2. Theoretische Grundlagen

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2. Theoretische Grundlagen
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2. Theoretische Grundlagen
2.1. Das Plasma
fest
flüssig
gasförmig
Plasma
kinetische Energie pro Teilchen
Abbildung 1: Schematische Darstellung der energetischen Folge der Aggregatszustände.
Ein Plasma1 [I.1, I.2] ist ein teilweise oder vollständig ionisiertes, nach außen hin neutrales
(„quasineutrales“), elektrisch leitfähiges Gas, das auch als der „4. Aggregatszustand“
bezeichnet wird [II.3]. Es enthält eine Vielzahl reaktiver Spezies wie Ionen, Elektronen
und durch (unelastische) Stöße angeregte Neutralteilchen in Form von Atomen, Molekülen
oder Radikalen.
Wird ein geladenes Teilchen in eine neutrale Gasatmosphäre gebracht, verändert sich die
Feldverteilung um dieses Teilchen kaum. Für das Potential -JLOWGDV&RXORPE-Gesetz:
Φ (r ) ≈
q
r
Formel 1
mit: r Abstand und q (Punkt-)Ladung
Dies gilt nicht im Plasma, da das Gas aus elektrisch geladenen Teilchen besteht. Die
Koexistenz positiver und negativer Ladungsträger führt nach dem Debye-Hückel Gesetz
zur Debyeschen Abschirmung: Jede positive Ladung ist wolkenartig von negativen
Ladungen umgeben und umgekehrt. Die Debye Abschirmlänge λD, die angibt wie stark das
reine Coulomb-Potential der einzelnen Punktladungen verändert ist, wird in Abhängigkeit
der mittleren thermischen Energie T pro Freiheitsgrad und der Elektronendichte ne
definiert als:
1
Fluide Plasmen und Festkörperplasmen werden hier nicht berücksichtigt [II.2].
-3-
2. Theoretische Grundlagen
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λ
D
=
kT
Formel 2
4 π e 2 ne
mit: e Elementarladung des Elektrons, k Boltzmann-Konstante und ne Elektronendichte
Damit die typischen Plasmaeigenschaften auftreten, müssen die Raumladungseffekte die
thermischen Effekte kompensieren oder mindestens gleich groß sein. Es kommt so zu den
Reaktionen, die durch die kollektiven, elektrischen Kräfte im Plasma ausgelöst werden und
sich charakteristisch von einem gewöhnlichen Gas unterscheiden. Anhand der Debye
-Abschirmlänge λD kann zwischen normalen Gasen und Plasmen unterschieden werden.
Die Bedingung für die Existenz eines Plasma mit der Elektronendichte ne lautet [II.1, II.2]:
λ
D
>> ne
−1
Formel 3
3
Materie muss also zwei Vorraussetzungen erfüllen, um als Plasma bezeichnet zu werden
[I.2]:
•
Zwischen den geladenen Teilchen müssen elektromagnetische Wechselwirkungen
auftreten, was durch die Debye-Abschirmlänge D beschrieben wird.
•
Die Anzahl der positiven und negativen Ladungsträger pro Volumeneinheit muss etwa
gleich groß sein. Die Menge der Ladungsträger sowie der Neutralteilchen ist irrelevant.
In Hochtemperaturplasmen, die zum Beispiel während einer Bogenentladung auftreten,
haben alle Teilchen hohe kinetische Energien und befinden sich im inneren thermischen
Gleichgewicht.
Entsprechend
der
Maxwellschen
Verteilungsfunktion
der
Geschwindigkeiten F(v) bei einer kinetischen Energie Ekinetisch = k  7 Eesteht der
Zusammenhang:
 m 
F (v ) =
v 

π
 2kT 
4
2
3
2
 mv 2
exp  −
 2 kT




Formel 4
mit: v Teilchengeschwindigkeit, m Teilchenmasse und k Boltzmann-Konstante
im nichtisothermen Plasma (umgangssprachlich auch oft als kaltes Plasma bezeichnet)
oder Niederdruckplasma, haben die Neutralteilchen (Radikale, Atome, Moleküle) geringe
Geschwindigkeiten und damit niedrige Temperaturen, während die Elektronen hohe
durchschnittliche kinetische Energien von 1-10 eV* besitzen.
