Netscape: Allgemeine Chemie B I

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Friday, February 2, 2001
Allgemeine Chemie B II
Inhalt Index
16. Aminosäuren, Peptide und Proteine
Proteine (Polypeptide) erfüllen in biologischen Systemen die unterschiedlichsten Funktionen. So wirken sie z.B. bei vielen chemischen Reaktionen in der
Natur als Katalysatoren (Enzyme). Proteine dienen auch als Transport- und Speichersysteme.
Die Monomereinheit der Polypeptide ist eine α-Aminosäure. Das Polymer entsteht dadurch, dass immer jeweils eine Carbonsäurefunktion der einen
Aminosäure mit der Aminogruppe einer anderen reagiert, deren Carboxygruppe dann wiederum mit der Aminfunktion der nächsten reagieren kann:
So entsteht eine Kette von Amiden. Die Amidbindung, durch die zwei Aminosäuren verknüpft werden, bezeichnet man auch als Peptidbindung :
Die Peptidbindung besteht aus einem Amid und ist deshalb planar.
16.1 Struktur und Säure-Base-Eigenschaften der Aminosäuren
Obwohl es mehr als 500 natürlich vorkommende Aminosäuren gibt, bestehen die Proteine aller Organismen, von den Bakterien bis zum Menschen, zum
überwiegenden Teil aus nur 20 verschiedenen Aminosäuren :
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Glycin (G)
Alanin (A)
Valin (V)
Leucin (L)
Isoleucin (I)
Prolin (P)
Phenylalanin (F)
Tyrosin (Y)
Tryptophan (W)
Histidin (H)
Lysin (K)
Arginin (R)
Methionin (M)
Serin (S)
Threonin (T)
Glutaminsäure (E)
Asparaginsäure (D)
Cystein (C)
Glutamin (Q)
Asparagin (N)
In allen Aminosäuren ausser Glycin befindet sich an C2 ein Chiralitätszentrum, das normalerweise eine S-Konfiguration besitzt. Genau wie bei den
Zuckern verwendet die ältere Nomenklatur die Vorsätze D- und L- wodurch alle (2S)-Aminosäuren vom L-Glycerinaldehyd abgeleitet werden:
Da sie Carboxy- und Aminogruppen enthalten, ist es nicht überraschend, dass Aminosäuren sauer und basisch reagieren können :
Aminosäuren liegen als zwitterionische Ammoniumcarboxylate vor. Die Aminosäuren bilden besonders stabile Kristallgitter aus, schmelzen nicht
sondern zersetzten sich beim Erhitzen, und sind in organischen Lösungsmitteln fast unlöslich.
In wässeriger Lösung bilden sich unterschiedliche Säure-Base-Gleichgewichte unter Beteiligung der
funktionellen Gruppen aus.
z.B.
Die pKa-Werte für die entsprechenden Gleichgewichte sind :
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Die Situation wird etwas komplizierter, wenn die Seitenkette der Aminosäure eine weitere saure oder basische Funktion enthält
Z.B.:
Es ist wichtig zu wissen, bei welchem pH-Wert die Konzentration der neutralen zwitterionischen Form am grössten ist. Diesen Punkt bezeichnet man auch
als isoelektrischen Punkt (pI), da die Zahl der positiv geladenen Aminosäuremoleküle gleich der Zahl der negativ geladenen ist, und daher keine
Wanderung der Aminosäure in einem von aussen angelegten elektrischen Feld beobachtet wird:
In der Elektrophorese misst man die Beweglichkeit eines Moleküls im elektrischen Feld. Die unterschiedlichen pI-Werte der verschiedenen Aminosäuren
(oder Peptide) können ausgenützt werden, um einzelne Moleküle aus einem Gemisch in reiner Form zu erhalten:
16.2 Peptide
Beim Zeichnen einer Polypeptidkette schreibt man das Amino-Ende an die linke, das Carboxy-Ende an die rechte Seite der Kette. Die absolute
Konfiguration an allen Chiralitätszentren (ausser Cys) ist vereinbarungsgemäss S
Die einzelnen Aminosäure-Einheiten, aus denen das Peptid aufgebaut ist, sind die sogenannten Reste.
Die Namensgebung bei den Peptiden ist ganz enfach. Man beginnt an dem Ende mit der freien Aminosäure und hängt dann die Bezeichnung für die
einzelnen Reste einfach nacheinander.
