JESUS in BIBEL und KORAN

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Fritz Ziegenbein
JESUS in BIBEL und KORAN
Eine Analyse der Lehrunterschiede zwischen
Islam und Christentum
aus missionstheologischer Perspektive
Studienarbeit im Auftrag der
Theologisch-Missionswissenschaftlichen Akademie
in Zusammenarbeit mit
New Covenant International University, Florida
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.ddb.de abrufbar.
© 2005 concepcion SEIDEL OHG, 08269 Hammerbrücke
- Auftragsveröffentlichung Dietmar Rieger (Hg.)
Gesamtherstellung: Seidel & Seidel GbR, Satz- und Digitaldruckzentrum,
08269 Hammerbrücke
Umschlaggestaltung: Dietmar Rieger
ISBN 3–933750–65–2
Best.-Nr.: 640.365
Vorwort
Vor einigen Jahren nahm ich an einer Bibelwoche in einer
Kleinstadt Sachsen-Anhalts teil, in der unter anderem über die
Frage diskutiert wurde, ob es für evangelische Christen überhaupt
statthaft sei, Muslime zu evangelisieren, schließlich – so argumentierte eine Pfarrerin – stünden im Koran doch auch Berichte über
Jesus.
Bis heute werden Argumente dieser Art immer wieder hervorgebracht, um die christliche Mission in Frage zu stellen und
durch Dialogveranstaltungen zu ersetzen1, die der Annäherung
beider Weltreligionen dienen sollen. Tatsächlich wird Jesus in 15
Suren des Koran (6 mekkanischen und 9 medinischen) entweder
direkt erwähnt oder es werden Aussagen über ihn getroffen, was
insgesamt einem Umfang von 108 Versen entspricht, die sich mit
seiner Person und seinem Werk beschäftigen.2
In diesem Zusammenhang ergibt sich jedoch die Frage, ob
das Zeugnis über die Person Jesu Christi in Bibel und Koran eine
1
Hans Küng spricht sich in seinem Buch „Projekt Weltethos“ dafür aus, den
Frieden zwischen den Religionen aktiv zu suchen, weil es keinen Weltfrieden
ohne Religionsfrieden gäbe. Zu diesem Zweck sollten alle Seiten mit Dialogfähigkeit (Offenheit) und Standfestigkeit (Bekenntnis zur eigenen Wahrheitsüberzeugung) aufeinander zugehen, um im Hören aufeinander die theoretische
Basis für eine friedliche Koexistenz zu entwickeln. Dieses Ziel sei jedoch nur
erreichbar, wenn in der Wahrheitsfrage keine absoluten Positionen mehr vertreten würden. Küng schloss daher aus, dass irgendeine Religion das Recht auf ein
universales Wahrheitsmonopol vertreten dürfe. Damit ist klar, dass ein an
Matth 28:18-20 orientiertes Missionsverständnis nicht länger akzeptabel ist.
Stattdessen solle über den Weg einer Liberalisierung religiöser Überzeugungen
jedem Menschen das Recht auf die freie Wahl seiner Religion ermöglicht werden. Dieses Projekt ist ein Beispiel für eine Dialogsuche, die den biblischen
Missionsauftrag Jesu zwar nicht völlig abschafft, ihn aber sehr stark einschränkt und damit eigenmächtig verkürzt. / Quelle: Hans Küng, Projekt Weltethos, 3. Auflage (München, Zürich: Piper, 1991), 104ff.
2
Martin Bauschke, Jesus im Koran, Vom Internet: 26.12.2003, Quelle:
http://www.fontaene.de/archiv/nr-15/jesus-im-koran01.htm
3
solche Schnittmenge an Gemeinsamkeiten besitzt, dass Christen
auf die Missionierung von Muslimen verzichten können.
Diese notwendige Klarstellung besitzt einen zutiefst soteriologischen Charakter, weil es dabei um nichts Geringeres als um
die Feststellung geht, ob die unmittelbare Gemeinschaft mit Gott
nur im christlichen Glauben verfügbar ist, oder ob es auch im Islam gültige Heilserfahrungen gibt. Sollte Letzteres der Fall sein,
müsste die Berechtigung der christlichen Mission tatsächlich hinterfragt werden. Sollte dieses jedoch nicht der Fall sein, dann verlieren Dialogveranstaltungen, die als Ersatz für Mission konzipiert
wurden, ihre Daseinsberechtigung3.
