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Jahrbuch 2008/2009 | Laube, Bodo; Betz, Heinrich | Die duale Rolle des Neurotransmitters Glyzin im zentralen
Nervensystem
Die duale Rolle des Neurotransmitters Glyzin im zentralen
Nervensystem
The dual role of the neurotransmitter Glycine in the CNS
Laube, Bodo; Betz, Heinrich
Max-Planck-Institut für Hirnforschung, Frankfurt am Main
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Die einfachste aller Aminosäuren, das Glyzin, w irkt im zentralen Nervensystem von Säugern sow ohl als
hemmender Neurotransmitter an Strychnin-sensitiven Glyzinrezeptoren als auch zusammen mit Glutamat
erregend an den sogenannten N-Methyl-D-Aspartat (NMDA)-Rezeptoren. Neuere Untersuchungen zeigen, dass
Glyzin auch als alleiniger Agonist an einem bisher w enig untersuchten NMDA-Rezeptorsubtyp w irken kann, der
als „exzitatorischer Glyzinrezeptor“ bezeichnet w ird. Die Ergebnisse am MPI für Hirnforschung belegen eine
zentrale Rolle von Glyzin bei der Regulation neuronaler Aktivität.
Summary
Glycine, the simplest of all amino acids, inhibits postsynaptic neurons via strychnine-sensitive glycine receptors
and, together w ith glutamate, enhances neuronal excitation by the activation of excitatory N-methyl-Daspartate (NMDA) receptors. Studies at the MPI for Brain Research indicate that a distinct NMDA receptor
subtype is activated by glycine alone, and thus functions as an “excitatory glycine receptor”. Recent results
establish a central role of glycine in the regulation of neuronal excitability.
Einleitung
Die schnelle Signalübertragung zw ischen Nervenzellen erfolgt an spezialisierten Kontaktstellen (Synapsen)
mittels kleiner Botenstoffe, den so genannten Neurotransmittern. Ihre regulierte Freisetzung aktiviert
spezifische Rezeptoren in nachgeschalteten Nervenzellen. Die Aktivierung dieser Rezeptoren führt dazu, dass
die Zielzellen in Abhängigkeit von ihrer Ionenleitfähigkeit entw eder angeregt oder in ihrer Aktivität gehemmt
w erden. Das Zusammenspiel von erregend bzw . hemmend w irkenden Rezeptoren auf den Nervenzellen des
zentralen Nervensystems (ZNS) bildet die Grundlage für die Funktion unseres Gehirns und führt bei gestörtem
Gleichgew icht zu neurologischen Erkrankungen, w ie zum Beispiel Epilepsie oder Schizophrenie. Die Bindung
des
Neurotransmitters
an
den
Rezeptor
und
die
Öffnung
des
Rezeptor-Ionenkanals
stellen
die
Schlüsselreaktionen der Rezeptoraktivierung dar, die durch eine Vielzahl von Mechanismen und Substanzen
moduliert, d. h. in ihren Eigenschaften verändert w erden kann. Interessanterw eise w irkt die einfachste aller
Aminosäuren, das Glyzin, als hemmender und erregender Neurotransmitter, indem sie an hemmende
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Glyzinrezeptoren (GlyR) beziehungsw eise erregende NMDA-Rezeptoren (NMDAR) bindet (Abb. 1A). Durch den
Vergleich dieser phylogenetisch unterschiedlichen Rezeptorfamilien versucht die Arbeitsgruppe um Bodo Laube
und
Heinrich
Betz
sow ohl
molekulare
Determinanten
und
Mechanismen
der
Glyzin-induzierten
Rezeptoraktivierung und -modulation als auch deren Einfluss auf die synaptische Übertragungseffizienz
zw ischen Nervenzellen zu entschlüsseln.
Die Rolle von Glyzin an hemmenden und erregenden
Synapsen Sche m a tische Da rste llung e ine r he m m e nde n und
e ine r e rre ge nde n Syna pse m it e ine r be na chba rte n Stützze lle
(Astrozyt). Glyzin (ge lb) wirk t sowohl he m m e nd a ls
Ne urotra nsm itte r a m Strychnin-se nsitive n GlyR (link s) a ls a uch
zusa m m e n m it Gluta m a t (rot) e rre ge nd a m NMDAR (re chts).
