Aus dem Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der Tierärztlichen Hochschule Hannover Untersuchung zur Vererbung von Augenkrankheiten beim Tibet Terrier mit komplexen Segregationsanalysen INAUGURAL-DISSERTATION zur Erlangung des Grades einer DOKTORIN DER VETERINÄRMEDIZIN (Dr. med. vet.) durch die Tierärztliche Hochschule Hannover Vorgelegt von Karina Ketteritzsch aus Kassel Hannover 2002 Wissenschaftliche Betreuung: Univ.-Prof. Dr. O. Distl 1. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. O. Distl 2. Gutachter: Prof. Dr. M. H. Boevé Tag der mündlichen Prüfung: 21.11.2002 Meiner verstorbenen Mutter gewidmet Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ...............................................................................................................1 2 Literatur..................................................................................................................2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 Der Tibet Terrier .........................................................................................2 Rassegeschichte ........................................................................................2 Zuchtverbände............................................................................................4 Rassestandard ...........................................................................................4 Zuchtbestimmungen ...................................................................................5 2.2 Dortmunder Kreis (DOK) ............................................................................7 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 Embryologie, Anatomie und Physiologie des Auges ..................................9 Entwicklung des Auges...............................................................................9 Anatomie und Physiologie des Hundeauges ............................................12 Funktion des Auges..................................................................................25 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.4.5 Genetische Grundlagen............................................................................26 Definitionen...............................................................................................26 Mendel‘sche Erbgänge .............................................................................27 Mitochondriale Vererbung.........................................................................29 Heterogenie ..............................................................................................29 Multifaktorielle Vererbung .........................................................................30 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.4.5 2.4.6 2.4.7 2.4.8 2.4.9 2.4.10 Erbliche Augenerkrankungen ...................................................................31 Tränenpunktstenose/Tränenpunktatresie.................................................31 Entropium .................................................................................................31 Ektropium .................................................................................................33 Trichiasis ..................................................................................................33 Distichiasis................................................................................................34 Glaukom ...................................................................................................35 Membrana Pupillaris Persistens (MPP) ....................................................37 Linsenluxation...........................................................................................39 Katarakt ....................................................................................................41 Progressive Retinaatrophie (PRA)............................................................48 3 Material und Methoden .......................................................................................55 3.1 Datenquellen und Datenerfassung ...........................................................55 3.2 Struktur des Datenmaterials .....................................................................56 3.3 Deskriptive Statistiken für die Augenuntersuchungsergebnisse ...............66 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 Statistische Methoden ..............................................................................70 Varianzanalyse .........................................................................................70 Varianzkomponentenschätzung ...............................................................74 Segregationsanalysen ..............................................................................76 4 Ergebnisse und Diskussion ...............................................................................81 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 Distichiasis................................................................................................81 Systematische Effekte ..............................................................................81 Segregationsanalyse ................................................................................83 Diskussion ................................................................................................92 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 Membrana Pupillaris Persistens (MPP) ....................................................95 Varianzanalyse .........................................................................................95 Segregationsanalyse ................................................................................97 Diskussion ..............................................................................................109 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 Linsenluxation.........................................................................................112 Systematische Effekte ............................................................................112 Segregationsanalyse ..............................................................................114 Diskussion ..............................................................................................122 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 Katarakt ..................................................................................................126 Varianzanalyse .......................................................................................126 Segregationsanalyse ..............................................................................127 Diskussion ..............................................................................................138 4.5 4.5.1 4.5.2 4.5.3 Progressive Retinaatrophie (PRA)..........................................................141 Varianzanalyse .......................................................................................141 Segregationsanalyse PRA......................................................................142 Diskussion ..............................................................................................151 5 Schlussfolgerung ..............................................................................................156 6 Zusammenfassung............................................................................................165 7 Summary ............................................................................................................167 8 Literaturverzeichnis ..........................................................................................169 9 Anhang ...............................................................................................................194 9.1 VDH-Untersuchungsbogen.....................................................................194 9.2 „Befundbogen Augenuntersuchung“ des DOK .......................................195 Verzeichnis der Abkürzungen AIC Informationskriterium nach Akaike Abb. Abbildung CTA Club für Tibet Terrier und Lhasa Apso e.V. DOK Dortmunder Kreis F.C.I. Féderation Cynologique Internationale ggr. geringgradig H Hündin 2 Heritabilität hgr. hochgradig ILT Internationaler Club für Lhasa Apso und Tibet Terrier e.V. KTR Klub Tibetischer Rassehunde e.V. -2 lnL -2 Log Likelihood LRT Likelihood-Ratio-Test LSM Least Square Mittelwerte mgr. mittelgradig MPP Membrana pupillaris persistens n Anzahl OD rechtes Auge OS linkes Auge p Irrtumswahrscheinlichkeit post. posterior PRA Progressive Retinaatrophie R Rüde REML Restricted Maximum Likelihood s Standardabweichung VDH Verband Deutsches Hundewesen h Einleitung Seite 1 1 Einleitung Augenerkrankungen stellen ein weitverbreitetes Problem bei sehr vielen Hunderassen dar. Aus diesem Grunde haben sich bereits vor mehr als zehn Jahren Tierärzte in Untersucherkreisen zusammengeschlossen, um objektive Diagnosen als Grundlage für die Selektion von Zuchttieren aus Rassezuchtvereinen zur Verfügung zu stellen. In Deutschland hat sich der Dortmunder Kreis (DOK), Gesellschaft für Diagnostik genetisch bedingter Augenerkrankungen bei Tieren e.V., im Jahre 1995 etabliert. Beim Tibet Terrier wurde das Auftreten der Linsenluxation und der Progressiven Retinaatrophie (PRA) mehrfach beschrieben, bei beiden Erkrankungen mit einem monogen autosomal rezessivem Erbgang. Die Erblichkeit weiterer Augenerkrankungen, wie z. B. die Katarakt, die Membrana pupillaris persistens (MPP) oder die Distichiasis, ist beim Tibet Terrier bisher nicht geklärt. Infolge der häufigen genetischen Heterogenie von erblich bedingten Augenerkrankungen lassen sich die Erbgänge nicht von einer Hunderasse auf eine andere übertragen. Zudem wurden in den letzten Jahren wesentlich verbesserte Analysemethoden für die Aufklärung von Erbgängen entwickelt, wodurch Ergebnisse früherer Untersuchungen eventuell revidiert werden müssen. Daher besteht in diesem Bereich noch ein sehr großer Forschungsbedarf. Ziel dieser Arbeit ist es, in Zusammenarbeit mit dem größten deutschen Zuchtverband für Tibet Terrier, dem Internationalen Klub für Tibetische Hunderassen e. V. (KTR), und dem Dortmunder Kreis (DOK) die Erbgänge der beim Tibet Terrier vorkommenden Augenerkrankungen Distichiasis, MPP, Linsenluxation, Katarakt und PRA zu analysieren. Weiterhin sollen Vorschläge für ein Zuchtprogramm entwickelt werden, mit dessen Hilfe genetisch bedingte Augenerkrankungen bekämpft werden können. Literatur 2 2 Literatur 2.1 Der Tibet Terrier 2.1.1 Rassegeschichte Der Tibet Terrier (Abbildung 1 und 2) zeigt die Eigenschaften eines Hütehundes und gleicht in seinem Erscheinungsbild und Wesen den europäischen zotthaarigen Hütehunden. Seine Heimat ist das bis 5000m hohe Hochplateau von Tibet. Während die anderen tibetischen Kleinhunde wie Tibet Spaniel und Lhasa Apso als Tempelhunde gehalten wurden, war der Tibet Terrier Arbeitshund der Bauern und Viehzüchter, vor allem bei der Hütearbeit in unwegsamem Gelände. Die Tibet Terrier gelangten erst im 20. Jahrhundert über die britische Ärztin Dr. Agnes Greig, die in Indien nahe der tibetischen Grenze arbeitete, nach Europa. In England lies die Mutter von Dr. Greig diese Hunde unter dem Zwingernamen „of Ladkok“ 1926 als Lhasa Terrier registrieren. In Indien, wo Dr. Greig selbst weiter züchtete, dauerte es noch bis 1930, bis diese Hunde als eigenständige Rasse unter der Bezeichnung Tibet Terrier anerkannt wurden. Hier wurde bereits der Fehler begangen, die Hunde mit der falschen Bezeichnung Tibet Terrier auszustatten. Korrekter müsste es eigentlich „Tibet Apso“, also Tibet Langhaar, heißen, da der Tibet Terrier keine vergleichbare Eigenschaften der in Europa gezüchteten Terriern aufweist. 1931 schloss sich auch der British Kennel Club der Entscheidung des Indischen Kennel Clubs an und führte ab diesem Jahr die Registrierung unter der Bezeichnung „Tibet Terrier“ ein. In den späten 30er Jahren gelangten Hunde aus der Zucht von Dr. Greig nach Deutschland, Dänemark, Italien und auch in die USA. In England entwickelte sich ab 1953 eine zweite Zuchtlinie aus dem Zwinger „Luneville“ des Ehepaares Downey. Diese Linie war zunächst umstritten, da sie auf einen Findling, einen sogenannten „crossbred“ zurückging, der eher zufällig als „Trojan Kynos“ mit unbekannter Abstammung in das Zuchtbuch der Tibet Terrier aufgenommen wurde. Literatur 3 In Deutschland begann Frau Erika Bruns Anfang der 30-er Jahre in Berlin mit einer kleinen Zucht. Bedingt durch den zweiten Weltkrieg kam es jedoch fast zu einem Stillstand. Nach dem zweiten Weltkrieg lebte in Deutschland die Zucht wieder auf, vor allem durch den Zwinger „vom Potala“. Durch die Unterstützung aus dem Ausland gelang es, die enge deutsche Zuchtbasis zu erweitern. Einer der daraus hervorgehenden Hunde war „Dschowo vom Potala“, der Weltsieger von 1947. Er war einer der wichtigsten Begründer der deutschen Nachkriegszucht (KRAßNIGG 1997, CLARC und BRACE 1995) Abbildung 1: Tibet Terrier, goldzobel (nach KRAßNIGG 1997) Abbildung 2: Tibet Terrier, schwarz mit weissen Abzeichen (nach KRAßNIGG 1997) Literatur 4 2.1.2 Zuchtverbände Der Klub für Tibetische Hunderassen (KTR) wurde am 02.10.1966 gegründet und am 15.03.1967 in das Vereinsregister des Verbandes für das Deutsche Hundewesen (VDH) aufgenommen. Vom KTR werden die vier Tibetischen Hunderassen Tibet Terrier, Lhasa Apso, Tibet Spaniel und Do Khyi betreut. Diese wurden zunächst in das „Deutsche Sammelzuchtbuch“ (DSaZB) eingetragen. 