellsäulen, die
nur auf visuelle Reize reagieren, andere, die nur bewegungssensibel sind, und schließlich multimodale, die sowohl auf
visuelle als auch auf bewegungsausgelöste Reize reagieren.
Die Neurone letzterer Art steigern ihre Aktivität bei Zielbewegungen im Gesichtsfeld. Die genannten Rindensäulen
sind vermischt. Alle multimodalen Gebiete sind beim Menschen wesentlich ausgedehnter als beim Affen und lassen
sich daher nicht genau tierexperimentell untersuchen. Die
Funktionen werden aus klinischen Beobachtungen geschlossen. Bei 95% der Menschen liegt die Sprachfunktion
in der linken Hemisphäre, die dann als sprachdominant
bezeichnet wird. Im hinteren Ende der Area 22 mit Übergang in die Area 39 und 40 befindet sich das sensorische
oder Wernicke-Sprachareal, in dem akustische, visuelle und
sensible Reize zu sprachlichen Begriffen vereinigt werden.
Umgeben ist das Wernicke-Sprachfeld nach anterior von
einer Region, die für das Verständnis von Geräuschen und
von gesprochenen Worten verantwortlich ist; nach okzipital
liegt die Region für das Erkennen und Benennen visueller
Objekte, nach parietal die Region für das Erkennen und
Lesen von Buchstaben und Zahlen. Auf der gegenüberliegenden, nicht sprachdominanten Seite liegt das Verständnis
für graphische Repräsentationen, Gestik, Mimik und musikalische Interpretation. Es handelt sich um abstrakte,
den eigenen und den umgebenden Raum betreffende Einheiten.
Das vordere multimodale Assoziationsareal entspricht
dem präfrontalen Areal. Mit elektrischer Reizung der präfrontalen Rinde lassen sich keine Bewegungen auslösen. Das
präfrontale Areal liegt vor der motorischen und der prämotorischen Rinde im Frontallappen. Ein Kennzeichen der
präfrontalen Neurone, die wie überall in Säulen geordnet
sind, ist eine länger anhaltende Aktivitätssteigerung nach
einem Reiz, wenn ein zweiter damit in Zusammenhang stehender Reiz zu erwarten ist. Die Reaktion erfolgt auf den
zweiten Reiz, nach der Regel: wenn … und wenn…, dann.
Das Intervall zwischen Ankündigungs- und Auslösungsreiz
kann bis zu 1 min dauern. Eine grobe topographische Ordnung scheint auch im präfrontalen Kortex zu bestehen. In
der Area 9, die vor dem frontalen Augenfeld liegt, muss der
Auslösereiz einen räumlichen Bezug haben. In der Area 10
muss der Ankündigungsreiz einen räumlichen Bezug haben.
In der dem Orbitadach aufliegenden Rinde, Area 11 und 12,
reagieren die Zellen auf visuelle, akustische, gustatorische
oder olfaktorische Reize nur, wenn ein emotioneller Bezug
besteht, d.h. die Reize müssen für das Tier mit einer angenehmen oder unangenehmen Erinnerung verbunden sein.
1.1.3 Element des Neokortex
Funktionelle Einheit des Neokortex ist eine Rindensäule,
die definitionsgemäß einheitlich auf ein experimentelles
Merkmal reagiert. Eine Rindensäule besteht aus vielen Zellen. Die Neurone der Rinde sind zu 80% Projektionsneurone, die histologisch als Pyramidenzellen erscheinen, und zu
20% Interneurone. Alle Axone, die die Rinde verlassen,
stammen von Pyramidenzellen. Der Transmitter der Pyramidenzellen ist das exzitatorisch wirkende Glutamat. Die
Großhirnrinde wirkt daher auf alle nachgeschalteten Neurone exzitatorisch. Die rückläufigen Axonkollateralen der
Pyramidenzellen enden an inhibitorischen Interneuronen.
Aktivierte Pyramidenzellen erzeugen daher eine umgebende Hemmung (⊡ Abb. 1.3). Die wichtigsten Interneurone
sind die Kandelaberzellen und die Korbzellen, die mit
GABA als Transmitter am Dendritenstamm bzw. am Perikaryon der Pyramidenzellen hemmend wirken. Die Doppelbouquetzellen sind ebenso inhibitorische Interneurone,
die aber an inhibitorischen Interneuronen ansetzen und so
die Pyramidenzellen enthemmen können. Die bipolaren
Zellen besitzen senkrecht ausgerichtete Dendriten und
Axone, die sich nur in einem schmalen Sektor ausbreiten.
Ihre Axone enden an Nervenzellen und an Blutgefäßen. Sie
setzen bei Aktivierung das vasoaktive intestinale Polypeptid (VIP) frei und fördern den Glukosestoffwechsel der
Nervenzellen und die lokale Durchblutung. Die Afferenzen
stammen aus 3 prinzipiellen Quellen: aus der Rinde, aus
dem Thalamus und von den Aktivierungssystemen des
Hirnstamms (⊡ Abb. 1.3).
7
1.2 · Limbisches System
zellen der Riechschleimhaut enden, setzt sich zum zentralen Nervensystem hin als Tractus olfactorius fort. Am basalen Telenzephalon angekommen, teilt sich der Tractus olfactorius in die Stria olfactoria medialis und die Stria
olfactoria lateralis (⊡ Abb. 1.4). Die Stria olfactoria medialis
zieht zum medialen oder archilimbischen System, sie endet
in der Septenregion. Die Stria olfactoria lateralis zieht nach
lateral zum paleolimbischen System in das Corpus amygdaloideum und zum Limen insulae. Sie endet im kortikomedialen Teil des Corpus amygdaloideum und in der
umgebenden Rinde.
8
1
1.2.1 Archilimbisches System
7
6
2
5
4
3
⊡ Abb. 1.3. Element des Neokortex. 1 Kortikale Assoziation (vorwärts), 2 Kommissurfasern, 3 transmitterspezifische Aktivierung,
4 subkortikale Projektion, 5 kortikale Assoziation (rückwärts), 6 doppelläufige spezifische Thalamusverbindung, 7 unspezifische thalamische Aktivierung, 8 umgebende Hemmung
Bei einigen kortikokortikalen Verbindungen wurde
eine Richtungsspezifität von den Projektionsarealen zu den
multimodalen Arealen gefunden. Die Vorwärtsafferenz endet in der 4. Rindenschicht, die Rückwärtsafferenz in der
1. und 5. Schicht (⊡ Abb. 1.3).
Zur Aktivierung einer Zellsäule müssen Erregungen
aus vielen Quellen zusammenkommen. Aktivierung einer
Zellsäule heißt, dass 50 – 100 Pyramidenzellen synchron
hochfrequente Impulsserien aussenden. Die damit verbundene Umgebungshemmung durch die Interneurone verhindert eine horizontale Ausbreitung der Erregung in der
Rinde. Die kortikale Schaltung der Neurone führt zu kleinen Volumeneinheiten in der Rinde, die miteinander in
Verbindung treten und insgesamt ein Netzwerk ergeben, in
dem die Informationen als Muster abgelegt sind. Bewusste
geistige Tätigkeit ist an eine Aktivität dieses kortikalen
Netzwerks gebunden.
1.2
Limbisches System
Limbischer Lappen und limbisches System sind zu unterscheiden. Der limbische Lappen ist der kaudale Rand des
Endhirns. Der Begriff »limbisches System« schließt die dazugehörigen tiefer gelegenen Strukturen und auch die
Funktionen mit ein. Der limbische Lappen und das limbische System sind entwicklungsgeschichtlich Abkömmlinge
des Riechhirns. Der Bulbus olfactorius, in dem die Sinnes-
Das mediale, archilimbische System ist beim Menschen für
das Gedächtnis allgemein und darüber hinaus für Geruch
verantwortlich. Zwischen dem medialen Rand der Großhirnhemisphären und dem Zwischenhirn befindet sich die
Fissura choroidea, die durch den Plexus choroideus des Seitenventrikels überbrückt wird (⊡ Abb. 1.7). Aus der Kante,
Limbus, des Endhirns an der Fissura choroidea entwickelt
sich der Archikortex. Diese ursprüngliche Rinde entwickelt
sich nicht überall gleich, und zwar aus folgendem Grund:
Im Laufe der Entwicklung hat sich an der medialen Kante
des Endhirns auch die Kommissur zwischen den beiden
Hemisphären, das Corpus callosum, vergrößert. Dort, wo
das Corpus callosum wächst, kommt es zu keiner nennenswerten Ausprägung des Archikortex. Nur im Temporallappen, wo ein Corpus callosum fehlt, hat sich die archilimbische Hippokampusformation kräftig entwickelt. Das Corpus callosum selbst ist mit einem dünnen archilimbischen
Relikt, dem Indusium griseum, überzogen. Der im weiteren
Bogen den Balken umgebende Gyrus cinguli wird dem limbischen System als Übergangsgebiet, Periarchikortex, zugeschrieben (⊡ Abb. 1.4). Histologisch entspricht die Rinde
des Gyrus cinguli bereits dem Neokortex. Nur am vorderen
Ende der Kommissur unter dem Rostrum des Balkens befindet sich in der sog. Septenregion noch nennenswerter
Archikortex. Im Temporallappen hat sich der Archikortex
in den Seitenventrikel hineingewölbt. Diese Vorwölbung
nennt man das Ammonshorn (⊡ Abb. 1.7). Der äußerste
Rand des Endhirns hat sich gezähnelt, er wird als Gyrus
dentatus bezeichnet. Die Rinde des Temporallappens, die in
das Ammonshorn übergeht und sich an den Gyrus dentatus
anlegt, ist das Subiculum. Gyrus dentatus, Ammonshorn
und Subiculum bilden zusammen die Hippokampusformation. Die Hippokampusformation steht über das Marklager
des Temporallappens in doppelläufiger Faserverbindung
mit der multimodalen Rinde der übrigen Hirnlappen
(⊡ Abb. 1.5). Die Verknüpfung mit der Septenregion und
dem Zwischenhirn erfolgt über den Fornix. Der Fornix
läuft an der Fissura choroidea entlang und liegt daher mit
einer Kante im Seitenventrikel. Der an der Hippokampusformation entlanglaufende Fornix nimmt bis zu dessen ok-
1
8
Kapitel 1 · Neuroanatomie
6
1
22
19
46
9
L.i.