*
Es besteht der Zusammenhang: 1 eV = 1,602 Â-19 J
-4-
2. Theoretische Grundlagen
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Mit Hilfe des Zusammenhangs
E kinetisch = 1 ⋅ m ⋅ v 2 = 3 k ⋅ T
2
Formel 5
2
mit: m Teilchenmasse, v mittlere Geschwindigkeit, k Boltzmann-Konstante und T
Temperatur
ergibt sich für ideale Elektronengase im Niederdruckplasma eine Temperatur im Bereich
von 104 K. Die kinetische Energie der Ionen hängt davon ab, ob sie trotz ihrer relativ
hohen Masse bzw. ihrer Massenträgheit der Frequenz des angelegten elektrischen Feldes
folgen können. So können Ionen in einem hochfrequenten Wechselfeld kaum Energie
aufnehmen.
Aufgrund
der
Impuls-
und
Energieerhaltungssätze
sind
auch
die
energiereichen Elektronen nicht in der Lage, wirkungsvoll kinetische Energie durch
elastische Stösse auf die um drei Grössenordnungen schwereren Ionen bzw. Atome zu
übertragen. Somit besitzt im nicht-isothermen Niederdruckplasma nur das Subsystem der
Elektronen Energien, die im Bereich der chemischen Bindungsenergien liegen. Die
Übertragung der Energie auf Ionen, Atome und Moleküle ist nur durch unelastische Stösse
möglich, die zu Anregungen, Dissoziationen oder Ionisationen führen.
Die Erzeugung solcher nicht-isothermen Plasmen erfolgt mit Hilfe elektrischer
Glimmentladungen
mittels
Gleichstrom-,
Niederfrequenz-,
Radiofrequenz-,
oder
Mikrowellenanregung. Die Anregung kann ausserhalb des Reaktionsgefässes durch
elektrodenlose,
kapazitiv
oder
induktiv
gekoppelte
Hochfrequenz-
bzw.
Mikrowellenentladungen erfolgen. Das Plasma kann jedoch auch innerhalb des Reaktors
mit Hilfe von Elektroden, wie beispielsweise beim Hochfrequenz-Parallelplattenreaktor
oder bei Gleichstrom- und Wechselstromentladungen gezündet werden. Das Plasmagas
muss sich im Reaktor unter erniedrigtem Druck (von einigen Pa) befinden, damit die
mittlere freie Weglänge der Elektronen hinreichend groß wird. Durch Anlegen des
elektrischen Feldes wird die Entladung gezündet und erreicht nach wenigen
Mikrosekunden einen stationären Zustand, der durch ein Gleichgewicht von stossbedingter
Ladungsträgererzeugung und -vernichtung durch Rekombination in der Plasmaphase und
an den Reaktorwänden gekennzeichnet ist. Die Ladungsträgererzeugung läuft als
„Ionisierungslawine“ ab. Wird nun ein Molekül ionisiert, entstehen positiv geladene Ionen
und Elektronen, wobei die Elektronen sehr stark im anliegenden elektrischen Feld
beschleunigt werden, andere Atome oder Moleküle treffen und dabei durch unelastische
Stösse weitere Moleküle unter Freisetzung eines Sekundärelektrons ionisieren .
-5-
2. Theoretische Grundlagen
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Die schon erwähnten inelastischen Stossprozesse lassen sich wie folgt beschreiben:
Anregung:
M + e- :0H-
Dissoziation:
M + e- :$‡%‡H-
Ionisation:
M + e- :0+ + e- + e´- oder
M + e- :$+ + B¯ + e´-
(nur bei sehr hohen Elektronenenergien)
Zum Zünden der Entladung wird eine ausreichend hohe Zündspannung bzw. Feldstärke
benötigt. Es besteht auch die Möglichkeit, durch Bestrahlung oder Hilfsentladungen eine
genügend große Anzahl an Ladungsträgern für das Zünden des Plasmas bereitzustellen.
Der Plasmazustand ist elektrisch leitfähig. Eine weitere, für chemische Anwendungen
wichtige Eigenschaft von Plasmaentladungen ist die Emission sehr kurzwelliger und
intensiver UV (20 nm < λ < 400 nm) und sichtbarer Strahlung (400 nm < λ < 770 nm).
