Jahrbuch 2008/2009 | Laube, Bodo; Betz, Heinrich | Die duale Rolle des Neurotransmitters Glyzin im zentralen Nervensystem Die duale Rolle des Neurotransmitters Glyzin im zentralen Nervensystem The dual role of the neurotransmitter Glycine in the CNS Laube, Bodo; Betz, Heinrich Max-Planck-Institut für Hirnforschung, Frankfurt am Main Korrespondierender Autor E-Mail: [email protected] Zusammenfassung Die einfachste aller Aminosäuren, das Glyzin, w irkt im zentralen Nervensystem von Säugern sow ohl als hemmender Neurotransmitter an Strychnin-sensitiven Glyzinrezeptoren als auch zusammen mit Glutamat erregend an den sogenannten N-Methyl-D-Aspartat (NMDA)-Rezeptoren. Neuere Untersuchungen zeigen, dass Glyzin auch als alleiniger Agonist an einem bisher w enig untersuchten NMDA-Rezeptorsubtyp w irken kann, der als „exzitatorischer Glyzinrezeptor“ bezeichnet w ird. Die Ergebnisse am MPI für Hirnforschung belegen eine zentrale Rolle von Glyzin bei der Regulation neuronaler Aktivität. Summary Glycine, the simplest of all amino acids, inhibits postsynaptic neurons via strychnine-sensitive glycine receptors and, together w ith glutamate, enhances neuronal excitation by the activation of excitatory N-methyl-Daspartate (NMDA) receptors. Studies at the MPI for Brain Research indicate that a distinct NMDA receptor subtype is activated by glycine alone, and thus functions as an “excitatory glycine receptor”. Recent results establish a central role of glycine in the regulation of neuronal excitability. Einleitung Die schnelle Signalübertragung zw ischen Nervenzellen erfolgt an spezialisierten Kontaktstellen (Synapsen) mittels kleiner Botenstoffe, den so genannten Neurotransmittern. Ihre regulierte Freisetzung aktiviert spezifische Rezeptoren in nachgeschalteten Nervenzellen. Die Aktivierung dieser Rezeptoren führt dazu, dass die Zielzellen in Abhängigkeit von ihrer Ionenleitfähigkeit entw eder angeregt oder in ihrer Aktivität gehemmt w erden. Das Zusammenspiel von erregend bzw . hemmend w irkenden Rezeptoren auf den Nervenzellen des zentralen Nervensystems (ZNS) bildet die Grundlage für die Funktion unseres Gehirns und führt bei gestörtem Gleichgew icht zu neurologischen Erkrankungen, w ie zum Beispiel Epilepsie oder Schizophrenie. Die Bindung des Neurotransmitters an den Rezeptor und die Öffnung des Rezeptor-Ionenkanals stellen die Schlüsselreaktionen der Rezeptoraktivierung dar, die durch eine Vielzahl von Mechanismen und Substanzen moduliert, d. h. in ihren Eigenschaften verändert w erden kann. Interessanterw eise w irkt die einfachste aller Aminosäuren, das Glyzin, als hemmender und erregender Neurotransmitter, indem sie an hemmende © 2009 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 1/10 Jahrbuch 2008/2009 | Laube, Bodo; Betz, Heinrich | Die duale Rolle des Neurotransmitters Glyzin im zentralen Nervensystem Glyzinrezeptoren (GlyR) beziehungsw eise erregende NMDA-Rezeptoren (NMDAR) bindet (Abb. 1A). Durch den Vergleich dieser phylogenetisch unterschiedlichen Rezeptorfamilien versucht die Arbeitsgruppe um Bodo Laube und Heinrich Betz sow ohl molekulare Determinanten und Mechanismen der Glyzin-induzierten Rezeptoraktivierung und -modulation als auch deren Einfluss auf die synaptische Übertragungseffizienz zw ischen Nervenzellen zu entschlüsseln. Die Rolle von Glyzin an hemmenden und erregenden Synapsen Sche m a tische Da rste llung e ine r he m m e nde n und e ine r e rre ge nde n Syna pse m it e ine r be na chba rte n Stützze lle (Astrozyt). Glyzin (ge lb) wirk t sowohl he m m e nd a