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Die „klassischen“ Wirkorte des Neurotransmitters Glyzin
Der für Chloridionen selektive inhibitorische GlyR im Rückenmark von Säugern besteht aus einem fünf
Untereinheiten umfassenden membranständigen Rezeptorkomplex (Abb. 1B) und ist maßgeblich an der
spinalen Kontrolle des Muskeltonus beteiligt [1; 2]. Seine Blockade durch das kompetitiv zur Glyzinbindung
w irkende pflanzliche Alkaloid Strychnin und bei neurologischen Erkrankungen (hereditäre Hyperekplexie)
auftretende Mutationen in GlyR-Genen resultieren in Muskelkrämpfen (Myoklonien). Der exzitatorische NMDARezeptor
ist
ein
im
ZNS
w eit
verbreiteter
Vertreter
der
aus
vier
Untereinheiten
bestehenden
Glutamatrezeptor-Familie (Abb. 1B) und benötigt die simultane Bindung der Transmitter-Aminosäuren
Glutamat und Glyzin für die Kanalaktivierung [3]. Er besitzt eine hohe Leitfähigkeit für Ca 2+-Ionen und stellt
eine der molekularen Grundlagen der Plastizität des Nervensystems, d.h. seiner Fähigkeit zu Veränderung und
Anpassung, und damit letztlich von Lernvorgängen dar. Die hohe Permeabilität des NMDAR für Ca 2+ steuert
jedoch nicht nur zelluläre Prozesse, sondern führt bei exzessiver Aktivierung des Rezeptors, beispielsw eise
nach einem ZNS-Trauma, auch zum neuronalen Zelltod in vivo.
In den letzten Jahren konnten die W issenschaftler am MPI für Hirnforschung grundlegende Unterschiede und
Gemeinsamkeiten zw ischen diesen beiden Rezeptortypen bezüglich ihres Aufbaus, der Membrantopologie ihrer
Untereinheiten, deren Stöchiometrie und ihrer Wechselw irkung mit Liganden herausarbeiten [1-6]. So ergab
zum Beispiel die
Untersuchung
der Agonistenbindungstaschen, dass
in beiden Rezeptoren ionische
Wechselw irkungen zur Glyzinbindung beitragen [2; 4]. Die Bindung von Glyzin und Glutamat erfolgt jedoch am
NMDAR zw ischen zw ei Proteindomänen (S1, S2) der sog. NR1- bzw . NR2-Untereinheiten ähnlich einem „VenusFliegenfallen-Mechanismus“. Die Bindungsstelle von Glyzin am GlyR liegt dagegen an der Kontaktfläche
benachbarter Untereinheiten (Abb. 1B).
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Die Rolle von Glyzin an hemmenden und erregenden
Synapsen Aufsichte n de s Glyzinre ze ptors und de s NMDAR e ze ptors. De r für C hloridione n se le k tive inhibitorische GlyR
be ste ht a us e ine m fünf Unte re inhe ite n um fa sse nde n
m e m bra nstä ndige n R e ze ptork om ple x (link s). Die
Bindungsste lle von Glyzin lie gt a n de r Konta k tflä che
be na chba rte r Unte re inhe ite n. De r Ka tione n le ite nde
e x zita torische NMDAR (re chts) ist e in Ve rtre te r de r a us vie r
Unte re inhe ite n be ste he nde n Gluta m a tre ze ptor-Fa m ilie und
be nötigt die sim ulta ne Bindung de r Tra nsm itte r Gluta m a t und
Glyzin für die Ka na la k tivie rung [3]. Die Bindung von Glyzin
und Gluta m a t e rfolgt a m NMDAR zwische n zwe i
P rote indom ä ne n (S1, S2) de r sog. NR 1- bzw. NR 2Unte re inhe ite n ä hnlich e ine m „Ve nus-Flie ge nfa lle nMe cha nism us“. Na ch de r R e ze ptorbindung wird da s Glyzin
durch die Glyzintra nsporte r GlyT1 und GlyT2 a us de r Syna pse
e ntfe rnt.
