Inflation versus Deflation

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Investors’ Insight
Vontobel Asset Management
Inflation versus Deflation:
Ein Leitfaden für Anleger
Einleitung
Die Geldpolitik aller wichtigen Zentralbanken ist auf
«Stimulierung» ausgerichtet. Die Leitzinsen liegen auf
absoluten Tiefstständen zwischen 0 % und 1% und die
Geldmengenaggregate wachsen zum Teil im zweistelligen Bereich. Viele Investoren befürchten aufgrund dieser
Rahmenbedingungen einen baldigen, starken Anstieg
der Inflation. Seit Längerem besteht jedoch kaum mehr
ein bedeutender Zusammenhang zwischen Geldmengenwachstum und Inflation. Entscheidender für die Beurteilung der Geldpolitik hinsichtlich Inflationsentwicklung
ist die sogenannte «Taylor-Regel».
«Seit Längerem besteht kaum mehr ein
bedeutender Zusammenhang zwischen
Geldmengenwachstum und Inflation.»
Die Studie folgt folgendem Aufbau:
Kapitel 1 erläutert die wesentlichen Treiber der Inflation
und zeigt unsere Inflationserwartungen für die kommenden Jahre auf.
Kapitel 2 widmet sich der Frage, wie sich Anleger verhalten sollten, welche von einer stark steigenden Inflation
ausgehen. Es werden die realen – also inflationsbereinigten – Renditen der wichtigsten Anlageklassen aufgezeigt
und erläutert. Der Sonderrolle von Gold wird ein eigener
Abschnitt gewidmet.
Kapitel 3 zeigt die Performance der Anlageklassen in
deflationären Zeiten auf.
Kapitel 4 fasst zusammen und zeigt die Konklusionen für
den Investor auf.
Sie weist aktuell auf eine angemessene Geldpolitik der
wichtigen Notenbanken hin. Die Inflation dürfte demnach
in den kommenden Jahren tiefer bleiben als allgemein angenommen. Allerdings ist im Falle geldpolitischer Fehler
eine Inflationsgefahr nicht auszuschliessen. In inflationären Phasen seit 1900 erweisen sich Rohstoffe und teilweise Aktien als bester Inflationsschutz, Gold hingegen ist
mehr ein Krisenschutz als ein expliziter Inflationsschutz.
Dr. Thomas Steinemann,
Chefstratege der Vontobel Gruppe
Oliver Russbuelt,
Senior Investment Strategist
Dr. Walter Metzler,
Senior Economist
September 2010
3
Kapitel 1:
Was treibt eigentlich die Inflation?
Die expansive Geldpolitik der vergangenen zwei Jahre hat
Befürchtungen geweckt, dass eine drastisch steigende
Inflation unausweichlich sei. In der Tat waren die globalen
Leitzinsen und in der Folge die Obligationenzinsen aufgrund der Finanzkrise noch nie so tief wie derzeit. Hinzu
kommt, dass die Notenbanken das sogenannte «Quantitative Easing» betreiben, was einer Fortführung der Leitzinssenkungen mit anderen Mitteln entspricht. Vereinfacht
ausgedrückt handelt es sich dabei um eine Verlängerung
der Zentralbankbilanz, indem die Notenbank Wertpapiere
kauft und längerfristige Refinanzierungen mittels Notenbankpresse tätigt. Als Folge der schweren Rezession im
Jahr 2009 ist die Kernteuerung (Konsumenteninflation
ohne Nahrungsmittel und Energiepreise) in den Industrieländern zurzeit dennoch sehr niedrig. Dies wirft die Frage
auf, wovon der Verlauf der Teuerung wirklich abhängt.
Sprunghaft höhere Nachfrage nach Liquidität in
der Finanzkrise als Grund für Geldmengenwachstum
Der Hauptgrund, weshalb die US-Notenbank die Geldmenge erhöhte, lag darin, die in der Finanzkrise massiv
gestiegene Nachfrage nach Liquidität zu befriedigen.