ls Ne urotra nsm itte r a m Strychnin-se nsitive n GlyR (link s) a ls a uch zusa m m e n m it Gluta m a t (rot) e rre ge nd a m NMDAR (re chts). © Ma x -P la nck -Institut für Hirnforschung/La ube ; Ta m e r Die „klassischen“ Wirkorte des Neurotransmitters Glyzin Der für Chloridionen selektive inhibitorische GlyR im Rückenmark von Säugern besteht aus einem fünf Untereinheiten umfassenden membranständigen Rezeptorkomplex (Abb. 1B) und ist maßgeblich an der spinalen Kontrolle des Muskeltonus beteiligt [1; 2]. Seine Blockade durch das kompetitiv zur Glyzinbindung w irkende pflanzliche Alkaloid Strychnin und bei neurologischen Erkrankungen (hereditäre Hyperekplexie) auftretende Mutationen in GlyR-Genen resultieren in Muskelkrämpfen (Myoklonien). Der exzitatorische NMDARezeptor ist ein im ZNS w eit verbreiteter Vertreter der aus vier Untereinheiten bestehenden Glutamatrezeptor-Familie (Abb. 1B) und benötigt die simultane Bindung der Transmitter-Aminosäuren Glutamat und Glyzin für die Kanalaktivierung [3]. Er besitzt eine hohe Leitfähigkeit für Ca 2+-Ionen und stellt eine der molekularen Grundlagen der Plastizität des Nervensystems, d.h. seiner Fähigkeit zu Veränderung und Anpassung, und damit letztlich von Lernvorgängen dar. Die hohe Permeabilität des NMDAR für Ca 2+ steuert jedoch nicht nur zelluläre Prozesse, sondern führt bei exzessiver Aktivierung des Rezeptors, beispielsw eise nach einem ZNS-Trauma, auch zum neuronalen Zelltod in vivo. In den letzten Jahren konnten die W issenschaftler am MPI für Hirnforschung grundlegende Unterschiede und Gemeinsamkeiten zw ischen diesen beiden Rezeptortypen bezüglich ihres Aufbaus, der Membrantopologie ihrer Untereinheiten, deren Stöchiometrie und ihrer Wechselw irkung mit Liganden herausarbeiten [1-6]. So ergab zum Beispiel die Untersuchung der Agonistenbindungstaschen, dass in beiden Rezeptoren ionische Wechselw irkungen zur Glyzinbindung beitragen [2; 4]. Die Bindung von Glyzin und Glutamat erfolgt jedoch am NMDAR zw ischen zw ei Proteindomänen (S1, S2) der sog. NR1- bzw . NR2-Untereinheiten ähnlich einem „VenusFliegenfallen-Mechanismus“. Die Bindungsstelle von Glyzin am GlyR liegt dagegen an der Kontaktfläche benachbarter Untereinheiten (Abb. 1B). © 2009 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 2/10 Jahrbuch 2008/2009 | Laube, Bodo; Betz, Heinrich | Die duale Rolle des Neurotransmitters Glyzin im zentralen Nervensystem Die Rolle von Glyzin an hemmenden und erregenden Synapsen Aufsichte n de s Glyzinre ze ptors und de s NMDAR e ze ptors. De r für C hloridione n se le k tive inhibitorische GlyR be ste ht a us e ine m fünf Unte re inhe ite n um fa sse nde n m e m bra nstä ndige n R e ze ptork om ple x (link s). Die Bindungsste lle von Glyzin lie gt a n de r Konta k tflä che be na chba rte r Unte re inhe ite n. De r Ka tione n le ite nde e x zita torische NMDAR (re chts) ist e in Ve rtre te r de r a us vie r Unte re inhe ite n be ste he nde n Gluta m a tre ze ptor-Fa m ilie und be nötigt die sim ulta ne Bindung de r Tra nsm itte r Gluta m a t und Glyzin für die Ka na la k tivie rung [3]. Die Bindung von Glyzin und Gluta m a t e rfolgt a m NMDAR zwische n zwe i P rote indom ä ne n (S1, S2) de r sog. NR 1- bzw. NR 2Unte re inhe ite n ä hnlich e ine m „Ve nus-Flie ge nfa lle nMe cha nism us“. Na ch de r R e ze ptorbindung wird da s Glyzin durch die Glyzintra nsporte r GlyT1 und GlyT2 a us de r Syna pse e ntfe rnt. © Ma x -P la nck -Institut für Hirnforschung/La ube ; Ta m e r Der erregende Glyzinrezeptor Neuere Untersuchungen