Jahrbuch 2011/2012 | Harman, Zoltán; Galow , Benjamin J.; Keitel, Christoph H. | Laserbeschleunigung von Ionen Laserbeschleunigung von Ionen Laser acceleration of ions Harman, Zoltán; Galow , Benjamin J.; Keitel, Christoph H. Max-Planck-Institut für Kernphysik, Heidelberg Korrespondierender Autor E-Mail: [email protected] Zusammenfassung Theoretische Studien zeigen, dass mittels hochintensiver Laserpulse Ionen auf hohe Geschw indigkeiten beschleunigt w erden können. Die erreichbaren Energien, die Energieschärfe und Qualität w ie auch die Intensität der so erzeugten Ionenstrahlen w ären für verschiedene Anw endungen nutzbar – so z. B. für die Ionen-Krebstherapie. Modellrechnungen ergaben ferner, dass die geforderten Strahleigenschaften mit Frequenzmodulation des Laserpulses erreichbar sind. Diese Technik der Laserbeschleunigung könnte zukünftig eine kostengünstigere Alternative zu konventionellen Beschleunigersystemen darstellen. Summary Theoretical studies show that high-intensity laser pulses can accelerate ions to high velocities. The energies reached and the energy uncertainty, quality and intensity of the ion beams generated this w ay may be useful for several applications, including e. g. ion beam cancer therapy. Model calculations also imply that the beam properties required may be achieved w ith a frequency modulation of the laser pulse. This method of laser acceleration may constitute in future a more economic alternative to conventional particle accelerator systems. Ionenstrahlen für die Medizin Schnelle Ionenstrahlen Tumortherapie w erden erfolgreich Therapiezentrum (HIT). inzw ischen eingesetzt. Die besondere Ein an mehreren Beispiel Eigenschaft dafür klinischen ist schw erer das Einrichtungen neue geladener w eltw eit Heidelberger Teilchen, eine für die Ionenstrahldurch ihre Geschw indigkeit festgelegte Reichw eite im Gew ebe, ermöglicht eine präzise Bestrahlung der Tumoren. Dies schont das umgebende gesunde Gew ebe und ermöglicht die Eliminierung kompliziert geformter Tumoren, die mit herkömmlicher Chirurgie inoperabel sind. Anlagen zur Ionentherapie bestehen aus einem konventionellem Teilchenbeschleuniger, w elcher die Ionen, z. B. Protonen oder Kohlenstoffkerne, auf kinetische Energien von mehreren 100 Megaelektronenvolt bringt. Außerdem w ird ein aufw endiges Strahlablenkungssystem benötigt, w elches im sogenannten Rasterscanverfahren eine optimale Patientenbestrahlung aus allen Raumrichtungen ermöglicht. Zur Ablenkung der Teilchen w erden starke Elektromagneten benötigt, w eshalb ein typischer Aufbau mehrere 100 Tonnen w iegt und zugleich den Teilchenstrahl mit höchster Genauigkeit justieren muss (Abb. 1 a). © 2012 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 1/5 Jahrbuch 2011/2012 | Harman, Zoltán; Galow , Benjamin J.; Keitel, Christoph H. | Laserbeschleunigung von Ionen A bb. 1: (a ) Konve ntione lle r Be stra hlungspla tz a n e ine m Be schle unige r m it m a gne tische r Stra hlführung. (b) Alte rna tive Me thode de r La se r-Be schle unigung von Ione n in e ine m hochinte nsive n La se rstra hl. © MP I für Ke rnphysik Dies stellt einen nicht unerheblichen technischen und finanziellen Aufw and dar. Daher gibt es Überlegungen, für die Zukunft kostengünstigere und kompaktere Beschleunigungs- und Strahlführungssysteme zu entw ickeln. Ein vielversprechender Ansatz ist in der letzten Dekade vor allem die Beschleunigung geladener Teilchen in starken Laserfeldern, zumal die Technologie der Hochleistungslaser eine rasante Entw icklung zu verzeichnen hat. Schon heute stehen kompakte Laser mit Leistungen von hunderten von Teraw att zur Verfügung (1 Teraw