Z.B.:
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Es gibt über 40,000 mögliche Kombinationen der acht Aminosäuren im Angiotensin II. Angiotensin-II selbst spielt eine wichtige Rolle bei der Regulation
des Blutdrucks.
Eine zweite Art von Kovalenz-Bindungen kommt oftmals in Peptiden und Proteinen vor,
Disulphidbrücken:
Eine Disulphidbindung kann reversibel aus zwei Thiolgruppen gebildet werden.
Die Aminosäuresequenz der Kette legt die sogenannte Primärstruktur eines Peptids fest :
Insulin ist aus zwei Peptidketten A und B aufgebaut, die über zwei Disulphidbrücken miteinander verbunden sind. Die zwei Ketten sind
zusammengefaltet und bilden dadurch eine relativ stabile 3D-Struktur .
16.2.1 Bestimmung der Primärstruktur von Polypeptiden : Aminosäure-Analyse
Die biologische Wirksamkeit der Polypeptide und Proteine ist an ihre definierten Aminosäuresequenz gebunden. Kennt man die Aminosäuresequenz
eines Proteins ist seine 3D-Struktur leichter zu lösen (z.B. durch Röntgenanalyse) und sein Wirkungsmechanismus leichter zu verstehen.
Der erste Schritt einer Strukturaufklärung (und oft der schwierigste) ist das Protein zu reinigen. Nachdem man die einzelnen Polypeptidstränge, die beim
reduktiven Aufbrechen der Disulfidbrücken entstanden sind, gereinigt hat, erfolgt im nächsten Schritt die qualitative und quantitative Bestimmung der
enthaltenen Aminosäuren :
-- Welche Aminosäuren sind vorhanden ?
-- Wieviel von jeden ?
-- In welcher Sequenz treten sie auf ?
Die ersten zwei Fragen kann man mit einem Aminosäure-Analysator bestimmen. Erster Schritt :
Das Gemisch der freien Aminosäuren wird chromatographisch über eine Ionenaustauschersäule getrennt. Am Ende der Säule befindet sich ein
Analysator, ein Reservoir, das einen bestimmten Indikator enthält, normalerweise Ninydrin . Durch Erhitzen bildet sich ein violett gefärbtes Derivat aus
Ninhydrin und einer α-Aminosäure, dessen Intensität proportional zur Stoffmenge der Aminosäure ist. Diese Farbumschläge lassen sich als Funktion der
Zeit oder des eluierten Volumens an Laufmittel aufzeichnen, wobei man ein charakteristisches Chromatogramm erhält :
Mit dem Aminosäaure-Analysator kann man die Zusammensetzung eines Polypeptides schnell bestimmen.
16.2.2 Sequenzbestimmung
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Es gibt einige chemische Methoden, mit deren Hilfe man die Identität des Rests am Amino-Ende eines Polypeptids bestimmen kann. Ein solches
Verfahren ist der Edman-Abbau. Beim Edman-Abbau addiert sich die endständige Aminogruppe an das Reagenz, wobei ein Thioharnstoffderivat
ensteht. Beim Behandeln mit einer schwachen Säure unter Bedingungen, unter denen die Peptidebindungen nicht hydrolysiert werden, spaltet das
Molekül die markierte Aminosäure als Phenylthiohydantoin ab, der Rest des Polypeptids bleibt unverändert :
Die neue Kette, die eine neue endständige Aminogruppe hat, kann nun einem weiteren Edman-Abbau unterworfen werden, um den nächsten
endständigen Aminosäure-Rest zu identifizieren, usw. Das ganze Verfahren ist automatisiert worden und ermöglicht so die Routinebestimmung von
Polypeptiden mit bis zu ~20 Aminosäuren.
Mit längeren Ketten braucht man eine Methode, um die Kette auf selektive und vorhersagbare Weise in kleinere Fragmente aufzubrechen. Dies macht
man in der Praxis durch enzymatische Hydrolyse :
z.B. Trypsin , ein Enzym des Verdauungstrakts, spaltet Polypeptide bei Arg und Lys.
16.3 Synthese von Polypeptiden
Obwohl in der Peptidsynthese, ausgehend von den einzelnen Aminosäuren, nur ein einziger Bindungstyp, die Amidbindung, geknüpft werden muss,
wirft das selektive Knüpfen dieser Bindung grosse Probleme auf.