7
3
4
a
5
1
23
24
2
25
19
35
12
6
28
36
38
3
19
20
L.i.
4
b
13
5
Medialer Archikortex
Lateraler Paleokortex
⊡ Abb. 1.4 a,b. Gehirn von lateral (a) und von medial (b) mit unnatürlicher Abwinkelung des Temporallappens. Archikortex mit hellrotem, Paleokortex mit dunkelrotem Muster. 1 Gyrus cinguli, 2 Fornix,
3 Tractus olfactorius, 4 vorderes Ende des Temporallappens, weggeklappt, 5 Uncus gyri parahippocampalis, darunter liegt der Mandelkern, 6 Septenregion
zipitalem Ende ständig Fasern aus ihm auf und gibt Fasern
an ihn ab. Der Fornix steht über die Commissura fornicis
mit der Gegenseite in Verbindung. Er senkt sich am vorderen Rand des Foramen interventriculare in die graue Substanz des Hypothalamus ein (⊡ Abb. 1.6) und schickt an
dieser Stelle über die Commissura anterior hinweg (präkommissuraler Teil des Fornix) Fasern in die Septenregion
(⊡ Abb. 1.6). Der größte Teil der Fasern verbleibt aber hinter der Commissura anterior (postkommissuraler Teil) und
endet im Corpus mamillare des Hypothalamus. Vom Corpus mamillare führt der Tractus mamillothalamicus zum
anterioren Kernkomplex des Thalamus (⊡ Abb. 1.6). Der
anteriore Kernkomplex projiziert in den Gyrus cinguli, der
über das Faserbündel im Mark des Gyrus cinguli, das Cin-
⊡ Abb. 1.5. Doppelläufige Verbindungen zwischen der Hippocampusformation und der multimodalen Assoziationsrinde des Neokortex. Die Zahlen auf den Abbildungen entsprechen den BrodmannArealen
gulum, Erregungen zum Subiculum bringt und damit in die
Hippokampusformation zurückführt. Diese Kreisschaltung
ist der Papez-Zyklus. Alle genannten Verbindungen der
Hippokampusformation sind topographisch organisiert,
d.h., sie enthalten räumlich-nachbarschaftliche Ordnungen,
die sowohl in die kortikalen wie in die subkortikalen Zielgebiete weitergegeben werden. Auch die Afferenzen zeigen
eine topographische Organisation.
1.2.2 Element der Hippokampusformation
Das archilimbische Element liegt in der Ebene quer zur
Hippokampusformation (⊡ Abb. 1.7). Das Element verknüpft kortikale und subkortikale Schaltkreise. Der Tractus
perforans trägt kortikale Erregung aus dem Subiculum und
der Area 28 nach Brodmann (Area entorhinalis) in die Hippokampusformation hinein. Die Fasern aus der Rinde der
9
1.2 · Limbisches System
14
12 13
1
2
f
3
e
c
11
b
d
10
4
9
5
a
Schaffer-Kollateralen weiter an die Pyramidenzellen von
CA2 und CA1. Die Pyramidenzellen entsenden einen
Axonzweig über den Fornix in subkortikale Zentren, einen
Axonzweig zurück in Richtung Area entorhinalis und damit Neokortex. Ein Element mit Körnerzellen und Pyramidenzellen kann in den Zustand der Langzeitpotenzierung
versetzt werden. Die Zellen treten nach mehrmaliger, in
kurzen Zeitabständen stattfindender Reizung in einen Zustand maximaler Aktivität ein, der Minuten bis Stunden
dauern kann. Dazu müssen folgende Bedingungen erfüllt
sein:
▬ Es muss mehr als eine Faser gleichzeitig aktiv sein
(Kooperation).
8
7
▬ Die Aktivierung muss eng begrenzt, also spezifisch
6
⊡ Abb. 1.6. Anterograde Projektion der Hippocampusformation.
1 Gyrus cinguli, 2 linker Fornix, 3 rechter Fornix, 4 Gyrus dentatus,
5 Gyrus parahippocampalis, 6 Thalamus, teilweise entfernt, 7 Corpus
mamillare, 8 Tractus mamillothalamicus, 9 Columna fornicis im Hypothalamus, 10 Lamina terminalis, 11 Septenregion, 12 präkommissuraler
Teil des Fornix, 13 postkommissuraler Teil des Fornix, 14 Commissura
fornicis, a Neuron in der Area entorhinalis, b Kommissurfasern, c Neuron im lateralen Septenkern, d Neuron im Corpus mamillare, e Neuron
im anterioren Kernkomplex des Thalamus, f Neuron im Gyrus cinguli.
Papez-Zyklus: a–d–e–f–a
9
8
10
2
7
12
3
1
4
11
6
5
⊡ Abb. 1.7. Element der Hippokampusformation. 1 Körnerzelle des
Gyrus dentatus, an der der Tractus perforans endet, 2 CA3-Pyramidenzelle, 3 CA1-Pyramidenzelle, 4 Pyramidenzelle des Subiculums, 5 Pyramidenzelle der Area entorhinalis mit Tractus perforans, 6 Pyramidenzelle des Subiculums mit Tractus alvearis, 7 Fornix, 8 Plexus choroideus, 9 Seitenventrikel, 10 Ammonshorn, 11 Subiculum, 12 Gyrus
dentatus
Area entorhinalis enden an den Dendriten der Körnerzellen des Gyrus dentatus und an den Spitzen der Pyramidenzellen. Die Körnerzellen geben ihre Aktivierungen weiter
über Moosfaserendigungen an die Pyramidenzellen von
Cornu amonis 4 und 3 (CA4 und CA3), diese leiten sie über
sein.
▬ Der Impuls der ankommenden Faser muss auf eine
bereits aktive Zelle treffen (Assoziation).
Wenn die Bedingungen erfüllt sind, können die Pyramidenzellen langanhaltende Impulsraten exportieren. Damit
schafft die Hippokampusformation die Möglichkeit, in ihren Zielgebieten synaptische Übertragungen dauerhaft zu
verändern.
Zunächst wird für ein Bewahren von Information für
eine gewisse Zeit im Gedächtnis der Papez-Zyklus verantwortlich gemacht. Beobachtungen zeigen, dass die bilaterale Zerstörung der Corpora mamillaria, des Tractus mamillothalamicus oder des Fornix das Kurzzeitgedächtnis und
die Abspeicherung im Langzeitgedächtnis schädigen. Die
doppelläufige Faserverbindung mit der Assoziationsrinde
des Neokortex schafft dann die Ausbildung des deklarativen Langzeitgedächtnisses. Die physikalische Ablage der
Information erfolgt im Neokortex. Wenn die exportierte
Langzeitpotenzierung aus der Hippokampusformation auf
eine Zellsäule im Neokortex trifft, die zur gleichen Zeit
schon aus anderen Quellen (Thalamus, Aktivierungssysteme, andere Rindensäulen) aktiviert wird, so führt das nach
dem Hebb-Prinzip zu Änderungen des neuronalen Zellstoffwechsels in der betroffenen Rindensäule. Der neue
Stoffwechsel führt zu einer Änderung der synaptischen
Übertragung. Eine veränderte synaptische Übertragung
bedeutet eine Änderung der Gewichtung im neuronalen
Netzwerk und damit eine Änderung des Musters der Großhirnrinde.
1.2.3 Paleolimbisches System
Das laterale, paleolimbische System ist für den Geruchssinn
für viszerale, vegetative und emotionale Reaktionen von
Bedeutung. Die Rinde der Insel und der Mandelkern sind
das morphologische Substrat (⊡ Abb. 1.4). Die Stria olfactoria lateralis aus dem Bulbus olfactorius endet in der paleolimbischen Rinde. Das Corpus amygdaloideum besitzt
3 Kernkomplexe: eine Pars corticomediale, eine Pars baso-
1
10
1
Kapitel 1 · Neuroanatomie
laterale und eine zentrale Kerngruppe (⊡ Abb. 1.8). Der
Mandelkern berührt am Uncus gyri parahippocampalis die
Oberfläche des Gehirns (⊡ Abb. 1.4). Er besteht an dieser
Stelle aus einer 3-schichtigen Rindenstruktur. Sie entspricht
dem kortikomedialen Kernkomplex. Weiter in der Tiefe des
Temporallappens ist die basolaterale Gruppe aufzusuchen.