1979 wurde dann vom KTR der Entschluss gefasst, ein eigenes Zuchtbuch zu führen. Die Bezeichnung DSaZB verschwand aus den Ahnentafeln und wurde durch den KTR-Schriftzug ersetzt. Damit war der KTR im VDH der erste selbständig zuchtbuchführende Verein mit der Zuchtbuchhoheit für tibetische Hunderassen. In Deutschland existieren noch zwei weitere Vereine, der Internationale Club für Lhasa Apso und Tibet Terrier e.V. (ILT) und der Club für Tibet Terrier und Lhasa Apso e.V. (CTA), die beide ebenfalls dem VDH angeschlossen sind. In der Schweiz vertritt der „Tibet-Terrier-Klub der Schweiz“ und in Österreich der „Österreichische Klub für Tibetische Hunderassen“ die Rasse der Tibet Terrier (KRAßNIGG 1997). Die nachfolgende Tabelle 1 zeigt die Welpenzahlen der Tibet Terrier aller deutschen, dem VDH angeschlossenen Zuchtverbände. Tabelle 1: Welpenzahlen des Tibet Terriers im VDH (2002) Jahr Anzahl der Welpen 1996 1997 1998 1999 2000 2001 963 991 778 795 826 803 2.1.3 Rassestandard Der Tibet Terrier wird in der FCI-Gruppe 9, Gesellschafts- und Begleithunde, Sektion 5, Tibetische Hunde, Standard Nr. 209, geführt. Es ist vom allgemeinen Erscheinungsbild ein robuster Hund von mittlerer Größe, langhaarig, mit quadratischer Literatur 5 Silhouette. Er ist lebhaft und gutmütig, treu und mit vielen einnehmenden Wesenszügen. Auch ist er wachsam, intelligent, mutig, wenig ungestüm oder streitsüchtig und Fremden gegenüber zurückhaltend. Rüden erreichen eine Schulterhöhe von 35,6 – 40,6 cm, Hündinnen sind geringfügig kleiner. Das Haarkleid ist doppelt. Die Unterwolle ist fein und wollig, während das Deckhaar üppig, fein, lang, glatt oder gewellt, jedoch nicht lockig ist. Bezüglich der Fellfarbe ist jegliche Farbe erlaubt, außer schokoladen- oder leberbraun. Üblicherweise sind die Hunde weiß, gold, creme, grau, rauchfarben, schwarz, zobelfarben, zwei- oder dreifarbig. Der Körper der Hunde ist gut bemuskelt, kompakt und kraftvoll. Die Länge von der Schulterblattspitze bis zum Rutenansatz soll der Widerristhöhe entsprechen. Die Rute selbst ist mittellang, hoch angesetzt, üppig behaart und wird fröhlich eingerollt über dem Rücken getragen. Die Gliedmaßen sind stark behaart, die Läufe stehen gerade und parallel. Die Hinterhand ist gut gewinkelt. Die Pfoten sind groß und rund und zwischen den Zehen und Ballen reichlich behaart. Das Gangwerk der Tibet Terrier ist zügig mit gutem Vortritt und kraftvollem Schub aus der Hinterhand. 2.1.4 Zuchtbestimmungen Seit Ende der 70er Jahre gab es die allgemeine Empfehlung, Tibet Terrier vor dem Deckakt auf erbliche Augenerkrankungen, insbesondere auf die Linsenluxation und die Progressive Retina Atrophie (PRA), untersuchen zu lassen. Erkrankte Hunde durften nicht zur Zucht verwendet werden. Im Herbst 1984 fand die erste Reihenuntersuchung auf erbliche Augenerkrankungen des KTR in Hamburg statt. Im Frühjahr 1986 wurde die Untersuchung vor dem Deckakt Pflicht. Das Attest behielt bei Rüden eine Gültigkeit von sechs Monaten, bei Hündinnen von acht Wochen. Im Frühjahr 1987 wurden dann offiziell bekannte Genträger für die PRA und die Linsenluxation von der Zucht ausgeschlossen (Kinder und Eltern eines erkrankten Tieres). Die Begründung für diese Zuchtmaßnahem leitet sich aus den nach Literaturangaben unterstellten monogen autosomal rezessiven Erbgängen sowohl für die PRA als auch für die Linsenluxation ab. Die Befunde Literatur 6 der Reihenuntersuchungen werden im KTR-Report, der Verbandszeitschrift, veröffentlicht. Seit 1989 führt der KTR regelmäßig Reihenuntersuchungen auf den Ausstellungen (CAC-Schauen) durch. Seit Juli 1998 werden nur noch Befunde der Mitglieder des Dortmunder Kreises, Gesellschaft für Diagnostik genetisch bedingter Augenerkrankungen bei Tiere e. V. (DOK) anerkannt (SCHROTH 2000). Ab einem Alter von 9 Monaten dürfen Rüden und Hündinnen zur Zuchtzulassungsprüfung vorgestellt werden. Hündinnen dürfen ab einem Alter von 18 Monaten zur Zucht eingesetzt werden (Decktag), Rüden ab einem Alter von 12 Monaten. Das Höchstalter für die Zuchtverwendung liegt bei den Hündinnen grundsätzlich bei der Vollendung des achten Lebensjahres (Decktag). In Ausnahmefällen darf nach der Vollendung des achten Lebensjahres noch ein Wurf gezogen werden, wenn dies im besonderen Interesse der Rasse liegt. Rüden können zeitlich unbegrenzt eingesetzt werden. Zum Schutz der Hündin darf diese nicht mehr zur Zucht eingesetzt werden, wenn sie sechs Würfe aufgezogen hat oder wenn bei ihr zweimal ein Kaiserschnitt durchgeführt wurde. Es dürfen nicht mehr als zwei Würfe in zwei Kalenderjahren gezogen werden. Wurden aus einem Wurf mehr als sechs Welpen aufgezogen, muss der Hündin eine zwölfmonatige Ruhepause gewährt werden. Tiere, die zur Zucht eingesetzt werden sollen, müssen vor jeder Zuchtverwendung auf erbliche Augenkrankheiten untersucht werden. Nach den neusten Zuchtbestimmungen darf dieses Attest zum Zeitpunkt der Belegung maximal 6 Monate alt sein. Als Gutachter werden ausschließlich die Mitglieder des DOK anerkannt. Die Befunde aus diesen Gutachten werden vom Hauptzuchtwart zentral registriert. Befunde über PRA und Linsenluxation werden regelmäßig veröffentlicht. Hunde, die bekannte Anlageträger von PRA und Linsenluxation sind, dürfen zur Zucht nicht verwendet werden. Dies beinhaltet auch die Eltern und Nachkommen betroffener Tiere. Es besteht eine Meldepflicht für die Züchter. Weiterhin werden Hunde nicht zur Zucht zugelassen, die weitere in der Zuchtordnung genannten zuchtausschließenden Fehler haben wie z. B. Wesensschwäche, angeborene Taubheit oder Blindheit, Hasenscharte, Spaltrachen, erbliche Zahnfehler und Literatur 7 Kieferanomalien, Epilepsie, Kryptorchismus, Monorchismus, Albinismus, Fehlfarben, schwere Hüftgelenksdysplasien, ererbte Canide Neuropathie (Canine Inherited Neuropathie, CIN) (KTR-Zuchtordnung vom 01.01.2001, KTR Zuchtzulassungsprüfungsordnung vom 01.07.2000). 2.2 Dortmunder Kreis (DOK) Der Dortmunder Kreis, Gesellschaft für Diagnostik genetisch bedingter Augenerkrankungen bei Tieren e.V. (DOK) wurde am 12.10.1995 gegründet, um ein unabhängiges Gremium von fachkompetenten Gutachtern zu bilden,. Ziel des DOK ist es, für Deutschland eine Basis von qualifizierten und anerkannten Augenuntersuchern zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund kann im DOK nur Mitglied werden, wer nach der Satzung seine Qualifikation bewiesen und die Voraussetzungen nach der Zulassungsordnung erfüllt hat. Untersucher, die für den DOK tätig werden, müssen eine Prüfung ablegen. Zulassungsvoraussetzung für die Prüfung ist eine mindestens zweijährige intensive Beschäftiung mit der Augenheilkunde bei Tieren und der Nachweis von mindestens 500 kontrollierten Augenuntersuchungen unter Anweisung von DOK-Mitgliedern oder von Mitgliedern des European College of Veterinary Ophthalmologists (ECVO). Dies sichert für den DOK und seine Mitglieder einen Standard, der für die Erstellung von ophthalmologischen Gutachten nötig ist. Um diesen Standard auch zukünftig sicher zu stellen, bedarf es einer permanenten Fortbildung der Mitglieder und der Abstimmung von unklaren Befunden. Werden bei einem Untersucher gehäuft Mängel bei der Untersuchung oder im vorgeschriebenen Verfahren festgestellt, kann vom Vorstand eine Nachschulung und/oder eine Nachprüfung beschlossen werden. Bei besonders schweren Verfehlungen ist der Vorstand verpflichtet, der Jahreshauptversammlung den Ausschluss des Mitgliedes vorzuschlagen. Die Befunde von zur Untersuchung vorgestellten Tieren werden auf dem derzeit gültigen Formular des DOK dokumentiert (Anhang 2). Durchschriften dieses Formu- Literatur 8 lars gehen an den Zuchtverband (gelb), an den Eigentümer (blau) und an die zentrale Erfassungsstelle des DOK (weiß). An der zentralen Erfassungsstelle wurde eine Datenbank etabliert, um zum einen bundesweit sämtliche Befunde zu speichern und zu vergleichen, zum anderen aber auch, um die jährlichen Untersuchungszahlen der einzelnen DOK-Mitglieder zu ermitteln. DOK-Mitglieder, die eine geforderte Mindestuntersuchungszahl von 100 Untersuchungen pro Jahr nicht erreichen, wird empfohlen, dass sie mit einem anderen DOK-Mitglied zusammen die Untersuchungen durchführen sollen, um ihre Untersuchungstechnik und Diagnosesicherheit zu trainieren. Ab dem Jahre 2002 wurde für diese DOK-Mitglieder ein Requalifikationstest eingeführt. Bei unterschiedlicher Befundung von DOK-Mitgliedern, auf Antrag von DOK-Mitgliedern oder bei von Tierbesitzern angezweifelten Gutachten, kann ein schriftlicher Antrag auf Erstellung eines Obergutachtens gestellt werden. Dieses wird von drei erfahrenen Ophthalmologen erstellt, die das Tier nacheinander untersuchen, ihre Diagnosen miteinander diskutieren und eine Entscheidung treffen. Die Obergutachten sollen gleichzeitig mit einer Versammlung aller DOK Mitglieder der Region verbunden werden, auf der zweifelhafte Fälle diskutiert werden können. Dafür sind in Deutschland vier Obergutachtenzentren gebildet worden, in Dortmund, München, Berlin und Leipzig. Diese tagen zweimal jährlich. Die Termine werden ein Jahr im Voraus festgelegt und sollen möglichst im Zusammenhang mit großen Hundeschauen stattfinden. Jedes DOK-Mitglied ist laut Satzung verpflichtet, an den Jahreshauptversammlungen teilzunehmen. Diese Jahreshauptversammlungen dienen auch gleichzeitig als Weiterbildungsveranstaltung. Hier werden zwischen den Mitgliedern zweifelhafte Befunde diskutiert. Außerdem dienen Vorträge von DOK-Mitgliedern und externen Referenten der Fortbildung. Auch im Rahmen der Jahreshauptversammlung werden Obergutachten angefertigt (Satzung des DOK). Vorschriften der tierärztlichen Untersuchung des Auges beim DOK Die Untersuchungen dürfen nur persönlich von einem Mitglied des DOK durchgeführt werden. Es muss das gesamte Auge mit Adnexen unter Bezug auf die speziell zu untersuchenden Erkrankungen bei den verschiedenen Hunderassen untersucht Literatur 9 werden. Die Anwendung eines Mydriatikums und die Untersuchung nach Einsetzen einer maximalen Mydriase ist ebenfalls im Rahmen der Standarduntersuchung vorgeschrieben. Untersuchungen, die hierdurch behindert werden, sind vor der Anwendung vorzunehmen. Spezielle Untersuchungsgänge wie das Untersuchen mit einer Spaltlampe mit mindestens 10-facher Vergrößerung und die binokulären indirekten Opththalmoskopie sind ebenso vorgeschrieben wie das Dokumentieren pathologischer Befunde mit der Funduskamera. Die erhobenen Befunde sind bei den relevanten Erkrankungen in Wort, Skizze und Ankreuzen auf den Befundbögen (Anlage 1 und 2) zu dokumentieren. Der Untersuchungsgang und die einzelnen Punkte der Untersuchung des DOK entsprechen den Anforderungen des European College of Veterinary Ophthalmologists (ECVO). 2.3 Embryologie, Anatomie und Physiologie des Auges 2.3.1 Entwicklung des Auges Die Entwicklung des Auges beginnt mit der Bildung von zwei lateralen Augenblasen, die dem Neuroektoderm entstammen. Diese stülpen sich seitlich am Boden des Vorderhirnbläschens aus und erweitern sich zu den Augenblasen. Wenn die Augenblasen durch weiteres Wachstum das Oberflächenektoderm erreichen, wird dort eine Verdickung des Ektoderms induziert, aus dem die Linsenplatten geblidet werden. Diese senken sich in der weiteren Entwicklung zu den Linsengrübchen ein. Anschließend schnüren sie sich als Linsenbläschen vom Oberflächenektoderm ab. Im weiteren Verlauf bilden die peripheren Zellen des Linsenbläschens die Linsenkapsel. Aus den Zellen der vorderen Linsenbläschenwand entsteht das einschichtige isoprismatische Linsenepithel, die hinteren Zellen differenzieren sich zu langgestreckten Zellen, den primären Linsenfasern, die das Linsenbläschen vollständig ausfüllen. Diese primären Linsenfasern bilden den embryologischen Linsenkern. Während der Embryonalentwicklung wird die Linse durch die Arteria hyaloidea und einem gefäßführenden mesenchymalen Gewebe, der Tunica vasculosa lentis, ver- Literatur 10 sorgt. Mit der Arteria hyaloidea wachsen Mesenchymzellen in den Augenbecher hinein und bilden mit den Gliazellen der Retina den Glaskörper. Die Mesenchymzellen im Glaskörper bilden sich zurück. Die Arteria hyaloidea beginnt beim Hund etwa zwei Wochen vor der Geburt zu atrophieren, die Tunica vasculosa lentis kann bis etwa zwei Wochen nach der Geburt noch erhalten sein, manchmal auch länger. Abbildung 3: Entwicklung des Auges (nach STADES et al. 1998) 1: A. hyaloidea, 2: Tunica vasculosa lentis, 3: Membrana pupillaris, am Tag 20, 25, 35, und 45 der Trächtigkeit (A, B, C, D) und bei der Geburt (E) Die neuroektodermalen Anteile der Augenbläschen bilden den doppelwandigen Augenbecher, woraus die Retina entsteht. Diese läßt sich in zwei Bereiche unterteilen, die Pars optica retinae und die Pars caeca retinae. Diese beiden Bereiche lassen sich durch die Ora serrata abgrenzen. Im Bereich der Pars optica retinae differenziert sich das äußere, einschichtige Blatt des Augenbechers zum