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Jahrbuch 2009/2010 | Kramer, Michael; W ex, Norbert | Radiopulsare testen fundamentale Physik im W eltraum
Radiopulsare testen fundamentale Physik im Weltraum
Radio pulsars test fundamental physics in space
Kramer, Michael; W ex, Norbert
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn
Korrespondierender Autor
E-Mail: w [email protected]
Zusammenfassung
Radiopulsare sind extrem kompakte Neutronensterne, die zum Teil eine Rotationsstabilität aufw eisen, die sich
mit der Ganggenauigkeit der besten Atomuhren vergleichen lässt. Insbesondere Doppelstern-Pulsare
erw eisen sich daher als ideale Testlabors für die Gültigkeit der Allgemeinen Relativitätstheorie in starken
Gravitationsfeldern. Die beobachteten Bahnveränderungen bei Pulsaren in Doppelsternsystemen liefern den
bisher einzigen handfesten Bew eis für die Existenz von Gravitationsw ellen. Es w ird erw artet, dass uns Pulsare
in den nächsten Jahren die direkte Messung von Gravitationsw ellen supermassereicher Schw arzer Löcher
erlauben w erden.
Summary
Radio pulsars are extremely compact neutron stars. Some of them have a rotational stability that is
comparable to the precision of the best atomic clocks. In particular pulsars in binary systems are therefore
ideal to test Einstein's general theory of relativity in strong gravitational fields. Changes in the orbital motion
of binary pulsars are presently the only firm evidence for the existence of gravitational w aves as predicted by
general relativity. It is expected that in the next few years pulsars w ill allow the direct measurement of
gravitational w aves caused by super massive black holes.
Radiopulsare als kosmische Uhren
Pulsare („Pulsating Source of Radio“) w urden 1967 von Jocelyn Bell und ihrem Doktorvater Antony Hew ish in
Cambridge entdeckt. Bei Pulsaren handelt es sich um extrem stark magnetisierte, rotierende Neutronensterne,
die in Supernova-Explosionen entstanden sind. Ihr pulsierender Charakter kommt von einem Leuchtturmeffekt,
bei dem ein gebündelter Radiostrahl entlang der magnetischen Pole ausgestrahlt w ird. Die magnetische Achse
ist gegen die Rotationsachse geneigt, sodass der Strahl einmal pro Rotation über die Erde streicht. Heute
kennen w ir rund 1800 Pulsare, ca. 140 davon in Doppelsternsystemen. Einige der Doppelsternpulsare können
dazu verw endet w erden, verschiedene Aspekte der Fundamentalphysik zu untersuchen. Das bekannteste
Beispiel hierfür sind Tests der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART), die Radioastronomen unter anderem auch
mit dem 100-m-Radioteleskop in Effelsberg mit höchster Präzision in starken Gravitationsfeldern durchführen
[1].
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Die Nützlichkeit der Puslare zu Tests der ART beruht auf deren Eigenschaft als genaue kosmische Uhr. Ihre
große Masse (ca. 1,4 Sonnenmassen) und enorme Kompaktheit (ca. 20 km Durchmesser) machen Pulsare zu
massiven Schw ungrädern, die nur sehr schw er aus dem Tritt zu bringen sind. Mit der Regelmäßigkeit ihrer
Umdrehung kann deshalb ein Radiosignal als Tick einer Uhr registriert w erden, deren Genauigkeit in vielen
Fällen mit denen einer hoch präzisen Atomuhr verglichen w erden kann. Es sind die „Millisekundenpulsare“,
w elche die beste Stabilität haben und, w ie der Name verrät, Rotationsperioden von nur 1,4 bis 60
Millisekunden aufw eisen [2].
Ist die ART auch in starken Gravitationsfeldern gültig?