So wollten die Banken sich gegen plötzliche Abflüsse
absichern und die Risiken in ihrer Bilanz vermindern, indem sie mehr liquide Mittel hielten. Da sich die Banken
aber gegenseitig nicht mehr vertrauten, suchten sie vor
allem sichere kurzfristige Anlagen, d. h. Reserven bei der
Notenbank. Angesichts der extrem hohen Unsicherheit
in der Krise wollten neben den Banken auch Unternehmen
sowie private Haushalte mehr Liquidität halten. Hätte die
Notenbank diese massiv höhere Nachfrage nicht erfüllt,
wären die Zinsen stark gestiegen, was die Wirtschaftskrise
weiter verschärft hätte.
In den Siebzigerjahren dominierte die monetaristische
Überzeugung, dass Inflation die Folge davon sei, dass
zu viel Geld zu wenigen Gütern gegenüberstehe. In den
Achtzigerjahren wurde der empirische Zusammenhang
zwischen Geldmenge und Inflation jedoch zunehmend
weniger bedeutsam (siehe Grafik 1).
Dass die erhöhte Geldmenge vor allem eine Antwort
auf die erhöhte Liquiditätsnachfrage war, ist auch daran
ersichtlich, dass die Banken ihre Ausleihungen an Unternehmen und Haushalte seit Beginn der Finanzkrise nicht
erhöht haben, obwohl sie aufgrund ihrer grösseren Reserven dazu in der Lage wären. Auch die Wirtschaft hat
die grössere Liquidität nicht zu mehr Käufen von Gütern
und Dienstleistungen verwendet. Dies ist daran ersichtlich,
dass das Verhältnis von Sozialprodukt zu Geldmenge –
die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes – seit Beginn der
Finanzkrise markant gesunken ist.
Grafik 1: Inflation in den USA seit 1980 von Geldmenge entkoppelt.
Gleitender Durchschnitt
12%
10%
8%
6%
4%
2%
0%
–2%
– 4%
1965
1970
1975
Geldmenge M1
1980
1985
1990
1995
2000
2005
2010
Inflation
Quelle: Datastream, Vontobel
Dies bedeutet, dass die Entwicklung der Geldmenge den Inflationsverlauf nicht mehr erklären oder prognostizieren kann.
So war das Geldmengenwachstum in den USA von 1980 bis
1995 – als die Inflation deutlich rückläufig war – sogar leicht
höher als in den inflationären Siebzigerjahren. Umgekehrt
verlangsamte sich die monetäre Expansion von 2005 bis 2008
und trotzdem stieg die Teuerung an. Aus diesem Grund
ver folgen die US-Notenbank, die Bank of England und die
Schweizerische Notenbank auch kein Geldmengenziel mehr.
Einzig die Europäische Zentralbank (EZB) verfolgt noch das
Geldmengenwachstum in der Abgrenzung M3.
Aus der aktuell stark ausgedehnten US-Geldmenge im
Zuge der quantitativen geldpolitischen Lockerung kann
deshalb nicht zwingend auf eine künftig stark steigende
Inflation geschlossen werden.
4
Teuerung als Resultat von Kapazitätsauslastung
und Geldpolitik
Da sich die Geldmenge seit den Achtzigerjahren zunehmend
als unzuverlässiger Indikator für die künftige Teuerung erwies,
zog man zur Erklärung der Inflationsentwicklung vermehrt die
Auslastung der Produktionskapazitäten heran. Diese lässt sich
beispielsweise mit der Kapazitätsauslastung in der Industrie
oder mit dem sogenannten «Output Gap» (Produktionslücke)
messen. Der Output Gap zeigt auf, wie stark die aktuelle
Wirtschaftsleistung von ihrem Potenzial abweicht. Ein
positiver Output Gap zeigt dabei eine Überhitzung, ein
negativer Output Gap eine Unterauslastung der Produktionskapazitäten an (siehe Grafik 2).