Pigmentepithel, dem Stratum pigmentosum, das mehrschichtige, innere Blatt zur Netzhaut, dem Stratum nervosum. Im Bereich der Pars caeca retina bleiben beide Blätter einschichtig und verwachsen miteinander. Sie überziehen den Ziliarkörper und setzen Literatur 11 sich auf der Rückseite der Iris als Pars iridica retinae fort, um am Pupillarrand ineinander überzugehen. Der Sehnerv, Nervus opticus, wird vom Neuroektoderm des Augenbecherstils gebildet. In ihn dringen die Neuriten des Stratum nervosum hirnwärts zum Chiasma opticum vor. Die Zellen des Augenbecherstiles bilden die Neuroglia, im Zentrum verläuft die Arteria hyaloidea. Der Augenbecher wird bis auf die vorderen Abschnitte vom Kopfmesenchym umschlossen, aus dem sich die Gefäßhaut, Chorioidea, und die faserreiche Sclera bilden. Am Übergangsbereich zur Kornea wird außerdem die Grundlage für den Processus ciliaris und für den Musculus ciliaris aus diesem Mesenchym gebildet. Processus ciliaris und Pars ciliaris retinae bilden zusammen den Ziliarkörper. Durch Atrophie der Tunica vasculosa lentis entsteht zwischen Linse und Irisrückseite die hintere Augenkammer. Die Augenlider, die Lidwülste, der Tränenapparat und das Hornhautepithel entstehen aus dem Oberflächenektoderm. Jeweils zwei halbringförmige Wülste wachsen über die sich entwickelnde Augenblase und verkleben miteinander. An der Innenseite differenziert sich das Oberflächenepithel zum Konjunktivalepithel und zur Lidplatte, dem Tarsus. Auf der Außenseite differenziert sich das Epithel zur Epidermis, den Wimpern und den Drüsen (Mollsche, Meibomsche und Zeißsche Drüsen). Die Muskeln im Augenlid entstammen dem Kopfmesenchym. Im Zusammenhang mit der Ausbildung der Lidwülste wächst zwischen Ektoderm und Linsenanlage eine Mesenchymplatte ein. Im weiteren Verlauf entwickelt sich in dieser Platte ein Spalt, der als Vorläufer der vorderen Augenkammer anzusehen ist. Das mit dem Ektoderm verbundene Mesenchym entwickelt sich zur Substantia propria der Kornea, die hintere Schicht wird Bestandteil der Membrana pupillaris. Desweiteren liefert das Mesenchym die Endothelauskleidung der vorderen Augenkammer, das Kornea- und Irisendothel. Im Bereich der Iris verbindet sich das Endothel mit der Pars iridica retinae zur Iris. Im Irisstroma entwickeln sich Pigmentzellen, die zur Färbung der Iris führen. Durch Resorption der Membrana pupillaris besteht ein Übergang von der hinteren zur vorderen Augenkammer durch die nun gebildete Pupille (NICKEL et al. 1992, KOCH und BERG 1993, MARTIN 1995, STADES et al. 1998, SCHNORR und KRESSIN 2001). Literatur 12 2.3.2 Anatomie und Physiologie des Hundeauges 2.3.2.1 Äußere Anteile des Auges Augenlider Die Augenlider sind Hautfalten, die den Bulbus bedecken. Sie dienen zum Schutz vor eindringenden Fremdkörpern, zur Ernährung der Kornea durch die Vermischung der Drüsensekrete mit der Tränenflüssigkeit, zur Verteilung der Tränenflüssigkeit auf der Bulbusoberfläche und zum Ausschalten von Lichtreizen. Die Außenseite besteht aus dünner, leicht behaarter äußerer Haut, die am Lidrand, dem Limbus palpebralis, in die Bindehaut, die Conjunctiva palpebralis übergeht. An der Innenseite geht die Bindehaut im Bereich des Fornix auf den Augapfel über und wird dort zur Conjunctiva bulbi. Im Augenlid befindet sich neben Muskulatur, Faszien und Sehnen eine Bindegewebsplatte, der Tarsus, als Versteifung. Weiterhin sind verschiedene Drüsen im Augenlid eingelagert (Mollsche Drüsen, Zeißsche Drüsen und Meibomsche Drüsen). Am oberen Augenlid befinden sich auf der Außenseite nahe des Lidrandes die den Tasthaaren zuzuordnenden Wimpern, die dem Unterlid fehlen. Das dritte Augenlid, Palpebra tertia, der sog. Blinzknorpel, ist eine elastische Knorpelplatte, die von einer Bindehautfalte, der Plica semilunaris conjunctivae überzogen wird und von der Nickhautdrüse, Glandulae palbebrae tertiae, umgeben ist. Der Aufbau des Augenlides ist in Abbildung 4 dargestellt (KOCH und BERG 1992, NICKEL et al. 1992, MARTIN 1995, BUDRAS et al. 2000). Literatur 13 Abbildung 4: Histologischer Aufbau des Augenlides (nach MARTIN 1995) Tränenapparat Zum Tränenapparat gehören die Tränendrüsen, Glandulae lacrimales, und die Nickhautdrüsen, Glandulae palpebrae tertiae, welche die Tränenflüssigkeit bilden. Die Tränendrüsen liegen innerhalb der Orbita dorsotemporal dem Augapfel an. Die Ausführungsgänge der Drüsen enden nahe dem Fornix in der temporalen Hälfte der Konjunktiven. Durch den reflektorischen Lidschlag wird die Tränenflüssigkeit gleichmäßig auf der Bulbusoberfläche verteilt. Sie schützt zum einen die Kornea vor dem Austrocknen und vor Fremdkörpern, dient aber auch zu deren Ernährung und zur Reinigung von Fremdkörpern. Das ableitende Kanalsystem des Tränenapparats des Hundes beginnt mit den schlitzfömigen Tränenpünktchen, jeweils am inneren nasalen oberen und unteren Lidrand. Sie bilden die Eintrittspforte in die Tränenkanälchen, Caniculi lacrimales, die Literatur 14 sich im Tränensack, dem Saccus lacrimalis, vereinigen und sich von dort als Tränennasenkanal, Ductus lacrimalis, durch das Oberkieferbein fortsetzen und nasal als Tränennasenpunkt enden (MOSIMANN und KOHLER 1990, KOCH und BERG 1992, NICKEL et al. 1992, BUDRAS et al. 2000). 2.3.2.2 Augapfel Der Augapfel, Bulbus oculi, (Abbildung 5) liegt in der knöchernen Augenhöhle, der Orbita. Diese wird von dem Stirnbein, Os frontale, mit der Augenhöhlenplatte als mediale Abgrenzung und dem Processus zygomaticus, dem Tränenbein, Os lacrimale, mit der Fossa sacci lacrimalis und dem Jochbein, Os zygomaticum, mit dem Processus frontalis gebildet. Von dem Processus zygomaticus des Stirnbeines zieht das Ligamentum orbitale zum Processus frontalis des Jochbeines und schließt somit den Orbitalring. Der Bulbus selbst wird von sieben Augenmuskeln (Musculus rectus dorsalis, ventralis, medialis und lateralis als gerade Augenmuskeln, Musculus obliquus dorsalis und ventralis als schräge Augenmuskeln und dem Musculus retractor bulbi) und einem retrobulbären Fettkörper, dem Corpus adiposum orbitae, in der Orbita gehalten (KOCH und BERG 1992, NICKEL et al. 1992, BUDRAS et al. 2000). Der Augapfel selbst ist beim Hund ein kugelförmiges Gebilde. Die Wand des Augapfels ist aus drei Schichten aufgebaut: der äußeren Augenhaut, Tunica fibrosa bulbi, der mittleren Augenhaut, Tunica vasculosa bulbi und der inneren Augenhaut, Tunica interna bulbi, auch Netzhaut (Retina) genannt. Sie umschließt die innenliegenden Strukturen wie die Linse und den Glaskörper (MOSIMANN und KOHLER 1990, KOCH und BERG 1992, NICKEL et al. 1992, MARTIN 1995, BUDRAS et al. 2000). Literatur 15 Abbildung 5: Augapfel (nach STADES et al. 1998) Äußere Augenhaut Die äußere Augenhaut besteht aus kollagenfaserhaltigem Bindegewebe und ist von derbelastischer Konsistenz. Durch den Augeninnendruck wird sie in ihrer runden Form gehalten und gibt somit dem Augapfel die äußere Gestalt. Sie läßt sich in zwei Literatur 16 Bereiche unterteilen, die Sclera, auch weiße Augenhaut oder Lederhaut genannt, und die Kornea. 4 Die Sclera umfaßt etwa /5 der Bulbusoberfläche, besteht aus kollagenfaserhaltigem Bindegewebe, sehr wenigen elastischen Fasern, Pigmentzellen und einigen wenigen Blutgefäßen. Über den Bulbus verteilt ist sie unterschiedlich dick. Besonders am anterioren Pol des Augapfels ist sie deutlich stärker als in der Äquatorregion. Am Übergangsbereich zur Kornea verdickt sie sich ebenfalls deutlich und bildet hier den sogenannten Skeralwulst. Der Übergang zur Kornea verläuft in einer schrägen Linie, dieser Bereich wird auch als Limbus bezeichnet. Im Bereich des Bindehautsackes ist die Sclera von der Bindehaut überzogen (Tunica conjunctiva bulbi) (MOSIMANN und KOHLER 1990, NICKEL et al. 1992, MARTIN 1995). Die Kornea ist im Gegensatz zur Sclera durchsichtig und stärker gewölbt. Sie ist frei von Gefäßen, aber reich an sensiblen Nervenfasern. Die Ernährung erfolgt per Diffusion über das Kammerwasser und die Tränenflüssigkeit. Durch ihre Wölbung und einem unterschiedlichem Brechungsindex zwischen der Luft und der Kornea spielt diese bei der Lichtbrechung eine wesentliche Rolle (MOSIMANN und KOHLER 1990, NICKEL et al. 1992, MARTIN 1995). Die Kornea selbst ist in fünf Schichten aufgebaut: 1. Das Korneaepithel ist ein mehrschichtiges, nicht verhornendes Plattenepithel (MOSIMANN und KOHLER 1990, NICKEL et al. 1992). 2. Die Bowmansche Membran (Lamina limitans externa seu anterior) fehlt bei den Haussäugetieren, elektronenmikroskopisch läßt sich jedoch eine Basallamina feststellen (MOSIMANN und KOHLER 1990, NICKEL et al. 1992). 3. Die Substantia propria ist die mächtigste Schicht in der Kornea. Sie besteht überwiegend aus kollagenen Fasern, die schichtweise oberflächenparallel angeordnet sind. Diese Fasern sind in eine Grundsubstanz eingebettet, die den gleichen Brechungsindex wie die Fasern hat (MOSIMANN und KOHLER 1990, NICKEL et al. 1992, MARTIN 1995). 4. Die Descemetsche Membran (Lamina limitans interna seu posterior) besteht aus sich wahllos kreuzenden feinen Kollagenfibrillen mit einer dichten Interzellular- Literatur 17 substanz, die so eine homogene Schicht bilden (MOSIMANN und KOHLER 1990, NICKEL et al. 1992). 5. Das Epithelium posterior corneae, auch Vorderkammer-Endothel genannt, bildet die innere Auskleidung der Kornea. Das einschichtige Plattenepithel erstreckt sich auf die Kornearückseite und auf die Irisvorderfläche (MOSIMANN und KOHLER 1990, NICKEL et al. 1992, MARTIN 1995). Mittlere Augenhaut Die mittlere Augenhaut (Tunica vasculosa bulbi) wird auch als Aderhaut oder Traubenhaut bezeichnet. Sie besteht aus locker strukturiertem Bindegewebe mit vielen Blutgefäßen und Pigmentzellen. Sie läßt sich gliedern in: • die Chorioidea, • den Corpus ciliare (Ziliarkörper) und • das Stroma iridis (Bindegewebskörper der Iris). Die Chorioida (Aderhaut, Uvea) erstreckt sich vor allem auf den rückwärtigen Bereich des Augapfels zwischen äußerer und innerer Augenhaut. Sie läßt sich in mehrere Schichten unterteilen. Die äußerste, der Sclera anliegende Schicht, die Lamina suprachorioidea besteht aus lockerem Bindegewebe mit zahlreichen Pigmentepithelzellen und elastischen Fasern. Die Verbindung zwischen ihr und der Sclera ist nur locker. Darauf folgt die Lamina vasculosa, eine Bindegewebsschicht mit vielen Pigmentzellen und einem dichten Gefäßgeflecht. Nach innen schließt sich ein Netz aus feinen Kapillaren an, die Lamina chorioideocapillaris. Über dem Sehnerveneintritt liegt der dreieckig erscheinende Bereich des Tapetum lucidum. In diesem Bereich befinden sich modifizierte polygonale Pigmentzellen, die in der Lage sind, das Licht zu reflektieren. Im Randgebiet des Tapetum lucidum sind vermehrt Melanozyten eingelagert, weswegen es dunkelbraun bis schwarz erscheint und daher auch als Tapetum nigrum bezeichnet wird. Die dem Bulbusinneren zugewandte Schicht wird als Lamina vitrea oder auch BRUCHsche Membran bezeichnet, eine Basallamina, die aus einer mit elastischen Fasern versehenen Basalmembran Literatur 18 besteht (MOSIMANN und KOHLER 1990, KOCH und BERG 1992, NICKEL et al. 1992, MARTIN 1995). Das Corpus ciliare (Ziliarkörper, Strahlenkörper) beginnt an der Ora serrata, sitzt dem Skleralwulst auf und schiebt sich hinter der Iris in das Augeninnere vor. Es ist eine kreisförmige Verdickung der Chorioidea, Pars ciliaris uveae, der allerdings die Lamina chorioideocapillaris fehlt. Die der Chorioidea zuzuordnenden Blutgefäße sind maßgeblich an der Bildung von Kammerwasser beteiligt. Der Ziliarkörper steigt als Ziliarplatte (Orbiculs ciliaris) in zunächst feinen, dann immer tiefer werdenen Fältchen zur ringförmigen Corona ciliaris mit den Ziliarfortsätze, Processus ciliaris, auf. Orbiculus und Corona bilden die Grundplatte des Ziliarkörpers. Überzogen ist die Grundplatte des Ziliarkörpers von einer zweischichtigen Epithellage, der Pars ciliaris retinae. Die tiefere Schicht bildet das Pigmentepithel, während die oberflächliche Schicht aus pigmentlosen kubischen oder hochprismatischen Zellen besteht. Auch diese sind als epithelialer Überzug der Processus ciliares an der Kammerwasserbildung beteiligt. Aus dieser Zellschicht gehen feine Fasern hervor, die Zonulae ciliares, die zum Linsenäquator ziehen, und so zur Aufhängung der Linse und deren Akkomodation dienen. Grundlage für diese Akkomodation ist der im Ziliarkörper liegende M. ciliaris, dessen glatte Muskelfasern radiär und zirkulär angeordnet sind (KOCH und BERG 1992, NICKEL et al. 1992). Literatur 19 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 Linse Margo pupillaris M. sphibcter pupillae Irisstroma Processus ciliares Cornea Limbus FONTANAschen Räume Conjunktiva bulbi Zonulafasern Ziliarkörper Plexus venosus sclreae M. ciliaris Ora serrata Sclera Pars caeca retinae Chorioidea Abbildung 6: Corpus ciliare im Querschnitt (nach KOCH und BERG 1993) Die Iris besteht ebenso wie der Ziliarkörper aus einem uvealen und retinalen Anteil und bildet die Grenze zwischen vorderer und hinterer Augenkammer, die über die Pupille miteinander verbunden sind. Das Stroma iridis wird aus der Pars iridicae uveae der Chorioidea gebildet. Es ist ein lockeres, gefäßhaltiges Bindegewebe mit eingelagerten Pigmentzellen. Die Menge der eingelagerten Pigmentzellen bestimmt die Farbe der