Die ART, 1915 veröffentlicht von Albert Einstein, ist die derzeit gültige Theorie der Gravitation und der Struktur
von Raum und Zeit. Ihre Gültigkeit auf der Erde und im Sonnensystem w urde in zahlreichen Experimenten
getestet. Sie findet zum Beispiel Anw endung im Alltag bei der Navigation mittels GPS. Es ist jedoch möglich,
dass
die
ART
in
Gravitationstheorien,
sehr
die
starken
Gravitationsfeldern
sich
schw achen
in
Feldern
ihre
Gültigkeit
praktisch
w ie
verliert.
die
So
ART
gibt
es
verhalten,
alternative
in
starken
Gravitationsfeldern jedoch deutlich abw eichende Vorhersagen treffen. In der Tat besitzt das Sonnensystem
nur sehr schw ache Gravitationsfelder, selbst direkt an der Oberfläche der Sonne. Das Gravitationsfeld an der
Oberfläche eines Neutronensterns ist Milliarden Mal stärker. Um die Grenzen der ART auszuloten, sollte man
also Experimente mit Systemen durchführen, die aus derart kompakten Objekten bestehen. In der Tat w erden
bis jetzt die besten Tests in starken Gravitationsfeldern mithilfe von Neutronensternen in der Form von
Radiopulsaren durchgeführt [3].
Der erste Radiopulsar als Mitglied eines Doppelsternsystems w urde 1974 von Russel Hulse und Joseph Taylor
entdeckt. Der sichtbare Neutronenstern, PSR B1913+16 (so benannt nach seinen Himmelskoordinaten), ist ein
Pulsar mit einer Periode von 59 Millisekunden. Bereits kurz nach seiner Entdeckung w ar klar, dass es sich
hierbei um ein einzigartiges Testsystem für die Relativitätstheorie handelt. In der Tat findet man zw ei
Neutronensterne vor, also Objekte mit extrem starken Gravitationsfeldern, von denen einer als Radiopulsar
sichtbar ist und somit eine sehr genaue Vermessung seiner Bew egung um den Systemschw erpunkt erlaubt.
Indem gemessen w ird, w ie sich die Laufzeit der Pulse über eine Bahnbew egung verändert, kann die Raumzeit
dieses Systems genau bestimmt w erden. Für die genausten Pulsare können heute Variationen in der
Ankunftszeit der Pulse mit einer Genauigkeit von mehreren hundert Nanosekunden oder besser gemessen
w erden. Diese entspricht einer Strecke von w eniger als 100 Metern. Mit dieser Genauigkeit kann die Position
des Pulsars auf seiner Bahn über eine Entfernung von mehreren tausend Lichtjahren hinw eg bestimmt
w erden. Eine solche Genauigkeit hatten Joseph Taylor und Kollegen zw ar noch nicht zur Verfügung, aber
dennoch gelang es ihnen über Jahre hinw eg zu messen, dass die Bahn des Pulsars um rund 3,5 Meter pro
Jahr schrumpft. Dieser Wert w ar in perfekter Übereinstimmung mit der Vorhersage der ART, dass ein
derartiges System auf Grund der Abstrahlung von Gravitationsw ellen Energie verlieren sollte, w as zur stetigen
Verkleinerung der Bahn führt. Dies w ar der erste Bew eis für die Existenz von Gravitationsw ellen, und so w urde
die Entdeckung von PSR B1913+16 im Jahre 1993 mit dem Nobelpreis für Physik an Hulse und Taylor
ausgezeichnet [3].
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Sche m a tische Da rste llung de s Doppe lpulsa rs und de r von ihm
ve rursa chte n R a um k rüm m ung. In de r Nä he de r be ide n
Ne utrone nste rne ist de r R a um m illione nfa ch stä rk e r
ge k rüm m t, a ls in de r Um ge bung de r Sonne .