ergaben, dass Glyzin auch in Abw esenheit von Glutamat als alleiniger Agonist an einem bestimmten NMDA-Rezeptor w irken kann, der im Gegensatz zum klassischen Strychnin-sensitiven, hemmenden GlyR als „exzitatorischer Glyzinrezeptor“ bezeichnet w urde. Im Gegensatz zum „klassischen“ NMDAR, der aus zw ei Glyzin-bindenden NR1- und zw ei Glutamat-bindenden NR2-Untereinheiten besteht [3], enthält der exzitatorische Glyzinrezeptor anstatt der NR2-Untereinheiten Glyzin-bindende NR3-Untereinheiten. Da die Koexpression einer NR3-Untereinheit mit der Glyzin-bindenden NR1-Untereinheit im Gegensatz zu den klassischen NR1/NR2-Rezeptoren nur sehr kleine und rasch desensitisierende Rezeptorströme produziert, w urde die Existenz so genannter „exzitatorischer“ Glyzinrezeptoren jahrelang in Frage gestellt. Ziel der Untersuchungen in den letzten zw ei Jahren w ar, sow ohl den molekularen Aufbau als auch die Aktivierung dieser Glyzin-gesteuerten NR1/NR3-Rezeptoren zu verstehen. Stöchiometrie des NR1/NR3-Rezeptors In einer ersten Studie w urde der Zusammenbau der NR1- und NR3-Untereinheiten zum funktionellen Rezeptor untersucht. Um die Assemblierung der Untereinheiten zu beobachten, w urden fluoreszierende Proteinsequenzen an die Untereinheiten angehängt und die räumliche Orientierung im Rezeptorkomplex mittels sog. Fluoreszenz-Energie-Transfers (FRET) analysiert. Dieser Ansatz w urde mit einer biochemischen Methode, der nativen Gelelektrophorese, kombiniert, für die die entsprechenden Untereinheiten metabolisch radioaktiv markiert und aufgereinigt w urden. Beide Verfahren bestätigten die Ausbildung von initialen © 2009 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 3/10 Jahrbuch 2008/2009 | Laube, Bodo; Betz, Heinrich | Die duale Rolle des Neurotransmitters Glyzin im zentralen Nervensystem NR1/NR3-Heterodimeren. Aus diesen Studien leiteten die Frankfurter W issenschaftler ein zw eistufiges Modell der Rezeptorbiosynthese von NMDA-Rezeptoren ab, bei dem der erste grundlegende Schritt die Bildung eines NR1/NR3-Heterodimers ist, gefolgt von der Anlagerung eines w eiteren Heterodimers zum funktionellen tetrameren Rezeptorkomplex [5], (Abb. 2). Schematisches Modell der sequenziellen NMDA RA ssemblierung A: Eine NR 1-Unte re inhe it bilde t in e ine m e rste n Asse m blie rungsschritt m it e ine r NR 2- ode r NR 3Unte re inhe it e in He te rodim e r. B: Die na chfolge nde Asse m blie rung zwe ie r NR 1/NR 2- ode r NR 1/NR 3-He te rodim e re führt le tzte ndlich zum re ife n te tra m e re n R e ze ptork om ple x . © Ma x -P la nck -Institut für Hirnforschung/La ube Rolle der Glyzinbindung an NR1/NR3-Rezeptoren Die Untersuchungen zeigten, dass die NMDARs des sog. „exzitatorischen Glyzinrezeptortyps“ aus einer Kombination von je zw ei Glyzin-bindenden NR1- und NR3-Untereinheiten bestehen [5]. Ziel w eiterer Studien w ar die pharmakologische Charakterisierung dieser Rezeptoren mittels biochemischer und elektrophysiologischer Analysemethoden. Der Vergleich der Expressionseffizienz membranständiger NR1/NR3Rezeptoren mit der von klassischen NR1/NR2-Rezeptoren ergab ähnliche Werte, jedoch lieferten NR1/NR3Rezeptoren nur kaum messbare Glyzin-induzierte Ströme, die im Vergleich zu NR1/NR2-Rezeptoren w esentlich geringer ausfielen [7], (Abb. 3A). Die pharmakologische Analyse spezifischer Antagonisten der NR1- und NR3Untereinheiten ergab, dass die Glyzinströme der NR1/NR3-Rezeptoren in Gegenw art eines NR3-Antagonisten gehemmt, jedoch überraschenderw eise von einem spezifischen Antagonisten für die NR1-Untereinheit