Die zentrale Kerngruppe liegt in der Mitte des Mandelkerns. Das Corpus amygdaloideum steht über 3 Faserbündel mit dem übrigen ZNS in Verbindung (⊡ Abb. 1.8). Die
Stria terminalis verlässt den Kern hinten, sie zieht im Bogen
in der Rinne zwischen Thalamus und Nucleus caudatus
nach vorne zur Septenregion und zum Hypothalamus. Das
Broca-Diagonalband verlässt den Mandelkern vorne und
zieht zur Septenregion. Die basale Mandelkernstrahlung
entspricht dem unteren Thalamusstiel und stellt damit die
Verbindung des Mandelkerns mit dem Thalamus her. Der
Mandelkern erhält neben der Geruchsinformation aus dem
Bulbus olfactorius auch aus der Großhirnrinde, aus dem
Thalamus und vom Hirnstamm Afferenzen. Die Afferenzen aus dem Hirnstamm bringen Geschmacksempfindungen, Erregungen aus dem Eingeweidetrakt und Einflüsse
aus den Aktivierungssystemen. Die Projektionen des Mandelkerns erfolgen über den dorsomedialen Kern des Thalamus zum orbitofrontalen Geruchserkennungsfeld und zur
multimodalen präfrontalen Rinde. Die Versorgung der
präfrontalen Rinde fügt äußeren Reizen eine emotionelle
Komponente hinzu. Die Weiterleitung vom Mandelkern
über die Stria terminalis zum Nucleus ventromedialis des
Hypothalamus steht im Dienste des Vegetativums. Eine
Reizung dieses Bahnsystems führt zu vegetativ-motori1
1
11
2
10
schen Reaktionen wie Kauen, Lecken, Wechsel der Atemfrequenz, Änderung der Magenmotilität, Miktion und Defäkation. Fasern aus dem Mandelkern zum übrigen Hypothalamus, zum zentralen Höhlengrau des Mittelhirns und
zur Formatio reticularis des Hirnstamms vermitteln affektiv-motorische Reaktionen wie Arretierungs- und Orientierungs-, Wut- und Angstreaktionen. Im Mandelkern liegen Zellgruppen, die für verschiedene Funktionen verantwortlich sind, dicht nebeneinander. Daraus ergeben sich
viele Möglichkeiten der Wechselwirkung.
1.3
Basalganglien
Basalganglien (Stammganglien) sind Kerne des Endhirns,
des Zwischenhirns und des Mittelhirns, die funktionell zusammengehören. Sie umgeben die Capsula interna und
deren Fortsetzung, das Crus cerebri. Es handelt sich um den
Nucleus caudatus, das Putamen, den Globus pallidus, die
Substantia nigra und den Nucleus subthalamicus. Nucleus
caudatus und Putamen erfüllen gleiche Aufgaben und werden daher oft vereinfachend als Striatum zusammengefasst.
Der Globus pallidus besteht aus dem relativ eigenständigen
lateralen äußeren Pallidumsegment und dem medialen inneren Pallidumsegment. Die Substantia nigra besteht aus
einer Pars compacta und einer Pars reticulata. Die Pars
compacta enthält die mit dem schwarzen Pigment Melanin
gefüllten Neurone, die der Substanz den Namen gegeben
haben. Die lockere Pars reticulata liegt zwischen der Pars
compacta und dem Crus cerebri.
Etwa 90 % der Nervenzellen in den Basalganglien
sind Projektionsneurone, die ihre Erregung in einen
anderen Teil der Basalganglien weiterleiten. Der Rest
besteht aus Interneuronen mit lokaler Wirkung. Die
Großhirnrinde projiziert in das Striatum, d. h. in Nucleus caudatus und Putamen. Erregungen verlassen die Basalganglien über das innere Pallidumsegment und die Pars
reticulata der Substantia nigra. Diese Ausgangsstationen
entsenden ihre Fasern in den Thalamus, in die Colliculi
superiores und in den Nucleus pedunculopontinus des
Hirnstamms.
3
1.3.1 Topographische Organisation
9
4
8
7
6
5
⊡ Abb. 1.8. Anterograde Projektion des Corpus amygdaloideum.
1 Stria terminalis, 2 amygdalokortikale Projektion, 3 Temporallappen,
4 basale Mandelkernstrahlung, 5 Pars basolateralis des Mandelkerns,
6 Nucleus centralis, 7 Pars corticomedialis des Mandelkerns, 8 BrocaDiagonalband, 9 N.-opticus, 10 Commissura anterior, 11 Nucleus ventromedialis hypothalami
Alle Kerne der Basalganglien sind topographisch organisiert. Die sensomotorischen Projektionsfelder und die unimodalen Assoziationsfelder der Motorik und der Sensibilität projizieren in die motorischen Zonen der Basalganglien.
Das vordere und das hintere multimodale Assoziationsfeld
der Großhirnrinde entsenden Fasern in die assoziativen
Zonen der Basalganglien, der Mandelkern und die Hippokampusformation in die limbischen Zonen. Im Striatum
liegt die motorische Zone vorwiegend im Putamen, die assoziative Zone im Nucleus caudatus und die limbische im
1
11
1.3 · Basalganglien
Nucleus accumbens. Der Nucleus accumbens ist der Teil
des Kopfes des Nucleus caudatus, der unterhalb des Vorderhorns des Seitenventrikels im basalen Telenzephalon liegt.
Die Großhirnrinde erhält topographisch organisierte
Afferenzen aus den Basalganglien über den Thalamus.
Letztlich wirkt die motorische Zone der Basalganglien auf
das prämotorische Brodmann-Areal 6, die assoziative Zone
auf die Felder 8 und 9 und die limbische Zone auf das Areal 24 des Gyrus cinguli. Auch innerhalb der Zonen setzt sich
die topographische Organisation fort, z.B. mit der Kopf-,
Hand- und Fußregion der motorischen Zone (⊡ Abb. 1.9).
Die Efferenzen aus dem inneren Pallidumsegment und
der Pars reticulata, die in den Thalamus ziehen, enden im
Nucleus ventralis lateralis, im Nucleus ventralis anterior
und im Nucleus dorsomedialis thalami. Diese Thalamuskerne projizieren alle in den Frontallappen. Die Ausgangskerne der Basalganglien leiten darüber hinaus in die intralaminären und zentralen Kerne des Thalamus; von dort werden Axone in das Striatum und das äußere Pallidumsegment
entsandt.
1
2
1.3.2 Element der Basalganglien
Das Element der Basalganglien ist eine Folge synaptisch
verknüpfter Nervenzellen (⊡ Abb. 1.10). Es lassen sich unterscheiden:
1. ein kurzer direkter Weg vom Striatum zu den Ausgangskernen,
2. ein längerer indirekter Weg vom Striatum über das äußere Pallidumsegment zum Nucleus subthalamicus
und von dort zu den Ausgangskernen,
3. eine innere Schleife vom Striatum zur Pars compacta
der Substantia nigra und von dort zurück zum Striatum.
Die Neurone des Striatums, die in das innere Pallidum projizieren (direkter Weg), verwenden neben dem Transmitter
GABA als Neuromodulator die Substanz P. Die Neurone,
die vom Striatum in das äußere Pallidum projizieren (indirekter Weg), setzen mit GABA Enkephalin frei, während
die Neurone, die in die Substantia nigra projizieren (Dopaminschleife), sowohl Substanz K (Tachikinin) als auch Substanz P an den Synapsen abgeben.
Die Neurone des inneren Pallidumsegmentes und die
Pars reticulata verwenden GABA als Transmitter und wirken in Ruhe dämpfend auf den Thalamus und, da dieser
mit Glutamat erregend auf die Rinde wirkt, auch indirekt
3
Kortex
Glu
Glu
2
1
Glu
Ach
1
8
GABA
GPe
SP
GPi
EN
STRI
2
GABA
DA
3
2
SN
4
5
6
Th
1 GABA
2
ST
Te
PP
7
⊡ Abb. 1.9. Topographische Organisation in den Basalganglien.
1 Motorische Beinregion, 2 motorische Armregion, 3 motorische
Gesichtsregion, 4 Putamen, 5 äußeres Pallidumsegment, 6 inneres
Pallidumsegment, 7 Hinweis auf die anderen Basalganglien wie
Substantia nigra und Nucleus subthalamicus, 8 topographisch organisierter Nucleus ventralis lateralis thalami
⊡ Abb. 1.10. Schaltkreise in den Basalganglien. Th Thalamus, Te Tectum, PP Nucleus pedunculopontinus, GPe externes Pallidumsegment,
GPi internes Pallidumsegment, SN Substantia nigra, ST Nucleus subthalamicus, Glu Glutamat, GABA Gammaaminobuttersäure, SP Substanz P,
En Enkephalin, STRI Striatum, DA Dopamin, 1 direkter Weg, 2 indirekter
Weg, 3 Dopaminschleife
12
1
Kapitel 1 · Neuroanatomie
dämpfend auf die Rinde. Die hemmende Wirkung der
Ausgangsneurone können Projektionsneurone aus dem
Striatum aufheben, da diese ebenfalls GABA als Transmitter verwenden. Diese Situation ist gegeben, wenn aus der
Großhirnrinde durch Glutamat bedingte erregende Impulse im Striatum eintreffen. Der direkte Weg führt zu einer
positiven Rückkopplung in der Rinde, weil der Thalamus
durch die Basalganglien disinhibiert wird. In den indirekten Weg ist der Nucleus subthalamicus eingeschaltet, der
in seinen Zielgebieten Glutamat als Transmitter freisetzt.