Iris. Eingelagert in das Stroma sind der zirkulär verlaufende M. sphincter pupillae und weiter peripher der radiär verlaufende M. dilatator pupillae. Sie regulieren die Größe der Pupille und damit den Lichteinfall in das Auge. Die der Linse zugewandte Seite der Iris ist von der zweischichtigen Pars iridica retinae bedeckt, deren beide Schichten am Pupillarrand ineinander übergehen. Die der Kornea zugewandte Seite ist mit dem Vorderkammer-Endothel bedeckt. Der Übergang zwischen Irisbasis und Sclera wird auch als Kammerwinkel, Angulus irido- Literatur 20 cornealis, bezeichnet. Dieser Winkel ist überdeckt von einem bindegewebigen Trabekelwerk, dem Ligamentum pectinatum anguli iridocornealis, welches die Iris mit der Sclera verbindet. Hinter dem Ligamentum pectinatum liegt die Ziliarkluft mit feinen, maschenartigen und unpigmentierten Fasern, den Iristrabekeln. Sie bilden kleine Spalträume, die Spatia anguli iridocornealis (FONTANAsche Räume), welche Kammerwasser (Humor aquosus) enthalten. Die Spalten stehen mit den endothelausgekleideten Spalten der Sclera in direkter Verbindung, die wiederum mit dem Sinus venosus sclerae kommunizieren. Sie dienen dem Abfluss des Kammewassers in den SCHLEMMERschen Kanal (MOSIMANN und KOHLER 1990, KOCH und BERG 1992, NICKEL et al. 1992). Innere Augenhaut Die innere Augenhaut, die Retina setzt sich aus zwei Blättern zusammen. Sie kleidet die innere Augenfläche vom Pupillarrand bis zur Pupille vollständig aus. Das äußere, einschichtige Blatt bildet das Pigmentepithel (Stratum pigmentosum). Es wird in eine Pars optica, eine Pars ciliaris und Pars iridicae unterteilt und ist mit der Chorioidea direkt verbunden (KOCH und BERG 1992). Das innere Blatt (Stratum nervosum) läßt sich in einen lichtempfindlichen Teil, die Pars optica retinae und einen lichtunempfindlichen Teil, die Pars caeca retinae, unterteilen. Die Pars optica retinae kleidet den gesamten Augenhintergrund vom Aequator bulbi bis zum Discus nervi optici aus. Die Pars caeca retinae ist eine einfache Epithellage und überzieht zusammen mit dem Stratum pigmentosum vom Aequator bulbi ausgehenden den Ziliarkörper und die Irisrückseite bis zum Margo pupillaris. Der Übergang zwischen beiden Teilen wird als Ora serrata bezeichnet. Im Bereich der Pars optica retinae besteht das Stratum nervosum aus folgenen von außen nach innen angeordneten neun Schichten: 1. Stäbchen- und Zapfenschicht 2. Membrana limitans externa 3. äußere Körnerschicht (Zellkerne der Stäbchen- und Zapfenzellen) 4. äußere retikuläre Schicht (Neuriten der Stäbchen- und Zapfenzellen, die mit den Dendriten der Ganglienzellschicht Synapsen bilden) Literatur 21 5. innere Körnerschicht (Kerne der Ganglienzellen, der Horizontal-, Bipolarund Müllerschen Zellen sowie der Amakrinen) 6. innere retikuläre Schicht 7. Ganglienzellschicht 8. Nervenfaserschicht 9. Membrana limitans interna Die Stäbchen- und Zapfenzellen sind die Rezeptorzellen. In den Stäbchen befinden sich sog. Scheiben, in den Zapfen analog dazu Lamellen, an denen sich der Sehfarbstoff befindet. Die Gesamtzahl der Stäbchen ist wesentlich höher als die der Zapfen, das Verhältnis zueinander variiert jedoch von Tierart zu Tierart. Während die Stäbchen für das Sehen in der Dämmerung und bei Nacht verantwortlich sind (skotopisches Sehen), sind die Zapfen für das Sehen bei Helligkeit, das Farbsehen und die Sehschärfe (photoptisches Sehen) verantwortlich. Daher ist die Konzentration der Zapfen in der Area centralis, der „Stelle des besten Sehens“, höher (Verhältnis Stäbchen zu Zapfen 11:1) als in den peripheren Bereichen (61:1 – 100:1). Im Bereich des sogenannten blinden Flecks, dem Bereich, in dem der Sehnerv in die Retina übergeht, befinden sich keine Rezeptorzellen (MOSIMANN und KOHLER 1990, KOCH und BERG 1992, NICKEL et al. 1992, MARTIN 1995, SCHNORR und KRESSIN 2001). Literatur 22 Abbildung 7: Aufbau der Retina (nach Stades 1998), V Glaskörper; 1 A. u. V. retinalis; 2 Ganglion und Nervenzellschicht; 3 Schaltzellen; 4 Stäbchen; 5 Zapfen; 6 Pigmentepithel; 7 Tapetum lucidum; 8 Choridocapillaris; 9 Sklera 2.3.2.3 Bestandteile des Augeninneren Linse Die Linse ist ein kompaktes, bikonvexes, glasklares durchsichtiges Organ von nahezu kreisrundem Umriß. Sie liegt mit ihrer vorderen Linsenfläche, der Facies anterior, direkt hinter der Pupille. Die hintere Linsenfläche, Facies posterior, liegt in der Linsengrube des Glaskörpers eingebettet. Der vordere Linsenpol, Polus anterior lentis, ist flacher als der hintere Linsenpol, Polus posterior lentis. Die Linse wird weder von Blutgefäßen noch Nerven versorgt. Die Ernährung erfolgt ausschließlich per Diffusion über das Kammerwasser. Die Linse ist von einer homogenen elastischen Membran überzogen, der Linsenkapsel, Capsula lentis. Diese ist an der Linsenvorderseite dicker als an der Rückseite. Sie steht mit dem Linsenepithel nur in einer lockeren Verbindung. Sie entspricht einer semipermeablen Barriere, durch die einerseits der Kontakt des embryonalen Literatur 23 Linseneiweißes mit dem Immunsystem unterbunden wird und andererseits die Diffusion von Nährstoffen aus dem Kammerwasser ermöglicht. Am Linsenäquator sind die Aufhängefasern, Zonula ciliaris, des Corpus ciliare mit der Linsenkapsel verbunden, durch die die Linse in ihrer Position gehalten wird und welche die Akkomodation der Linse ermöglichen. Unter der Linsenkapsel befindet sich das einschichtig kubische Linsenepithel, Epithelium lentis, dessen Zellen zum Äquator hin an Höhe zunehmen und zu primären Linsenfasern werden. Vom Äquator aus erfolgt die Neubildung von Linsenfasern, die von den primären Linsenepithelzellen auswachsen und jeweils langgezogen zum vorderen und hinteren Linsenpol wachsen. Die im Querschnitt sechseckigen Linsenfasern sind untereinander durch punktförmige Verbindungen, so genannten Junctions, und Ineinandergreifen der Linsenfasern eng miteinander verbunden. Sie sind zwiebelschalenartig angeordnet. Mit dem Größerwerden der Linse reicht die Länge der Fasern nicht mehr aus um bis zum Pol zu gelangen. Die Enden der Linsenfasern stoßen am vorderen und hinteren Linsenpol aufeinander und sind durch eine Kittsubstanz miteinander verbunden. Dadurch entstehen auf der Vorder- und Rückseite je drei Nahtlinien, die so genannten Linsensterne. Der vordere Linsenstern besitzt die Form eines umgekehrten, der hintere Linsenstern die Form eines aufrecht stehenden Ypsilon. Da die Produktion der Linsenfasern kontinuierlich über das ganze Leben erfolgt, werden am Linsenkern oft ein embryonaler, fetaler und adulter Anteil unterschieden, die bei der Untersuchung mit einer Spaltlampe zu erkennen sind (MOSIMANN und KOHLER 1990, KOCH und BERG 1992, NICKEL et al. 1992, MARTIN 1995, STADES et al. 1998). Die Linse des Hundes hat einen durchschnittlichen Durchmesser von 10,5 mm, eine Dicke von ca. 7,5 mm und ein Gewicht von etwa 1–1,5 g. Bei Hunden nimmt das Linsenvolumen etwa 9,8% des Bulbusvolumens ein. Sie besteht zu 65% aus Wasser und zu 34% aus Proteinen. Durch die Abgrenzung des Linsenkerns durch die Linsenkapsel in der früher Embryonalentwicklung werden diese Linsenproteine vom Immunsystem nicht als körpereigen erkannt und können beim Austritt aus der Linse zu einer autoimmun-vermittelten Entzündung führen (Phakoanaphylaxie) (MARTIN 1995, STADES et al. 1998). Literatur 24 Die Aufhängung und Akkomodation erfolgt über die Zonula zinnii. Sie bestehen aus vom M. ciliaris ausgehenden Kollagenfibrillen, die am und um den Linsenäquator, Aequator lentis, ansetzen. Im Allgemeinen ist die Linse auf Fernsicht eingestellt, d.h. der M. ciliaris ist entspannt, die Zonula ciliaris stehen unter Zug und ziehen somit die Linse in ihre typisch bikonvexe Form. Umgekehrt erschlaffen die Fasern bei Kontraktion des M. ciliaris, was zu einer Abrundung der Linse führt. Die Akkomodationsfähigkeit der Linse ist bei Haustieren weniger ausgeprägt als beim Menschen (NICKEL et al., 1992, MARTIN, 1995, STADES et al., 1998). Glaskörper Der Glaskörper, Corpus vitreum, ist eine gallertartige, gefäßlose Masse, die sehr feine kollagene Fasern enthält. Die Grundsubstanz, Humor vitreus, besteht überwiegend aus Hyaluronsäure. Er füllt den rückwärtigen Raum des Bulbus zwischen der Linse, ihrem Aufhängeapparat und der rückwärtigen Bulbuswand aus. Im Bereich der Linse ist er etwas ausgehöhlt und bildet die Fossa hyaloidea. Vom Quellungszustand des Glaskörpers hängt weitgehend der Binnendruck des Auges ab. Dadurch wird auch die Netzhaut in ihrer Lage fixiert. Bei zu geringem Druck kann es zur Netzhautablösung, bei erhöhtem Druck zu Schädigungen der Retina kommen (MOSIMANN und KOHLER 1990, KOCH und BERG 1992, NICKEL et al. 1992, MARTIN 1995). Augenkammern Zum Innenraum des Bulbus gehören auch die beiden Augenkammern, Camera bulbi, die mit einer klaren, wässrigen Flüssigkeit, dem Kammerwasser, Humor aquosus, gefüllt sind. Die hintere Augenkammer, Camera posterior bulbi, wird von der Linse, dem Ziliarkörper, den Zonulae ziliares und der Irisrückseite begrenzt. Die vordere Augenkammer, Camera anterior bulbi, liegt zwischen Kornea, Iriswinkel und Irisvorderfläche. Beide Kammern sind über die Pupille miteinander verbunden. Das Kammerwasser, welches in der hinteren Augenkammer von der Pars caecae retinae produziert wird, gelangt durch die Pupille in die vordere Augenkammer und kann durch die im Iriswinkel liegenden FONTANAschen Räume abfließen (MOSIMANN und KOHLER 1990, NICKEL et al. 1992). Literatur 25 2.3.3 Funktion des Auges Das Auge wandelt die elektromagnetischen Schwingungen des Lichtes in elektrophysiologische Nervenreize um, die dann an das Gehirn weitergeleitet werden. Die Wahrnehmungsmöglichkeiten reichen vom einfachen Hell-Dunkel-Sehen bei niederen Tieren bis hin zum dreidimensionalen farbigen Bildsehen bei höheren Säugetieren und dem Menschen. Das durch die Kornea und die Pupille einfallende Licht, das elektromagnetischen Schwingungen mit einer Wellenlänge zwischen 400 nm und 800 nm entspricht, wird in der Linse gebündelt und als umgekehrtes, reelles und verkleinertes Bild auf der Retina dargestellt. Die Bestandteile des Auges, die an diesem Vorgang beteiligt sind (Kornea, vordere Augenkammer, hintere Augenkammer, Linse und Glaskörper), nennt man auch dioptrischer Apparat. Der Brechungsindex richtet sich nach dem Grad der Wölbung der Kornea und der Linse und kann durch die Akkomodation der Linse variiert werden. Die Umwandlung des Lichtreizes in einen elektronischen Nervenreiz erfolgt durch die Umwandlung des Sehfarbstoffes Rhodopsin. Das Rhodopsin in den Stäbchenzellen kann Licht aus dem gesamten sichtbaren Wellenlängenbereich absorbieren (400700nm), die Sehfarbstoffe der Zapfen sind auf einzelne Wellenlängen spezialisiert (650-700nm für Rot, 450-600nm für Grün und 400-550 nm für Violett). Rhosopsin besteht aus einem Proteinanteil, dem Opsin, und einem Aldehyd, dem 11-cis-Retinal. Bedingt durch den Lichtreiz kommt es zu einer Umlagerung am CAtom 11 des Retinals, so dass über die Zwischenstufen Bathorhodopsin, Lumirhodopsin und Metathodopsin I das Metathodopsin II entsteht. Das Metarhodopsin aktiviert die α-Untereinheit des Transduzins, einem Guanin-bindenden Protein, bestehend aus drei Untereinheiten. Die α-Untereinheit aktiviert ihrerseits die cGMPPhoshodiesterase (PDE). Die Phospodiesterase besteht aus drei Untereinheiten, der PDEα- und PDEβ-Untereinheiten, die zusammen die aktive Untereinheit der PDE bilden, und der PDEγ-Untereinheit. Diese wird durch das Transduzin von der cGMPPDE abgespalten und aktiviert somit die PDE. Diese kann nun cGMP hydrolysieren und somit den cGMP-Level in der Zelle senken. Bedingt durch diesen abgesenkten cGMP-Level dissoziiert cGMP von den zuvor offenen Kationenkanälen der Zelle, Literatur 26 wodurch es zu einer Hyperpolarisation der Zellmembran kommt (MOSIMANN und KOHLER 1990, SILBERNAGEL und DESPOPULUS 1991, KOCH und BERG 1992, NICKEL et al. 1992, MARTIN 1995). 