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Der erregende Glyzinrezeptor
Neuere Untersuchungen ergaben, dass Glyzin auch in Abw esenheit von Glutamat als alleiniger Agonist an
einem bestimmten NMDA-Rezeptor w irken kann, der im Gegensatz zum klassischen Strychnin-sensitiven,
hemmenden GlyR als „exzitatorischer Glyzinrezeptor“ bezeichnet w urde. Im Gegensatz zum „klassischen“
NMDAR, der aus zw ei Glyzin-bindenden NR1- und zw ei Glutamat-bindenden NR2-Untereinheiten besteht [3],
enthält der exzitatorische Glyzinrezeptor anstatt der NR2-Untereinheiten Glyzin-bindende NR3-Untereinheiten.
Da die Koexpression einer NR3-Untereinheit mit der Glyzin-bindenden NR1-Untereinheit im Gegensatz zu den
klassischen NR1/NR2-Rezeptoren nur sehr kleine und rasch desensitisierende Rezeptorströme produziert,
w urde die Existenz so genannter „exzitatorischer“ Glyzinrezeptoren jahrelang in Frage gestellt. Ziel der
Untersuchungen in den letzten zw ei Jahren w ar, sow ohl den molekularen Aufbau als auch die Aktivierung
dieser Glyzin-gesteuerten NR1/NR3-Rezeptoren zu verstehen.
Stöchiometrie des NR1/NR3-Rezeptors
In einer ersten Studie w urde der Zusammenbau der NR1- und NR3-Untereinheiten zum funktionellen Rezeptor
untersucht.
Um
die
Assemblierung
der
Untereinheiten
zu
beobachten,
w urden
fluoreszierende
Proteinsequenzen an die Untereinheiten angehängt und die räumliche Orientierung im Rezeptorkomplex
mittels sog. Fluoreszenz-Energie-Transfers (FRET) analysiert. Dieser Ansatz w urde mit einer biochemischen
Methode, der nativen Gelelektrophorese, kombiniert, für die die entsprechenden Untereinheiten metabolisch
radioaktiv markiert und aufgereinigt w urden. Beide Verfahren bestätigten die Ausbildung von initialen
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NR1/NR3-Heterodimeren. Aus diesen Studien leiteten die Frankfurter W issenschaftler ein zw eistufiges Modell
der Rezeptorbiosynthese von NMDA-Rezeptoren ab, bei dem der erste grundlegende Schritt die Bildung eines
NR1/NR3-Heterodimers ist, gefolgt von der Anlagerung eines w eiteren Heterodimers zum funktionellen
tetrameren Rezeptorkomplex [5], (Abb. 2).
Schematisches Modell der sequenziellen NMDA RA ssemblierung A: Eine NR 1-Unte re inhe it bilde t in e ine m
e rste n Asse m blie rungsschritt m it e ine r NR 2- ode r NR 3Unte re inhe it e in He te rodim e r. B: Die na chfolge nde
Asse m blie rung zwe ie r NR 1/NR 2- ode r NR 1/NR 3-He te rodim e re
führt le tzte ndlich zum re ife n te tra m e re n R e ze ptork om ple x .
