1 Einleitung: Die inverse Streutheorie

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Einleitung: Die inverse Streutheorie
1.1
Vorüberlegung: Die Fourier-Transformation zur Lösung
linearer partieller Differentialgleichungen
Fourier-Transformationen eignen sich zur Lösung linearer partieller Differentialgleichungen. Aus einer Anfangsbedingung φ(x, t0 ) einer Differentialgleichung
soll das Feld φ(x, t1 ) zu einem späteren Zeitpunkt berechnet werden. Das
geschieht in drei Schritten (siehe Abbildung):
1. Fourier-Transformation der Anfangsbedingungen φ(x, t0 )
2. Zeitentwicklung der Fouriermoden ck (t0 ) → ck (t1 )
3. Rücktransformation auf φ(x, t1 )
Der Vorteil dieses Verfahrens liegt darin, dass die Fouriermoden einfachen
gewöhnlichen Differentialgleichungen gehorchen. Auf diese Weise wird die
direkte Lösung der partiellen Differentialgleichung (Schritt 4 in der Abbildung) umgangen.
Beispiel
Eindimensionale Diffusionsgleichung φt − φxx = 0:
1. Fouriertransformation ck (t0 ) =
√1
2π
R∞
−∞
2. Die Bewegungsgleichung der Moden
ck (t1 ) = ck (t0 ) exp(−k 2 (t1 − t0 ))
3. φ(x, t1 ) =
√1
2π
R∞
φ(x, t0 ) exp(−ikx)dx
d
c
dt k
= −k 2 ck wird gelöst durch
−∞ ck (t1 ) exp(ikx)dk
Leider führt die Fourier-Transformation bei nichtlinearen partiellen Differentialgleichungen zu keiner Vereinfachung. Die Bewegungsgleichung in Schritt 2
enthält dann nichtlineare Anteile, die die Bewegungsgleichungen für unterschiedliche k miteinander koppeln. Im Allgemeinen wird der nichtlineare Anteil so kompliziert, dass sich die Bewegungsgleichungen für die Fouriermoden
nicht lösen lassen.
1
Feld
4. Zeitentwicklung
der linearen
Differentialgleichung
φ (x,t0 )
φ (x,t )
1
1. Fourier−
transformation
Fouriermoden
c (t )
k 0
Feld
3. inverse
Fourier−
transformation
2. Zeitentwicklung
der Fouriermoden
2
Fouriermoden
c (t )
k 1
1.2
Die inverse Streutheorie in Analogie zur FourierMethode
Die inverse Streutheorie (A.C. Scott, F.Y.Chu, D.W. McLaughlin, Proceedings of the IEEE 61, 1443 (1973)) erlaubt es, bestimmte nichtlineare par∂
φ(x, t) = K(φ(x, t)) analytisch zu lösen. Vortielle Differentialgleichungen ∂t
aussetzung für die Anwendung dieser Methode ist eine besondere Struktur
der Bewegungsgleichung, die der Existenz eines Lax-Paares entspricht. Beispiele sind die Korteweg-de-Vries-Gleichung, die nichtlineare SchrördingerGleichung und die Sinus-Gordon-Gleichung.
Bei dieser Methode wird die nichtlineare partielle Differentialgleichung auf
lineare Differentialgleichungen transformiert, deren Bewegungsgleichung einfach zu lösen ist. Die wesentliche Schwierigkeit besteht im Auffinden dieser
linearen Gleichungen.
Ihren Namen hat diese Methode von der Analogie zu kernphysikalischen
Streuproblemen: Die physikalische Größe φ(x, t) in der ursprünglichen partiellen Differentialgleichung wird als ein Streupotential aufgefasst. Das Streupotential φ(x, t) ändert sich zeitlich entsprechend der nichtlinearen partiellen
Differentialgleichung. Dieses Potential wirkt auf einfallende Wellen ψ(x, t).
Diese Wellen stellen ein gedachtes Hilfsfeld dar (Schritt 1 in der Abbildung).
In der Kernphysik bezeichnet φ(x) das Potential eines Atomkerns, und ψ
beschreibt die Wellenfunktion von einfallenden Elektronen.