Wie stark die Inflation in einer Überhitzungsphase anzieht,
hängt davon ab, ob die Geldpolitik zu expansiv oder zu
restriktiv ist. Um beurteilen zu können, ob die Geldpolitik
angemessen ist, hat sich die Taylor-Regel als Orientierungsgrösse etabliert. Der Leitzins sollte sich dabei an
folgenden Kriterien ausrichten (siehe Kasten Taylor-Regel):
1. dem Output Gap
2. der Abweichung der Inflation von ihrem Ziel
3. dem mittelfristigen Realzins und der aktuellen Inflation
zinsen zu niedrig, sodass die Teuerung wieder bei 5 % lag.
Auf dem Höhepunkt der Finanz- und Wirtschaftskrise im
Herbst 2008 empfahl die Taylor-Regel für die USA sogar
negative Zinsen. Da dies praktisch nicht möglich ist, griff die
Notenbank zum Quantitative Easing, also zur quantitativen
Lockerung, und dehnte die Geldmenge mittels Wertschriftenkäufen markant aus, was wie eine zusätzliche Zinssenkung wirkte. Dies entsprach der Taylor-Regel und den dramatischen Umständen der damaligen Zeit.
Grafik 2: Output Gap und Inflation in den USA.
Gleitender Durchschnitt
14%
12%
10%
8%
6%
4%
2%
0%
–2%
– 4%
– 6%
–8%
1970
1975
1980
Output Gap
1985
1990
1995
2000
2005
2010
Inflation
Quelle: Datastream, Vontobel
Anhand der Taylor-Regel zeigt sich, dass die US-Leitzinsen
in den Siebzigerjahren deutlich zu niedrig waren, was die
hohe Inflation erklärt (siehe Grafik 3). Der Inflationsrückgang
in den Achtzigerjahren war die Folge der sehr restriktiven
Geldpolitik unter dem damaligen US-Notenbankchef Paul
Volcker, als die Zinsen markant höher waren, als die TaylorRegel ergeben hätte. In den Neunzigerjahren war die Geldpolitik weitgehend angemessen und die Inflation entsprechend niedrig. In der Phase 2000 bis 2004 waren die LeitGrafik 3: Taylor-Zins und effektiver Leitzins in den USA.
Zinssätze
25%
20%
15%
10%
5%
0%
–5%
1970
1975
US-Leitzins
1980
1985
1990
Taylor-Regel
1995
2000
2005
2010
in 12 Monaten
Ein gewisses Inflationsrisiko in den USA
Gegenwärtig zeigt die Taylor-Regel einen angemessenen
Leitzins von rund 1% an, während der Leitzins nach
wie vor bei 0,25 % liegt. In zwölf Monaten empfiehlt die
Taylor-Regel auf der Basis unserer Wachstums- und Inflationsprognosen einen Leitzins von 1,5 %. Wir erwarten
allerdings, dass die US-Notenbank den Leitzins in den
nächsten zwölf Monaten lediglich auf 0,75 % anheben
wird. Dies impliziert ein gewisses Inflationsrisiko, zumal
die US-Notenbank auch das Quantitative Easing vorerst
beibehält. Zudem ist die US-Fiskalpolitik ebenfalls deutlich expansiv und wird dies vermutlich auch bleiben.
Mittelfristig rechnen wir im Hauptszenario mit einer
weiterhin gedämpften, unterdurchschnittlichen wirtschaftlichen Erholung und damit, dass die Leitzinsen nur verzögert an das Taylor-Niveau angenähert werden. Die Inflationsrate könnte deshalb mittelfristig auf 3% bis 4% ansteigen, nachdem das «Deleveraging» in einigen Jahren
abgeschlossen sein wird. Wird von einer stärkeren wirtschaftlichen Entwicklung ausgegangen, rechnen wir mit
4 % bis 5 %. Auch die Gefahr der politischen Einflussnahme auf die Geldpolitik, diese länger als angemessen expansiv zu belassen, kann nicht völlig ausgeschlossen werden.
Wir rechnen allerdings nicht mit einer anhaltend höheren
Teuerung, da die US-Notenbank bei klaren Anzeichen
einer nachhaltig starken Konjunktur die Geldpolitik markant straffen würde.