um den Faktor 25 potenziert w urden (Abb. 3B). Sie w aren somit vergleichbar mit den Strömen der klassischen NMDAR, die aus NR1- und N2-Untereinheiten bestehen. Die zielgerichtete Mutagenese der Glyzinbindungstaschen der jew eiligen Untereinheiten bestätigte die pharmakologischen Ergebnisse. Zusammenfassend bedeutet dieses Ergebnis, dass Glyzin durch die Bindung an die NR1-Untereinheit den Rezeptor inhibiert, w ährend die Glyzinbindung an die NR3-Untereinheit zur Aktivierung von NR1/NR3Rezeptoren führt. © 2009 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 4/10 Jahrbuch 2008/2009 | Laube, Bodo; Betz, Heinrich | Die duale Rolle des Neurotransmitters Glyzin im zentralen Nervensystem A nalyse des aus NR1/NR3 bestehenden exzitatorischen Glyzinrezeptors A: NR 1/NR 3- und NR 1/NR 2-R e ze ptore n ze ige n große Unte rschie de in de n m a x im a le n Agoniste na k tivie rba re n R e ze ptorström e n. B: NR 1/NR 3-m e diie rte Glyzinström e we rde n in Ge ge nwa rt von e ine m NR 1Anta goniste n pote nzie rt. C : NR 1/NR 3-m e diie rte Glyzinström e we rde n in Ge ge nwa rt von e ine m NR 1-Anta goniste n und Zn2+ supra line a r pote nzie rt. Gly: Glyzin; glu: Gluta m a te ; MDL: NR 1Anta gonist. © Ma x -P la nck -Institut für Hirnforschung/La ube ; Ma dry Modell der Rezeptoraktivierung Basierend auf den beschriebenen Befunden und der aufgrund unterschiedlicher Affinitäten sequenziellen Bindung des Neurotransmitters Glyzin an die NR3- und NR1-Untereinheiten schlagen Laube und Betz für die Aktivierung des NR1/NR3-Rezeptors folgendes Modell vor [7], (Abb. 4): 1) Die Bindung von Glyzin an die beiden NR3-Bindungstaschen resultiert in einer Öffnung des RezeptorIonenkanals (Abb. 4A). 2) Die nachfolgende Bindung von Glyzin an die niedriger affine NR1-Untereinheit bew irkt eine Schw ächung der Wechselw irkungen zw ischen den die Bindungstaschen enthaltenden extrazellulären Rezeptordomänen, © 2009 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 5/10 Jahrbuch 2008/2009 | Laube, Bodo; Betz, Heinrich | Die duale Rolle des Neurotransmitters Glyzin im zentralen Nervensystem sodass der Rezeptor in den geschlossenen, desensitisierten Zustand überführt w ird (Abb. 4B). Dieses Modell basiert auf Ergebnissen, w elche zeigen, dass die kleinen, rasch desensitisierenden NR1/NR3Rezeptorströme durch NR1-Antagonisten oder Mutationen in der NR1-Glyzinbindungstasche in starke nichtdesensitisierende Ströme überführt w erden. Modell der A ktivierung und Desensitisierung des exzitatorischen Glyzinrezeptors A: Die Bindung von Glyzin (bla u) a n die NR 3-Bindungsta sche re sultie rt in e ine r Ö ffnung de s R e ze ptor-Ione nk a na ls. B: Die folge nde Bindung von Glyzin a n die nie drige r a ffine NR 1-Unte re inhe it be wirk t e ine Schwä chung de r W e chse lwirk unge n zwische n de n Bindungsta sche n, soda ss de r R e ze ptor in de n ge schlosse ne n, de se nsitisie rte n Zusta nd übe rführt wird. © Ma x -P la nck -Institut für Hirnforschung/La ube ; Ma dry Der Neuromodulator Zn2+ und seine Wirkung am GlyR Das zw eiw ertige Kation Zn 2+ ist aufgrund seiner ubiquitären Beteiligung an vielen biologischen Reaktionen ein essenzielles Spurenelement im Körper; es erfüllt vielfältige Aufgaben als Kofaktor von Proteinen. Im Gehirn ist Zn 2+ massiv in erregenden Neuronen einer bestimmten Hirnregion (Hippocampus) angereichert, die besonders stark NMDARs exprimiert und eine w ichtige Rolle bei der Gedächtnisbildung, bei Emotionen und Lernvorgängen spielt. Neueste Untersuchungen belegen auch eine Anreicherung