Dabei handelt es sich einerseits um ein Linienspektrum, das die angeregten Gasteilchen
beim Zurückfallen in den Grundzustand abgeben. Andererseits wird Kontinuumstrahlung
emittiert, die aus Rekombinations- und Bremsstrahlungskontinuum besteht (letztere nur bei
hohen Elektronenenergien), wenn ein freies Elektron an einem Energieübergang beteiligt
ist. Insbesondere die enthaltene energiereichere UV-Strahlung und Vakuum-UV Strahlung
führt zu photochemischen Reaktionen in der abgeschiedenen Plasmapolymerschicht bzw.
der plasmabehandelten Polymerfolie [II.4, II.5, II.6].
Neben den hier beschriebenen Glimmentladungen, gibt es zahlreiche andere Plasmen
(siehe Abbildung 2) [II.7], die über einen Druckbereich von 1011 bar (Plasmen im
Sterninneren ) bis 10-8 bar ( interstellare Plasmen) verteilt sind. Da das interstellare Gas
sowie alle Sterne aus ionisierten Gasen bestehen, befinden sich 99% der Materie im
Weltraum im Plasmazustand wie z. B. die Ionosphäre der Erde oder der van-AllenStrahlungsgürtel; aber auch der Kern der Erde besteht aus Plasma [II.1, II.2].
-6-
-3
ne [cm ]
2. Theoretische Grundlagen
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10
17
10
16
10
15
10
14
10
13
10
12
10
11
10
10
10
9
10
8
10
7
10
6
10
5
10
4
10
3
10
2
10
1
-6 m
0c
=1
λD
Hochdruckentladungen
Alkalimetallplasmen
λD
Schockwellen
kontrollierte
Kernfusion
KernfusionsExperimente
-4 m
0c
=1
Niederdruckbögen
Sonnenphotospäre
λD
-2 m
0c
=1
VlasovPlasma
Glimmentladung
Flammen
λD
0 m
0c
=1
SonnenKorona
Ionosphäre
λD
2 m
0c
=1
Van-AllenGürtel
Interstellarer
Raum
0,1
Interplanetarer
Raum
1
10
100
λD
4 m
0c
=1
1000
10000 100000
kTe [eV]
Abbildung 2: Einteilung der verschiedenen Plasmen aufgrund der Kenngrössen
Elektronendichte ne, Energie der Elektronen kTe und Debye-Abschirmlänge λD [II.8].
-7-
2. Theoretische Grundlagen
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2.2. Die Entwicklung der gepulsten RF Plasma Polymerisation
Bereits 1785 beschäftigte sich de Coulomb [II.9] mit dem Phänomen der elektrischen
Entladung. Erstmals wurde 1796 eine Plasmaentladung in Ethylen beschrieben, die zu
einer öligen, braunen, nicht charakterisierten Abscheidung führte [II.10]. 1874 berichteten
Thenard [II.11] und de Wilde [II.12] von der Erzeugung dünner Schichten aus elektrischen
Entladungen in Acetylen, die zu spröden, amorphen und unlöslichen Abscheidungen
führte. 1879 führte Crookes [II.3] für das Plasma, aufgrund der ungewöhnliche
Eigenschaften des ionisierten Gases die Bezeichnung „vierter Zustand der Materie ein“. In
den Jahren ab 1930 begann die systematische Untersuchung der Plasmapolymere und
deren Eigenschaften [II.13, II.14, II.15, II.16]. Zwischen 1950-1970 stieg zunehmend das
Interesse an den neuartigen dünnen Schichten und ihre physikalische Eigenschaften wie
beispielsweise elektrische und photonische Leitfähigkeit wurden mit Hinblick auf
kommerzielle Anwendungen untersucht [II.17, II.18, II.19, II.20, II.21, II.22, II.23, II.24].