Für ψ(x, t) lassen sich Bewegungsgleichungen aufstellen und in der Zeit entwickeln. Es ist dabei ausreichend, das Lösungsverhalten von ψ(x, t) für |x| →
∞ zu kennen. So erhält man die Streudaten ψ(x, t1 ) aus den Streudaten
ψ(x, t0 ) zu einer früheren Zeit (Schritt 2).
Aus dieser Lösung läßt sich die Lösung φ(x, t1 ) explizit berechnen (Schritt 3).
Auf diesem Umweg lässt sich die nichtlineare partielle Differentalgleichung
lösen (Schritt 4). Die inverse Transformation erfordert die Lösung einer linearen Integralgleichung (Gelfand-Levitan-Marchenko-Gleichung).
Die Lösung der partiellen Differentialgleichung mit der inversen Streutheorie
erfordert somit drei Schritte:
1. Formulierung des Streuproblems durch das Lax-Paar
2. Zeitentwicklung der Streudaten durch Lösung der Bewegungsgleichung
von ψ(x, t) für |x| → ∞
3. Rekonstruktion des Streupotentials φ(x, t1 ) aus den Streudaten mit Hil3
Streupotential
4. Zeitentwicklung
der nichtlinearen
Differentialgleichung
φ (x,t0 )
φ (x,t )
1
1. direktes
Streuproblem
3. inverses
Streuproblem
Streudaten
Streudaten
ψ (x,t0 )
Streupotential
2. Zeitentwicklung
der Streudaten
fe der Gelfand-Levitan-Marchenko-Gleichung
4
ψ (x,t )
1
2
Das Lax-Paar
Ein Lax-Paar (P.D. Lax, Communication on Pure and Applied Mathemetics,
21, 467 (1968)) ist ein Paar von Operatoren L und B, durch das eine partielle
Differentialgleichung
∂
φ(x, t) = K(φ(x, t))
(1)
∂t
dargestellt werden kann. Der Operator L hängt dabei von der Lösung φ(x, t)
der partiellen Differentialgleichung ab. B ist ein selbstadjungierter Operator.
(1) entspricht der Differentialgleichung
iLt = BL − LB
(2)
für den Operator L. Zur Vereinfachung wird die Abhängigkeit der Operatoren von x und t im Folgenden nicht immer aufgeschrieben.
Beispiel 1:
L=−
∂2
+ φ(x, t)
∂x2
(3)
(Schrödinger-Operator)
B=i
∂
∂x
3
3
∂
∂
∂
∂
ergibt Lt = φt , BL − LB = −i ∂x
3 + iφx + iφ ∂x + i ∂x3 − iφ ∂x = iφx . Der
Lax-Gleichung entspricht also die einfache partielle Differentialgleichung
φt = φx
Beispiel 2:
∂3
∂
∂
+ 3i(φ
+
φ)
(4)
3
∂x
∂x ∂x
L ist wieder der Schrödinger-Operator (3). Daraus folgt BL−LB = i(6φφx −
φxxx ), und für (1) ergibt sicht die Korteweg-de-Vries-Gleichung φt = 6φφx −
φxxx ). Die Transformation u(x, t) = −φ(x, t) führt auf die Form der Kortewegde-Vries-Gleichung ut + 6uux + uxxx = 0.
B = −4i
5
Die Zeitentwicklung von L(t) kann durch den Evolutionsoperator U(t)
dargestellt werden:
L(t) = U(t)L(0)U † (t)
(5)
U ist ein unitärer Operator, es gilt also U † U = UU † = I, wobei I der
Einheitsoperator ist. Ferner gilt U(t = 0) = I. Der Ausdruck
U(t)−† L(t)U(t) = L(0)
(6)
ist zeitunabhängig. Differenziert man (6) nach der Zeit, so folgt
−U † Ut U † LU + U † Lt U + U † LUt = 0
(7)
Die zeitliche Entwicklung von U kann mit Hilfe eines selbstadjungierten Operators B durch die Differentialgleichung
iUt = BU
(8)
beschrieben werden. Setzt man (8) in die Bedingung (7) ein und multipliziert
von links mit U und von rechts mit U † , so ergibt sich iBL + Lt − iLB = 0,
was der Operatorgleichung (2) entspricht.