© Ma x -P la nck -Institut für R a dioa stronom ie / Kra m e r
Dreißig
Jahre
lang
w ar der „Hulse-Taylor“-Pulsar das
Non-plus-ultra
für Tests
der ART in
starken
Gravitationsfeldern. Es dauerte bis zum Frühjahr 2003 bis ein System entdeckt w urde, das PSR B1913+16 in
den Schatten stellen sollte. Dieses System beinhaltet einen 23-Millisekunden-Pulsar, der sich in nur 147
Minuten mit seinem Begleiter um den gemeinsamen Schw erpunkt bew egt. Die Bahnperiode w ar damit deutlich
kürzer als die 7,75 Stunden des Hulse-Taylor-Pulsars. Die eigentliche Sensation kam aber ein paar Monate
nach der Entdeckung dieses Systems, als ein w eiteres pulsierendes Signal in den Daten gefunden w urde. Es
gehörte zu einem 2,8-Sekunden-Pulsar, der sich um den gleichen Massenschw erpunkt bew egt. Man hatte die
Radiosignale des begleitenden Neutronensterns entdeckt und damit das erste Doppelsternsystem, w o beide
Sterne aktive Radiopulsare sind (Abb. 1). Das äußerst Unw ahrscheinliche w ar eingetreten – man hatte den
ersten „Doppelpulsar“ gefunden. Der offizielle Name dieses einzigartigen Pulsarpaars ist PSR J0737-3039A (für
den 23-Millisekunden-Pulsar) und PSR J0737-3039B (für den 2,8-Sekunden- Pulsar), obw ohl in Fachkreisen
einfach nur vom „Doppelpulsar“ die Rede ist.
Der Doppelpulsar ist das derzeit beste Testlabor für die ART. In keinem System w erden mehr Effekte der ART
beobachtet. Doch es ist nicht nur die Anzahl und Stärke der Effekte, sondern auch die Genauigkeit, mit der sie
gemessen w erden können, w as dieses System so einzigartig macht. Zusätzlich stellt uns dieses System gleich
zw ei Pulsar-Uhren zur Verfügung. Dies ist für Tests der ART unglaublich w ertvoll, da dies zu sehr allgemeinen
Randbedingungen führt, und somit nicht nur die ART, sondern gleichzeitig eine große Klasse alternativer
Theorien vor einen harten Test stellt [4].
Der erste relativistische Effekt w urde schon am zw eiten Tag nach der Entdeckung des Doppelpulsars
gemessen. Man maß eine Drehung der Pulsar-Bahn mit einer Rate von 17 Grad pro Jahr. Eine derartige
Präzession des Orbits ist von der ART her erw artet, und w ird im Sonnensystem z. B. für Merkur gemessen. (In
der Tat w ar es der erste Triumph der ART, dass sie die Periheldrehung des Merkur erklären konnte.) Im
Vergleich zu Merkur ist die Bahndrehung beim Doppelpulsar gigantisch. Die Merkur-Bahn braucht rund 3
Millionen Jahre für eine komplette Umdrehung. Der Doppelpulsar-Orbit schafft dies gerade mal in 21 Jahren. Mit
anderen Worten, in relativ w enigen Jahren erhalten w ir als Beobachter einen Blick auf die Bahn des
Pulsarpaars von allen Seiten, w as eine Reihe neuartiger Tests ermöglicht. So kann man mit diesem System auf
einzigartige Weise testen, ob es im Universum ein bevorzugtes Bezugssystem für die Gravitation gibt, w as der
ART w iderspräche [5].
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La ufze itve rzöge rung in de n Signa le n von P ulsa r A, ve rursa cht
durch da s Gra vita tionsfe ld de s Be gle ite rs [6].
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Auch w urde die bereits beim Hulse-Taylor-Pulsar gemessene Abnahme der Bahngröße aufgrund der
Gravitationsw ellenabstrahlung nach nur 6 Jahren, mit einer Genauigkeit von 0,2% bestimmt. Darüber hinaus
erlaubt der Doppelpulsar die Messung eines Effekts, der beim Hulse-Taylor-Pulsar bisher noch nicht
beobachtet w erden konnte. Dies verdanken w ir einem glücklichen Umstand. Der Doppelpulsar ist gerade so
orientiert, dass dessen Orbit fast von der Kante sichtbar ist, d. h. er steht fast senkrecht zur Himmelsebene
(Neigungsw inkel: 88,7 Grad). Dies bedeutet, dass bei Konjunktion die Radiosignale den Begleiter in einem
Abstand von nur 20.000 km passieren, und die gekrümmte Raumzeit des Begleiters die Laufzeit seiner
Radiosignale verlängert. Diese Laufzeitverzögerung, gemessen als Funktion der Orbitalphase, erlaubt einen
w eiteren Test der ART mit einer Genauigkeit von 0,04% (Abb. 2). Der bisher beste Test, den die ART in starken
Gravitationsfeldern bestanden hat.