Quelle: Datastream, Vontobel
Die Taylor-Regel
Taylor-Zins = realer Geldmarktzielzins +
aktuelle Inflation + 0,5 × (Inflation – Inflationsziel) +
0.5 × Output Gap
Output Gap =
aktuelles BIP – potenzielles BIP
potenzielles BIP
Potenzielles BIP = BIP bei Vollauslastung des Kapitalstocks und des Arbeitsmarktes
Das Inflationsziel und der reale Geldmarktzielzins sind
von Land zu Land unterschiedlich. Während das Infla-
tionsziel die Stabilitätskultur eines Landes widerspiegelt,
hängt der reale Geldmarktzins wesentlich vom Potenzialwachstum ab.
Die Beurteilung der Geldpolitik anhand des Zinssatzes
statt der Geldmenge hat den Vorteil, dass erratische
Verschiebungen bei der Geldnachfrage als Quelle einer
falschen Geldpolitik ausgeschaltet werden. So hätte
eine friedmansche (monetaristische) Geldmengenregel
in der Finanzkrise wohl zu einem Zinsanstieg geführt,
weil die massive Erhöhung der Geldnachfrage nicht
gestillt worden wäre.
5
Kapitel 2:
Was soll ein Anleger in inflationären Zeiten tun?
Wie im letzten Kapitel erläutert, gehen wir davon aus,
dass die Inflationsrate bis auf Weiteres nicht signifikant
steigen wird. Dies gilt jedoch unter der Annahme, dass die
Zentralbanken keine drastischen Fehler machen, die ExitStrategie rechtzeitig umgesetzt wird und das Deleveraging
des privaten Sektors noch einige Zeit in Anspruch nehmen
wird. Dennoch kann ein Inflationsszenario nicht völlig
ausgeschlossen werden. Daher untersuchten wir, welche
Anlageklassen in inflationären Phasen real eine positive
Rendite erwirtschaften. Betrachtet wurden die folgenden
Anlageklassen für die USA: Cash, Staatsanleihen, Unternehmensanleihen, Aktien, Rohstoffe, Gold und Immobilien für den Zeitraum von 1900 bis heute. In dieser Zeitspanne gab es sechs inflationäre Phasen, in denen die
Inflation über 5 % stieg (siehe Grafik 4).
Grafik 5: Durchschnittliche reale Renditen in Inflationsphasen.
In den sechs inflationären Phasen ergaben sich für die
verschiedenen Anlageklassen die folgenden durchschnittlichen realen Renditen (siehe Grafik 5).
Betrachtet man nur die Jahre, in denen die Inflationsrate
jeweils Höchststände erreichte, ergibt sich ein anderes
Bild (siehe Grafik 6). Aktien schnitten in diesen Jahren
schlecht ab; einzig Rohstoffe lieferten positive Realrenditen. Für den Investor gilt deshalb, in inflationären Zeiten
keine «Buy and Hold»-Strategie zu verfolgen, sondern im
Rahmen einer taktischen Anlagestrategie diesen Erkenntnissen Rechnung zu tragen.
«Buy and Hold»-Strategie hat ausgedient
Nicht überraschend schneiden Staatsanleihen am schlechtesten ab, gefolgt von Gold, Cash und Unternehmensanleihen, welche alle negative Realrenditen erzielten.
Positive reale Renditen hingegen wiesen Immobilienanlagen und Rohstoffe auf. Die höchsten Renditen erzielten
Ak tien mit einer inflationsbereinigten Rendite von durchschnittlich knapp 4 %. Allerdings rentierten Aktien nicht
in jedem einzelnen Jahr der Inflationsperiode positiv.
Reale Renditen p. a.