Die
von
verschiedenen
Autoren
aufgestellten
mechanistischen
Modelle
der
Plasmapolymerisation gehen teilweise von sehr unterschiedlichen Ansätzen aus. Einige
Autoren postulieren ionische Mechanismen [II.25], während der überwiegende Teil das
Modell der radikalischen Plasmapolymerisation verwendet [II.25, II.26]. Diese These wird
auch vom Vergleich der Energien zur Erzeugung von Radikalen bzw. Ionen untermauert:
Die Wahrscheinlichkeit der Reaktion über radikalische Spezies ist aufgrund der gegenüber
den Ionisationsenergien niedrigeren Dissoziationsenergien größer (siehe Tabelle 1).
Tabelle
1:
Beispiele
für
Dissoziations-
und
Ionisierungsenergien*
von
Kohlenwasserstoffen [ II.27, II.28]:
Dissoziationsenergie
Ionisierungsenergie
H3C-CH3
3,8 eV
CH4 :&+4+
10 eV
C-H
3,5 eV
C2H4 :&2H4+
12 eV
H2C=CH2
2,7 eV
(Œ – Bindung)
*
Es besteht der Zusammenhang: 1 eV = 1,602 Â-19 J
-8-
2. Theoretische Grundlagen
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Die Erzeugung von Ionen ist zwar essentiell für die Aufrechterhaltung eines Plasmas, aber
nicht notwendig für den Polymerisationsprozess. Bei einer durchschnittlichen kinetischen
Elektronenenergie k  7 § H9 XQG HLQHU DQJHQRPPHQHQ 0D[ZHOO-BoltzmannEnergieverteilung der Elektronen ist die Zahl der inelastischen Stösse, die zu einer
Ionisation führen etwa 10 mal geringer als die, welche eine homolytische Dissoziation
hervorrufen. Der Mechanismus der Plasmapolymerisation unterscheidet sich somit
grundsätzlich von dem der Strahlungspolymerisation, bei der kationische Reaktionszentren
gebildet werden [II.25]. Der radikalische Mechanismus der Plasmapolymerisation kann
folgendermaßen beschrieben werden:
Start:
k
M + e- 
→
R• + R’• + e-
Wachstum:
R• + M :0-R•
Abbruch:
R• + R’• :5-R’
Die Reaktionsgeschwindigkeit K der Startreaktion ergibt sich aus der Konzentration der
Elektronen [e-] und des Monomeren [M]. Die Reaktionskonstante k der Startreaktion hängt
vom Dissoziationsquerschnitt des Monomers und der Energieverteilung der Elektronen ab:
K = k [e-] [M]
Formel 6
Seit Ende der 1970iger Jahre lieferte Yasuda zahlreiche Beiträge zur Aufklärung der
Prozesse, die im Plasma organischer Gase und Dämpfe ablaufen [ II.21, II.29, II.30]. Er
untersuchte die spezifische Abscheidung im Verhältnis von Leistung W zur
Massenflussrate FM. Dieser Zusammenhang wurde als sogenannter „Yasuda-Faktor“
eingeführt:
W
[J kg-1]
F ⋅M
Formel 7
mit: F Monomerfluss, M Monomermasse und W Leistung
Dabei findet Yasuda im Gebiet kleiner (W/FM)-Werte eine „energiebegrenzte
Abscheidung“, in dem die Abscheiderate nur abhängig von der Leistung W ist. Bei
Erhöhung von (W/FM) kommt Yasuda in das Gebiet der „monomerbegrenzten
Abscheidung“, wo nur der Monomerfluss Einfluss auf die Abscheiderate hat [II.29]. Da
seine Untersuchungen in einem Rohrreaktor durchgeführt wurden, bei dem Plasmaquelle
und Substrat räumlich getrennt waren („Downstream-Anordnung“), enthalten diese
Betrachtungen keine Anhaltspunkte zur Auswirkung der Ablation durch UV- und
-9-
2. Theoretische Grundlagen
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Partikelbombardement, die erst in späteren Betrachtungen zum Modell des CAPMechanismus führte (siehe Abbildung 3).
Monomer
abgepumptes
Gas
-
Fragment
hν
e-
Plasmapolymerisation
Oligomer
Adsorption
Plasma-induzierte Polymerisation
hν, e
Öl
Pulver
Abtrag
Cluster
hν
e-
Substrat
Abbildung 3: Prozesse bei der Plasmapolymerisation nach Yasuda [II.31] und Grünwald
[II.32] (CAP-Mechanismus = competitive ablation and polymerization).