Der Nucleus subthalamicus wirkt daher fördernd auf die
Ausgangskerne und verstärkt damit deren Thalamushemmung. Dem Nucleus subthalamicus ist ein GABAerges
Neuron aus dem äußeren Pallidumsegment vorgeschaltet,
auf welches das GABAerge Striatum wirkt. Eine Aktivierung des Striatums bedeutet also eine Disinhibierung des
Nucleus subthalamicus und damit eine Verstärkung der
Thalamushemmung. Der direkte Weg wirkt enthemmend
und der indirekte hemmend auf den Thalamus und in gleicher Weise auf die Colliculi superiores und den Nucleus
pedunculopontinus. Die Striatum-Pars-compacta-Schleife
mit GABA hin und Dopamin zurück wirkt hemmend auf
den indirekten und fördernd auf den direkten Weg. Die
Dopaminschleife wirkt damit direkt disinhibierend auf
den Thalamus und durch Schwächung der Disinhibition
des Nucleus subthalamicus auch indirekt disinhibierend,
weil der an sich hemmende Ausgang der Basalganglien
durch den Nucleus subthalamicus nicht mehr so stark gefördert wird.
Bei Dopaminmangel (Parkinson-Syndrom) geht diese
normale doppelte Enthemmung des Thalamus verloren.
Die in den Zonen der basalen Kerne parallel verlaufende topographisch organisierte Erregungsleitung wird durch
konzentrische Leitungen von Erregungen aus den assoziativen in die motorischen bzw. limbischen Zonen ergänzt.
Von der assoziativen Zone des äußeren Pallidumsegmentes
erfolgt eine Projektion auch in die motorische Zone des
Nucleus subthalamicus und von der assoziativen Zone des
Nucleus subthalamicus in die limbische Zone des inneren
Pallidumsegmentes. Auf diese Weise können Einflüsse der
multimodalen Großhirnrinde auf die willkürliche und die
instinktive Motorik zur Geltung gebracht werden.
Die Neuromodulatoren sorgen für eine Plastizität in der
Erregungsleitung.
Die in den Basalganglien weitergeleiteten Impulse werden nicht nur in unterschiedliche anatomische Bahnen,
sondern auch in ein unterschiedliches chemisches Milieu
gebracht. Die klassischen Transmitter bewirken eine synaptische Übertragung im Millisekundenbereich. Die peptidergen Substanzen werden erst bei höheren Impulsfrequenzen und bei länger anhaltenden Impulsserien an den
Synapsen freigesetzt. Sie modulieren daher den Transfer
der Impulsmuster in Abhängigkeit vom Gebrauch der Synapsen.
1.4
Thalamus
Der Thalamus nimmt den größten Raum im Zwischenhirn
ein. Der Name (griech.: Höhle) verweist auf die Lage dieser
kompakten Masse grauer Substanz in der Wand des Seitenund des III. Ventrikels. Der Thalamus wird in mehr als
50 Kerne unterteilt. Die großen Kerngruppen werden durch
Marklamellen voneinander getrennt. Zwischen der äußeren
Marklamelle und der Capsula interna befindet sich der Nucleus reticularis thalami. Eine innere, etwa in der Mitte des
Thalamus gelegene sagittal gestellte Lamina medullaris interna trennt die mediale von der lateralen Kerngruppe. Die
Lamina interna gabelt sich vorne und umfasst so den anterioren Kernkomplex.
1.4.1 Topographische Organisation
Die Projektionsneurone des Thalamus sind die Relaiszellen
(⊡ Abb. 1.11). Sie nehmen die Erregungen auf und leiten sie
in die Großhirnrinde topographisch organisiert weiter. Die
Relaiszellen der lateralen Kerngruppe enden im Neokortex,
vorwiegend in der Lamina IV (⊡ Abb. 1.3), sowohl in Projektions- als auch in uni- und multimodalen Assoziationsfeldern. Im Einzelnen werden folgende Kerne unterschieden:
▬ Der Nucleus ventralis posterior ist der sensible Thalamuskern. Er projiziert sowohl nach Submodalitäten
getrennt als auch Submodalitäten konvergierend in die
Großhirnrinde. In den Arealen 3a und 3b werden Tiefen- und Oberflächensensibilität in getrennte Rindensäulen übertragen, in den Arealen 2 und 1 werden sie in
Rindensäulen zusammengeführt.
▬ Der Nucleus geniculatus lateralis ist der visuelle Kern.
Die schon von der Retina mit dem Tractus opticus getrennt herangeführten Modalitäten Formsehen und
1
2
7
3
44
6
5
⊡ Abb. 1.11. Verknüpfung des Thalamus mit dem Neokortex.
1 Pyramidenzelle des Neokortex, 2 Neuron des Nucleus reticularis thalami, 3 Relaiszelle des Thalamus, 4 Interneurone des Thalamus, 5 spezifische Thalamusafferenz, 6 aktivierende Thalamusafferenz, 7 Interneurone
1.4 · Thalamus
▬
▬
▬
▬
▬
Bewegungssehen werden weiterhin getrennt in die
Sehrinde Area 17 weitergeleitet.
Der Nucleus geniculatus medialis ist der akustische
Kern. Er besteht aus einer Pars ventralis, die Erregungen aus dem zentralen Teil der Colliculi inferiores tonotopisch geordnet erhält und diese Ordnung in die primäre Hörrinde der Heschl-Querwindung weiterüberträgt. Eine Pars dorsalis erhält Impulse aus der
Randzone des Colliculus inferior, die nicht tonotopisch
gegliedert ist, und leitet diese weiter in die akustische
Assoziationsrinde (Area 52 bzw. A2). Die Pars medialis
des Nucleus geniculatus medialis empfängt nicht nur
akustische Meldungen aus dem Colliculus superior,
sondern auch sensible Afferenzen aus dem Lemniscus
medialis und aus dem Tractus spinothalamicus und leitet diese weiter in die multimodale Rinde um das akustische Feld, in die Area 22.
Der motorische Nucleus ventralis lateralis projiziert in
das primär motorische Feld und in das unimodale, motorische Assoziationfeld. Der Nucleus ventralis lateralis
besteht aus einer Pars caudalis und einer Pars oralis. Die
Pars caudalis erhält Impulse aus den Kleinhirnkernen,
den Nuclei dentatus, globosus, emboliformis und fastigii. Die Axone aus dem Kleinhirn gelangen über den
oberen Kleinhirnstiel mit dem Fasciculus thalamicus
von basal her in den Thalamus hinein. Feinmotorik,
Halte- und Stützmotorik werden in getrennten Faserbündeln geführt. Die Pars caudalis sendet Fasern in das
motorische Projektionsfeld in die Brodmann-Areale 4
und 6. Die Pars oralis des Nucleus ventralis lateralis erhält Impulse aus den Basalganglien. Die Ausgangsstationen der Basalganglien sind das innere Pallidumsegment und die Pars reticulata der Substantia nigra. Die
Pars oralis versorgt das motorische, unimodale
Assoziationfeld und hat als Zielgebiet die BrodmannAreale 6 und 8. Sie sendet darüber hinaus Fasern in den
supplementären motorischen Kortex (⊡ Abb. 1.2).
Der Nucleus ventralis anterior ist ein Thalamuskern für die multimodale Rinde; er kann zugleich
dem unspezifischen Aktivierungssystem zugerechnet
werden. Der Kern erhält Impulse direkt aus der Formatio reticularis, aus den intralaminären Kernen und aus
dem Pallidum. Der Kern projiziert in das vordere multimodale Assoziationsfeld (präfrontaler Kortex) und in
das hintere multimodale Assoziationsfeld.
Der anteriore Kernkomplex gehört zum archilimbischen System (Papez-Zyklus).
Die anteriore Kerngruppe befindet sich in der vorderen
Gabelung der Lamina medullaris interna thalami. Sie
bezieht Afferenzen aus den Corpora mamillaria. Der
Kernkomplex projiziert topographisch geordnet in die
Area 24, 25 und 32 des Gyrus cinguli. Der Gyrus cinguli wird als Periarchikortex bezeichnet.
Der mediale Kernkomplex, vereinfachend oft Nucleus
dorsomedialis genannt, lässt sich dem paleolimbischen
13
System zurechnen. Er liegt medial von der Lamina medullaris interna. Der Nucleus dorsomedialis erhält Afferenzen aus limbischen Strukturen wie olfaktorische
Rinde, Mandelkern, Area entorhinalis und Mittelhirnhaube und sendet seine Efferenzen in das vordere multimodale Assoziationsgebiet. Die Unterkerne projizieren, topographisch geordnet, in den dorsolateralen Teil
des präfrontalen Kortex (in die Area 9 und 10), in den
medialen Teil mit dem Gyrus cinguli (in die Area 32
und 24) und auch in den orbitofrontalen Kortex
(Area 11, 12 und 47). Der Nucleus dorsomedialis wird
mit der Stimmungslage und dem Gedächtnis in Verbindung gebracht, insbesondere soll er beim Erinnern und
Wiederabrufen von gespeicherten Informationen unerlässlich sein.