2.4 Genetische Grundlagen 2.4.1 Definitionen Als Erbfehler werden Missbildungen von Organen oder Organteilen oder klinisch manifeste Störungen von Körperfunktionen bezeichnet, die ererbt werden. Sie sind entweder bei der Geburt schon erkennbar oder unmittelbar nach der Geburt, bzw. im frühen Lebensalter. Im Gegensatz dazu wird die genetisch bedingte Krankheitsdisposition unterschieden, welche die Anfälligkeit der Tiere für bestimmte Krankheiten mitbestimmt, aber nicht zwangsläufig zur Ausprägung der Krankheit führt. Die Ursache für einen Erbfehler ist eine Veränderung der genetischen Information in Form einer Genmutation oder eine Veränderung in der Anzahl oder Stuktur der einzelnen Chromosomen (nummerische oder strukturelle Chromosomenaberration mit daraus resultierendem Verlust des intakten Genes) (MURKEN und CLEVE 1996). Als Letalfaktoren werden die Erbfehler bezeichnet, die zum Tod des Individuums vor Erreichen der Fortpflanzungsfähigkeit führen. Sie können als prä- oder postnatale Letalfaktoren auftreten (DORNBLÜTH und PSCHYREMBEL 2001). Die Ausprägung eines Erbfehlers ist abhängig von der Penetranz des Genes. Die Penetranz drückt die Wahrscheinlichkeit aus, mit der ein Merkmal bei dafür empfänglichen Genotypen phänotypisch auftritt. Die Penetranz liegt bei 100%, wenn jeder empfängliche Genotyp das Merkmal zeigt. Liegt die Penetranz unter 100% steigt die Wahrscheinlichkeit, dass unerkannte Merkmalsträger defekte Gene and die Nachkommen weitergeben. Die genetischen Ursachen einer unvollständigen Penetranz können sein: Heterogenie, mitochondriale Vererbung, Imprinting, Epistasie von anderen Genorten und polygene Einflüsse (W IESNER und W ILLER 1993, DORNBLÜTH und PSCHYREMBEL 2001). Literatur 27 2.4.2 Mendel‘sche Erbgänge Der Hund (Canis familiaris) besitzt 39 Chromosomenpaare, wovon 38 Paare homolog sind. Sie werden auch als Autosomen bezeichnet. In ihnen ist die Zahl und Anordnung der Gene identisch. Das 39. Chromosomenpaar bilden die Gonosomen (Geschlechtschromosomen). Bei der Hündin ist auch dieses Chromosomenpaar homolog (XX), beim Rüden dagegen heterolog (XY). Nach der Anordnung der merkmalsprägenden Gene auf den Autosomen und Gonosomen lassen sich autosomale und X-chromosomale Erbgänge unterscheiden. Der Ort, an dem sich ein Gen auf einem Chromosom befindet wird als Genort oder Genlocus bezeichnet, die Ausprägung eines einzelnen Genes als Allel. Homozygote Individuen haben an den homologen Genorten eines Chromosomenpaares je ein Allel mit gleicher Ausprägung, heterozygote Tiere Allele mit unterschiedlicher Ausprägung. Nach der Form der Ausprägung des Genotyps werden weiterhin die intermediäre und die kodominante Vererbung unterschieden. Bei Kodominanz sind in einem heterozygoten Genotyp beide Allele phänotypisch nachweisbar (W IESNER und W ILLER 1993, MURKEN und CLEVE 1996). Beim monogen autosomal dominanten Erbgang überwiegt die Ausprägung eines Allels an einem heterozytgoten Genort. Die Wirkung des anderen, rezessiven Allels ist nicht erkennbar ist. Bei der Anpaarung eines Merkmalsträgers mit einem merkmalsfreien Tier (Aa*aa) ist demnach die Hälfte der Nachkommen heterozygot (Aa) und damit Merkmalsträger. Sind beide Elterntiere an diesem Genort heterozygot (Aa*Aa) sind nach den mendelschen Regeln 75% der Nachkommen Merkmalsträger. Bei monogen autosomal dominanter Vererbung tritt das Merkmal in allen Generationen auf. Voraussetzung hierfür ist allerdings eine vollständige Penetranz und Expression des Genes. Liegen diese nicht zu 100% vor, kann sich das Verhältnis verschieben, bzw. es können Generationen übersprungen werden. Man spricht dann auch von unregelmäßiger Dominanz. Beim monogen autosomal rezessiven Erbgang kommt es nur dann phänotypisch zur Ausprägung eines Merkmals, wenn die beiden merkmalsprägenden Allele homozygot vorhanden sind. Heterozygote Tiere sind dann zwar Anlagenträger und können das zur Merkmalsausprägung Literatur 28 führende Allel auch zu 50% an ihre Nachkommen weitergeben, zeigen aber selbst keine Veränderung im Phänotyp. Das Merkmal wird jedoch dann manifest, wenn ein Nachkomme von beiden heterozygoten Elterntieren das rezessive Allel erhalten hat. Bei der Anpaarung heterozygoter Eltern (Aa*Aa) treten nach den mendelschen Regeln 25% (Spaltungsfrequenz ϑ = 0,25) homozygote Merkmalsträger (aa) auf, 50% (ϑ =0,5) der Nachkommen sind heterozygot, jedoch phänotypisch frei von dem Merkmal (Aa) und 25% (ϑ =0,25) der Nachkommen sind sowohl phänotypisch als auch genotypisch merkmalsfrei (AA). Bei der Merkmalsausprägung können so Generationen übersprungen werden (W IESENER und W ILLER 1993, MURKEN und CLEVE 1996, DORNBLÜTH und PSCHYREMBEL 2001). Beim monogen X-chromosomal dominanten Erbgang liegt das Allel auf dem XChromosom. Bei männlichen Tieren sind die Gonosomen heterozygot (XY). Bei einem X-chromosomal-dominanten Erbgang wird das Merkmal bei einer Anpaarung eines betroffenen Vatertieres mit einem homozygot merkmalsfreien Muttertier auf alle Töchter, jedoch nicht auf die Söhne übertragen. Diese haben ihr X-Chromosom ausschließich von der Mutter. Sind beide Elterntiere Merkmalsträger und das Muttertier heterozygot, tritt der Defekt bei allen Töchtern auf, bei den Söhnen zeigt sich eine Aufspaltung 50:50. Die Inzidenz der Merkmalsträger ist bei den weiblichen Nachkommen also doppelt so hoch wie bei den männlichen. Beim monogen Xchromosomal rezessiven Erbgang ist bei männlichen Tieren (hemizygot) kein homologes Allel vorhanden, daher zeigen überwiegend die männlichen Tiere das betreffende Merkmal. Bei der Anpaarung eines merkmalsfreien Vatertieres (XY) mit einer phänotypisch merkmalsfreien Mutter, die jedoch Überträgerin ist (Xx), sind alle Töchter phänotypisch merkmalsfrei, 50% der Töchter sind jedoch Überträgerinnen. Bei den Söhnen sind 50% phänotypisch merkmalsfrei (XY) während 50% Merkmalsträger sind. Bei den betroffenen Nachkommen ist somit immer die Mutter phänotypisch unauffällig, jedoch Merkmalsüberträgerin, während der Vater phänotypisch kein merkmalsprägendes Allel zeigt (W IESENER und W ILLER 1993, MURKEN und CLEVE 1996). Literatur 29 Imprinting Unter Imprinting versteht man die unterschiedliche Ausprägung eines Merkmals, in Abhängigkeit davon, ob das merkmalsprägende Allel vom Vater oder der Mutter übertragen wurde. Ein Phänotyp kann z. B. bei einem monogenen autsomal dominanten Erbgang somit nicht zur Ausprägung kommen, wenn paternales Imprinting vorliegt und das merkmalsprägende Allel vom Vater übertragen wurde. Wurde das merkmalsprägende Allel dagegen von der Mutter übertragen, wird die Wirkung des Alles nicht inaktiviert und das Merkmal phänotypisch ausgeprägt. Es kommt somit zu einer elternabhängigen Inaktivierung des jeweiligen Gens. Als Folge der Geninaktivierung können Gene betroffen sein, die ein Merkmal prägen oder Gene, die als Repressoren wirken und somit die Ausprägung eines Merkmals unterdrücken. Imprinting ist somit nicht generell mit der fehlenden Ausprägung eines Merkmals gleichzusetzen (MURKEN und CLEVE 1996). 2.4.3 Mitochondriale Vererbung Die DNA befindet sich hauptsächlich in den Zellkernen. Aber auch in den Mitochondrien sind ringförmige DNA-Moleküle (mt-DNA) enthalten. Beim Menschen liegen hier hauptsächlich Gene für die t-RNA, aber auch für Untereinheiten von Enzymen, die für die Energieproduktion in den Zellen verantworlich sind. Da das Spermium fast ausschließlich auf den Zellkern reduziert ist, kann die mt-DNA ausschließlich über die Mutter übertragen werden. Die mt-DNA unterliegt häufiger Mutationen als KernDNA. In einer Eizelle können somit mehrere Mitochondrien mit unterschiedlicher mtDNA vorkommen. Die Ausprägung des von ihnen übertragenen Merkmals hängt unter anderem auch von der Anzahl der mutierten Mitochondrien in einer Zelle ab (MURKEN und CLEVE 1996). 2.4.4 Heterogenie Unter Heterogenie versteht man, dass phänotypisch gleichen Krankheitsbildern verschiedene genetische Defekte zugrunde liegen. Die Mutationen können auf verschiedenen Genen liegen (nicht-allelische Heterogenie) oder auf verschiedenen Chromosomenabschnitten desselben Allels liegen (allelische Heterogenie). Beispiele Literatur 30 hierfür sind die Progressive Retinaatrophie (PRA) bei Hunden und Katzen, kongenitale sensorineurale Taubheit und die Mucopolysaccharidose beim Menschen. Bei der PRA sind sowohl beim Hund als auch bei der Katze verschiedene Typen der PRA bekannt, für die es unterschiedliche genetische Mutationen gibt. Eine allelische Heterogenie wurde bei der PRA des Irischen Setters (rcd1) und Sloughis festgestellt (RAY et al. 1994, 1995, DANCIGER et al. 1995, AGUIRRE et al. 1999, W IESENER und W ILLER 1993, MURKEN und CLEVE 1996, DEKOMIEN und EPPLEN 2000, DEKOMIEN et al. 2000, DORNBLÜTH und PSCHYREMBEL 2001). 2.4.5 Multifaktorielle Vererbung Viele Merkmale werden nicht nur von einem Gen beeinflußt, sondern von vielen Genorten mit ihren unterschiedlichen Allelen. Sind viele verschiedene Genorte an der Ausprägung eines Merkmals beteiligt, hat das einzelne Gen selbst nur eine sehr geringe Wirkung, aber alle Gene zusammen bestimmen das Merkmal. Die Genwirkungen könne additiv, dominant oder epistatisch sein. Je mehr Gene und verschiedene Allele pro Genort an der Merkmalsausprägung beteiligt sind, desto größer wird die Anzahl der möglichen Merkmalsausprägungen. Meist sind auch Umweltfaktoren an der phänotypischen Ausprägung dieses Merkmals beteiligt. Man spricht daher von multifaktorieller Vererbung. Der wichtigste Parameter zur Charakterisierung des Anteils der genetischen Varianzen der ge2 samten phänotypischen Varianz ist die Heritabilität (h ). Die Heritabilität im engeren Sinne beinhaltet nur die additiv genetischen Geneffekte, während die Heritabilität im weiteren Sinne auch die dominante und epistatisch bedingte Varianz mit einschließt. Es gibt Merkmale mit sehr hoher Heritabilität und Merkmale, die vorwiegend auf zufällige Umweltfaktoren zurückzuführen sind. Um das Auftreten von Krankheiten durch umweltfaktorielle Modelle zu erklären, wurde von FALCONER (1984) das Schwellenwertmodell eingeführt. Erst wenn eine bestimmte Anzahl von Genwirkungen vorliegen, kommt es zur Ausprägung der Krankheit. Reicht die Zahl der Gene und ihrer Wirkungen nicht aus, tritt die Krankheit nicht auf (W IESENER und W ILLER 1993, MURKEN und CLEVE 1996). Literatur 2.4 2.4.1 31 Erbliche Augenerkrankungen Tränenpunktstenose/Tränenpunktatresie Als Tränenpunktstenose wird die Verengung eines Tränenpunktes bezeichnet. Unter Tränenpunktatresie wird die unvollständige Öffnung als auch der Verschluss des Tränenpunktes verstanden. Tränenpunktstenose und –atresie können als kongenitale Anomalien auftreten oder in Folge einer Infektion sekundär entstanden sein. Beide Erkrankungen können den oberen oder den unteren Tränenpunkt oder beide Tränenpunkte sowohl uni- als auch bilateral betreffen. Die unteren Tränenpunkte sind häufiger betroffen als die oberen. Das charakteristische Symptom ist die übermäßige Bildung von Tränenflüssigkeit (Lacrimation) und die dauerhafte Bildung von Tränenstrassen (Epiphora), da die Tränenflüssigkeit nicht durch den Tränenkanal abfließen kann. Bei der Atresie läßt sich die Tränenkanüle gar nicht in die Tränenpunkte einführen, bei der Stenose nur unter Schwierigkeiten. Die Fluoreszinpassage ist vermindert oder fehlt ganz. Bei einigen Welpen zeigt sich die Epiphora trotz kongenitalem Auftreten der Tränenpunktatresie erst im Alter von acht Wochen. Prädisponiert sind vor allem der Golden Retriever und der Cocker Spaniel, insbesondere Tiere mit heller Fellfarbe. Beim Tibet Terrier wurde noch kein Fall einer erblichen Tränenpunktatresie oder –stenose beschrieben. Beim Menschen wurde ein dominanter Vererbungsmodus mit variabler Penetranz und Expression beschrieben (BARNETT 1979, MARTIN 1995, STADES et al. 1998, ACVO 1999, GRAHN 1999). 2.4.2 Entropium Als Entropium bezeichnet man das Einwärtsrollen des Lidrandes. Das Entropium kann sich lediglich über einen Teil des Augenlids, aber auch über das gesamte Augenlid erstrecken sowie Ober- und Unterlid gleichzeitig betreffen. Ein Einwärtsrollen bis ca. 45° wird als geringgradig bezeichnet, ein Einwärtsrollen bis ca. 90° als mittelgradig und bis ca. 180° als hochgradig. Bedingt durch das Einwärtsrollen des Augenlides kommt es zum Kontakt der mit Haaren versehenen äußeren Haut der Literatur 32 Augenlider mit der Kornea und der Konjunktiva. Als Folge zeigen sich eine erhöhte Tränenproduktion, ein Blepharospasmus und Hornhautirritationen. Durch den ständigen Schmerz, den die Reizung der Wimpern auf der Hornhaut erzeugt, wird der Bulbus zurückgezogen, was zu einer Verstärkung der Symptome führt. Man spricht hier auch von einem spastischen Entropium. Zusätzlich kann es durch die ständige Reizung der Kornea und der Konjunktiva zu einer sekundären Entzündung dieser beiden Strukturen kommen. Bei chronischer Hornhautirritation kommt es häufig zur Vaskularisation und Pigmentation, es können Sequester entstehen. In besonders schwerwiegenden Fällen kommt es zu Hornhautulzerationen (BARNETT 1976, MARTIN 1995, ECVO 1998, STADES et al. 1998, BEDFORD 1999, RENWICK und PETERSEN-JONES 2001). Ob ein Entropium auftritt, hängt wesentlich von dem Größenverhältnissen zwischen Augenlid, speziell dem Tarsus, und dem Bulbus ab. Dieses Größenverhältnis wird durch die Größe des Bulbus, seine Position in der Augenhöhle, die Größe der Lidspalte und dem Tonus des im Augenlid verlaufenden Muskels (Musculus orbicularis oculi) beeinflusst (BARNETT 1976, ACVO 1999, BEDFORD 1999, RENWICK und PETERSEN-JONES 2001). Das Entropium kann als primäres Entropium allein auftreten oder sekundär mit anderen Anomalien wie Mikrophthalmus oder Enophthalmus (BARNETT 1976, 1988, SMITH 1989, BEDFORD 1999). Während einerseits vermutet wird, dass an der Entstehung des Entropiums mehrere verschiedene Gene beteiligt sind (STADES et al. 1998, ACVO 1999), spricht BEDFORD (1999) davon, dass der Erbgang noch nicht vollständig geklärt ist. Bei einigen Hunderassen wird ein einfacher dominanter Erbgang mit vollständiger Penetranz angenommen, während bei anderen Rassen das Entropium nur gelegentlich auftritt und die Art der Vererbung kaum zu bestimmen ist (BARNETT 1976). Prädisponiert sind vor allem große Rassen wie Bernhardiner und Dänische Dogge, aber auch andere Rassen wie Chow Chow, Shar Pei, Amerikanischer und Englischer Cocker Spaniel, Labrador Retriever, Bull Mastiff, Irish Setter, Toy- und Zwerg-Pudel. Untersuchungen beim Tibet Terrier hinsichtlich einer genetischen Prädisposition liegen nicht vor (BARNETT 1976, 1988, CURTIS et al. 1984, SMITH 1989, ACVO 1999, BEDFORD 1999). Literatur 2.4.3 33 Ektropium Als Ektropium bezeichnet man eine anormale Ausstülpung eines Teils oder des gesamten Augenlides. Betroffen ist in den meisten Fällen das untere Augenlid. In vielen Fällen ist das Ektropium klinisch kaum auffällig, kann aber zu einer geringgradigen chronischen Konjunktivitis führen. In hochgradigen Fällen kann, bedingt durch die verlorene Schutzfunktion des Augenlides vor äußeren Einflüssen und durch das schnellere Verdunsten der Tränenflüssigkeit, eine chronische hochgradige, mukopurulente Konjunktivitis auftreten. Das Ektropium zeigt sich in zwei verschiedenen Formen. Zum einen als angeborenes Ektropium, hauptsächlich sind auch hier große Hunderassen wie Bernhardiner, Dänische Dogge, Neufundländer, Boxer, Bull Mastiff und der Bluthund, aber auch kleinere Rassen wie einige Spaniel-Rassen und der Basset betroffen. In einigen Rassestandards der FCI wird diese Veränderung sogar als erwünscht angesehen (Basset, Bluthund, etc.). Beim Tibet Terrier wurde ein gehäuftes Auftreten oder eine erbliche Disposition bisher nicht beschrieben. Sekundär tritt es häufig als Narbenektropium nach Verletzungen durch die Narbenretraktion auf (STADES et al. 1998). Als Vererbungsmodus wird hier fast ausnahmslos ein polygener Erbgang beschrieben, wobei verschiedene Gene, die für die Entwicklung der Augenlider, der Kopfhaut, der Bulbusgröße und der Schädelform eine Rolle spielen, beteiligt sein sollen. Untersuchungen hinsichtlich einer genetischen Prädisposition beim Tibet Terrier liegen nicht vor (BARNETT 1976, SMITH 1989, MARTIN 1995, ECVO 1998, STADES et al. 1998, ACVO 1999, BEDFORD 1999, RENWICK und PETERSEN-JONES 2001). 