4%
3%
2%
1%
0%
Unternehmensanleihen
Aktien
–1%
Rohstoffe
Cash
Gold
–2%
–3%
– 4%
– 5%
Quelle: Global Financial Data, Robert Shiller, Datastream, Vontobel
Insgesamt bestätigen diese Resultate jedoch, dass in inflationären Phasen Realwerte wie Rohstoffe, Aktien und
Immobilien höhere Renditen erwirtschaften als Nominalwerte (siehe Grafik 5 und 6).
Grafik 4: Sechs Inflations- und zwei Deflationsperioden in den USA seit 1900.
Inflation/Deflation
25%
1. WK
1914 –1919
2. WK
1939 –1947
20%
15%
Inflation
VietnamKrieg
1967–1970
Ölkrise I u. II
1973– 1981
KoreaKrieg
1950 –1951
10%
Börsencrash
1987–1990
5%
Deflation
0%
– 5%
–10%
–15%
1900
Kurze,
aber starke
Deflation
1920–1921
1910
1920
Grosse
Depression
1929–1933
1930
Quelle: Global Financial Data, Datastream, Vontobel
6
1940
Staatsanleihen
Immobilien
1950
1960
1970
1980
1990
2000
2010
Grafik 6: Durchschnittliche reale Renditen in den Jahren mit
den höchsten Inflationsraten.
Reale Renditen p. a.
8%
6%
4%
2%
0%
Immobilien
Gold
Aktien
Unternehmensanleihen
Cash
Staatsanleihen
Rohstoffe
Die dritte und bisher letzte Goldhausse ab 2001 fiel erneut
in eine tendenziell deflationäre Phase mit dem Platzen
der Technologieblase. Goldpreishaussen kommen somit
sowohl in Inflations- als auch in Deflationsphasen vor.
Wenn nicht die Inflation, was könnte den Goldpreis erklären? In Grafik 7 erkennt man, dass die drei Goldhaussephasen alle in Zeiten stattfanden, in denen die Aktienmärkte schwach waren und über längere Zeit seitwärts
tendierten.
–2%
– 4%
– 6%
– 8%
Quelle: Global Financial Data, Robert Shiller, Datastream, Vontobel
Gold eher ein Krisen- als ein Inflationsschutz
Erstaunlich ist, dass Gold offenbar keinen so guten Inflationsschutz bietet, wie allgemein angenommen wird.
In den sechs inflationären Phasen des 20. Jahrhunderts
erzielte Gold lediglich in einer Phase – nämlich zwischen
1973 und 1981 – eine beachtliche positive Realrendite
von 15 % pro Jahr. In allen anderen Inflationsperioden
warf Gold keine positive Rendite ab. Allerdings war Gold
bis 1973 nicht frei handelbar und der Goldpreis fixiert.
Zudem war der private Besitz von Gold zeitweise verboten.
In dieser Optik wäre Gold eine gute Ergänzung zu Aktien
aber mehr als Krisenschutz anzusehen und weniger als Inflationsschutz. Andererseits erkennt man in Grafik 8, dass
Gold nur dann eine vergleichbare Rendite wie Aktien aufweist, wenn man die Aktiendividenden weglässt. Rechnet
man diese hinzu, zeigt sich eine deutliche Überlegenheit
von Aktien gegenüber Gold .1 Grafik 8 verdeutlicht, welchen signifikanten Beitrag Dividenden zu hohen Renditen
liefern.
Grafik 8: Aktien mit und ohne Dividenden im Vergleich zu Gold.
Ein Investor, der Ende 1973 100 US-Dollar in den amerikanischen
Aktienmarkt oder in Gold investierte, hätte nun …
Preise indexiert (1973 = 100)
Preise indexiert (1973 = 100)
5000
4000
Gold hatte seit 1900 drei bedeutende Haussephasen. In
den Dreissigerjahren wurde Gold unter dem Goldstandard
per Dekret aufgewertet, was die erste Goldpreishausse –
notabene in einer stark deflationären Periode – bewirkte.
Nach der Aufhebung des Bretton-Woods-Systems 1973
konnte sich der Goldpreis schliesslich frei bewegen und
stieg in der folgenden Inflationsperiode real deutlich an.