▬ Die Kerne der Mittellinie liegen unter dem Ependym des
III. Ventrikels. Sie besitzen keine Verbindungen mit
dem Kortex und erscheinen als Fortsetzung des zentralen Höhlengraus des Hypothalamus.
▬ Die Pulvina thalami enthält viele Kerne, die z.T. nur
beim Menschen vorkommen. Diese Kerne stehen, topisch geordnet, in doppelläufiger Verbindung zu den
Brodmann-Arealen 7, 39, 40, 22 und 21 (⊡ Abb. 1.1).
Auch zum präfrontalen Assoziationskortex bestehen
Verbindungen. Subkortikale Afferenzen aus dem visuellen System (Tractus opticus, Area praetectalis, Colliculus
superior) und dem Tractus spinothalamicus sind dagegen sehr spärlich. Die kortikalen und intrathalamischen
Verknüpfungen stehen quantitativ ganz im Vordergrund.
Daher können die Pulvina und die ihr zugehörige multimodale Assoziationsrinde weitgehend unabhängig von
äußeren Einflüssen tätig sein.
▬ Die Lamina medullaris interna thalami enthält mehrere
(intralaminäre) Kerne. Diese Mischung aus Fasern und
Kernen erscheint als eine Fortsetzung der Formatio reticularis des Hirnstamms in den Thalamus hinein. Hinten befinden sich die beim Menschen besonders deutlich hervortretenden Kerne Nucleus centromedianus
und Nucleus parafascicularis unter dem Nucleus dorsomedialis. Der Nucleus centromedianus erhält Afferenzen ausschließlich aus dem Pallidum. Der Nucleus
parafascicularis erhält Fasern aus dem Pallidum, aus
dem Mandelkern und aus anderen Regionen. Beide
Kerne projizieren in die Großhirnrinde und in das
Striatum. Die thalamokortikalen Nervenfortsätze der
intralaminären Kerne sowie des Nucleus centromedianus und des Nucleus parafascicularis sind dünn. Sie
versorgen überlappende Rindenbezirke und enden in
der Lamina I und in der Lamina VI (⊡ Abb. 1.3). Experimentell degenerieren die intralaminokortikalen
Neurone nur bei größerer Zerstörung der Rinde. Die
Kaliber der Fasern, die in das Striatum projizieren
(⊡ Abb. 1.15), sind kräftiger als die, die zur Rinde ziehen. Die besonderen Verbindungen der intralaminären
Kerne mit der Großhirnrinde, dem Striatum und der
1
14
Kapitel 1 · Neuroanatomie
Formatio reticularis zeigen ihre Sonderstellung im Aktivierungssystem.
Der Nucleus reticularis thalami liegt zwischen der Lamina medullaris externa und der Capsula interna wie
eine dem Thalamus vorgelagerte Inselkette. Der Kern
erhält als Afferenzen Kollateralen der thalamokortikalen Projektion und Kollateralen von den kortikothalamischen Rückprojektionen (⊡ Abb. 1.11). Die Nervenzellen des Nucleus reticularis thalami senden ihr Axon
in die Region des Thalamus, von der aus sie Erregungen
erhalten.
1
a
1 2 3
1.4.2 Element des Thalamus
Das Element des Thalamus lässt sich stark vereinfacht wie
folgt beschreiben: Die Relaiszellen entsenden ihre Axone in
die Großhirnrinde (⊡ Abb. 1.11) und in das Striatum
(⊡ Abb. 1.10) und verwenden das exzitatorisch wirkende
Glutamat. In der Großhirnrinde enden sie an Pyramidenzellen und an Körnerzellen, im Striatum an cholinergen
Interneuronen. Die Relaiszellen bilden synaptische Kontakte mit den spezifischen Afferenzen, mit hemmenden und
fördernden Interneuronen der Pyramidenzellen aus der
Rinde. Sie geben wie die Pyramidenzellen eine depolarisierende Kollaterale an das Retikularisneuron ab. Das Retikularisneuron wirkt hemmend auf die Relaiszelle, von der es
aktiviert wurde, und auf deren benachbarte Relaiszellen.
Wenn eine Relaiszelle eine höhere Aktivität entwickelt als
ihre Nachbarn, hemmt sie die Nachbarn über das Retikularisneuron stärker und setzt sich als einzige durch. Diese
kollaterale Hemmung durch die Retikularisneurone begrenzt die Aktivierung und dient der Spezifizierung der
Erregungsübertragung in die Rinde. Die Weiterleitung einer Erregung von der peripheren Afferenz durch den Thalamus zur Großhirnrinde hängt entscheidend von der die
Relaiszelle umgebenden Förderung und Hemmung ab. In
dieses Verhältnis greifen von außen Aktivierungssysteme
ein (⊡ Abb. 1.11), die den Informationsfluss durch den Thalamus regeln. Der Thalamus ist ein dynamischer Informationsfilter, welcher der bewussten Informationsverarbeitung in der Großhirnrinde vorgeschaltet ist.
1.5
Kleinhirn
Das Kleinhirn ist eine dorsale Aussprossung des Hirnstamms und wird am Hirnstamm durch die 3 in der Mitte
des Kleinhirns dicht nebeneinander liegenden Kleinhirnstiele gehalten (⊡ Abb. 1.12). Der obere Kleinhirnstiel, Pedunculus cerebellaris superior, stellt die Verbindung zum
Mittel- und Zwischenhirn, der Pedunculus medius zur Brücke und der Pedunculus inferior zur Medulla oblongata her.
Das Kleinhirn besteht aus dem unpaaren Wurm (Vermis)
und den beiden seitlichen Hemisphären. Das Kleinhirn be-
b
⊡ Abb. 1.12 a, b. Kleinhirn. Facies superior (a) und Facies inferior (b)
mit Schema der topographischen Organisation. 1 Pedunculus cerebellaris superior, 2 Pedunculus cerebellaris inferior, 3 Pedunculus cerebellaris medius. Der Körper ist mehrfach abgebildet. Die Körpermitte
liegt medial, die Extremitäten weisen nach lateral. Die untere Körperhälfte liegt hirnstammnah, die obere Körperhälfte hirnstammfern. Auf
der Facies superior gibt es eine einfache ipsilaterale Abbildung des
Körpers, auf der Facies inferior zwei beidseitige Abbildungen, die mit
dem Rücken an den Wurm grenzen
sitzt an der Oberfläche eine Rinde, es folgen das Mark und
die zentralen Kerne. Die Kleinhirnoberfläche weist querverlaufende Spalten, Fissurae, mit dazwischen gelegenen
Erhebungen, den Blättern (Folia cerebelli), auf. Einige Fissuren schneiden tief in das Kleinhirn ein und unterteilen
Kleinhirnwurm und Hemisphären in Lobi, Lappen, und in
Lobuli, Läppchen. Die Fissura prima auf der Oberseite
trennt den Lobus anterior von dem Lobus posterior. Eine
Fissura posterolateralis trennt auf der Unterseite den Nodulus vom Wurm und den Flocculus von den Hemisphären ab.
Das Kleinhirnmark besteht aus quer zu den Fissuren
auslaufenden Faserlamellen. Die meisten Nervenfasern treten über den unteren und mittleren Kleinhirnstiel in das
Mark des Kleinhirns ein, durch den oberen Kleinhirnstiel
verlassen hauptsächlich die Efferenzen das Kleinhirn. Die
Axone in den Kleinhirnstielen ordnen sich in die Faserlamellen des Kleinhirnmarks ein. Die Faserlamellen werden
in Zonen eingeteilt. Von medial nach lateral lauten die Zo-
15
1.5 · Kleinhirn
nen im Wurm A und B1, B2, im paravermalen Teil C1, C2,
C3 und in den lateralen Hemisphären D1–D2. Diesen
Markzonen des Kleinhirns lassen sich auch Rindenzonen
und Kerne zuordnen.
In der Mitte des Kleinhirns befinden sich die Kleinhirnkerne. Am weitesten lateral liegt der größte Kern, der Nucleus dentatus, es folgen nach medial der Nucleus globosus
und der Nucleus emboliformis und schließlich ganz medial
der Nucleus fastigii. Der Nucleus vestibularis lateralis des
Hirnstamms ist funktionsmäßig und auch entwicklungsgeschichtlich als Kleinhirnkern anzusehen.
1.5.1 Topographische Organisation
Der Bauplan des Kleinhirns ist einfacher als der des Großhirns. Die Kleinhirnrinde zeigt mikroskopisch überall und
bei allen Wirbeltieren das gleiche Aussehen. Die einfache
neuronale Schaltung hat sich offensichtlich so bewährt,
dass entwicklungsgeschichtlich eine Verbesserung des
Prinzips nicht erforderlich wurde. Die Evolution in der aufsteigenden Wirbeltierreihe hat nur vermehrt und angebaut.