2.4.4 Trichiasis Unter Trichiasis versteht man definitionsgemäß Haare oder Wimpern, die physiologisch angelegt sind, jedoch durch Fehlstellungen zu Irritationen der Kornea und Konjunktiven führen können. Häufig sind diese Haare auch abnormal lang (ACVO 1999, BEDFORD 1999, PETERSEN-JONES et al. 2001). Diese Fehlstellungen können angeboren sein, infolge eines Entropiums bestehen oder sich durch Narbenretraktion nach einer Verletzung entwickeln (STADES et al. 1998). Eine angeborene Trichiasis kann ein- oder beidseitig auftreten. Sie kommt hauptsächlich in zwei Lokalisationen Literatur 34 vor. Eine Hauptlokalisation befindet sich am medialen Augenwinkel an der Nasenfalte, die zweite am Oberlid (STADES et al. 1998). Die einwärts gedrehten Wimpern üben einen Reiz auf die Hornhaut aus, wodurch es zu Blepharospasmus, erhöhter Tränenproduktion und Epiphora kommt. Die Irritationen der Hornhaut durch die Haare oder die Wimpern kann zu lokalen Hornhautdefekten führen. Diese Hornhautdefekte sind sehr schmerzhaft, so dass häufig der Bulbus reflexartig zurückgezogen wird. An den Hornhautdefekten bildet sich meistens Granulationsgewebe, es können aber auch Perforationen der Hornhaut entstehen. Die Folgen können eine Pigmentation der Hornhaut bis hin zum Verlust des Augapfels sein. Die Trichiasis kann in der Regel nur durch ein möglichst schnelles operatives Vorgehen behoben werden. Prädisponiert sind brachyzephale Hunderassen mit hervortretenden Augäpfeln wie Pekingesen oder Shih Tzus. Hier tritt die Trichiasis oft mit einem Entropium oder einer zu großen Lidspalte vergesellschaftet auf. Aber auch Hunde mit sehr viel Kopfhaut und dadurch bedingter starker Faltenbildung zeigen ein Entropium des Oberlides mit einwärts gerichtete Wimpern (Trichiasis) und eine dadurch bedingte Korneairritation. Beim Tibet Terrier wurde bisher noch kein gehäuftes Auftreten der Trichiasis berichtet. Allgemein wird auch hier ein polygener Vererbungsmodus beschrieben (SMITH 1989, MARTIN 1995, ECVO 1998, STADES et al. 1998, BEDFORD 1999, PETERSEN-JONES et al. 2001). 2.4.5 Distichiasis Als Distichiasis wird das Vorhandensein einzelner oder mehrerer Reihen von Haaren bezeichnet, die im Bereich des freien Lidrandes sitzen. Es handelt sich hierbei um eine unvollständige Entwicklung der Meibomschen Drüsen, die sich aus den gleichen Anlagen wie die Haarfollikel bilden (LAWSON 1973, BARNETT 1976, SMITH 1989, BEDFORD 1999). Die Haarbälge liegen an der Basis der Meibomschen Drüsen oder in der Nähe davon. Die Haare selbst gehen einzeln oder in Gruppen aus den Ausführungsgängen der Meibomschen Drüsen im Bereich des Lidrandes hervor (ECVO 1998, BEDFORD 1999, PETERSEN-JONES et al. 2001). Die Distichiasis wird auch als „Wimpernreihenverdopplung“ oder „Doppelbewimperung“ bezeichnet. Diese zweite Wimpernreihe kann mehr oder weniger dicht sein, meistens finden sich jedoch nur Literatur 35 einzelne Zilien. Diese können sehr kräftig, aber auch sehr fein, pigmentiert oder unpigmentiert sein. Penetrieren diese einzelnen Wimpern die Konjunktiva werden sie auch als ektopische Zilien bezeichnet (LAWSON 1973, BARNETT 1976, MARTIN 1995, STADES et al. 1998, ECVO 1998, BEDFORD 1999). Die nach innen gerichteten Wimpern können zu einer Irritation der Kornea und der Konjunktiva bulbi führen. Folgen sind Epiphora und verstärkte Lakrimation über chronisch-rezidivierende Keratokonjunktivitis bis hin zum Ulcus corneae. Viele der betroffenen Tiere sind jedoch symptomlos (STADES et al. 1998, BEDFORD 1999). Distichiasis tritt bei einigen Hunderassen gehäuft auf. Bei dem Amerikanischen und Englischen Cocker Spaniel, dem Boxer, der Englischen Buldogge, dem Flat-Coated Retriever, dem Pekingese, dem Shetland Sheepdog, dem Tibet Spaniel und dem Tibet Terrier läßt sich eine Rassedisposition beobachten (BARNETT 1976, MARTIN 1995, STADES et al.1998, ACVO 1999, BEDFORD 1999, PETERSEN-JONES et al. 2001). Sie wird, bedingt durch ihr häufiges Auftreten bei bestimmten Hunderassen, als erbliche Augenerkrankung angesehen, der Erbgang ist jedoch noch nicht gesichert (BARNETT 1976, STADES et al. 1998, ACVO 1999). 2.4.6 Glaukom Als Glaukom wird eine krankhafte Erhöhung des intraokulären Druckes (IOD, Augeninnendruck) bezeichnet, durch den es zu weiteren bleibenden, intraokulären Schäden bis hin zur Blindheit kommen kann. Der Begriff Glaukom kennzeichnet somit ein Symptom, er ist ein Sammelbegriff für eine ätiologisch uneinheitliche Gruppe von Augenerkrankungen (SMITH 1989, STADES et al. 1998, ECVO 1998, ACVO 1999, GELATT und BROOKS 1999). Folgen des erhöhten intraokulären Druckes sind die herabgesetzte Sensibilität und Funktion der retinalen Ganglienzellen, der Verlust von Axonen des Nervus opticus und die Exkavation der Papille und des Sehnerven. Im weiteren Verlauf kann es zu einer allmählichen Einschränkung des Gesichtsfeldes bis hin zur Blindheit kommen. Physiologisch liegt der IOD beim Hund etwa bei 15-25 mmHg, von einem Glaukom wird gesprochen, wenn der IOD deutlich (> 35 mmHg) und progressiv ansteigt (MARTIN 1995, STADES et al. 1998, GELATT und BROOKS 1999). Literatur 36 Um den unterschiedlichen Ätiologien und Ausprägungsformen Rechnung zu tragen, läßt sich das Glaukom in unterschiedliche Kategorien einteilen. Klassifiziert nach der Ätiologie spricht man von einem primären, sekundären oder absoluten Glaukom. Primär entsteht ein Glaukom, wenn keine gleichzeitig oder früher auftretenden Augenveränderungen bestehen. Primärglaukome treten familär gehäuft und meist bilateral auf. Sekundär entsteht ein Glaukom unter anderem als Folge einer anderen inneren Erkrankung des Auges (Linsenluxation, -subluxation, Uveitis, Katarakt etc.), wodurch der Abfluss des Kammerwassers behindert sein kann. Ist auf Grund der fortgeschrittenen Veränderungen nicht mehr zwischen dem primären und dem sekundären Glaukom zu unterscheiden und das Auge vollständig erblindet, spricht man vom absoluten Glaukom (BARNETT 1976, MARTIN 1995, W ALDE et al. 1997, STADES et al. 1998). Diese Unterteilung allein reicht jedoch nicht aus, daher wird das primäre und sekundäre Glaukom zusätzlich auch nach dem Zustand des Kammerwinkels klassifiziert. Der Kammerwinkel kann offen, verengt oder geschlossen sein (MARTIN 1995, W ALDE et al. 1997, STADES et al. 1998). Beim Primärglaukom mit offenem Kammerwinkel erscheint dieser bei der gonioskopischen Untersuchung unverändert. Charakteristisch ist auch das Fehlen weiterer Symptome und eine bilaterale Ausprägung. Die Ätiologie ist ungeklärt. Ein erbliches primäres Offenwinkelglaukom wird bei einigen Hunderassen und der Katze vermutet, beim Beagle konnte ein monogen autosomal rezessiver Erbgang (GELATT und GUM 1981) nachgewiesen werden. Beim Welsh Springer Spaniel wurde dagegen ein monogen autosomal dominanter Erbgang mit einer besonderen Affinität zu weiblichen Tieren nachgewiesen (CORTELL und BARNETT 1987). Beim Sekundärglaukom mit offenem Kammerwinkel ist dieser anatomisch normal angelegt, durch verschiedene Beimengungen z. B. von Entzündungsprodukten oder die luxierte Linse wird jedoch der reguläre Abfluss des Kammerwassers verhindert (BARNETT 1976, SMITH 1989, MARTIN 1995, STADES et al. 1998, GELATT und BROOKS 1999). Das angeborene Primärglaukom mit geschlossenem Kammerwinkel resultiert aus einem dysplastisch angelegten Ligamentum pectinatum. Diese Anomalie, auch als Goniodysplasie bezeichnet, tritt beidseitig an den Augen auf und ist nach W ALDE et Literatur 37 al. (1997) erblich bedingt. Als erbliche Erkrankung ist die Goniodysplasie beim Amerikanischen und Englischen Cocker Spaniel, Spaniel, Basset und Bouvier des Flandres bekannt (BARNETT 1976, BEDFORD 1977, SMITH 1989, MARTIN 1995, STADES et al. 1998, GELATT und BROOKS 1999). Toy- und Zwerg-Pudel sind für beide primären Glaukomformen genetisch prädisponiert (SMITH 1989). Das erworbene primäre Winkelblockglaukom entsteht durch Veränderungen der vorderen Augenkammer, insbesondere durch eine abgeflachte vordere Augenkammer mit Hypoplasie der vorderen Bulbusabschnitte, abgeflachter Iris oder durch die Subluxation der Linse durch schlaffe Zonulafasern (MARTIN 1995, STADES et al. 1998, GELATT und BROOKS 1999). Die Sekundärglaukome mit geschlossenem Kammerwinkel (sekundäre Winkelblockglaukome) resultieren aus verschiedenen primären Augenerkrankungen wie Katarakt mit Anschwellung der Linse, Synechien, Iris bombé, Subluxation der Linse mit und ohne Glaskörperprolaps, Phakolyse, Hyphäma und intraokuläre Hämorrhagien (MARTIN 1995, W ALDE et al. 1997, STADES et al. 1998, GELATT und BROOKS 1999). Klinisch werden desweiteren auf Grund der Dauer der Erkrankung ein akutes und chonisches Glaukom unterschieden (MARTIN 1995, W ALDE et al. 1997, STADES et al. 1998, GELATT und BROOKS 1999). 2.4.7 Membrana Pupillaris Persistens (MPP) Normalerweise atrophieren die embryonalen Blutgefässe, die Tunica vasculosa lentis, die in der vorderen Augenkammer der Linse aufliegen, in den ersten Lebenswochen. Bei den meisten Welpen ist diese Atrophie in der Regel etwa sechs Wochen nach der Geburt abgeschlossen. Auf Grund einer unvollständigen Atrophie können jedoch Reste bestehen bleiben, die sich in vielen unterschiedlichen Ausprägungen darstellen können. Die Reste zeigen sich meist als pigmentierte, gelegentlich auch als unpigmentiere Gewebestränge im Bereich der Iriskrause. Es bestehen sehr unterschiedliche Ausprägungsformen: • Sie ziehen als einzelne Irisgewebsstränge über die Iris und heften an anderer Stelle wieder an der Iris an oder flotieren in der vorderen Augenkammer. Literatur • 38 Sie ziehen als einzelne oder mehrere spinnennetzartig verbundene Stränge über die Pupille. • Sie können an der Linsenvorderkapsel anhaften, meist in Verbindung mit fokalen, stationären und nicht progressiven Katarakten. • Sie können an der Korneahinterfläche anhaften, auch hier in Verbindung mit fokalen Trübungen (Leucoma adhaerens). Diese Ausprägungsformen sind in allen möglichen Formen und Kombinationen möglich. Des weiteren können die Reste der Pupillarmembran auch als breite Gewebeflächen oder nur als kleine pigmentierte oder unpigmentiere Pünktchen an der Linsenvorderkapsel (Cataracta falsa) oder Korneahinterfläche auftreten. Die Linsen- und Korneatrübungen sind meistens stationär und nur in hochgradigen Fällen können Sehstörungen auftreten (BARNETT 1976, 1988, CRISPIN et al. 1995, Martin 1995, STADES et al. 1998, ACVO 1999, W HITLEY und GILGER 1999, NAFSTRÖM et al. 2001). Mehrere Autoren beschreiben das assoziierte Auftreten von MPP und kongenitalen Katarakten auch beim Englischen Cocker Spaniel (ÜBERREITER 1957, VEITH und GELATT 1970, OLESEN et al. 1974, DAVIDSON 1988, STRANDE et al. 1988). Die Katarakte bleiben in allen beschriebenen Fällen stationär. Laut ECVO (1998) ist die MPP, mit Ausnahme einiger weniger Rassen, eine nicht erbliche Augenerkrankung. Beim Basenji werden verschiedene Erbgänge diskutiert. Bei der Population der Basenjis in Grossbritannien wird ursprünglich von einem dominanten Erbgang mit variabler Expression (BARNETT und KNIGHT 1969) ausgegangen, während es in den USA keinen Hinweis auf einen monogenen autosomalen Erbgang gibt, aber ein monogener autosomaler Erbgang mit variabler Expression bzw. polygener Erbgang nicht auszuschliessen ist (ROBERTS und BISTNER 1968, BISTNER et al. 1971, MASON 1976). Beim Englischen Cocker Spaniel scheint ebenfalls ein polygener Vererbungsmodus vorzuliegen (STRANDE et al. 1988). Hinweise auf eine Prädisposition beim Tibet Terrier liegen bisher noch nicht vor. Literatur 39 2.4.8 Linsenluxation Der Begriff Linsenluxation oder auch Ectopia lentis