Ferner ergibt sich daraus die Fragestellung, wie das Evangelium Menschen gegenüber zielführend verkündigt werden kann,
die zwar eine irrtümliche Vorstellung über Jesus besitzen, aber ein
dem christlichen Glaubenszeugnis ähnliches Vokabular benutzen.
Die vorliegende Darstellung verfolgt somit ein dreifaches
Ziel: Es geht ihr a) um die Analyse dessen, was der Koran über
Jesus Christus lehrt; b) um die Frage, wie sich diese Aussagen
zum Zeugnis der Heiligen Schrift verhalten und c) um die Feststellung, welche Konsequenzen für die christliche Mission daraus
zu ziehen sind.
Schließlich darf in diesem Zusammenhang die Tatsache
nicht übersehen werden, dass der Koran durch Sure 9:29-33 die
Muslime dazu auffordert, gegen Christen und Juden so lange zu
kämpfen, bis diese unterworfen sind und ihnen am Ende ganz
„kleinlaut“ die berühmte Kopfsteuer entrichten. Rudi Paret sieht
darin mit Recht eine Kampfansage an Christen und Juden, die
3
Damit soll keinesfalls gesagt werden, dass interreligiöse Dialoge grundsätzlich abzulehnen sind. Insofern sie dem gegenseitigen Kennenlernen, dem wechselseitigen Aufbau von Achtung und Respekt sowie dem Abbau von irrtümlichen Vorurteilen dienen, ist gegen sie nichts einzuwenden. Wenn jedoch solche
Dialogveranstaltungen benutzt werden, um die grundsätzliche Berechtigung der
christlichen Mission unter Muslimen in Frage zu stellen, dann ergibt sich die
erwähnte Problemstellung.
4
schon zu Lebzeiten des Propheten vollzogen worden ist.4 Dieser
Umstand erhöht natürlich den Druck auf die Frage nach dem
christlichen Missionsverständnis, zumal jede religiöse Erneuerungsbewegung immer auf die ursprünglichen Quellen zurückgreift und sich an ihnen orientiert.
4
Rudi Paret, Mohammed und der Koran: Geschichte und Verkündigung des
arabischen Propheten, 7., um einen Koranstellen-Index erweiterte Auflage
(Stuttgart, Berlin, Köln: Kohlhammer, 1991), 141ff.
5
6
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1.
9
1.1
1.2
1.3
1.4
1.5
1.6
1.7
1.8
Die Würdetitel Jesu im Koran und ihre biblischen
Entsprechungen
Christus
Sohn der Maria
Gesandter Gottes
Wort Gottes
Ein Geist von Gott
Diener (Sklave) Gottes
Prophet Allahs
Zusammenfassung
11
11
13
14
17
18
21
22
24
2.
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
2.6
2.7
2.8
Die Geburt Jesu und ihre Interpretation
Die Herkunft Marias
Die Geburtsgeschichte
Die Ablehnung der Gottessohnschaft Jesu
Die Ablehnung der Dreieinigkeit Gottes
Die Ablehnung der göttlichen Inkarnation
Die Ablehnung der Präexistenz Jesu
Die Anerkennung einzigartiger Qualifikationen Jesu
Zusammenfassung
27
28
29
32
34
35
36
37
39
3.
3.1
3.2
3.3
3.4
3.5
Die Wunder Jesu
Das Wiegenwunder
Die Belebung von aus Ton geformten Vögeln
Krankenheilungen und Totenauferweckungen
Der aus dem Himmel kommende, gedeckte Tisch
Zusammenfassung
41
42
43
43
44
46
4.
4.1
4.2
Die Lehre Jesu
Jesus steht unter dem Siegel Muhammads
Die dreifache Aufgabe des Lehrdienstes Jesu
47
48
49
7
4.3
4.4
Der Vorwurf der Schriftverfälschung
Zusammenfassung
52
56
5.
5.1
5.2
5.3
5.4
Die Kreuzigung Jesu
Das Verständnis von Sünde im Koran
Das Verständnis von Vergebung im Koran
Die Ablehnung der Kreuzigung Jesu
Zusammenfassung
57
57
59
60
63
6.
6.1
6.2
6.3
6.4
Weitere Aussagen über Jesus im Koran
Die Entrückung Jesu
Die Wiederkunft Jesu
Jesus im endzeitlichen Gericht
Zusammenfassung
64
64
65
67
69
Abschließende Stellungnahme
Muhammads Informationsquellen
Ähnlichkeiten, aber keine Gemeinsamkeiten
Die Ablehnung der Erlösung und des Erlösers
Die antichristliche Vereinnahmung
biblischer Inhalte
7.5 Die Behandlung von Christen und Juden
in islamischen Ländern
70
70
71
72
8.