In der bisher letzten Inflationsperiode 1987 bis 1990 war
Gold mit real rund minus 7 % pro Jahr aber wieder die
schlechteste Anlageklasse.
Grafik 7: Die drei Goldhaussephasen.
Preise
USD
(logarithmierte
Preise inin
USD
(logarithmierte
Skala) Skala)
10 000
1000
100
10
Deflation
1
1900
1910
1920
1930
S&P 500 ohne Dividenden
1940
tiefe Inflation/
Deflation
Inflation
1950
1960
1970
1980
1990
2000
2010
USD
3500.–
3000
2000
USD
1100.–
USD
1050.–
1000
0
1973
1978
1983
S&P 500 inklusive Dividenden
1988
1993
1998
2003
S&P 500 ohne Dividenden
2008
Goldpreis
Quelle: Global Financial Data, Datastream, Vontobel
Was bedeutet dies für den Anleger? Anleger, die von
einem bedeutenden Anstieg der Inflation in den kommenden Jahren ausgehen, können vermehrt auf Realwerte
wie Rohstoffe, Immobilien und Aktien setzen. Nominalwerte wie Obligationen oder Bargeld sollten dagegen
untergewichtet werden. Zu beachten ist allerdings, dass
Rohstoffe und demzufolge auch Gold in US-Dollar abgerechnet werden und der Euro- und Schweizer-FrankenInvestor das Wechselkursrisiko tragen muss.
Eine Inflationsabsicherung bieten auch inflationsgeschützte Anleihen, welche hauptsächlich in US-Dollar denominiert sind («TIPS» = Treasury Inflation-Protected Securities).
Solche Anleihen werden auch in britischen Pfund und
Euro emittiert, nicht aber in Schweizer Franken.
Goldpreis
Quelle: Global Financial Data, Datastream, Vontobel
1 Dies
gilt auch für andere Rohstoffe.
7
Kapitel 3:
Wie anlegen in deflationären Phasen?
Grafik 10: Taylor-Zins und effektiver Leitzins in der EWU.
Zinssätze
8%
6%
4%
2%
0%
Repo Rate
Grafik 9: Durchschnittliche reale Renditen in deflationären Phasen.
Taylor-Regel
2011
2010
2009
2008
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
–2%
1999
Im Unterschied zum Hochinflationsszenario befürchten
einige Beobachter ein Deflationsszenario. Damit wäre
zu rechnen, wenn die Weltwirtschaft im Rahmen eines
«Double Dip» wieder in eine Rezession gerät. Obwohl dies
nicht unserem Hauptszenario entspricht, untersuchten
wir, wie sich die einzelnen Anlageklassen in einer deflationären Phase verhalten. Seit 1900 gab es in den USA zwei
wesentliche Deflationsperioden (siehe Grafik 4), dabei
ergaben sich die folgenden durchschnittlichen realen Renditen (siehe Grafik 9).
in 12 Monaten
Quelle: Datastream, Vontobel
Reale Renditen p. a.
tionen, die sowohl von Staaten als auch von Unternehmen
emittiert werden, vorzuziehen sind. Aktien und Rohstoffe
hingegen sind unterzugewichten.
15%
10%
Quelle: Global Financial Data, Robert Shiller, Datastream, Vontobel
Gemäss unseren Einschätzungen erscheint in Europa
das Deflationsrisiko etwas höher als in den USA. In der
Eurozone lag die Inflation aufgrund einer ausgeprägteren
Stabilitätskultur traditionell tiefer als in den USA. Zwar
blieb die Geldpolitik von 2000 bis 2008 ebenfalls unter
den Taylor-Empfehlungen zurück (siehe Grafik 10). Die
Abweichung war jedoch geringer als in den USA. Entsprechend lag die Teuerung in dieser Periode über dem
Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB), jedoch tiefer als
in den USA.