Die Existenz eines Lax-Paares ist eine Eigenschaft, die nur wenige partielle Differentialgleichungen besitzen. Bekannte Beispiele sind die Kortewegde-Vries-Gleichung, die nichtlineare Schrödinger-Gleichung und die SinusGordon-Gleichung.
6
3
Das Streuproblem
Die Eigenwertgleichung Lψ = Eψ für den Operator L aus (3)
−ψxx (x, t) + φ(x, t)ψ(x, t) = Eψ(x, t)
(9)
entspricht der linearen Schrödinger-Gleichung für eine Wellenfunktion ψ in
einem Potential φ. In Streuproblemen in der Quantenmechanik ist φ das Potential eines Atomkerns, ψ ist die Wellenfunktion einfallender Elektronen.
Es wird nun angenommen, dass φ(x, t) lokalisiert ist, also φ(x, t) und seine Ableitungen für |x| → ∞ verschwinden. Ziel ist es nun, aus φ(x, t) aus
φ(x, 0) zu berechnen. Zu diesem Zweck werden Bewegungsgleichungen für ψ
abgeleitet und gelöst. Es ist dabei ausreichend, ψ(x, t) für |x| → ∞, also
fern des Streupotentials zu kennen. Aus diesen Streudaten kann dann φ(x, t)
berechnet werden.
Die Schrödinger-Gleichung (9) besitzt eine endliche Zahl gebundener Zustände
mit negativen Eigenwerten E = −κ2n < 0 und ein kontinuierliches Spektrum
von positiven Eigenwerten E = k 2 > 0
7
3.1
Gebundene Zustände
ψn (x, t = 0) ist eine Eigenfunktion zum Operator L(t = 0) mit dem negativen
reellen Eigenwert −κ2n , κn > 0:
L(t = 0)ψn (x, t = 0) = −κ2n ψn (x, t = 0)
(10)
Die Funktion ψn (x, t) = U(t)ψn (x, t = 0) ist die Eigenfunktion zum Operator L(t) = U(t)L(0)U † (t) zu einem späteren Zeitpunkt mit dem gleichen
Eigenwert −κ2n :
L(t)ψ(x, t) =
=
=
=
U(t)L(0)U † (t)U(t)ψn (x, t = 0)
U(t)L(0)ψn (x, t = 0)
−κ2n U(t)ψn (x, t = 0)
−κ2n ψn (x, t)
(11)
Der Eigenwert −κ2n hängt also nicht von der Zeit ab. Jedem gebundenen Zustand ψn (x, t) entspricht ein zeitunabhängiger Eigenwert. Dieser Eigenwert
ist ein Funktional des Potentials φ(x, t) im Operator L(t). Somit sind die
Eigenwerte Konstanten der Bewegung.
Nun kann eine partielle Differentialgleichung für die Zeitentwicklung der gebundenen Zustände ψn (x, t) gegeben werden. Differenziation von ψn (x, t) =
U(t)ψn (x, 0) nach der Zeit ergibt ψ̇n (x, t) = −iB(t)U(t)ψn (x, 0), oder
iψ̇n (x, t) = Bψn (x, t)
8
(12)
Beispiel:
Für die Korteweg-de-Vries-Gleichung (C.S. Gardner, J.M. Greene, M.D. Kruskal, R.M. Miura, Phys. Rev. Lett. 19, 1095 (1967)) wird eine Lösung φ(x, t)
angenommen, die für x → −∞ verschwindet. Dann können die Operatoren
∂3
∂2
B (4) und L (3) dargestellt werden als B ≈ −4i ∂x
3 und L ≈ − ∂x2 , weil φ
und φx für |x| → ∞ verschwinden. Die Ortsabhängigkeit ψ für |x| groß folgt
aus
∂2
ψn (x, t) = κ2n ψn (x, t)
∂x2
als
ψ(x) ∼ exp(κn x) oder als ψ(x) ∼ exp(−κn x). Wenn die Normierbarkeit
R∞
2
−∞ |ψ(x)| dx = 1 gefordert wird, dann muß die Funktion exponentiell abfal−
len als ψ(x, t) = c+
n (t) exp(−κn x) für x → ∞ und als ψ(x, t) = cn (t) exp(κn x)
für x → −∞.