Da die mikroskopische Struktur keinen Anhalt bietet, können Unterschiede des Kleinhirns nur aus den Verbindungen mit dem übrigen ZNS abgelesen werden. Das Kleinhirn
lässt sich in 3 Hauptteile gliedern, die in der Entwicklungsgeschichte nacheinander aufgetreten sind. Das Archizerebellum ist, wie schon bei den Fischen, verantwortlich für die
Gleichgewichtserhaltung. Die Impulse aus den Vestibularorganen fließen in die Motorik der Körperhaltung und die
Stellung der Augen ein; damit kann sich das Individuum im
Schwerefeld der Erde orientieren. Das Archizerebellum befindet sich in der Pars flocculonodularis des Kleinhirns; der
zugehörige Kern ist der Nucleus vestibularis lateralis. Das
Archizerebellum wird daher dem Vestibulozerebellum
gleichgesetzt. Das Paleozerebellum ist schon bei den primitiven Landtieren für die Koordination der Bewegung der
Extremitäten verantwortlich. Die Impulse aus dem Rückenmark fließen in die Motorik der Fortbewegung ein. Die
Rinde des Wurms ist für die Koordination der Rumpfmuskulatur und die paravermale Rinde für die der distalen Extremitätenmuskulatur zuständig. Repräsentationen des
Körpers finden sich v. a. im Lobus anterior auf der Oberseite des Kleinhirns und in den Rindenbezirken nahe am
Hirnstamm auf der Unterseite (⊡ Abb. 1.12). Die zugehörigen Kleinhirnkerne sind die Nuclei fastigii, globosus und
emboliformis. Das Paleozerebellum wird daher mit dem
Spinozerebellum gleichgesetzt. Das Neozerebellum ist bei
den höheren Wirbeltieren für die Koordination der Willkürmotorik zuständig, insbesondere für die Koordination
der Sinnes- und Kommunikationsorgane. Die Rinde der
lateralen Hemisphären und der Nucleus dentatus sind die
verantwortlichen Strukturen. Das Neozerebellum wird mit
dem Pontozerebellum gleichgesetzt, weil die Impulse für
diese Kleinhirnabschnitte über die Nuclei pontis ins Klein-
hirn kommen. Die Nuclei pontis erhalten ihre Afferenzen
aus der Großhirnrinde. Die Kleinhirnefferenzen wirken nie
auf die unteren, an den Muskeln ansetzenden Motoneurone, sondern immer nur auf übergeordnete Motoneurone.
1.5.2 Element des Kleinhirns
Das Element des Kleinhirns besteht aus 5 Neuronen
(⊡ Abb. 1.13). Die Neurone der lokalen Begrenzung der Erregung in der Rinde sind dabei nicht mitgezählt. Zum Element gehören die beiden Afferenzen Moosfaserneuron und
Kletterfaserneuron aus dem Hirnstamm sowie die verteilende Körnerzelle in der Rinde, die Kleinhirnefferenz,
die aus einem Kleinhirnkern kommt und das Kleinhirn
verlässt, und die Purkinje-Zelle der Kleinhirnrinde
(⊡ Abb. 1.13).
Das Moosfasersystem sammelt primäre und sekundäre
vestibuläre Erregungen, Signale vom Rückenmark in der
Clark-Säule und im Nucleus cuneatus lateralis, sowie Signale von der Großhirnrinde in die Nuclei pontis. Diese Kerne tragen topographisch geordnete, modalitätsspezifische
Information aus weiten Teilen des ZNS in das Kleinhirn
hinein. Sie ordnen sich in der ihrer Herkunft entsprechenden sagittalen Lamelle ein und teilen sich in einen Ast für
den Kern und in einen für die Rinde. Kurz vor Eintritt in die
Rinde verzweigt sich die Moosfaser noch mehrfach und
endet in der Körnerzellschicht benachbarter Folia cerebelli.
Das Axonende einer Moosfaser ist zu einer Riesensynapse
aufgetrieben. Die Erregung wird auf viele Körnerzellen
übertragen. Die Körnerzellen entsenden ihre Axone in die
Molekularschicht, wo sie sich T-förmig teilen und nach beiden Seiten als Parallelfasern in Längsrichtung des Foliums
verlaufen. Diese Parallelfasern bilden mit allen Dendriten
in der Molekularschicht exzitatorische Synapsen. Eine Pa-
3
2
5
4
1
⊡ Abb. 1.13. Element des Kleinhirns. 1 Kletterfaserneuron, 2 Moosfaserneuron, 3 Neuron eines Kleinhirnkerns, 4 Purkinje-Zelle, 5 Körnerzelle der Kleinhirnrinde
1
16
1
Kapitel 1 · Neuroanatomie
rallelfaser ist etwa 2–3 mm lang und erreicht 400 PurkinjeZellen. Eine Moosfaser divergiert in der Summe auf etwa
160000 Purkinje-Zellen.
Das Kletterfasersystem sammelt wie das Moosfasersystem Informationen in den für die Koordination der Motorik wichtigen sensorischen Bereichen, also im Vestibularapparat, im Rückenmark und in der Großhirnrinde. Die Informationen für das Kletterfasersystem fließen im Nucleus
olivaris inferior in der Medulla oblongata zusammen. Dieser Kern ist topographisch organisiert. Die Kletterfasern
treten ihrer Herkunft entsprechend topographisch geordnet in die Lamellen des Kleinhirns ein und teilen sich dort.
Sie enden mit einer Axonkollaterale in dem zugehörigen
Kern und mit der anderen in der zugehörigen Rinde. Die
Kletterfaser umwindet den Hauptstamm der Purkinje-Zelle und bildet eine breite Synapsenfläche und damit eine
Synapse mit hoher Penetranz. Eine Kletterfaser endet exzitatorisch an 1–10 Purkinje-Zellen, wobei jede PurkinjeZelle nur Kontakt mit einer Kletterfaser bekommt.
Interneurone der Kleinhirnrinde sind die Golgi-, Sternund Korbzellen. Die axonalen Endigungen der Golgi-Zellen sitzen den Dendriten der Körnerzellen an der Riesensynapse auf. Die Golgi-Zellen können die Erregungsübertragung von den Moosfasern auf die Körnerzellen hemmen.
Golgi-Zellen wie Korb- und Sternzellen dienen der lokalen
Begrenzung der Erregung und der Umgebungshemmung.
Das Axon der Purkinje-Zelle ist die einzige Efferenz der
Rinde (⊡ Abb. 1.13). Es endet in einem Kleinhirnkern, und
zwar an dem Neuron, an dem die Axonkollateralen der
Moosfaser und der Kletterfaser, die die Purkinje-Zelle in
der Rinde beeinflussen, Synapsen bilden. Während die beiden Axonkollateralen depolarisierend auf das Kernneuron
wirken, setzt das Axon der Purkinje-Zelle GABA frei und
wirkt hyperpolarisierend.
Das ausführende Neuron des Kleinhirns sind die Nervenzellen der Kleinhirnkerne (⊡ Abb. 1.13). Die Aktivität
dieser Nervenzellen ergibt sich aus der Bilanz der Erregungen der Moosfasern, der Kletterfasern und der PurkinjeZellen.
Die Moosfasern tragen neuronale Erregungen, die Bedeutung für die Motorik haben, als Muster in das Kleinhirn
hinein. Solange diese Muster in gewohnter Weise und in
gewohnter zeitlicher Folge auftreten, ist das Kletterfasersystem weitgehend inaktiv. Wenn aber ein Bewegungsziel nicht
in der erwarteten, im voraus errechneten Weise erreicht
wird, erhöhen die Kletterfasern die Zahl ihrer komplexen
Entladungen. In der Kleinhirnrinde treffen nun Aktivierungen aus dem Moosfasersystem und aus dem Kletterfasersystem in den Purkinje-Zellen gleichzeitig zusammen. Damit
ist eine Hebb-Situation gegeben: Wenn eine Erregung auf
eine bereits erregte Zelle trifft, werden Zellstoffwechselvorgänge angestoßen, die die synaptische Übertragung verändern. Im Kleinhirn führen wiederholte gleichzeitige Aktivierungen von Purkinje-Zellen durch Kletterfasern und
Moosfasern zu einer Verminderung der Übertragung der
Synapse zwischen Parallelfasern und Purkinje-Zelle. Als
Folge wird das Neuron im Kleinhirnkern durch die Purkinje-Zelle weniger gehemmt und die Kleinhirnwirkung auf
das nachgeschaltete Motoneuron verstärkt. Wenn die veränderte Kleinhirnefferenz dazu führt, dass das motorische Ziel
nun den Erwartungswerten entsprechend erreicht wird, endet die erhöhte Aktivität des Kletterfasersystems. Das Kletterfasersystem steuert so den Beitrag des Kleinhirns zum
Bewegungsablauf bedarfsgerecht. Neue Bewegungen werden auf diese Weise erlernt (prozedurales Lernen, »wie«
etwas zu tun ist).