Tabelle 2: Die wichtigsten Elementarprozesse, die im Plasma ablaufen [II.33]:
Stossprozesse
Elektronenstossionisation
A + e- :$+ + e- + e`-
Elektronische Anregung
A + e- :$* + e`-
Penning-Ionisation
A* + B :$%+ + e-
Strahlungsdesaktivierung
A* :$K
Absorption
A + h :$
Umladung
A+ + B :$%+
- 10 -
2. Theoretische Grundlagen
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Dreierstoß-Rekombination
A + B+ + e- :$%*
Strahlungsrekombination
A+ + e- :$K
Ionen-Molekülreaktion
A+ + B :>$%@+
Hornbeck-Molnar-Prozess
A* + B :>$%@+ + e-
Rekomination mit interner
Schwingungsanregung
[ABC]+ + e- :>$%&@*
Dissoziative Rekombination
[AB]+ + e- :$%*
Ionen Rekombination
A- + B+ + C :>$%@&* oder A + B + C*
Negative Ionisierung
A + e- :$-K
Schichtbildung
Polymerisation
R’-CH=CH2 + R”• :5´-CH-CH-R’•
Radikalrekombination, Vernetzung
R’• + R”• :5¶5´
Abbauprozesse
Wasserstoffabspaltung
z.B.: R-CH3 + R’• :5 &+2 + R’H
C-C-Ketten- und Ringspaltung
R’R” + e-K$+ :5¶‡5´‡H¶-K¶$¶+
Da in einem kontinuierlich arbeitenden Plasma das elektrische Feld permanent anliegt,
entstehen aufgrund der hohen Energie- und UV-Einkopplung zahlreiche unterschiedliche
Fragmente und Spezies. Die „Radikalrekombinationspolymerisation“ (siehe Tabelle 2)
dieser Monomerfragmente, die von Yasuda [II.30, II.31] auch als „Atompolymerisation“
bezeichnet wird, führt zu ungeordneten, stark vernetzten Plasmapolymeren, mit
Oligomeranteilen und eingeschlossenen Monomeren.
- 11 -
2. Theoretische Grundlagen
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CH3
CH3
H2C
CH
CH
CH2
CH2
CH
CH
CH
CH
CH
CH
CH2
CH2
CH
CH2
CH
CH2
CH3
CH
CH2
CH2
CH3
CH
CH2
CH2
H3C
CH2
CH
Abbildung
CH2
CH2
CH
CH2
HC
CH
Modellstruktur
von niedermolekularem, plasma-
H3C
H3C
4:
polymerisiertem Ethylen [II.34].
CH
Auch funktionelle Gruppen der Monomermoleküle, die den Polymerschichten bestimmte
Eigenschaften geben sollen, wie beispielsweise Haftvermittlung, werden zerstört. Häufig
werden funktionelle Gruppen der Monomere in der Schicht nicht mehr oder nur in geringer
Konzentration vorgefunden. Diese als „herkömmliche“ Plasmapolymere bezeichneten
Schichten unterscheiden sich deshalb auch in ihren chemischen und physikalischen
Eigenschaften stark von den konventionellen Polymeren [II.35, II.36]. Nachdem 1972
Tiller [II.37] die asymmetrisch gepulste Plasmapolymerisation eingeführt hatte, um
chemisch regulärer aufgebaute Schichten zu erzeugen, wurde diese Technik von Yasuda
[II.38] und der Gruppe von Shen und Bell [II.39, II.40] in den folgenden Jahren
weiterentwickelt. Seit einigen Jahren werden zunehmend Versuche unternommen, mittels
[II.41-II.52] Pulsplasmapolymerisation chemisch “maßgeschneiderte” Schichten zu
erzeugen. Dabei sollen die Strukturmerkmale des Monomeren so weit als möglich erhalten
bleiben,
die
Vernetzung
und
der
Post-Plasma-Einbau
von
Luftsauerstoff
an
eingeschlossenen Radikalen zurückgedrängt werden.