beschreibt eine durch das Zerreissen der Zonulafasern bedingte teilweise (Subluxation) oder vollständige Verlagerung der Linse aus ihrer ursprünglichen Position. Die Linse kann entweder vollständig in die vordere oder hintere Augenkammer verlagert sein (Luxatio lentis anterior oder posterior), gelegentlich auch in den Glaskörper, oder auch nur teilweise (Subluxatio lentis ventralis, dorsalis, nasalis oder temporalis). Im Allgemeinen tritt die Linsenluxation immer bilateral auf. Die Linsenluxation beim Hund kann ätiologisch in vier unterschiedliche Klassen eingeteilt werden, eine angeborene (kongenitale), eine primäre, eine sekundäre und eine traumatische (BARNETT 1976, CURTIS et al. 1983a, SMITH 1989, CRISPIN et al. 1995, MARTIN 1995, ECVO 1998, STADES et al. 1998, DAVIDSON und NELMS 1999). Die Luxation in die Vorderkammer ist häufig mit einem Sekundärglaukom vergesellschaftet, allerdings wird dieses beim Tibet Terrier selten beobachtet (CURTIS et al. 1983a, MARTIN 1995, STADES et al. 1998, DAVIDSON und NELMS 1999, RENWICK und PETERSEN-JONES 2001). Ein Grund für das Zerreissen der Zonulafasern bei der primären Linsenluxation ist ein angeborener, struktureller Defekt dieser Zonulafasern (CURTIS et al. 1983a). Die Fasern können dysplastisch angelegt sein oder sich durch äussere Umstände unvollständig entwickeln. Eine primäre Luxation ist immer bilateral, aber Dislokationen können auch erst nur in einem Auge auftreten, bevor auch das zweite Auge betroffen ist. Das Intervall zwischen dem Auftreten im ersten und im zweiten Auge variiert zwischen einigen Wochen bis hin zu einigen Monaten (BARNETT 1976, BARNETT und CURTIS 1978, CRISPIN et al. 1995). Beim Tibet Terrier zeigen sich die Veränderungen an den Zonulafasern bereits in einem sehr frühen Alter, klinische Symptome treten in der Regel jedoch erst in einem Alter von 3 – 6 Jahren auf (BARNETT und CURTIS 1978, W ILLIS et al. 1979). Auch traumatische Einflüsse führen zu einem spontanten Reißen der Linsenfasern und zu einer Luxation der Linse, fraglich ist allerdings, ob eine genetische Prädisposition das Zerreissen der Fasern begünstigt (W ILLIS et al. 1979, MARTIN 1995, STADES et al. 1998, DAVIDSON und NELMS 1999, RENWICK und PETERSEN-JONES 2001). Literatur 40 Eines der ersten sichtbaren Symptome von zerrissenen Zonulafasern und damit der Linsenluxation, ist der vorgefallene Glaskörper, der sich als sehr kleine, wolkenartige Struktur am Pupillenrand zeigt. Bei einer Dislokation wird ein halbmondförmiger Rand sichtbar. Erst mit einer Subluxation tritt eine Erhöhung des Augeninnendruckes in Form eines Sekundärglaukoms auf (BARNETT 1976, W IILIS et al. 1979, SMITH 1989, CRISPIN et al. 1995, MARTIN 1995, STADES et al. 1998, DAVIDSON und NELMS 1999, RENWICK und PETERSEN-JONES 2001). Bei einer Luxation in die vordere Augenkammer flacht diese ab, der Kammerwinkel wird enger. Die Iris zeigt sich mehr oder weniger flach, da sie sich nicht mehr an die Linsenwölbung anpassen kann. Dies führt auch zum Irisschlottern (Iridodonesis), welches hauptsächlich nach oder während der Augenbewegung zu beobachten ist. Auch die Linse kann nachschwingen (Lentodonesis). Die Linse ist in der vorderen Augenkammer als glasige kleine Scheibe erkennbar. Bei länger andauendem Kontakt der Linse mit dem Hornhautepithel wird dieses beschädigt, es entsteht ein zentrales Korneaödem. Bei einer Luxatio lentis posterior, einer Luxation in die hintere Augenkammer, vor allem in ventraler Richtung, ist der Fundus mit blossem Auge erkennbar. Die vordere Augenkammer vertieft sich und der Kammerwinkel wird auffällig weit (BARNETT 1976, BARNETT und CURTIS 1978, CURTIS et al. 1983a, 1983b, MARTIN 1995, STADES et al. 1998, ACVO 1999, DAVIDSON und NELMS 1999, RENWICK und PETERSEN-JONES 2001). Prädisponiert sind vor allem Terrier-Rassen wie Fox-, Sealyham-, Zwerg-Bull- oder Jack-Russell-Terrier (CURTIS und BARNETT 1980, CURTIS et al. 1983b, CURTIS 1990). Weitere Rassen, die als prädisponiert für die Linsenluxation gelten sind Border-Collie (FOSTER et al. 1986, CURTIS 1990) und Shar Pei (LAZARUS et al. 1998), aber auch beim Tibet Terrier ist diese Erkrankung als erblicher Defekt beschrieben. Charakteristisch beim Tibet Terrier ist das Auftreten bei relativ jungen Tieren, das Manifestationsalter liegt bei etwa 2-3 Jahren (BARNETT 1976, BARNETT und CURTIS 1978, W ILLIS et al. 1979, CURTIS und BARNETT 1980, CURTIS et al. 1983a, 1983b, SMITH 1989, CRISPIN et al. 1995). W ILLIS et al. (1979) ermittelten in einer Pedigreeanalyse von 20 britischen und sieben schwedischen Tieren einen monogenen autosomal rezessiven Erbgang für den Tibet Terrier. Bei den anderen Rassen sind keine Studien bekannt oder sie sind widerprüchlich. Literatur 41 2.4.9 Katarakt Als Katarakt (Cataracta lentis, grauer Star) wird jede teilweise oder komplette (diffuse) Trübung der Linse und/oder der Linsenkapsel definiert. Demnach gelten alle Eintrübungen der Linse und/oder der Linsenkapsel unabhängig von ihrer Ätiologie, Pathogenese und Pathologie als Katarakt. Von der eigentlichen Katarakt, Cataracta vera, müssen die falschen Linsentrübungen, Cataracta falsa, oder Pseudokatarakte, Cataracta spuria, abgegrenzt werden (ROBERTS 1973, MAGRANE 1977, CURTIS 1982, CURTIS und BARNETT 1984, BARNETT 1985a, SCHMIDT 1988, W ALDE 1994, MARTIN 1995, STADES et al. 1998, PFEIFFER et al. 1999, BEDFORD und JONES 2001, NAFSTRÖM et al. 2001). Die Katarakt kann auf unterschiedliche Weise klassifiziert werden. Lokalisation und Konfiguration Die verschiedenen Kataraktformen können sowohl in unterschiedlicher Lokalisation als auch Konfiguration auftreten. Als Lokalisationen kommen Katarakte in der vorderen Linsenkapsel, der vorderen subkapsulären Schicht, der vorderen Rindenschicht, dem Pol, dem Äquator, dem fetalen Kern, der hinteren Rindenschicht, der hinteren subkapsulären Schicht, der hinteren Kapsel und im vorderen und hinteren Linsenstern vor. Trübungen im Bereich der Kapselzone werden auch als Cataracta capsularis seu subcapsularis, im Bereich des Linsenkernes als Cataracta lenticularis bezeichnet. Angeborene Katarakte sind häufig nukleäre Katarakte (ROBERTS 1973, SCHMIDT 1988, MARTIN 1995, STADES et al. 1998, PFEIFFER et al. 1999, DAVIDSON und NELMS 1999, NAFSTRÖM et al. 2001). In der Konfiguration unterscheiden sich Katarakte, die nur auf ein bestimmtes Gebiet der Linse beschränkt sind, Cataracta partialis, von denen, welche die komplette Linse betreffen, Cataracta totalis. Konfigurationsformen sind z. B. Cataracta corticalis, Caaracta zentralis seu nuclearis, Cataracta polaris und diejenigen Kataraktformen, die sich besonders im Bereich der Y-Nahtlinien entwickeln (Nahtstar). Die Cataracta diffusa ist eine unregelmäßige Trübung der Linse (ROBERTS 1973, SCHMIDT 1988, MARTIN 1995, PFEIFFER et al. 1999, DAVIDSON und NELMS 1999, NAFSTRÖM et al. 2001). Eine Katarakt kann uni- oder bilateral sowie symmetrisch als auch asymmetrisch auftreten. Sie kann progressiv, stationär, aber auch regressiv sein (BARNETT 1972, 1988). Literatur 42 Manifestationsalter Das Alter des Tieres beim Auftreten der Katarakt dient als Anhaltspunkt bei der Klassifikation. Es wird in kongenitale, juvenile, adulte und senile Katarakte unterschieden. Die kongenitale Katarakt resultiert aus einer Störung bzw. abnormalen intrauterinen Linsenentwicklung während der frühen Embryonalphase. Die angeborene Katarakt ist sehr oft auch mit weiteren angeborenen Anomalien wie Mikrophthalmie oder Membrana pupillaris persistens verbunden bzw. entsteht sekundär durch diese Anomalien (BARNETT 1972, GELATT et al. 1983a, STRANDE et al. 1988). Die juvenile Katarakt bezeichnet das Auftreten der Linsentrübung bis etwa zum sechsten Lebensjahr, erste klinische Symptome sind oft bereits ab 3 Monaten sichtbar. Als adulte Katarakte werden solche bezeichnet, die nach dem sechsten Lebensjahr auftreten (BARNETT 1972, 1976, MAGRANE 1977, MARTIN 1995, STADES et al. 1998, DAVIDSON und NELMS 1999, NAFSTRÖM et al. 2001). Die senile Katarakt tritt im Laufe des physiologischen Alterungsprozesses auf und ist als physiologische Kernverdichtung oder Nukleussklerose abzugrenzen. Sie wird auch als Altersreflex bezeichnet, da durch den verdichteten Linsenkern einfallende Lichtstrahlen reflektiert werden. Das Sehvermögen ist bei der senilen Katarakt in der Regel kaum beeinträchtigt (BARNETT 1972, 1985, ROBERTS 1973, MARGANE 1977, DAVIDSON und NELMS 1999, NAFSTRÖM et al. 2001). Grad der Eintrübung Eine zunehmende Linsentrübung wird als Kataraktreifung bezeichnet: 1. Cataracta incipiens – geringgradige Linsentrübung 2. Cataracta immatura – diffuse Linsentrübung, vor allem den Linsenkortex betreffend mit geringer Reflexion der einfallenden Lichtstrahlen, die Sehfähigkeit ist noch erhalten 3. Cataracta matura – totale Linentrübung mit fast vollständiger Reflexion der einfallenden Lichtstrahlen, die Sehfähigkeit ist nicht mehr gegeben 4. Cataracta hypermatura – komplette Trübung der Linse mit partieller oder vollständiger Wasser- und Proteinresorption Die Cataracta matura Morgani stellt eine Sonderform der hypermaturen Katarakt dar, da hier der verfestigte Linsenkern von einer verflüssigten Linsenkortex umgeben ist Literatur 43 (ROBERTS 1973, W ALDE 1994, MARTIN 1995, W ALDE et al. 1997, STADES et al. 1998, PFEIFFER et al. 1999, ROBERTS und NELMS 1999, NAFSTRÖM et al. 2001). Ätiologie Nach der Ätiologie wird in hereditäre und nicht-hereditäre Katarakte unterteilt. Nicht hereditäre Katarakte bedingt durch andere Augenkrankheiten In Verbindung mit einigen anderen Augenerkrankungen entwickeln sich häufig Linsentrübungen, die als sekundäre Katarakte oder Cataracta complicata bezeichnet werden. Sie werden in Verbindung mit Mikrophthalmie oder mit persistierenden Pupillarmembranen beobachtet. Sie können sich sekundär im Verlauf einer Progressiven Retina Atrophie oder Retina Dysplasie entwickeln. Sekundäre Katarakte wurden aber auch zusammen mit Linsenluxation, Uveitis, Glaukom, persistierender Arteria hyaloidea und mit dem selten auftretenden Linsenkolobom beobachtet. Sie resultieren vermutlich aus einer durch die Erkrankungen veränderten Zusammensetzung des für die Ernährung der Linse wichtigen Kammerwassers (KOCH und RUBIN 1967, BARNETT 1972, 1985a, 1988, MAGRANE 1977, SCHMIDT 1988, SMITH 1989, MARTIN 1995, STADES et al. 1998, DAVIDSON und NELMS 1999, NAFSTRÖM et al. 2001). Nicht hereditäre Katarakte bedingt durch systemische Erkrankungen Diabetes Mellitus, Morbus Cushing und hypokalzämische Tetanie sind systemische Stoffwechselstörungen, in deren Verlauf eine Katarakt auftreten kann. Die häufigste metabolische Störung beim Hund ist der Diabetes mellitus. In Folge dieser Stoffwechselstörung wird Glukose überwiegend über Sorbitol zu Fructose metabolisiert. Die Fructose lagert sich in der Linse an und führt zu einem osmotischen Ungleichgewicht zwischen Linse und Kammerwasser. Dadurch strömt Wasser in die Linse ein und es kommt zu einer Quellung der Linsenfasern. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer subepithelialen und kortikalen Vakuolenbildung im Äquatorialbereich und Proteinaggregation in der Linse. Diese Veränderung wird als Cataracta diabetica bezeichnet. Typisch ist vor allem das bilaterale Auftreten und die schnelle Entstehung innerhalb von Tagen und Wochen (BARNETT 1972, BISTNER 1973, ROBERTS Literatur 44 1973, MARGRANE 1977, BARNETT 1985a, SCHMIDT 1988, SMITH 1989, MARTIN 1995, STADES et al. 1998, PFEIFFER et al. 1999, DAVIDSON und NELMS 1999, NAFSTRÖM et al. 2001). Bei einer Hypokalzämie, z.B. verursacht durch einen zeitweiligen oder totalen Ausfall der Nebenschilddrüse, kommt es häufig zu einer typischen Trübung in der vorderen und hinteren Linsenkapsel. Die Trübung wird auch als Cataracta tetanica bezeichnet, ist meistens stationär und führt nicht zu einem Verlust der Sehkraft (SCHMIDT 1988, MARTIN 1995, PFEIFFER et al. 1999, DAVIDSON und NELMS 1999). Sonstige nicht hereditäre Katarakte Typisch für eine, beim Hund recht häufig auftretende, traumatische Katarakt ist das unilaterale Auftreten. Durch ein stumpfes Trauma kann es zur Erschütterung des Auges und daraus resultierend zur Beeinträchtigung der Permeabilität der Linse, zur Quetschung der Linsenkapsel oder gar zur Ruptur der vorderen Kapsel kommen. Durch ein scharfes Trauma wird meistens die Linsenkapsel beschädigt. Eine Kapselruptur hat häufig, bedingt durch das Austreten des embryonalen Linsenproteins (Phakoanaphylaxie), eine schwere Uveitis oder Endophthalmitis zur Folge. Auch eine Ruptur der Zonulafasern mit daraus resultierender Störung der Linsenversorgung ist eine mögliche Ursache (BARNETT 1972, MAGRANE 1977, SCHMIDT, 1988, MARTIN 1995, STADES et al. 1998, DAVIDSON und NELMS 1999). Katarakte, deren Entstehung auf Ernährungsfehlern beruhen, sind beim Hund recht selten. Häufig sind diese auf einen Mangel an essentiellen Aminosäuren, Vitaminen, speziell Vitamine des B-Komplexes, und Kalzium zurückzuführen. Bei Wölfen und Hunden wurde berichtet, dass bei der Aufzucht mutterloser Welpen mit kommerziellen Milchaustauschern bei einigen Welpen eine gering- bis hochgradige Katarakt beobachtet werden konnte. Beim Timber Wolf ließ sich dieses auf einen Mangel der Aminosäure Arginin im Milchaustauscher zurückführen (BARNETT 1972, 