8.1
76
7.
7.1
7.2
7.3
7.4
8.2
8.3
8.4
Konsequenzen für die christliche Mission
Die Differenz zwischen dem koranischen Isa
und dem biblischen Jesus
Die Stellungnahme des Evangeliums zum Islam
Die inhaltliche Berechtigung der christlichen
Mission
Anknüpfungspunkte für das missionarische
Gespräch
Literaturverzeichnis
73
74
76
76
78
80
82
8
Einleitung
Der Ansatz dieser Arbeit kann nur mit Blick auf das islamische Recht (Scharia) verdeutlicht werden, das sich aus vier Quellen ableitet: Die wichtigste ist der Koran selbst, gefolgt von den
Hadith-Sammlungen, die aus überlieferten Berichten über Aussprüche und Gewohnheiten des Propheten (Sunna) bestehen.5 Die
drittwichtigste Quelle des islamischen Rechtes ist der Analogieschluß (Ķiyās), der anhand des Korans vorgenommen wird.
Darunter ist zu verstehen, dass z.B. Muhammads Umgang mit den
Juden von islamischen Gelehrten als Modell für die gegenwärtige
Behandlung der Angehörigen des Volkes Israel herangezogen
wird. Allerdings gibt es nicht für jede gegenwärtig diskutierte
Themenstellung (Bsp. Globalisierung, Internetverkehr) einen Anhaltspunkt in Koran und Sunna, der als Grundlage für einen Analogieschluss dienen könnte. Daher besteht die vierte Quelle der
Scharia aus der Übereinkunft der islamischen Gelehrten (Idjmā) in
einer Sachfrage.6
Die folgende Darstellung beschränkt sich ganz bewusst darauf, die islamische Christologie ausschließlich anhand des Koran
darzustellen, da sich Informations- und Glaubensgespräche mit
Muslimen in der Regel auf der Grundlage des koranischen Jesusbildes vollziehen. Es muss an dieser Stelle aber deutlich darauf
hingewiesen werden, dass sich in den anderen Rechtsquellen zusätzliche Informationen über Jesus und davon abgeleitete Fragestellungen (Bsp.: Behandlung der Christen) befinden, die hier
5
Von den annähernd 1000 existierenden Traditionssammlungen dieser Art
werden nur 6 von den Sunniten als gültig angesehen, als da sind: 1) Al-Bukhari,
gest. 870 n.Chr.; 2) Muslim, gest. 875 n.Chr.; 3) Abu Dawud, gest. 888 n.Chr.;
4) Al-Tirmidhi, gest. 892 n.Chr.; 5) Al-Nasa’i, gest. 915 n.Chr. und 6) Ibn
Madja, gest. 886 n.Chr. Die Schiiten haben ihre eigenen Hadith-Sammlungen. /
Quelle: Ishak Ersen, Jesus Christus in den islamischen Traditionen, 2., erweiterte Auflage (Villach: Licht des Lebens, 1992), 9.
6
Ishak Ersen, Jesus Christus in den islamischen Traditionen, 6ff.
9
nicht erörtert werden können, weil das den vorgegebenen Rahmen
dieser Arbeit sprengen würde.
Zur Gliederung dieser Darstellung ist Folgendes zu sagen:
Im ersten Kapitel werden die Würdetitel Jesu erörtert, die ihm im
Koran zuerkannt werden. An ihnen wird bereits deutlich, welche
grundsätzliche Stellung Jesus im Islam besitzt und wo die Lehrunterschiede zum biblischen Zeugnis liegen. In den nachfolgenden
Kapiteln werden die wesentlichen Stationen des Lebens Jesu aus
koranischer Sicht erläutert, die da sind: Geburt, Wunderwirkungen, Verkündigung (Lehre), Kreuzestod, Entrückung, Wiederkunft, Funktion im endzeitlichen Gericht. Jedes dieser Kapitel
schließt mit einer tabellarischen Übersicht, in der das biblische
Zeugnis dem koranischen gegenübergestellt wird. Auf diese Weise werden sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die Unterschiede
deutlich erkennbar. Im 7. Kapitel wird das Ergebnis dieser Analyse präsentiert, welches dann im 8. Kapitel missionstheologisch
ausgewertet wird. Ein Literaturverzeichnis bildet den Abschluss
dieser Darstellung.
10
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