Im Vergleich zum Inflationsszenario zeigt sich bei einem
Deflationsszenario ein gegenteiliges Bild. Reale Assets
rentieren deutlich schlechter als nominale, da Deflationen
in der Vergangenheit auch immer mit Rezessionen verbunden waren. Für den Investor heisst das, dass Obliga-
In der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 empfahl
die Taylor-Regel ebenfalls negative Leitzinsen. Die EZB
betrieb jedoch keine eigentliche quantitative Lockerung.
In den letzten zwei Jahren hielt die EZB die Leitzinsen
auf einem über dem Taylor-Zins liegenden Niveau.
5%
0%
Aktien
Unternehmensanleihen
Cash
Staatsanleihen
Gold
Rohstoffe
Immobilien
–5%
–10%
–15%
Ist der «Fall Japan» für den Westen relevant?
In Japan waren die letzten zwanzig Jahre gekennzeichnet
durch eine tiefe Inflation, teilweise sogar eine Deflation,
ein unterdurchschnittliches Wirtschaftswachstum und
anhaltend tiefe Zinsen. Der Grund für diese Entwicklung
liegt im Platzen der japanischen Immobilienblase der
Achzigerjahre. Japanische Unternehmen kauften im grossen Stil mittels Hypotheken Grundstücke und Immobilien.
Der drastische Zerfall der Immobilienpreise seit 1990
zwang diese in der Folge, die Schulden abzubauen und
entsprechend wenig zu investieren. Diese Phase, welche
bis heute in Folge noch immer nicht stabilisierter Immobilienpreise andauert, wird als Deleveraging bezeichnet.
Solche Phasen sind aufgrund der niedrigen gesamtwirt2 Siehe
8
schaftlichen Nachfrage mit tiefen Inflationsraten verbunden. Selbst eine expansive Geldpolitik, wie sie die japanische Notenbank seit Langem verfolgt, führt nicht zu
hohen Inflationsraten. Warum? Während sich der private
Sektor entschuldet, werden kaum neue Kredite nachgefragt. Dies hat zur Folge, dass Geld, welches durch die
Notenbank in Umlauf gebracht wird, nicht in die Wirtschaft fliesst und somit keine inflationäre Wirkung hat.
Dieser Wirkungszusammenhang ist auf die aktuelle
Situation in den westlichen Ländern, insbesondere auf die
USA, übertragbar. Da sich aber im Gegensatz zu Japan
die US-Immobilienpreise bereits wieder stabilisiert haben,
dürfte die Phase des Deleveraging nur zwischen drei
und fünf Jahren dauern. 2
Vontobel Asset Management, «Von der Finanz- zur Schuldenkrise: Auswirkungen auf Wirtschaft und Finanzmärkte», März 2010
Dies trug mit zur schwachen konjunkturellen Erholung in
Euroland bei. Aktuell empfiehlt die Taylor-Regel zwar einen
etwas höheren Leitzins – auf zwölf Monate ist der von uns
unverändert erwartete Leitzins aber wieder angemessen.
politik insgesamt doch restriktiv. Wir rechnen in unserem Hauptszenario zwar nicht mit einem Rückfall in die
Rezession und damit mit einer Deflation, jedoch bleibt
das Wachstum unterdurchschnittlich und die Inflation
steigt nur gering auf rund 2 % an.
Da die Fiskalpolitik in manchen EWU-Ländern im Zuge
der Schuldenkrise nun gestrafft wird, ist die Wirtschafts-
Die Schweiz auf dem Pfad der Tugend
Die Schweiz hielt sich in den letzten zehn Jahren am
engsten an die Taylor-Regel. In der Finanzkrise praktizierte die Schweizerische Nationalbank (SNB) ebenfalls
eine dezidierte quantitative Lockerung, wie dies der
negative Taylor-Zins anzeigte.
dung der Taylor-Regel. Sowohl aktuell als auch in den
nächsten zwölf Monaten ist die schweizerische Geldpolitik damit insgesamt als angemessen zu bewerten.
Dies bedeutet, dass in der Schweiz auf absehbare Zeit
kein nennenswertes Inflationsrisiko besteht.