Z.B.:
Es ist fast unmöglich Glu in seine Säurechlorid umzuwandeln und selektiv mit der α-Aminogruppe von Lys umzusetzten. Man würde ein komplexes
Gemisch erhalten.
Heutzutage sind Verfahren entwickelt worden, die die Synthese von Polypeptiden bis zu über 100 Aminosäuren in hoher Ausbeute ermöglichen. Die
Methoden sind auch zum grössten Teil automatisiert worden, so dass man (fast) nur die richtige Sequenz in den Peptide-Synthesiser einprogrammieren
muss. Eine der bekanntesten Methoden ist von Merrifield (Nobelpreis 1984) entwickelt worden.
Um Peptidebindungen selektiv knüpfen zu können, müssen die funktionellen Gruppen der Aminosäuren geschützt sein:
z.B.
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Es gibt Schutzgruppen für die Amino-, Carboxy-, Hydroxyl-, Imidazol-, Thiol- und Guanidin-Gruppen in den Seitenketten der Aminosäuren und eine
separate Schutzgruppe für die α-Aminogruppe. Eine Schutzgruppe sollte die folgenden Eigenschaften haben:
-- leicht einzuführen
-- die funktionelle Gruppe in eine Form umwandeln, die während der Peptidesynthese stabil ist
-- leicht abzuspalten, wenn es nötig ist um die orginale funktionelle Gruppe wieder freizusetzen.
z.B. Eine wichtige Schutzgruppe für die α-Aminfunktion ist die tert-Butoxycarbonyl-, oder Boc-Gruppe :
Eine Entblockierung erreicht man in diesem Falle durch Behandeln mit Säure (vgl. Kapitel 9.8 ) und so milden Bedingungen, dass die anderen
Peptidbindungen nicht angegriffen werden :
Schutzgruppen für Carboxy-, Hydroxy-, Amino-, Thiol-, und Phenol-Gruppen in den Seitenketten müssen während der Peptidsynthese intakt erhalten
werden und nur am Ende der Synthese entfernt werden. Dafür werden Benzylether- oder Benzylester- oder Carbobenzyloxy (Cbz) -Gruppen
verwendet :
Solche Gruppen können unter Behandlung mit wasserfreiem HF entschützt werden :
Andere Schutzgruppen, z.B. für His, Arg, Asn, Gln werden hier nicht weiter behandelt.
Die Carboxygruppe in jeder Aminosäure muss aktiviert sein. Dafür werden aber keine Säurechloride verwendet (vgl. Kapitel 11.10 ), sondern die
geschützten Aminosäuren werden mit Dicyclohexylcarbodiimid (DCC) unter praktisch neutralen Bedingungen gekoppelt :
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Obwohl wir uns mit dem Mechanismus dieser Reaktion nicht beschäftigen wollen, fungiert DCC, indem es zuerst die Carboxylgruppe in eine aktivierte
Form umsetzt (vgl. Säurechlorid), die dann weiter mit dem Amin über einen nucleophilen Additions-Eliminierungs-Mechanismus (siehe Kapitel 11.5 )
unter Bildung einer neuen Amid-Bindung abreagiert.
Schliesslich ist eine Methode entwickelt worden, bei der die Verknüpfung der Aminosäuren an Polystyrol als festem Träger erfolgt
(Merrifield-Festphasen-Peptidsynthese). Funktionalisierte Polystyrol-Kügelchen werden verwendet, weil sie in bestimmten organischen
Lösungsmitteln aufquellen, und dadurch wird es den Reagenzien erleichtert, sich in die Polymermatrix hinein und hinaus zu bewegen :
Eine typische Peptidsynthese an solchen festen Träger läuft folgendermassen ab:
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Die automatisierte Proteinsynthese eröffnet aufregende Möglichkeiten. Erstens lässt sie sich dazu verwenden, die Struktur von Polypeptiden
abzusichern. Zweitens kann man auch "nicht natürlich" vorkommende Proteine darstellen, die möglicherweise aktiver und spezifischer als die natürlichen
sind. Solche Proteine könnten sich vielleicht als wertvoll bei der Behandlung bestimmter Krankheiten oder zur Aufklärung des Zusammenhangs zwischen
chemischer Struktur und biologischer Wirkung erweisen.
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