Timmons postulierte [II.41-II.48], dass eine Erniedrigung der mittleren Leistung Weffektiv
im Plasmaprozess die Strukturretention des Monomeren im entstehenden Plasmapolymer
begünstigt. Dies lässt sich sowohl durch erniedrigte Leistungszufuhr als auch durch
Variation des Tastverhältnisses (duty cycle) erzielen.
t on
⋅ Wmax = Weffektiv
t on + t off
Formel 7
mit: ton Dauer des Plasmaimpulses, toff Dunkelzeit, Wmax eingekoppelte Leistung und
Weffektiv effektive Leistung
- 12 -
2. Theoretische Grundlagen
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Bei asymmetrisch gepulsten Prozessen wird nur während des kurzen Plasmaimpulses ton
die Leistung Wmax zugeführt und das Monomergas in den Plasmazustand angeregt. So kann
die mittlere Energiebelastung gering gehalten werden (Weffektiv ≥ 0,25 Watt [II.41]) und der
Anteil der Polymerisation von Monomerfragmenten nimmt sehr stark ab. Eine weitere
Neuerung gegenüber der herkömmlichen Plasmapolymerisation ist die Einschränkung der
Monomere (siehe Tabelle 3) auf solche, die auch für die konventionelle radikalische
Polymerisation verwendet werden. Bei der herkömmlichen Plasmapolymerisation im
kontinuierlichen Plasma können alle organischen, metallorganischen und anorganischen
Moleküle als Monomere eingesetzt werden, die sich verdampfen oder sublimieren lassen.
Tabelle 3: Eignung von Monomeren für verschiedene Polymerisationsprozesse:
Radikalische Polymerisation
•
Plasma
•
Alle organischen und
Aktivierte
Aktivierte
metallorganischen
Doppelbindungen:
Vinyl-, Allyl-, Acryl-
Moleküle,
Vinyl-, Allyl-, Acryl-
Monomere …
die verdampfbar oder
Monomere ...
Doppelbindungen:
•
Gepulstes Plasma
sublimierbar sind.
Diene, Olefine ...
Ausgangsmaterialien
mit
einem
Reaktionszentrum
wie
z.B.
einer
aktivierten
Doppelbindung, polymerisieren ausser während der Energieeinkopplung ton auch in der
Dunkelphase
toff
des
Pulsplasmas
durch
Pfropfreaktion
(grafting)
an
ihrem
Reaktivzentrum, was den Strukturerhalt ermöglicht [II.38]. Der Anteil des Strukturerhalts
bei der Plasmareaktion ist aber stets kleiner als 100 %, da während der Leistungsspitzen
Monomerfragmentierung auftritt [II.43, II.50].
Es wurden bereits zahlreiche organische Ausgangsmaterialien wie Acrylsäurechlorid
[II.42], Pentafluorstyrol [II.43], Allylalkohol [II.50], Acrylsäure, Propionsäure [II.51]
Maleinsäureanhydrid
[II.50],
Vinyltrimethylsilan
[II.41],
verschiedene
Perfluor-
verbindungen [II.41, II.45, II.47] sowie metallorganische Moleküle [II.42] unter
Pulsplasmabedingungen
polymerisiert.
Alle
neueren
Arbeiten
zur
Pulsplasma-
polymerisation weisen mit XPS- und Infrarotuntersuchungen den weitgehenden Erhalt der
Monomerfunktionalitäten in der abgeschiedenen Schicht nach.
- 13 -
2. Theoretische Grundlagen
_________________________________________________________________________
2.3. Elektrisch leitfähige Polymere und Plasmapolymere
Von Natur aus sind organische Polymere, die ein Kohlenstoffrückgrat besitzen, Isolatoren
oder Halbleiter.
Leitungsband
û(
EF
Valenzband
Isolator
û E > 4 eV
Halbleiter
4 eV>û E >0,1 eV
Metall
0,1 eV>û E > 0 eV
Abbildung 5: Einteilung in die Kategorien Isolatoren, Halbleiter und Metalle nach dem
Bändermodell aufgrund der Grösse der Energielücke û(]ZLVFKHQGHP/HLWXQJVEDQGXQG
dem vollständig gefüllten Valenzband [II.53]. Während das vollkommen gesättigte
Polyethylen eine Bandlücke û ( H9 DXIZHLVW Iällt der Wert beim konjugierten Œ6\VWHP 3RO\DFHW\OHQ DXI û ( H9 DE was in der Grössenordnung des Halbleiters
Silizium liegt [II.53]. Das Fermi-Niveau EF gibt an, bis zu welcher Energie bei einer
Temperatur von 0 K die elektronischen Zustände besetzt sind.