Gegenwärtig liegt der Leitzins etwas unter dem TaylorZins. In den nächsten zwölf Monaten empfiehlt die
Taylor-Regel, basierend auf unseren Konjunktur- und
Inflationsprognosen, eine Zinserhöhung auf rund 1,5 %.
Wir erwarten in dieser Zeit jedoch unverändert einen
Leitzins von 0,35 %. Grund ist der anhaltend starke Aufwertungsdruck auf den Schweizer Franken. Gemäss
Einschätzung der SNB hat eine 3%-ige reale Aufwertung des Schweizer Frankens den gleichen Effekt wie
eine Zinserhöhung um 1%. Um den negativen Effekt des
aktuell starken Schweizer Frankens auszugleichen, darf
der Zins um rund 1,5 % tiefer sein als bei strikter Anwen-
Grafik 11: Taylor-Zins und effektiver Leitzins in der Schweiz.
Zinssätze
14%
12%
10%
8%
6%
4%
2%
0%
2010
2008
2006
2002
2004
1998
Taylor-Regel
2000
1996
1992
Libor CHF 3 Monate
1994
1990
1986
1988
1982
1984
1980
– 2%
in 12 Monaten
Quelle: Datastream, Vontobel
9
Kapitel 4:
Zusammenfassung und Konklusionen für den Anleger
Der Zusammenhang zwischen Geldmengenentwicklung
und Inflationsentwicklung hat sich in den vergangenen
Jahrzehnten deutlich gelockert. Wichtiger zur Beurteilung
der zukünftigen Inflation ist deshalb die Taylor-Regel.
Diese impliziert, dass aktuell die Notenbanken eine angemessene, nicht inflationäre Politik betreiben.
«Wir erwarten in den kommenden
Jahren keinen substanziellen Anstieg
der Inflation.»
Der durch die Immobilienkrise verursachte Entschuldungsprozess der privaten Haushalte und Unternehmen wird
zudem noch einige Jahre anhalten. Wir erwarten in den
kommenden Jahren keinen substanziellen Anstieg der
Inflation. Falls die Notenbanken den Leitzins zu lange tief
halten – gemessen an der Taylor-Regel – dürfte die Inflation jedoch anziehen.
Anleger, welche von einer inflationären Zukunft ausgehen,
sind mit einem Übergewicht in realen Anlageklassen
wie Rohstoffen, Immobilien und Aktien gut bedient. Wird
hingegen von einem deflationären Bild ausgegangen, so
sind Staats- und Unternehmensobligationen vorzuziehen.
Unsere Analyse inflationärer Perioden hat aber gezeigt,
dass die Performance der Anlageklassen nicht homogen
verläuft: Zwar rentieren Aktien real in inflationären Phasen grundsätzlich gut, in Jahren mit den höchsten Inflationswerten schneiden sie hingegen schlechter ab. Aus
diesem Grund ist ein differenziertes Vorgehen im Gegensatz zu einer reinen «Buy and Hold»-Strategie für inflationäre oder deflationäre Perioden zu empfehlen. Der
Investor kommt somit nicht umhin, taktische Asset-Allocation-Entscheide selbst zu treffen oder diese an einen
professionellen Vermögensverwalter zu delegieren.
10
Disclaimer
Obwohl die Bank Vontobel der Meinung ist, dass die hierin enthaltenen Angaben auf verlässlichen Quellen beruhen,
kann die Bank keinerlei Gewährleistung für die Qualität, Richtigkeit, Aktualität oder Vollständigkeit der in dieser Studie
enthaltenen Informationen übernehmen. Dieses Dokument dient nur zu Informationszwecken und ist weder eine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren noch zur Abgabe eines Kauf- oder Zeichnungsangebots.
Diese Studie wurde vom Bereich Asset Management unseres Institutes erstellt und ist nicht das Ergebnis einer Finanzanalyse. Die «Richtlinien zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der Finanzanalyse» der Schweizerischen Bankiervereinigung finden auf die Studie keine Anwendung. Einschätzungen und Meinungen, welche in dieser Broschüre vertreten
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