Die Zeitabhängigkeit für c+
n (t) bei x → ∞ folgt mit (12)
ψ̇n (x, t) = 4κ3n ψn (x, t)
3
als ψn (x, t) = c+
n (0) exp(−κn x + 4κn t), also
+
3
c+
n (t) = cn (0) exp(4κn t)
(13)
Die Funktion ψ steigt exponentiell in der Zeit an. Ähnlich folgt ψn (x, t) =
3
c−
n (0) exp(κn x − 4κn t) für x → −∞. Hier fällt die Funktion exponentiell in
der Zeit ab.
9
3.2
Gestreute Wellen
Neben den gebundenen Lösungen existieren auch Eigenzustände mit positiven Eigenwerten E = k 2 > 0. Für einen Schrödinger-Operator (3) mit
einem lokalisierten Potential φ(x) → 0 für |x| → ∞ kann das asymptotische
Verhalten der Eigenzustände berechnet werden. Weil das Potential hier verschwindet, lautet die Schrödinger-Gleichung
−
∂2
ψ(x, t) = k 2 ψ(x, t)
∂x2
Diese Gleichung wird allgemein gelöst durch die Wellen
ψk (x, t) ≈ a+ (k, t) exp(ikx) + a− (k, t) exp(−ikx)
Die zeitliche Evolution von a(k, t) kann wieder aus (12) berechnet werden.
Um eine Information über das Streupotential zu erhalten, werden die Randbedingungen eingeschränkt auf eine einfallende und eine reflektierte Welle
für x → −∞
ψk (x, t) ∼ exp(ikx) + ρ(k, t) exp(−ikx)
und eine transmittierte Welle für x → ∞
ψk (x, t) ∼ τ (k, t) exp(ikx)
ρ(k, t) ist der Reflexionskoeffizient und τ (k, t) ist der Transmissionskoeffizient.
10
Beispiel:
Für die Korteweg-de-Vries-Gleichung folgt für |x| → ∞ die Lösungen von
(3) und (12)
ψk (x, t) = a− (0) exp(−4ik 3 t) exp(−ikx)
und
ψk (x, t) = a+ (0) exp(4ik 3 t) exp(ikx)
Der Reflexionskoeffizient ergibt sich aus dem Phasenverhältnis ρ ∼ a+ /a−
für x → −∞ als
ρ(k, t) = ρ(k, t = 0) exp(8ik 3 t)
(14)
11
4
Rücktransformation: Gelfand-Levitan-MarchenkoGleichung
Die Streudaten c(t), κ und ρ(t) enthalten bereits die Information über die
Lösung der nichtlinearen partiellen Differentialgleichung (1). Die Lösung φ(x, t)
kann mit Hilfe der Gelfand-Levitan-Marchenko-Gleichung
G(x, y, t) + F (x + y, t) +
Z
∞
x
G(x, z, t)F (y + z, t)dz = 0
aus den Streudaten zur Zeit t berechnet werden. Diese Integralgleichung ist
linear in G. Dabei gehen der Reflexionskoeffizient ρ(k, t) und die Koeffizienten
der gebundenen Zustände c+
n (t) in
F (z, t) =
1
2π
Z
∞
−∞
ρ(k, t) exp(ikz)dk +
N
X
2
c+
n (t) exp(−κn z)
n=1
ein. Die Lösung folgt aus
φ(x, t) = −2
d
G(x, x, t)
dx
12
(15)
Beispiel:
Als einfachster Fall wird für die Korteweg-de-Vries-Gleichung eine Lösung angenommen, die nur einen gebundenen Zustand mit einem Eigenwert E = −κ2
besitzt. Dieses Potential soll die besondere Eigenschaft besitzen, dass der Reflexionskoeffizient verschwindet ρ(k, 0) = 0.