att = 10 12 Watt), und mehrere größere Anlagen w eltw eit erreichen den Petaw attbereich (1 Petaw att = 10 15 Watt). Die Beschleunigung der Ionen könnte dann in unmittelbarer Nähe des Behandlungsplatzes mit Bestrahlung aus beliebiger Richtung erfolgen; die aufw endige magnetische Strahlführung w ürde durch ein w esentlich einfacheres optisches System für den Lichtstrahl ersetzt (Abb. 1 b). Table-top Teilchenbeschleuniger Grundlagenforschung, w ären Materialforschung, auch für die Festkörperphysik, atom-, sow ie kernfür und teilchenphysikalische industrielle Anw endungen w ie beispielsw eise die Lithographie von großer Bedeutung. Beschleunigung von Ionen in frequenzmodulierten Laserfeldern In Modellrechnungen w urde untersucht, auf w elchem Wege mittels starker Laserfelder Ionenstrahlen erzeugt w erden können, die die strengen Kriterien radio-onkologischer Anw endungen erfüllen. Kernpunkte sind dabei eine ausreichend große Beschleunigung für verfügbare Laserintensitäten sow ie eine hohe Schärfe der kinetischen Energien der Ionen (besser als 1 %). Bisherige Methoden, in denen Ionen in lasergenerierten dichten Plasmen beschleunigt w erden, erreichen zw ar schon recht hohe Energien, sind aber mit breiten Energieverteilungen behaftet. Stattdessen w urde nun die direkte Beschleunigung von Ionen theoretisch modelliert. In dieser Beschleunigungskonfiguration ionisiert der Laser zunächst ein Target, dessen räumliche Ausdehnung vergleichbar mit der Laserw ellenlänge ist, und die so gew onnenen Ionen w erden beschleunigt. Es konnte nun theoretisch gezeigt w erden, dass durch Beschuss eines solchen Wasserstoff-Gastargets mit speziellen © 2012 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 2/5 Jahrbuch 2011/2012 | Harman, Zoltán; Galow , Benjamin J.; Keitel, Christoph H. | Laserbeschleunigung von Ionen hochintensiven Laserpulsen Protonenstrahlen mit bisher unerreichter Energie und Qualität erzeugt w erden können. A bb. 2: Sche m a tische Da rste llung de r dire k te n Be schle unigung von P rotone n durch e ine n inte nsive n fre que nzm odulie rte n La se rpuls. © MP I für Ke rnphysik Hierbei w ird das Gas zunächst zu Beginn des Laserpulses bei ansteigender Stärke des Laserfeldes schnell ionisiert und die Elektronen von den schw ereren Protonen w eg beschleunigt. Bei genügend hoher Intensität w erden schließlich auch die Protonen direkt durch das Feld beschleunigt (Abb. 2). Damit dies möglichst effizient geschieht, w urden sogenannte frequenzmodulierte Laserpulse betrachtet, deren Schw ingungsfrequenz sich w ährend der Dauer des Pulses ändert. Ein gew öhnlicher Laserpuls mit fester Frequenz erzeugt keine merkbare direkte Beschleunigung der schw eren Ionen, da sich die W irkung des hin und her oszillierenden Feldes letztlich ausmittelt. Diese Symmetrie w ird bei einem frequenzmodulierten Laserpuls gebrochen, bei dem in der mittleren Hälfte des Pulses das Feld langsam und mit einem Übergew icht in eine Richtung oszilliert (Abb. 2). Anhand mathematischer Modellrechnungen, die durch Computersimulationen unter realistischen Plasmabedingungen unterstützt w urden, w urde demonstriert, dass mit verfügbaren Laserintensitäten (ca. 10 21 Watt pro Quadratzentimeter) Protonen von 250 Megaelektronenvolt Energie mit ca. 1 % Energiebreite in dichten Bündeln von 10 Millionen Teilchen erzeugt w erden können [1]. Hierfür müssten die Strahlen nach der Beschleunigung allerdings noch ionenoptisch bearbeitet w erden, um Schw ankungen der Laserpulse zu kompensieren, w as noch eine technische Herausforderung darstellt. Lasersysteme w ie HiPER oder ELI könnten darüber hinaus die Protonenstrahlen von