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Rolle der Glyzinbindung an NR1/NR3-Rezeptoren
Die Untersuchungen zeigten, dass die NMDARs des sog. „exzitatorischen Glyzinrezeptortyps“ aus einer
Kombination von je zw ei Glyzin-bindenden NR1- und NR3-Untereinheiten bestehen [5]. Ziel w eiterer Studien
w ar
die
pharmakologische
Charakterisierung
dieser
Rezeptoren
mittels
biochemischer
und
elektrophysiologischer Analysemethoden. Der Vergleich der Expressionseffizienz membranständiger NR1/NR3Rezeptoren mit der von klassischen NR1/NR2-Rezeptoren ergab ähnliche Werte, jedoch lieferten NR1/NR3Rezeptoren nur kaum messbare Glyzin-induzierte Ströme, die im Vergleich zu NR1/NR2-Rezeptoren w esentlich
geringer ausfielen [7], (Abb. 3A). Die pharmakologische Analyse spezifischer Antagonisten der NR1- und NR3Untereinheiten ergab, dass die Glyzinströme der NR1/NR3-Rezeptoren in Gegenw art eines NR3-Antagonisten
gehemmt, jedoch überraschenderw eise von einem spezifischen Antagonisten für die NR1-Untereinheit um den
Faktor 25 potenziert w urden (Abb. 3B). Sie w aren somit vergleichbar mit den Strömen der klassischen NMDAR,
die aus NR1- und N2-Untereinheiten bestehen. Die zielgerichtete Mutagenese der Glyzinbindungstaschen der
jew eiligen Untereinheiten bestätigte die pharmakologischen Ergebnisse.
Zusammenfassend bedeutet dieses Ergebnis, dass Glyzin durch die Bindung an die NR1-Untereinheit den
Rezeptor inhibiert, w ährend die Glyzinbindung an die NR3-Untereinheit zur Aktivierung von NR1/NR3Rezeptoren führt.
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A nalyse des aus NR1/NR3 bestehenden exzitatorischen
Glyzinrezeptors A: NR 1/NR 3- und NR 1/NR 2-R e ze ptore n
ze ige n große Unte rschie de in de n m a x im a le n Agoniste na k tivie rba re n R e ze ptorström e n. B: NR 1/NR 3-m e diie rte
Glyzinström e we rde n in Ge ge nwa rt von e ine m NR 1Anta goniste n pote nzie rt. C : NR 1/NR 3-m e diie rte Glyzinström e
we rde n in Ge ge nwa rt von e ine m NR 1-Anta goniste n und Zn2+
supra line a r pote nzie rt. Gly: Glyzin; glu: Gluta m a te ; MDL: NR 1Anta gonist.
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Modell der Rezeptoraktivierung
Basierend auf den beschriebenen Befunden und der aufgrund unterschiedlicher Affinitäten sequenziellen
Bindung des Neurotransmitters Glyzin an die NR3- und NR1-Untereinheiten schlagen Laube und Betz für die
Aktivierung des NR1/NR3-Rezeptors folgendes Modell vor [7], (Abb. 4):
1) Die Bindung von Glyzin an die beiden NR3-Bindungstaschen resultiert in einer Öffnung des RezeptorIonenkanals (Abb. 4A).
2) Die nachfolgende Bindung von Glyzin an die niedriger affine NR1-Untereinheit bew irkt eine Schw ächung der
Wechselw irkungen zw ischen den die Bindungstaschen enthaltenden extrazellulären Rezeptordomänen,
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sodass der Rezeptor in den geschlossenen, desensitisierten Zustand überführt w ird (Abb. 4B).
Dieses Modell basiert auf Ergebnissen, w elche zeigen, dass die kleinen, rasch desensitisierenden NR1/NR3Rezeptorströme durch NR1-Antagonisten oder Mutationen in der NR1-Glyzinbindungstasche in starke nichtdesensitisierende Ströme überführt w erden.
Modell der A ktivierung und Desensitisierung des
exzitatorischen Glyzinrezeptors A: Die Bindung von Glyzin
(bla u) a n die NR 3-Bindungsta sche re sultie rt in e ine r Ö ffnung
de s R e ze ptor-Ione nk a na ls. B: Die folge nde Bindung von
Glyzin a n die nie drige r a ffine NR 1-Unte re inhe it be wirk t e ine
Schwä chung de r W e chse lwirk unge n zwische n de n
Bindungsta sche n, soda ss de r R e ze ptor in de n ge schlosse ne n,
de se nsitisie rte n Zusta nd übe rführt wird.