1.6
Hirnstamm
Der Hirnstamm nimmt im Bauplan eine Mittelstellung zwischen Rückenmark und Großhirn ein. Die entwicklungsgeschichtlich einfache Organisation des Neuralrohrs in
Grundplatte, Flügelplatte, Bodenplatte und Deckplatte ist
noch erkennbar, die Wanderung von Neuronen und die
Bildung lokaler Kerngruppen entspricht aber doch schon
mehr der Entwicklung im rostralen Teil des ZNS. In der
8. Embryonalwoche gerät der Hirnstamm auf der Höhe der
Brücke in eine extrem nach ventral geknickte Lage. Dabei
wird die dorsale Deckplatte dünn ausgezogen, die dorsal
gelegene Flügelplatte verlagert sich an die laterale Seite der
Grundplatte. Aus der Flügelplatte wandern Neuroblasten
nach außen, nach ventral und nach dorsal aus. Die nach
ventral wandernden Neuroblasten vermehren sich, wachsen und bilden reichlich Fasern, so dass der Hirnstamm
sich ventral wieder streckt, während die dorsalen Veränderungen erhalten bleiben. Aus den nach ventral gewanderten
Neuroblasten entstehen der Nucleus olivaris inferior, der
Nucleus ruber und die Substantia nigra, aus den nach außen
wandernden Zellen die Nuclei vestibulares und aus den
nach dorsal wandernden Zellen die Vierhügelplatte und das
Kleinhirn.
1.6.1 Topographische Organisation
Als Ergebnis der embryonalen Entwicklung liegen im Hirnstamm die Grundplatte (medial) und die Flügelplatte (lateral) nebeneinander. Die Grenzfurche, Sulcus limitans, ist
wie beim Rückenmark zwischen der efferenten Grundplatte und der afferenten Flügelplatte gelegen – dies ist in der
Rautengrube noch zu erkennen. Medial des Sulcus limitans
liegen die viszeromotorischen und lateral die viszerosensiblen Neurone für die Regulation der Innenwelt des Organismus. Die für die Auseinandersetzung mit der Außenwelt
befaßten somatomotorischen und somatosensiblen Neurone liegen vom Sulcus limitans entfernt. Im Hirnstamm ist
die Differenzierung und die Spezialisierung der Neurone
weiter fortgeschritten als im Rückenmark. Der Übergang
von der Außenwelt zur Innenwelt erfordert neue Kontrol-
1.6 · Hirnstamm
len und mehr neuronale Arbeit. Die neuen Zellgruppen
fügen sich in das alte Bauschema. Es treten 3 spezielle Funktionen beim Hirnstamm hinzu: Geschmack (zur Kontrolle
der Nahrungsaufnahme), Kiemenbogenmotorik (Branchiomotorik; die ursprünglich für die Sauerstoffaufnahme verantwortliche Muskulatur wird bei den höheren Wirbeltieren für die Kommunikation mit der Außenwelt
eingesetzt) und spezielle Sinnessysteme (Hören und
Gleichgewichtsempfindungen).
Im Querschnitt erscheinen die Modalitäten von medial
nach lateral in folgender Reihenfolge:
1. Die somatomotorische Nervenzellgruppe versorgt quergestreifte Muskulatur, die aus Somiten hervorgegangen
ist. Die Nervenfasern dieser Neurone verlaufen mit den
Hirnnerven der medialen Gruppe. Die äußeren Augenmuskeln stammen von den präotischen Somiten. Sie
werden von den Nn. oculomotorius, trochlearis und
abducens versorgt. Die Zungenmuskulatur entwickelt
sich aus okzipitalen Somiten, der N. hypoglossus ist der
zugehörige Nerv.
2. Die branchiomotorische Gruppe mit dem Nucleus motorius nervi trigemini, dem Nucleus nervi facialis und
dem Nucleus ambiguus versorgt quergestreifte Muskulatur, die aus Kiemenbogenmaterial hervorgegangen
ist. Die Kiemenbogennerven sind die Nn. trigeminus,
facialis, glossopharyngeus, vagus und accessorius. Da
die genannten Nerven lateral aus dem Hirnstamm austreten, werden sie auch als laterale Gruppe bezeichnet.
3. Die viszeromotorische oder parasympathische Gruppe,
der Nucleus Westphal-Edinger, die Nuclei salivatorii
superior et inferior und der Nucleus dorsalis parasympathici nervi vagi, bildet in der Regel keine eigenen Nervenstämme, sondern lagert ihre schwach myelinisierten
Axone kräftiger myelinisierten Modalitäten der folgenden Hirnnerven an. Parasympathische Komponenten
haben damit die Nn. oculomotorius, facialis, glossopharyngeus und vagus.
4. Die viszerosensible Pars inferior des Nucleus solitarius
erhält Meldungen von allen Eingeweiden des Körpers
mit Ausnahme der Beckenorgane über die Nn. vagus
und glossopharyngeus.
5. Geschmacksempfindungen werden im Mund und im
Rachenraum registriert. Ihre Zentralwärtsleitung erfolgt über die Nn. facialis, glossopharyngeus und vagus
zur Pars superior des Nucleus solitarius.
6. Somatosensible Neurone, die mechanische, thermische
und nozizeptive Empfindungen von der oberflächlichen Haut, von den Schleimhäuten und aus der Muskulatur sammeln, enden in den Kernen des N. trigeminus
(Nucleus principalis und Nucleus spinalis). Die sensiblen Fasern nehmen den Weg über den N. trigeminus
und nur zu einem ganz geringen Teil, von der Umgebung um das Ohr, über den N. facialis, den N. glossopharyngeus und den N. vagus.
17
7. Die Nuclei vestibulares et cochleares befinden sich ganz
lateral und sind eine sensorische Gruppe, die sich mit
der räumlichen Orientierung außerhalb des Organismus befasst. Sie registrieren Kopfwendungen mit Hilfe
des Massenträgheitsgesetzes, geben Orientierung im
Schwerefeld der Erde und analysieren Schallquellen aus
der Umgebung.
Die Ursprungs- und Endkerne der Hirnnerven sind umgeben von auswärtigen Fasern, von Neuronen, die der Assoziation dienen, und von Neuronen der Weiterverarbeitung.
Entwicklungsgeschichtlich jünger sind die topographisch organisierten Projektionen von der Großhirnrinde
zu den Hirnnervenkernen für die Willkürmotorik sowie in
die Nuclei pontis der basalen Brücke und in den Nucleus
olivaris inferior der Medulla oblongata. Von den Brückenkernen und der unteren Olive werden die Impulse ins
Kleinhirn weitergeleitet. Geordnete Projektionen von der
Rinde erhalten auch die Substantia nigra, der Nucleus ruber
und die Kerne der Formatio reticularis.
Die entwicklungsgeschichtlich älteste Form der Weiterverarbeitung besorgen die Neurone der Formatio reticularis. »Formatio reticularis« bedeutet netzförmige Mischung
aus Zellen und Fasern. In der Brücke und im Mittelhirn
spricht man statt von Formatio reticularis von der Region
der Formatio reticularis, nämlich der Haubenregion, Tegmentum. Bei der Formatio reticularis handelt sich um relativ locker angeordnete Gruppen von Neuronen in einem
rechtwinklig sich durchflechtenden Faserwerk. Die Gruppen von Neuronen tragen alle Namen, meist mit Nucleus
reticularis beginnend, diese Namen werden jedoch selten
gebraucht. Die größten somatomotorischen Zellgruppen
sind der Nucleus pedunculopontinus im Mittelhirn, die
Nuclei reticulares pontis oralis et caudalis in der Brücke
und der Nucleus reticularis gigantocellularis in der Medulla oblongata. Die viszeromotorischen Zellgruppen befinden sich im zentralen Höhlengrau des Mittelhirns und der
Medulla oblongata.
1.6.2 Element der Formatio reticularis
In der Zone der ursprünglichen Grundplatte befinden sich
Projektionsneurone mit großen Perikarya, deren Axone bis
ins Zwischenhirn und ins Rückenmark reichen. Unter diesen gibt es Neurone, die eine Axonkollaterale ins Zwischenhirn und eine zum Rückenmark senden. Andere Neurone
(⊡ Abb. 1.14) besitzen ein aufsteigendes Axon und beeinflussen über Kollateralen Neurone mit absteigenden Axonen.
Absteigende Neurone beeinflussen aufsteigende Neurone.
Die großen Neurone der Formatio reticularis sind ohne topographische Organisation. Sie zeigen auch keine spezifische Modalität. Sie nehmen an ihren Dendriten und ihrem
Perikaryon Afferenzen aller Art auf, summieren die ankom-
1
18
Kapitel 1 · Neuroanatomie
1
2
1
⊡ Abb. 1.14. Element der Formatio reticularis. 1 Zum Thalamus aufsteigendes Neuron der Formatio reticularis in synaptischem Kontakt
über eine Kollaterale mit einem zum Rückenmark absteigenden Neuron, 2 absteigendes Neuron mit Kontakt zu einem aufsteigenden
Neuron
menden Erregungen und bringen die resultierende Aktivität
in die Regionen ihrer synaptischen Endigungen. Diese Neurone sind der Prototyp der Aktivierungsneurone. In der
Zone der ursprünglichen Flügelplatte sind die Neurone der
Formatio reticularis kleiner und von geringerer Reichweite.