Polyolefine und andere Kunststoffe werden aufgrund ihres hohen elektrischen
Leitungswiderstands z.B. zur Ummantelung von Kabeln eingesetzt, da sie gegenüber
anderen Isolatoren wie Glas, Stein oder Holz günstigere mechanische Eigenschaften
besitzen und meist leichter zu verarbeiten sind. Aufgrund dieser Eigenschaften finden
Polymere
heute
immer
mehr
Anwendungsgebiete:
Neben
zahlreichen
Gebrauchsgegenständen und Verpackungen, werden fast alle Gehäuse von elektrischen
Geräten aus Kunststoffen gefertigt [II.54]. Hier wäre aber zumindest eine geringe
Leitfähigkeit erwünscht, um elektrostatische und elektromagnetische Aufladungen zu
vermeiden.
Die Entwicklung elektrisch leitfähiger Polymere und Plasmapolymere begann mit dem
Füllen von Polymermatrizes mit Russ oder Metallen [z.B. II.55-II.57; z.B. II.58-II.61].
Dabei wird die Perkolationsgrenze überschritten und der Füllstoff bildet das leitende
System, während das Polymer nur als Matrix fungiert, welche dem Material günstige
- 14 -
2. Theoretische Grundlagen
_________________________________________________________________________
Eigenschaften geben soll. Häufig gehen aber bei diesen Zweikomponentensystemen die
guten mechanischen Eigenschaften der Polymere verloren [II.54].
Die charakteristische chemische Struktur von eigenleitfähigen Kunststoffen (ICP = engl.:
intrinsically conducting polymerEHLQKDOWHWHLQDXVJHGHKQWHVŒ-Elektronen System.
transPolyacetylen
n
cisPolyacetylen
n
n
Polycarbin
n
Polyparaphenylen
Abbildung 6: Chemische Strukturen einiger konjugierter Polymere, die nach der
Dotierung elektrische Leitfähigkeit besitzen [II.54]. Polyacetylen war das Material, mit
dem die Forschungen auf dem Gebiet der leitfähigen Polymere Ende der 1970iger Jahre
begann [II.62, II.63].
Die intrinsische Leitfähigkeit von Polyacetylen (siehe Abbildung 6) sollte aufgrund der
Konjugation der Doppelbindungen einem eindimensionalen Metall entsprechen. Da pro
Atom ein Elektron zur Verfügung steht und es wegen der Spinentartung zwei
Unterbringungsmöglichkeiten gibt, sollte das Polymer sich wie metallisches Natrium
verhalten, welches auch ein halbgefülltes Valenzband besitzt. Die Leitfähigkeit von reinem
Polyacetylen beträgt jedoch nur etwa 10-8 S cm-1. Das liegt daran, dass sich aufgrund der
Peierls-Verzerrung [II.53, II.64, II.65] Elektronenpaare ausbilden, die zu einer
Bindungsalternierung führen und eine Aufspaltung des Energiebandes in ein Œ–XQGHLQŒ
– Band hervorrufen.
Um eine elektrische Leitfähigkeit zu erhalten, müssen dem Œ-Elektronen System durch
oxidierende oder reduzierende Dotierung2 Elektronen entzogen oder zugefügt wurden.
2
Auch wenn es sich um einen Redoxprozess handelt, der nicht einer Dotierung in der Halbleitertechnologie
entspricht, wird dieser Begriff üblicherweise verwendet
- 15 -
2. Theoretische Grundlagen
_________________________________________________________________________
Durch die Redoxreaktion des Polymers Pn mit dem Dotanden A bzw. K entsteht ein
Polymersalz:
Oxidative Dotierung: [Pn] + [A]
[Pn+ A-]
[Pn- K+]
Reduzierende Dotierung: [Pn] + [K]
Œ-Band
Oxidation
I2, Br2,
Cl2, F2,
O2
etc.
[Pn+A-]
Reduktion
Œ-Band
Li
Na
K
etc.