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Der Neuromodulator Zn2+ und seine Wirkung am GlyR
Das zw eiw ertige Kation Zn 2+ ist aufgrund seiner ubiquitären Beteiligung an vielen biologischen Reaktionen ein
essenzielles Spurenelement im Körper; es erfüllt vielfältige Aufgaben als Kofaktor von Proteinen. Im Gehirn ist
Zn 2+ massiv in erregenden Neuronen einer bestimmten Hirnregion (Hippocampus) angereichert, die besonders
stark NMDARs exprimiert und eine w ichtige Rolle bei der Gedächtnisbildung, bei Emotionen und Lernvorgängen
spielt. Neueste Untersuchungen belegen auch eine Anreicherung von Zn 2+ in den synaptischen Endigungen
inhibitorischer Neurone, die eine starke Expression von GlyRs zeigen. In der Arbeitsgruppe von Betz und
Laube konnte mit Zn 2+ eine starke Potenzierung der hemmenden Glyzinantw ort in kultivierten Neuronen
nachgew iesen w erden [8]. Basierend auf Strukturmodellen [9] und umfangreichen Mutationsanalysen [10]
konnte die Zn 2+-Bindungsstelle im extrazellulären Bereich des GlyR identifiziert w erden (Abb. 5A). Um die
physiologische Bedeutung der Zn 2+-Regulation in der glyzinergen Signalübertragung im Gehirn von Säugern
auf synaptischer Ebene zu belegen, w urde in genetisch modifizierten Mäusen durch Mutation der Zn 2+Bindungsstelle der GlyR Zn 2+-insensitiv gemacht [11], (Abb. 5A). Der Verlust der Zn 2+-Bindung führt in der
genetisch
veränderten
Maus
zu
Krämpfen,
einem
erhöhten
Muskeltonus
und
einer
verstärkten
Schreckreaktion, die sich in einer ungew öhnlichen Verspannung der Hinterbeine w iderspiegelt (Abb. 5B). Diese
Symptome ähneln denen einer Strychninvergiftung und der menschlichen Erbkrankheit Hyperekplexie und sind
konsistent
mit
einer
Reduktion
der
Glyzin-vermittelten
neuronalen
Hemmung.
Elektrophysiologische
Messungen an Hirnschnitten bestätigten, dass die Erkrankung der Maus auf den Verlust der Zn 2+-W irkung am
GlyR zurückzuführen ist. Diese Ergebnisse zeigten zum ersten Mal, dass Zn 2+ ein w ichtiger endogener
Regulator bei der hemmenden glyzinergen synaptischen Erregungsübertragung im Gehirn ist [11](Abb. 5C).
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Verlust der Zn2+-induzierten Verstärkung glyzinerger
Hemmung resultiert in einer erhöhten Schreckreaktion A:
P e nta m e re s Mode ll de r e x tra ze llulä re n
Liga nde nbindungsdom ä ne de s GlyR (Aufsicht) [2]. Link s:
Bindung von Zn 2+ (he llgrün) a n de r Schnittste lle von
be na chba rte n Unte re inhe ite n de s GlyR führt zu e ine r
Ve rä nde rung de r W e chse lwirk unge n. R e chts: Ve rlust de r Zink Bindung na ch Muta tion de r Bindungsste lle [10]. B: P hä notyp
e ine r ge sunde n (link s) und e ine r „hype re k ple k tische n“
(re chts) Ma us m it m utie rte r GlyR -Zn 2+ -Bindungsste lle . Die
ve rstä rk te Schre ck re a k tion ze igt sich in e ine r Ve rspa nnung de r
Hinte rbe ine . C : Sche m a zur ve rstä rk e nde n Funk tion von Zn 2+
a n he m m e nde n Syna pse n. Zn 2+ ist e sse ntie ll für die
Ve rstä rk ung de r Glyzinre ze ptora ntwort (link s). Die Bindung
von Zink (rot) führt zum ve rm e hrte n Einstrom von
C hloridione n und som it zu e ine r Ve rstä rk ung de r he m m e nde n
W irk ung von Glyzin (link s, schwa rze P fe ile ). Muta tion de r
Zink bindungsste lle a m GlyR ve rhinde rt die Zink -be dingte
Ve rstä rk ung de s C hloride instrom s und be dingt in de r
ge ne tisch ve rä nde rte n Ma us Sym ptom e ä hnlich de r
m e nschliche n Schre ck e rk ra nk ung „Hype re k ple x ie “ (re chts)
[11].