Sie bleiben mit ihren Ausläufern im Hirnstammabschnitt
ihres Perikaryons und dienen der lokalen Koordination und
Summation sensibler Eingänge. Typische Areale dieser Art
sind die Area reticularis superficialis ventrolateralis (ARSVL) in der Medulla oblongata, wo sich das HerzKreislauf-Zentrum befindet, und deren Fortsetzung, die
Nuclei parabrachiales medialis et lateralis. Letztere sind
Regionen der Umschaltung aufsteigender vegetativer
Impulse in das laterale limbische System und zum Hypothalamus.
1.6.3 Leitungsbahnen
Für die Pyramidenbahn und den Lemniscus medialis ist der
Hirnstamm hauptsächlich Durchgangsstation. Die Fasern
für die Hirnnervenkerne verlassen die Pyramidenbahn
während ihres Verlaufs in den Crura cerebri und kurz danach. Im unteren Teil der Brücke sammeln sich die Faserbündel der Pyramidenbahn wieder und treten geschlossen
aus dem Hirnstamm aus. Die Fasern verlaufen an der ventralen Fläche der Medulla oblongata, die Pyramide bildend,
und senken sich dann unter Kreuzung von 80% der Fasern
auf die gegenüberliegende Seite in das Rückenmark ein.
Etwa 20% der Fasern bleiben ipsilateral und enden ipsilateral oder kreuzen weiter kaudal. Die Fasern aus der Area 4,
die für die fein differenzierte Motorik der Extremitäten verantwortlich sind, kreuzen. Die Fasern aus der Area 6, die für
Haltung und Stellung der Rumpfmuskulatur zuständig
sind, bleiben auf der gleichen Seite oder kreuzen auf der
Höhe des Rückenmarksegmentes.
Der Lemniscus medialis enthält Fasern, die aus den
Hinterstrangkernen Nucleus gracilis und cuneatus medialis
hervorgehen und zum Thalamus ziehen. Von den Hinterstrangkernen kommend, verlaufen die Axone zunächst
als Fibrae arcuatae internae im unteren Teil der Medulla
oblongata zur gegenüberliegenden Seite. Nach Überschreiten der Mitte, der Raphe (Naht), wenden sich die Fasern
rostralwärts und werden von nun an mediale Schleife, Lemniscus medialis, genannt. Der Lemniscus medialis ist somatotopisch gegliedert. Die mediale Schleife gibt als epikritische Bahn keine Kollateralen an die Formatio reticularis ab.
Sie endet im Nucleus ventralis posterior des Thalamus, dessen Relaiszelle die Fortsetzung der Erregung zur Großhirnrinde übernimmt.
1.7
Aktivierungssysteme
Aktivierungssysteme sind besondere Zellverbände im ZNS,
die neuronale Abläufe durch zusätzliche Aktivitäten fördern oder hemmen.
Diese Zellverbände liegen in der Mittelachse des ZNS,
v.a. im Hirnstamm. Sie nehmen Erregungen von anderen
Neuronen oder auch humorale Botenstoffe auf und bringen
durch zusätzliche synaptische Förderung oder Hemmung
übergeordnete Gesichtspunkte in neuronale Abläufe ein.
Wenn die modulierten Erregungsabläufe rostral vom Hirnstamm liegen, so spricht man von aufsteigender Aktivierung. Liegen die beeinflussten Prozesse kaudal vom Hirnstamm, so handelt es sich um absteigende Aktivierung –
ebenso, wenn von zentraler Stelle aus die Empfindlichkeit
von Sinneszellen für bestimmte Reize verändert wird.
Ursprünglich meinten Moruzzi u. Magoun (1949) mit
Aktivierung im ZNS die EEG-Veränderungen, die mit einer
Erhöhung des Wachheitsgrades und der gesteigerten Aufmerksamkeit des Individuums verbunden sind (Desynchronisation des EEG). Sie verwiesen auf die Formatio reticularis des Hirnstamms als das verantwortliche morphologische Substrat.
Heute wird der Begriff »Aktivierungssystem« weiter gefaßt und mehr gegliedert, wobei die Aktivierung der Großhirnrinde nach wie vor im Vordergrund steht, aber auch die
Aktivierung des Rückenmarks und der Sinneseindrücke mit
einbezogen wird.
Die lokalen Erregungsmuster in der Großhirnrinde
beim Erinnern und Denken benötigen mehr als nur die
Erregungen der spezifischen Thalamuskerne. Zusätzliche
Aktivierungen sind erforderlich. Auch eine wirkungsvolle
Motorik und eine leistungsfähige Sensorik sind auf die
Konzentration auf Wesentliches und die Unterdrückung
von Unwesentlichem angewiesen. Neben dem klassischen
Aktivierungsmechanismus sind heute transmitterspezifische Aktivierungssysteme bekannt. Die Transmitter Serotonin, Noradrenalin, Adrenalin, Dopamin, Acetylcholin
und Histamin sind die Kennzeichen dieser Systeme.
1
2
1.7.1 Klassisches Aktivierungssystem
Grundlage des klassischen Aktivierungssystems ist die Formatio reticularis des Hirnstamms. Vom Rückenmark treffen mechanische, thermische und nozizeptive Erregungen
(Tractus spinothalamicus) ein, aus dem Hirnstamm kommen viszerosensible, somatosensible, akustische und vestibuläre Impulse (von den Hirnnervenkernen), aus dem
Kleinhirn, aus den Basalganglien sowie aus der Großhirnrinde (Tractus corticoreticularis und Kollateralen der Pyramidenbahn) Impulse aus dem motorischen Geschehen.
Durch die kollaterale Vernetzung der Zellen in der Formatio reticularis (⊡ Abb. 1.14) geht der spezifische Inhalt
der Afferenzen verloren; die Erregungen werden aufsummiert und diese Summe als Aktivität weitergereicht. Die
Afferenzen des Hirnstamms sind nicht alle gleich wirksam:
Akustische Reize wirken stärker als optische, und Schmerzreize wirken stärker als mechanische Reize.
Die Weiterleitung der Aktivität der Formatio reticularis
zur Großhirnrinde (⊡ Abb. 1.15) erfolgt über den Thalamus, und zwar über die intralaminären Kerne, den Nucleus
centromedianus und den Nucleus parafascicularis sowie
über den Nucleus ventralis anterior. Histologisch erscheint
die Lamina medullaris interna des Thalamus mit den eingestreuten Neuronen wie eine Fortsetzung der Formatio
reticularis des Hirnstamms. Die Projektionsneurone der
intralaminären Kerne entsenden dünne aktivierende Nervenfortsätze in die Lamina I und die Lamina VI der Rinde
(⊡ Abb. 1.3). Die intralaminären Kerne projizieren außerdem mit dickeren Axonen in das äußere Segment des Pallidums (⊡ Abb. 1.15). Das äußere Segment wirkt hemmend
auf das innere und damit enthemmend auf den Nucleus ventralis anterior thalami. Die Neurone des Nucleus ventralis
anterior wirken fördernd in der multimodalen Assoziationsrinde. Der Nucleus ventralis anterior ist damit eine wichtige
Station im aufsteigenden Aktivierungssystem und ein wichtiger Relaiskern für die multimodale Großhirnrinde.
Die Thalamuskerne, Nucleus centromedianus und Nucleus parafascicularis, entsenden Ausläufer in das Striatum.
Das Striatum wirkt hemmend auf das innere Pallidumsegment und damit indirekt fördernd auf den Nucleus ventralis anterior.
Die für das Bewusstsein notwendige Aktivierung der
Großhirnrinde erfolgt damit sowohl direkt über den Thalamus als auch indirekt über die Basalganglien und den
Thalamus.
1
19
1.7 · Aktivierungssysteme
3
4
12
13
5
6
11
7
10
9
8
⊡ Abb. 1.15. Klassisches Aktivierungssystem. 1 Neokortex, 2 Nuclei intralaminares thalami, 3 Nucleus centromedianus et parafascicularis thalami, 4 Nucleus ventralis anterior thalami, 5 Nucleus cuneiformis, 6 Nucleus pedunculopontinus, 7 Nucleus reticularis pontis oralis, 8 Nucleus
reticularis gigantocellularis, 9 Nucleus reticularis pontis caudalis, 10 Area
lateralis hypothalami, 11 Nuclei septi, 12 Striatum, 13 Pallidum
Das absteigende klassische Aktivierungssystem schickt
2 Bahnen zum Rückenmark.
Im Nucleus reticularis gigantocellularis der Medulla
oblongata beginnt der Tractus reticulospinalis lateralis
(⊡ Abb. 1.18), der in der Zona intermedia (Lamina VII
nach Rexed) des Rückenmarks endet, v. a. an Interneuronen, die hemmend auf Strecker wirken. Diese Bahn unterstützt die Wirkung des Tractus corticospinalis lateralis, der
fördernd auf die Beuger wirkt. In den Nuclei reticulares
pontis caudalis et oralis der Brücke beginnt der Tractus
reticulospinalis medialis (⊡ Abb. 1.18). Er endet an den
medialen Motoneuronen des Vorderhorns (Lamina
VIII nach Rexed) und wirkt fördernd auf die Streckermuskulatur. Der Tractus reticularis medialis wirkt aktivierend
gemeinsam mit dem Tractus vestibulospinalis auf die
Rumpfmuskulatur, die den Körper in aufrechter Stellung
hält, und auf die der Schwerkraft der Erde entgegengerichtete Muskulatur.
Herunterladen