Die Gelfand-Levitan-Marchenko-Gleichung lautet dann
2
2
8κ3 t −κ(x+y)
8κ3 t
G(x, y, t)+c+
e
+c+
n (0)e
n (0)e
Z
Differenziert man (16) nach y, so ergibt sich
Lösung von (16) muß deshalb die Form
∞
x
e−κ(y+z) G(x, z, t)dz = 0 (16)
∂
G(x, y, t)
∂y
= −κG(x, y, t). Die
G(x, y, t) = e−κy h(x, t)
(17)
haben. Damit läßt sich das Integral in (16) explizit ausführen. Auflösen nach
G ergibt
2
3
2κc+
n (0) exp(8κ t − κ(x + y))
G(x, y, t) = −
2
3
2κ + c+
n (0) exp(8κ t − 2κx)
und mit (15)
φ(x, t) = −2κ2 cosh−2 (κ(x − 4κ2 t) − δ)
2
2
δ = 21 ln(c+
n (0)/2κ). Mit u(x, t) = −φ(x, t) und v = 2κ ist das die Einsolitonenlösung der KdV-Gleichung.
In der gleichen Weise lassen sich kompliziertere Lösungen konstruieren. Zum
Beispiel ergibt sich die Zweisolitonenlösung aus einem reflexionsfreien Potential mit zwei gebundenen Zuständen.
13
5
Methode von Ablowitz, Kaup, Newell und
Segur (AKNS)
Das Auffinden einer Lax-Paares ist eine wesentliche Schwierigkeit bei der
Anwendung der Inversen Streumethode. Die AKNS-Methode (M. Ablowitz,
D.J. Kaup, A.C. Newell, H. Segur, Phys. Rev. Lett. 31, 125 (1973)) erlaubt
das Auffinden von Lax-Paaren für mehrere wichtige partielle Differentialgleichungen.
Als Ansatz werden allgemeine Operatoren
L=
und
B=
d
−iq(x, t)
i dx
d
ir(x, t)
−i dx
!
a(x, t, E) b(x, t, E)
c(x, t, E) −a(x, t, E)
(18)
!
(19)
eingeführt. q(x, t), r(x, t) und a(x, t, E), b(x, t, E), c(x, t, E) sind zunächst
noch nicht festgelegte Funktionen. E ist der zeitunabhängige Eigenwet des
Lax-Operators
Lv = Ev.
(20)
Der Eigenvektor v = (v1 , v2 ) folgt der Evolutionsgleichung
ivt = Bv.
(21)
Die Funktionen a, b, c, q, r lassen sich nicht völlig frei wählen, sondern unterliegen Konsistenzbedingungen: Differenziert man (18) nach t und (19) nach
x, so folgt als Konsistenzbedingung der gemischten Ableitungen
ax = qc − rb
bx + 2iEb = iqt − 2aq
cx − 2iEc = irt + 2ar
(22)
Weitere Einschränkungen dieser Funktionen legen die betreffende partielle
Differentialgleichung fest.
Beispiel: Korteweg-de-Vries-Gleichung
Die Wahl
a = 4E 2 + 2qrE + irqx − iqrx
14
liefert die Bedingungen (22) die Gleichungen
qt − 6rqqx + qxxx = 0
rt − 6rqrx + rxxx = 0
Die zusätzliche Einschränkung r = −1 liefert die KdV-Gleichung.
Beispiel: Sinus-Gordon-Gleichung
Die Wahl a = −(4E)−1 cos φ und r = −q = φx /2 liefert die Sinus-GordonGleichung in der Form φxt = sin φ (siehe Bäcklund-Transformation). Ersetzt
man sin durch sinh, so erhält man die sinh-Gordon-Gleichung.
Beispiel: Nichtlineare Schrödinger-Gleichung
Die Wahl a = 2E 2 + rq liefert
iqt + qxx − 2q 2 r = 0
irt − rxx + 2q 2 r = 0
Mit r = q ∗ führt das auf die nichtlineare Schrödinger-Gleichung.