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Die Wirkung von Zn2+ auf erregende Rezeptoren
In vielen Arbeiten w ar gezeigt w orden, dass Zn 2+-Konzentrationen im niedrigen mikromolaren Bereich beim
klassischen NMDAR eine Hemmung der Glutamat-verursachten Erregbarkeit von Nervenzellen bedingt. Die
W issenschaften
fanden,
dass
diese
Zn 2+-Hemmung
des
klassischen
NR1/NR2-Rezeptors
nach
dem
enzymatischen Abschneiden der sog. N-terminalen Domäne der NR1-Untereinheit aufgehoben ist [12]. Der
Gew ebeplasminogen-Aktivator t-PA, eine Serinprotease, die ebenfalls die extrazelluläre Domäne der NR1Untereinheit
entfernt,
ist
an
pathophysiologischen
Aspekten
der
Erregungsübertragung
zw ischen
Nervenzellen beteiligt. Ihre Blockade vermindert den NMDA-Rezeptor-vermittelten exzitatorischen Zelltod. Die
Ergebnisse lassen vermuten, dass eine t-PA-mediierte Aufhebung der tonischen Zn 2+-Hemmung von NMDARs
zu einem erhöhten Ca 2+-Einstrom und neuronalem Zelltod führen könnte. In der Tat konnten die
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W issenschaftler am MPI im Zellkultursystem zeigen, dass Zn 2+ eine neuroprotektive W irkung auf Glutamatvermittelte Toxizität besitzt [13]. Folglich w urde in einer w eiteren Studie die W irkung von Zn 2+ auf die Glyzinaktivierten Ströme von NR1/NR3-Rezeptoren untersucht. Dabei w urde gefunden, dass mikromolare Zn 2+Konzentrationen die Glyzin-induzierten Ströme der Rezeptoren um den Faktor 10 erhöhen [14]. Höhere Zn 2+Konzentrationen führten w ie Glyzin zu einer Aktivierung von NR1/NR3-Rezeptoren. Erstaunlicherw eise
bew irkte in Anw esenheit von Zn 2+ die gemeinsame Applikation von Glyzin und einem NR1-Antagonisten eine
125-fache,
„supralineare“
Potenzierung
des
Glyzin-aktivierten
Rezeptorstromes
[14],
(Abb.
3C).
Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass Zn 2+ sow ohl als positiver Modulator als auch als voller Agonist
an NR1/NR3-Rezeptoren w irken kann.
Schlussbemerkung
Bisher existieren nur w enige Studien, die das Vorkommen bzw . die Aktivierung nativer NR1/NR3-Rezeptoren
beschreiben. Die durch diese Arbeit beschriebene supralineare Potenzierung könnte einen Weg eröffnen, um
NR1/NR3-Re ze ptore n in vivo einfacher nachzuw eisen und
funktionell zu charakterisieren. Die
neuen
Erkenntnisse über das Aktivierungsverhalten von NR1/NR3-Rezeptoren lassen w eiterhin vermuten, dass Zn 2+
neben Glyzin für die Aktivierung von nativen NR1/NR3-Rezeptoren physiologisch von w esentlicher Bedeutung
sein könnte. Da bisherige Studien noch keine verlässlichen Daten zu den im Gehirn synaptisch freigesetzten
Zn 2+-Konzentrationen liefern, planen die W issenschaftler, durch die gezielte Expression eines sog. „Zn 2+Snifferrezeptors“ [9] die synaptische Ausschüttung von Zn 2+ im ZNS von Mäusen nachw eisbar zu machen.
Die Untersuchungen zur W irkung von Glyzin und Zn 2+ am GlyR und NMDAR sind ein gemeinsames Projekt der
Abteilung Neurochemie (MPI für Hirnforschung) und der AG Molekulare und Zelluläre Neurophysiologie, TU
Darmstadt.
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