von Zn 2+ in den synaptischen Endigungen inhibitorischer Neurone, die eine starke Expression von GlyRs zeigen. In der Arbeitsgruppe von Betz und Laube konnte mit Zn 2+ eine starke Potenzierung der hemmenden Glyzinantw ort in kultivierten Neuronen nachgew iesen w erden [8]. Basierend auf Strukturmodellen [9] und umfangreichen Mutationsanalysen [10] konnte die Zn 2+-Bindungsstelle im extrazellulären Bereich des GlyR identifiziert w erden (Abb. 5A). Um die physiologische Bedeutung der Zn 2+-Regulation in der glyzinergen Signalübertragung im Gehirn von Säugern auf synaptischer Ebene zu belegen, w urde in genetisch modifizierten Mäusen durch Mutation der Zn 2+Bindungsstelle der GlyR Zn 2+-insensitiv gemacht [11], (Abb. 5A). Der Verlust der Zn 2+-Bindung führt in der genetisch veränderten Maus zu Krämpfen, einem erhöhten Muskeltonus und einer verstärkten Schreckreaktion, die sich in einer ungew öhnlichen Verspannung der Hinterbeine w iderspiegelt (Abb. 5B). Diese Symptome ähneln denen einer Strychninvergiftung und der menschlichen Erbkrankheit Hyperekplexie und sind konsistent mit einer Reduktion der Glyzin-vermittelten neuronalen Hemmung. Elektrophysiologische Messungen an Hirnschnitten bestätigten, dass die Erkrankung der Maus auf den Verlust der Zn 2+-W irkung am GlyR zurückzuführen ist. Diese Ergebnisse zeigten zum ersten Mal, dass Zn 2+ ein w ichtiger endogener Regulator bei der hemmenden glyzinergen synaptischen Erregungsübertragung im Gehirn ist [11](Abb. 5C). © 2009 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 6/10 Jahrbuch 2008/2009 | Laube, Bodo; Betz, Heinrich | Die duale Rolle des Neurotransmitters Glyzin im zentralen Nervensystem Verlust der Zn2+-induzierten Verstärkung glyzinerger Hemmung resultiert in einer erhöhten Schreckreaktion A: P e nta m e re s Mode ll de r e x tra ze llulä re n Liga nde nbindungsdom ä ne de s GlyR (Aufsicht) [2]. Link s: Bindung von Zn 2+ (he llgrün) a n de r Schnittste lle von be na chba rte n Unte re inhe ite n de s GlyR führt zu e ine r Ve rä nde rung de r W e chse lwirk unge n. R e chts: Ve rlust de r Zink Bindung na ch Muta tion de r Bindungsste lle [10]. B: P hä notyp e ine r ge sunde n (link s) und e ine r „hype re k ple k tische n“ (re chts) Ma us m it m utie rte r GlyR -Zn 2+ -Bindungsste lle . Die ve rstä rk te Schre ck re a k tion ze igt sich in e ine r Ve rspa nnung de r Hinte rbe ine . C : Sche m a zur ve rstä rk e nde n Funk tion von Zn 2+ a n he m m e nde n Syna pse n. Zn 2+ ist e sse ntie ll für die Ve rstä rk ung de r Glyzinre ze ptora ntwort (link s). Die Bindung von Zink (rot) führt zum ve rm e hrte n Einstrom von C hloridione n und som it zu e ine r Ve rstä rk ung de r he m m e nde n W irk ung von Glyzin (link s, schwa rze P fe ile ). Muta tion de r Zink bindungsste lle a m GlyR ve rhinde rt die Zink -be dingte Ve rstä rk ung de s C hloride instrom s und be dingt in de r ge ne tisch ve rä nde rte n Ma us Sym ptom e ä hnlich de r m e nschliche n Schre ck e rk ra nk ung „Hype re k ple x ie “ (re chts) [11]. © Ma x -P la nck -Institut für Hirnforschung/Hirze l; La ube Die Wirkung von Zn2+ auf erregende Rezeptoren In vielen Arbeiten w ar gezeigt w orden, dass Zn 2+-Konzentrationen im niedrigen mikromolaren Bereich beim klassischen NMDAR eine Hemmung der Glutamat-verursachten Erregbarkeit von Nervenzellen bedingt. Die W issenschaften fanden, dass diese Zn 2+-Hemmung des klassischen NR1/NR2-Rezeptors nach dem enzymatischen Abschneiden der sog. N-terminalen Domäne der NR1-Untereinheit aufgehoben ist [12]. Der Gew ebeplasminogen-Aktivator t-PA, eine Serinprotease, die ebenfalls die extrazelluläre Domäne der NR1Untereinheit entfernt, ist an pathophysiologischen Aspekten der Erregungsübertragung zw ischen Nervenzellen beteiligt. Ihre Blockade vermindert den NMDA-Rezeptor-vermittelten exzitatorischen Zelltod. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass eine t-PA-mediierte Aufhebung der tonischen Zn 2+-Hemmung von NMDARs zu einem erhöhten Ca 2+-Einstrom und neuronalem Zelltod führen könnte. In der Tat konnten die © 2009 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 7/10 Jahrbuch 2008/2009 | Laube, Bodo; Betz, Heinrich | Die duale Rolle des Neurotransmitters Glyzin im zentralen Nervensystem W issenschaftler am MPI im Zellkultursystem zeigen, dass Zn 2+ eine neuroprotektive W irkung auf Glutamatvermittelte Toxizität besitzt [13]. Folglich w urde in einer w eiteren Studie die W irkung von Zn 2+ auf die Glyzinaktivierten Ströme von NR1/NR3-Rezeptoren untersucht. Dabei w urde gefunden, dass mikromolare Zn 2+Konzentrationen die Glyzin-induzierten Ströme der Rezeptoren um den Faktor 10 erhöhen [14]. Höhere Zn 2+Konzentrationen führten w ie Glyzin zu einer Aktivierung von NR1/NR3-Rezeptoren. Erstaunlicherw eise bew irkte in Anw esenheit von Zn 2+ die gemeinsame Applikation von Glyzin und einem NR1-Antagonisten eine 125-fache, „supralineare“ Potenzierung des Glyzin-aktivierten Rezeptorstromes [14], (Abb. 3C). Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass Zn 2+ sow ohl als positiver Modulator als auch als voller Agonist an NR1/NR3-Rezeptoren w irken kann. Schlussbemerkung Bisher existieren nur w enige Studien, die das Vorkommen bzw . die Aktivierung nativer NR1/NR3-Rezeptoren beschreiben. Die durch diese Arbeit beschriebene supralineare Potenzierung könnte einen Weg eröffnen, um NR1/NR3-Re ze ptore n in vivo einfacher nachzuw eisen und funktionell zu charakterisieren. Die neuen Erkenntnisse über das Aktivierungsverhalten von NR1/NR3-Rezeptoren lassen w eiterhin vermuten, dass Zn 2+ neben Glyzin für die Aktivierung von nativen NR1/NR3-Rezeptoren physiologisch von w esentlicher Bedeutung sein könnte. Da bisherige Studien noch keine verlässlichen Daten zu den im Gehirn synaptisch freigesetzten Zn 2+-Konzentrationen liefern, planen die W issenschaftler, durch die gezielte Expression eines sog. „Zn 2+Snifferrezeptors“ [9] die synaptische Ausschüttung von Zn 2+ im ZNS von Mäusen nachw eisbar zu machen. Die Untersuchungen zur W irkung von Glyzin und Zn 2+ am GlyR und NMDAR sind ein gemeinsames Projekt der Abteilung Neurochemie (MPI für Hirnforschung) und der AG Molekulare und Zelluläre Neurophysiologie, TU Darmstadt. Originalveröffentlichungen Nach Erw eiterungen suchenBilderw eiterungChanneltickerDateilisteHTML- Erw eiterungJobtickerKalendererw eiterungLinkerw eiterungMPG.PuRe-ReferenzMitarbeiter Editor)Personenerw eiterungPublikationserw eiterungTeaser (Employee mit BildTextblockerw eiterungVeranstaltungstickererw eiterungVideoerw eiterungVideolistenerw eiterungYouTubeErw eiterung [1] H. Betz, B. Laube: Glycine receptors: recent insights into their structural organization and functional diversity. Journal of Neurochemistry 97, 1600-1610 (2006). [2] J. Grudzinska, R. Schemm, S. Häger, A. Nicke, G. Schmalzing, H. Betz, B. Laube: The ß subunit determines the ligand binding properties of synaptic glycine receptors. Neuron 45, 727-739 (2005). [3] B. Laube, J. Kuhse, H. Betz: Evidence for a tetrameric structure of recombinant NMDA receptors. 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