15
6
Integrabilität der Bewegungsgleichungen
Bewegungsgleichungen wie die Korteweg-de-Vries-Gleichung, die nichtlineare
Schrödingergleichung und die Sinus-Gordon-Gleichung besitzen zwei außergewöhnliche Eigenschaften: Sie sind von einer Hamilton-Funktion ableitbar,
und sie besitzen eine unendliche Zahl von Erhaltungsgrößen. Diese Bedingungen sind voraussetzungen für die Anwendung der inversen Streumethode.
Auch das reguläre Verhalten von Solitonen (zwei Solitonen überstehen eine
Kollision unverändert) ist eine Folge dieser Eigenschaften.
6.1
Hamiltonsche Struktur der Bewegungsgleichungen
Im Fall der Korteweg-de-Vries-Gleichung kann diese Hamilton-Funktion dargestellt werden als
H[P, Q] = −
1 2
1
]dx
[Q3 (x) + Q2x (x) + Px3 (x) + Pxx
2
2
−∞
Z
∞
(23)
P (x) und Q(x) sind kanonisch konjugierte Koordinaten. Die Hamiltonschen
Bewegungsgleichungen sind
δH
dP
=−
= 3Q2 − Qxx
dt
δQ
(24)
and
dQ
δH
=
= −Pxxxx + 6Px Pxx
(25)
dt
δP
Rx
Diese Gleichungen werden durch Q = −u(x, t) und P = − −∞
u(x̃, t)dx̃
gelöst, wenn u(x, t) der Korteweg-de-Vries-Gleichung genügt. Die Kortewegde-Vries-Gleichung ist konservativ, d.h. die Hamilton-Funktion bleibt in der
Zeit konstant.
Eine willkürliche Veränderung der Bewegungsgleichung (zum Beispiel ut +
6uux + uxxx = f (u, ux, uxxx )) wird in den meisten Fällen die Hamiltonsche
Struktur beseitigen.
6.2
Erhaltungsgrößen
Die oben genannten Bewegungsgleichungen haben die bemerkenswerte Eigenschaft, dass neben der Hamilton-Funktion eine unendliche Zahl weiterer Erhaltungsgrößen existiert. Die drei einfachsten Erhaltungsgrößen der
16
Korteweg-de-Vries-Gleichung lauten
Z
I1 [u] =
I2 [u] =
∞
udx,
(26)
1 2
u dx,
2
(27)
−∞
Z
∞
−∞
1
(u3 − u2x )dx,
(28)
2
−∞
wobei das letzte Integral der Hamilton-Funktion entspricht.
Die Existenz unendlich vieler Erhaltungsgrößen (Integrabilität) ist eine sehr
untypische Eigenschaft von nichtlinearen partiellen Differentialgleichungen.
Hinzufügen eines weiteren Terms in die Bewegungsgleichung wird im Allgemeinen die meisten Erhaltungsgrößen zerstören, selbst wenn die veränderte
Gleichung ebenfalls eine Hamiltonsche Struktur besitzt. Eine solche Veränderung der Bewegungsgleichungen kann dazu führen, dass Solitonen bei Kollisionen ihre Form und Größe ändern.
Die inverse Streumethode kann als eine kanonische Transformation der Ortsund Impulskoordinaten pi (P, Q), qi (P, Q) interpretiert werden (V.E. Zakharov, L.D. Faddeev, Funct. Anal. Appl.5, 280 (1972)). Die einzelnen Ortsund Impulskoordinaten sind Funktionen der Streudaten. Die neue HamiltonFunktion H̃(pi ) hängt nur von den Impulskoordinaten, nicht aber von den
Impulskoordinaten ab. Nach den Bewegungsgleichungen (24) und (25) ist pi
dann zeitlich konstant und qi wächst linear in der Zeit an. Die Impulse sind
also wieder Erhaltungsgrößen.