[Pn-K+]
Abbildung 7: Erzeugung teilweise besetzter Bänder bei konjugierten Polymeren.
Konjugierte Polymere müssen oxidiert oder reduziert werden, um elektronisch
eigenleitfähig zu werden [II.53, II.54, II.62, II.64, II.65]. Aufgrund der energetischen
Aufspaltung des Valenzbandes in ein vollständig mit Elektronen gefülltes Œ-Band und ein
OHHUHVŒ-Band (siehe Abbildung 7), besteht für die Elektronen weder die Möglichkeit zum
Ladungstransport innerhalb eines Bandes noch zum Übergang in ein anderes (leeres) Band.
Durch Oxidation GHV 3RO\PHUV ZHUGHQ (OHNWURQHQ DXV GHP Œ-Band entfernt, während
PLWWHOV 5HGXNWLRQ (OHNWURQHQ LQ GDV Œ-Band des Polymers eingefügt werden. Sowohl
durch Reduktion als auch durch Oxidation entsteht also ein teilweise besetztes Band,
welches elektronische Leitfähigkeit ermöglicht.
Allerdings verteilt sich das Elektronendefizit bzw. der Elektronenüberschuss nicht
homogen über die gesamte Polymerkette. Konjugierte Polymere haben das Bestreben, das
gefüllte Œ-Band zumindest teilweise aufrecht zu erhalten, und die Elektronenbilanz durch
Fehlstellen - sogenannte Polaronen - auszugleichen, was zur Entstehung von Domänen
führt. An den Domänengrenzen bilden sich sogenannte Solitonen, die in theoretischen
Untersuchungen zur Leitfähigkeit eine große Rolle spielen [II.53, II.54, II.62, II.64, II.65].
Für den Transport der Ladungen innerhalb einer Kette kommen Ionen oder Elektronen in
Frage, die aufgrund ihrer entsprechenden Mobilität eine Leitfähigkeit hervorrufen. Zudem
- 16 -
2. Theoretische Grundlagen
_________________________________________________________________________
werden
Ladungsübergänge
zwischen
den
Ketten
postuliert,
die
mittels
eines
Tunnelmechanismus [II.54, II.66, II.67, II.68] durch eine Potentialbarriere oder eines
Hüpfmechanismus [II.54, II.62, II.66, II.67, II.68] („intersoliton hopping“) zwischen
räumlich und energetisch getrennten Zentren realisiert werden. Diese Mechanismen
würden nicht zwangsläufig ein vollständig konjugiertes Œ-Elektronen-System benötigen,
sondern nur ein stark ungesättigtes Makromolekül.
Es wird in zahlreichen Veröffentlichungen von intrinsisch leitfähigen Polymeren [z.B.
II.62, II.69, II.70] und Plasmapolymeren [z.B. II.71- II.76] berichtet. Verschiedene
leitfähige Kunststoffe sind bereits im industriellen Einsatz oder werden dafür getestet:
Taktile Sensoren zur Anwesenheitskontrolle von Werkstücken in Produktionsmaschinen,
Selbstregelnde
Heizbänder,
Temperaturerhöhung
den
das
PolySwitch®,
Sicherungselement
Schaltkreis
unterbricht
oder
das
bei
Kunststoffgehäuse
mit
elektromagnetischer Abschirmung, um nur einige Anwendungen zu nennen [II.54].
Außerdem wird seit einiger Zeit an der Realisierung der Lithium-Polymer-Batterie
geforscht [z.B. II.76-II.79]
leitfähige Polymere
[S cm-1]
108
Kupfer
Eisen
Silber
Germanium
10-4
Silizium
Glas
10-8
10-12
Diamant
Quarz
10-16
10-20
Metalle
100
Halbleiter
Isolatoren
Abbildung 8: Der Leitfähigkeitsbereich, der von dotierten, elektrisch leitenden Polymeren
überstrichen werden kann, im Vergleich mit anderen Materialien [II.54, II.62]. Auch wenn
die Leitfähigkeit von Polymeren den metallischen Bereich berührt, ist der Mechanismus
meistens ein anderer, was z.B. durch das Temperaturverhalten dokumentiert wird [II.53,
II.81, II.82].
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