mehreren Gigaelektronenvolt Energie Zukünftige, noch intensivere Möglichkeit eröffnen, energiescharfe zu erzeugen. Dies w ird die Anw endungsmöglichkeiten von laserbeschleunigten Ionen erw eitern. Direkte Laser-Nachbeschleunigung © 2012 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 3/5 Jahrbuch 2011/2012 | Harman, Zoltán; Galow , Benjamin J.; Keitel, Christoph H. | Laserbeschleunigung von Ionen A bb. 3: Na chbe schle unigung von la se rge ne rie rte n Ione n durch zwe i ge k re uzte La se rstra hle n. © MP I für Ke rnphysik Laserstrahlen mit geeigneter Pulsform können experimentell immer besser kontrolliert w erden. Trotzdem könnte die Erzeugung von geeigneten frequenzmodulierten Pulsen eine technische Herausforderung darstellen. Alternativ w urde noch ein Mechanismus untersucht, bei dem Teilchenstrahlen, die aus LaserPlasma-Wechselw irkungsprozessen stammen, durch die Anw endung eines zw eiten Lasersystems effizient nachbeschleunigt w erden [2]. Dabei w urden unterschiedliche Strahlenkonfigurationen, nämlich ein einzelner oder zw ei gekreuzte Strahlen betrachtet (Abb. 3), und es w urde gezeigt, dass dabei ebenfalls Ionenstrahlen mit hoher Geschw indigkeit und Teilchenanzahl erzeugt w erden können. Die Konfiguration, bei der zw ei – oder sogar mehrere – gekreuzte Strahlen verw endet w erden, nutzt das auch von Wasserw ellen bekannte Phänomen der konstruktiven Interferenz aus. Im Hintergrund steht die Idee, dass die überlappenden Lichtw ellen sich gegenseitig verstärken. Dies führt zu einer effizienteren Nachbeschleunigung der Ionen als bei der Konfiguration mit einem einzigen Strahl der gleichen Gesamtleistung, erfordert aber, dass die beiden Laserstrahlen sich mit genau eingestellter Relativphase treffen. Betrachtet w urde außerdem Beschleunigung durch radialpolarisiertes Laserlicht, das auf einen w inzigen Brennpunkt gebündelt w ird, der in einigen Fällen kleiner als die Wellenlänge des Lasers sein muss. Es w urde gezeigt, dass das radialpolarisierte Laserfeld (Axicon-Laser) ebenfalls gute Beschleunigungseigenschaften besitzt [3, 4]. Solches Licht w urde zw ar noch nicht in dem erw ünschten Leistungsbereich von 0,1 bis 10 Petaw att erzeugt, fundamentale Hindernisse stehen dem aber nicht entgegen. Für Kohlenstoffkerne ergab sich bei 10 Petaw att Laserleistung eine kinetische Energie von etw a 1500 MeV bei einer Energieunschärfe von 0,8 %. Ionen, die von linear polarisierten Lasern direkt beschleunigt w erden, besitzen nahezu dieselben charakteristischen Strahleigenschaften. Derartige Lasersysteme für die erforderlichen hohen Intensitäten sind bereits vorhanden. Des Weiteren konnte gezeigt w erden, dass mit langw elligerem Laserlicht mehr Teilchen bei niedrigerer Intensität beschleunigt w erden können. [1] Galow, B. J.; Salamin, Y . I.; Liseykina, T. V.; Harman, Z.; Keitel, C. H. Dense monoenergetic proton beams from chirped laser-plasma interaction Physical Review Letters 107, 185002 (2011) [2] Galow, B. J.; Harman, Z.; Keitel, C. H. Intense high-quality medical proton beams via laser fields Optics Express 18, 25950 (2010) © 2012 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 4/5 Jahrbuch 2011/2012 | Harman, Zoltán; Galow , Benjamin J.; Keitel, Christoph H. | Laserbeschleunigung von Ionen [3] Harman, Z.; Salamin, Y . I.; Galow, B. J.; Keitel, C. H. Optimizing direct intense-field laser acceleration of ions Physical Review A 84, 053814 (2011) [4] Salamin, Y . I.; Harman, Z.; Keitel, C. H. Direct high-power laser acceleration of ions for medical applications Physical Review Letters 100, 155004 (2008) © 2012 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 5/5