I3 [u] =
Z
∞
17
7
Bäcklund-Transformation
Bäcklund-Transformationen setzen eine spezielle Lösung einer partiellen Differentialgleichung in Beziehung zu einer Lösung einer anderen partiellen Differentalgleichung. Die Transformation selbst wird ebenfalls als partielle Differentialgleichung dargestellt. Auto-Bäcklund-Transformationen verbinden zwei
verschiedene Lösungen der selben partiellen Differentialgleichung. Auf diese
Weise lassen zunehmend komplizierte Lösungen einer Bewegungsgleichung
konstruieren.
Beispiel
Die KdV-Gleichung
ut + uxxx + 6uux = 0
kann mit der Potential-Funktion w(x, t) mit u = −wx geschrieben werden als
wt = 3wx2 − wxxx
(29)
Ist eine spezielle Lösung w dieser Gleichung bekannt, so folgt aus der BäcklundTransformation
w̃x + wx = −k 2 + (w̃ − w)2 /2
(30)
w̃t + wt = 2(2k 2 ũ + u2 − u(w̃ − w)2 − ux (w̃ − w))
eine neue spezielle Lösung w̃ von (29) oder ũ = −w̃x als Lösung der KdVGleichung. k ist dabei ein beliebiger Parameter. Speziell führt der VakuumZustand u = w = 0 auf deine Lösung mit einem Soliton. Jede weitere Transformation erhöht die Zahl der Solitonen um eins. Daraus lassen sich beliebige
N-Solitonen-Lösungen konstruieren (H.D. Wahlquist, F.B. Estabrook, Phys.
Rev. Lett. 31, 1386 (1973)).
Beispiel
2
2
Die Sinus-Gordon-Gleichung ∂∂xu2 − ∂∂xu2 = sin u kann durch die Transforma∂2u
tion X = (x + t)/2 und T = (x − t)/2 auf die Form ∂X∂T
= sin u gebracht
werden. Ist u(x, t) eine bekannte Lösung der Sinus-Gordon-Gleichung, dann
kann eine weitere Lösung v(x, t) durch lösen der Differentialgleichungen
vX − uX = 2a sin( u+v
)
2
2
u−v
vT + uT = a sin( 2 )
berechnet werden.
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(31)
8
Hirota-Methode
Die Hirota-Methode (R. Hirota, Phys. Rev. Lett. 27, 1192 (1971)) ermöglicht
die Konstruktion von Lösungen bestimmter partieller Differentialgleichungen. Durch die Transformation
u(x, t) = 2
∂2
ln f (x, t)
∂x2
lässt sich die KdV-Gleichung
ut + uxxx + 6uux = 0
in der reduzierten Form
∂
2
(fxxxx f − 4fxxx fx + 3fxx
+ fxt f − fx ft ) = 0
(32)
∂x
darstellen. Die Gleichung (32) sieht zwar noch komplizierter aus als die KdVGleichung, hat aber den Vorteil, dass für jede Lösung f (x, t) die Funktion
h(t)f (x, t) ebenfalls eine Lösung ist. (32) lässt sich einfach durch Summen
von Exponentialfunktionen lösen. Mit dem Ansatz
f = 1 + exp(kx − k 3 t + const.)
erhält man die Solitonen-Lösung
u=
k2
2 cosh2 (kx − k 3 t + const)
In ähnlicher Weise lassen sich mit dem Ansatz f = 1 + exp(α1 ) + exp(α2 ) +
a12 exp(α1 + α2 ) mit αi = ki x − ki3 t + const, a12 = ((k1 − k2 )/(k1 + k2 ))2 zwei
Solitonen konstruieren. Dieses Verfahren lässt sich für beliebig viele Solitonen
fortsetzen.
Die Gleichung (32) kann kompakt mit Hilfe des bilinearen Ableitungsoperators
∂n
Dxn f · g := n f (x + h)g(x − h)|h=0
∂h
aufgeschrieben werden. Der Ausdruck in Klammer in Gleichung (32) ist in
dieser Schreibweise (Dx4 + Dx Dt )f · f . Für
(Dx4 + Dx Dt )f · f = 0
ist (32) erfüllt. Im Allgemeinen lassen sich auf diese Weise integrable Gleichungen der bilinearen Form G(D)f · f = 0 lösen.
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