Auf der Suche nach den Gravitationswellen supermassereicher Schwarzer Löcher
Sche m a tische Da rste llung de r Ve rm e ssung e ine r la ngwe llige n
Gra vita tionswe lle m itte ls a m Him m e l ve rte ilte r P ulsa re .
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W ährend Radioastronomen einen präzisen (und bis jetzt einzigen handfesten) Bew eis der Existenz von
Gravitationsw ellen geliefert haben, so ist dieser nur indirekt durch den Energieverlust gegeben. Daher gibt es
w eltw eit erhebliche Anstrengungen, Gravitationsw ellen auch direkt zu detektieren. An verschiedenen Orten
der
Erde
w erden
unglaublich
Gravitationsw ellen durch die
präzise
relative
Maschinen
betrieben
(auch
vom
Albert-Einstein-Institut),
die
Bew egung frei aufgehängter Spiegel nachw eisen sollen - und
w ahrscheinlich auch demnächst können. Radiopulsare bieten aber eine andere, unabhängige Möglichkeit einen
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ähnlichen Nachw eis bei sehr viel niedrigeren Gravitationsw ellenfrequenzen (Nanohertz) durchzuführen. Bei
diesem Experiment w erden kleine Schw ankungen in der Entfernung von einer Reihe von MillisekundenPulsaren vermessen. Beim Passieren einer Gravitationsw elle sollten hierbei charakteristische Veränderung
auftreten, sodass man diese direkt erkennen und studieren kann (Abb. 3). Die hierzu benötigte Präzision
verlangt die größten verfügbaren Radioteleskope. Das 100-m-Teleskop in Effelsberg bildet das „Rückgrat“
einer gemeinsamen europäischen Anstrengung, bei dem in der Hochphase des Experiments alle Großteleskope
in Europa zu einem riesigen 200-m- Teleskop zusammen geschaltet w erden.
Dieses 2,5 Millionen Euro Projekt mit dem Namen LEAP (Large European Array for Pulsars) w ird mit Mitteln
eines Advanced Grant des Europäischen W issenschaftsrat finanziert. Sollte LEAP Erfolg haben, dann kann es
sein,
dass
Radioastronomen
das
aufregende
Rennen
nach
der
ersten
direkten
Detektion
von
Gravitationsw ellen für sich entscheiden könnten. In diesem Fall w ürde der Kreis sich schließen. Pulsare w ürden
nicht nur als Quellen von Gravitationsw ellen auftreten, sondern auch als deren Detektoren. Die stärksten
Gravitationsw ellensignale
im
Nanohertz-Bereich
w erden
von
Systemen
erw artet,
die
aus
zw ei
supermassereichen (etw a 1 Milliarde Sonnenmassen) Schw arzen Löchern bestehen, die sich in Zeiträumen
von w enigen Jahren umkreisen.
Originalveröffentlichungen
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[1] M. Kramer:
Pulsare als kosmische Uhren.
Sterne und W eltraum 45, 30-37 (2006).
[2] M. Kramer, D. R. Lorimer:
Die wunderbare Welt der Pulsare.
Sterne und W eltraum 38, 240-248 (1999).
[3] G. Schäfer, N. Wex:
Binärpulsare testen Einsteins Gravitationstheorie.
Sterne und W eltraum 32, 770-777 (1993).
[4] A. G. Lyne, M. Kramer:
Gravitational Labs in the Sky.
Physics W orld 3, 29-30 (2005).
[5] M. Kramer, N. Wex:
The double pulsar system: a unique laboratory for gravity.
Classical and Quantum Gravity 26, 073001 (2009).
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[6] M. Kramer, I. H. Stairs, R. N. Manchester, M. A. McLaughlin, A. G. Lyne, R.D. Ferdman, M. Burgay, D. R.
Lorimer, A. Possenti, N. D'Amico, J. M. Sarkissian, G. B. Hobbs, J. E. Reynolds, P. C. C. Freire, F. Camilo:
Tests of General Relativity from Timing the Double Pulsar.
Science 314, 97-102 (2006).
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