1985a, MAGRANE 1977, VAINSI et al. 1981, MARTIN und CHAMBREAU 1982, GLAZE und BLANCHARD 1983, PFEIFFER et al. 1999, DAVIDSON und NELMS 1999). Literatur 45 Toxisch bedingte Katarakte entstehen durch Substanzen und Medikamente, die die Na-K-ATPase, das osmotische Gleichgewicht oder die Zellpermeabilität stören. Zum einen zeigt sich beim Hund dann eine Vakuolenbildung im Bereich des Linsenäquators, die sich nach anterior und posterior ausdehnt, zum anderen wird besonders im Zentrum des hinteren Linsensterns eine Trübung beobachtet, die sich progressiv bis zur totalen Katarakt ausbilden kann. Als kataraktogene Substanzen gelten Dinitrophenol, Naphthalene, Ketokonazol, Disophenol, Diazoxid, Metallsalze (Blei, Kobalt, Selen, Silber, Thallium), Chlorpromazin, Kortikosteroide, intraokulär verabreichte Antibiotika bei sehr hoher Dosierung, DMSO (Dimethylsulfoxid) und Insulin (BARNETT 1972, 1978, ROBERTS 1973, MARTIN 1995, PFEIFFER et al. 1999, DAVIDSON und NELMS 1999, NAFSTRÖM et al. 2001). Auch ionisierende Strahlung und Röntgenstrahlen werden in der Literatur als kataraktogen beschrieben. Dazu gehören neben den ionisierenden Strahlen (Beta-, Gamma- oder Neutronenstrahlung) auch UV- und Infrarot-Licht. Es wird in der Literatur auch eine experimentell durch Mikrowellenbestrahlung erzeugte Katarakt beschrieben (ROBERTS 1973, RATHBUN 1980, MARTIN 1995, PFEIFFER et al. 1999, DAVIDSON und NELMS 1999). Primär hereditäre Katarakte Es ist generell eine hereditäre Genese bei der primären Katarakt des Hundes anzunehmen, im Gegensatz zur Katarakt bei der Katze. Jedoch wurde nur bei einem geringen Anteil betroffener Hunderassen die Erblichkeit und der Vererbungsmodus an Hand von Pedigreeanalysen untersucht. Merkmale, die auf eine hereditäre Katarakt bei einer Hunderasse hindeuten, sind: • das häufige Auftreten der Linsentrübung im Anfangsstadium in gleichen anatomischen Lokalisationen, • das Alter der Tiere zum Zeitpunkt des Auftretens und die Progression, • das bilaterale Auftreten und die Abwesenheit anderer Augenveränderungen. Für viele Hunderassen wird eine Rassendisposition vermutet (MARTIN 1995, CRISPIN et al. 1995, PETERSEN-JONES 1999, DAVIDSON und NELMS 1999, NAFSTRÖM et al. 2001). Literatur 46 Beim Golden Retriever, Labrador Retriever und Chesapeake Bay Retriever und beim Beagle wird ein monogen, dominant autosomaler Vererbungsmodus mit unvollständiger Penetranz für wahrscheinlich gehalten. Erste Anzeichen sind ab einem Alter von etwa 6-9 Monaten festzustellen, die Veränderungen sind üblicherweise nicht progressiv. Bei Golden Retriever und beim Labrador Retriever kann die Katarakt sowohl kongenital als auch nicht-kongenital auftreten (HEYWOOD 1971, BARNETT 1972, 1976, 1978, 1985a, 1988, RUBIN 1974, 1989, GELATT et al. 1979, MARTIN 1995, CURTIS und BARNETT 1989, DAVIDSON und NELMS 1999, NAFSTRÖM et al. 2001). Beim Golden Retriever ist auch eine zweite Form bekannt, eine Trübung im Bereich der Kortex, die progressiv fortschreitet (BARNETT 1978). Eine Sonderform mit ebenfalls monogenem, unvollständig dominant autosomalem Erbgang ist beim Norwegischen Elchhund beschrieben worden. Bei dieser kongenitalen Katarakt ist der fetale Linsenkern betroffen. Ausgehend von kleinen, punktförmigen Eintrübungen auf Höhe der Nahtlinien schreitet die Eintrübung progressiv fort, bis der fetale Linsenkern einer Zuckerwatte ähnelt (BJERKÅS und HAALAND 1995, DAVIDSON und NELMS 1999, NAFSTRÖM et al. 2001). Eine erbliche Katarakt, die einem monogen, autosomal rezessiven Erbgang folgt, wurde unter anderem beim Deutschen Schäferhund, Husky, Staffordshire Bull Terrier, Pudel, Zwergschnauzer, Old English Sheepdog, Welsh Springer Spaniel, West Highland White Terrier, Amerikanischen und Englischen Cocker Spaniel und beim Afghanen nachgewiesen. Häufig sind diese Katarakte bereits bei der Geburt sichtbar oder entwickeln sich in den ersten Lebensmonaten, teilweise auch als kongenitale Katarakte wie beim Welsh Springer Spaniel (BARNETT 1980) oder Cocker Spaniel (OLESEN et al. 1974) oder kann als kongenitale Katarakte in Verbindung mit anderen Augenanomalien wie beim Zwergschnauzer beschrieben wurde (BARNETT 1985b) auftreten. Das Manifestationsalter, die Progression und die Lokalisation sind bei den einzelnen Hunderassen rassespezifisch (YAKELY et al. 1971, KOCH 1972, RUBIN und FLOWERS 1972, ROBERTS 1973, OLESEN et al. 1974, YAKELY 1978, BARNETT 1972, 1980, 1985b, 1986, 1988, NAFSTRÖM 1981, GELATT et al. 1983a, BARNETT und STARTUP 1985, STRANDE et al. 1988, SMITH 1989, ROBINSON 1991, CRISPIN et al. 1995, MARTIN 1995, ACVO 1999, DAVIDSON und NELMS 1999, NAFSTRÖM et al. 2001). Literatur 47 Eine Ausnahme bildet der Amerikanische Cocker Spaniel, bei dem das Alter, in dem erste Veränderungen feststellbar sind, sehr variabel ist, die Eintrübung sehr schnell fortschreitet und häufig mit einer Uveitis vergesellschaftet ist (BARNETT 1988). Beim Boston Terrier werden zwei verschiedene Ausprägungsformen beschrieben, beide mit monogen, autosomal rezessivem Vererbungsmodus. Zum einen zeigt sich eine kongenitale Form, bei der erste Anzeichen bereits bei der Geburt vorhanden sind bzw. sich unmittelbar nach der Geburt entwickeln. Die Trübung schreitet langsam progressiv fort, eine bilaterale mature Katarakt wird etwa ab einem Alter von 2 Jahren beschrieben (BARNETT 1978, 1985a, 1988, DAVIDSON und NELMS 1999, NAFSTRÖM et al. 2001). Bei der zweiten Form treten erste Anzeichen in einem Alter von 3 – 4 Jahren auf. In Form von speichenähnlichen Streifen entwickelt sie sich subkapsulär vom Äquator zum Linsenpol. Die Katarakt schreitet nur langsam progressiv fort (CURTIS 1984, BARNETT 1985a, 1988, DAVIDSON und NELMS 1999, NAFSTRÖM et al. 2001). Bei vielen anderen Hunderassen wird eine hereditäre Katarakt vermutet, ein Erbgang konnte aber bisher noch nicht definiert werden. Dazu gehören unter anderem der Entlebucher Sennenhund, Chow Chow, Rottweiler, Dobermann, Lhasa Apso, Tibet Spaniel und auch der Tibet Terrier, bei dem bisher keine Erbgangsanalyse durchgeführt wurde (RUBIN 1989, COLLINS et al. 1992, SPIESS 1994, BJERKÅS und BERGSJØ 1991, MARTIN 1995, ACVO 1999, DAVIDSON und NELMS 1999, NAFSTRÖM et al. 2001). Sekundär hereditäre Katarakte Treten Katarakte in Verbindung mit anderen erblichen Augenerkrankungen auf, werden sie als sekundär hereditäre Katarakte bezeichnet. Die Progressive Retinaatrophie (PRA) ist sehr häufig mit einer Katarakt verbunden, ebenso das Glaukom, die Mikrophthalmie, Linsenluxation, Retina-Dysplasie (RD) und persistierende Pupillarmembran (MPP). Diese Kataraktformen sind in der Mehrzahl nicht kongenital, sondern entwickeln sich in den ersten Lebenswochen bzw. -monaten. Gelegentlich wird bei jungen Hunden auch eine Spontanresorption der Trübung beobachtet (BARNETT 1978, 1980, 1985a, 1986, GELATT et al. 1983a, BARNETT und Literatur 48 STARTUP 1985, STRANDE et al. 1988, MARTIN 1995, LOHMANN 1997, DAVIDSON und NELMS 1999, NAFSTRÖM et al. 2001). 2.4.10 Progressive Retinaatrophie (PRA) Die progressive Retinaatrophie (PRA) ist eine erbliche und bilateral auftretende Augenerkrankung, die zur Erblindung infolge einer Degeneration der Photorezeptorzellen der Netzhaut führt. Sie wird auch als progressive Nachtblindheit oder generalisierte PRA bezeichnet (MARTIN 1995, ECVO 1998, ACVO 1999, NAFSTRÖM und EKESTEN 1999, NAFSTRÖM et al. 2001). Es lassen sich generell zwei Formen unterscheiden, die primäre Photorezeptordysplasie (sogenannte frühe Form), bei der die Degeneration der Photorezeptorzellen vor der eigentlichen Ausreifung beginnt, und die primäre Photorezeptordegeneration (sogenannte späte Form), bei der die Photorezeptorzellen bei Beginn der Degeneration voll ausgereift sind. Die klinischen Symptome sind bei beiden Formen gleich. Betroffene Hunde zeigen als erstes Anzeichen eine Nachtblindheit (Nyctalopia). Die fortschreitende Degeneration umfasst mit der Zeit alle Schichten der Retina, so dass diese atrophiert und eine progressive und generalisierte Hyperreflexie des Fundus, bedingt durch das durchscheinende Tapetum lucidum, auftritt. Die retinalen Gefäße erscheinen vermindert und dünner. Im unpigmentierten Teil des Fundus sind mit Fortschreiten der Erkrankung Pigmentverklzumpungen oder häufiger Depigmentierungen zu beobachten. Auch die Sehnervenpapille atrophiert. Anfangs sind entweder nur die Stäbchen (rod) oder die Zapfen (cone) betroffen, bei einigen Unterformen der PRA aber sowohl die Stäbchen als auch die Zapfen. Die PRA tritt bei einer Vielzahl von Hunderassen und auch bei einigen Katzenrassen auf. Das Alter der Hunde bei dem Auftreten erster Anzeichen und die Geschwindigkeit, mit der die Degeneration der Retina fortschreitet, variiert von Rasse zu Rasse (AGUIRRE und RUBIN 1972, BARNETT 1962, 1965a, 1965b, 1976, 1982, 1988, GARMER 1980, NAFSTRÖM 1983, 1985, ACLAND und AGUIRRE 1987, CURTIS und KEMP 1988, BEDFORD 1989, SMITH 1989, MILLICHAMP 1990, BJERKÅS 1991, CRISPIN et al. 1995, MARTIN 1995, CLEMENTS et al. 1996, ECVO 1998, STADES et al. 1998, NAFSTRÖM und EKESTEN 1999, NAFSTRÖM et al. 2001). Literatur 49 Frühe Photorezeptor-Dysplasie Bei der frühen Form sind Stäbchen und Zapfen bereits dysplastisch angelegt, der Degenerationsprozes beginnt daher auch sehr früh, so dass sich bereits in einem Alter von sechs Monaten erste Anzeichen der Nachtblindheit bemerkbar machen. Die Hunde sind dann im Alter von ein bis zwei Jahren vollständig blind. Für die frühe Form sind die Rassen Irish, English und Gordon Setter, Collie, Rauhhaardackel, Norwegischer Elchhund, Belgischer Schäferhund und Alaskan Malamute (BARNETT 1970a, 1970b, AGUIRRE und RUBIN 1971a, 1971b, 1974, 1975, KANGSTROM 1973, KRÄHENMANN 1974, LEWIS 1977, EATON und BARNETT 1981, BARNETT et al. 1983, BARNETT 1988, BJERKÅS 1989, 1991, MARTIN 1995, NAFSTRÖM und EKESTEN 1999, ZULEGER et al. 1999, NAFSTRÖM et al. 2001), sowie Abessinier- und Perserkatzen (BARNETT und CUTRIS 1985, NAFSTRÖM 1983, 1985, BEDFORD 1989, MARTIN 1995, NAFSTRÖM und EKESTEN 1999) prädisponiert. Beim Irish Setter und beim Langhaar-Collie wurde die Dysplasie der Stäbchen und Zapfen mit morphologischen, histopathologischen, biochemischen und molekularbiologischen Methoden genauer untersucht. Es liegt hier eine mangelnde Differenzierung der Außensegmente der Photorezeptoren vor. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer progressiven Degeneration der Rezeptoren und nachfolgend der anderen Schichten des Innenblattes der Retina. Die Zapfen degenerieren dabei etwas langsamer als die Stäbchen. Beim Irish Setter und beim Langhaar-Collie wurde ein Enzymdefekt der retinalen Nukleotidphosphorylierung festgestellt, der zu einer Anhäufung von zyklischem 3,5‘-Guanosinmonophosphat (cGMP) führt. Dieser Effekt ist auf eine Mutation in dem Gen für die β-Untereinheit des Enzyms cGMP-Phosphodiesterase (PDE6B) zurückzuführen. In molekulargenetischen Studien wurde herausgefunden, dass beim Irish Setter eine Mutation des Codons 807 ausschließlich bei erkrankten Hunden festzustellen war. Es handelt sich hierbei um einen Austausch eine Base (TGA → TAA) in der DNA an der Position 2420, wodurch ein Stopcodon entsteht. Dadurch fehlen bei der Transition zur Phosphodiesterase 49 Aminosäuren. An Hand dieser Untersuchungen konnte ein DNA-Test entwickelt werden, der es ermöglicht, auch heterozygote Träger zu identifizieren (FARBER et al. 1992, SUBER et al. 1993, RAY et al. 1994, 1995, 1996, ACLAND et al. 1999, NAFSTRÖM Literatur 50 und EKESTEN 1999). Die Folge der Anhäufung des cGMP ist eine sehr schnell fortschreitende Degeneration der Photorezeptorzellen. Die beim Irish Setter festgestellte Mutation konnte beim Collie nicht nachgewiesen werden. Bei dieser Rasse scheint demnach eine andere Mutation in demselben oder einem anderen Gen für den Defekt verantwortlich zu sein. Die klinischen Symptome und biochemischen Veränderungen sind jedoch identisch. Aufgrund dieser Unterschiede wird die Stäbchen-Zapfen-Dysplasie beim Irish Setter als Typ I (rcd1) und die beim Collie auftretende Form als Typ II (rcd2) bezeichnet. Beim Sloughi wurde eine Insertion von acht Basenpaaren im Codon 816 des Genes für die Bildung der βUntereinheit der cGMP-Phosphodiesterase (PDE6B) identifiziert (DEKOMIEN et al. 1998, 2000, DEKOMIEN u. EPPLEN 2000). Beim Cardigan Welsh Corgi konnte dagegen eine Mutation im Codon 616 des Genes für die Bildung der α-Untereinheit der cGMP-Phosphodiesterase (PDE6A) nachgewiesen werden. Hier handelte es sich um die Deletion einer Base in der Sequenz für die PDE6A. Diese Mutationen werden für die molekulargenetische Diagnosestellung verwendet. Damit ist es möglich, heterozygote und homozygote Defektgenträger zu erkennen (DEKOMIEN et al. 1998, 2000, KLEIN et al. 1998, PETERSEN-JONES 1999, PETERSEN-JONES et al. 1999, RUNTE et al. 2000, DEKOMIEN u. EPPLEN 2000, PETERSEN-JONES und ENTZ 2002). Die Stäbchen-Dysplasie (rd) beim Norwegischen Elchhund ist nicht auf eine metabolische Störung im cGMP-Haushalt zurückzuführen, was diese Form von der rcd1 beim Irish Setter unterscheidet. Die Stäbchen sind anfangs noch normal ausgebildet, die Degeneration verläuft relativ langsam. Erste Anzeichen für eine Nachtblindheit können ab einem Alter von 6 Monaten beobachtet werden, die Erkrankung schreitet progressiv fort und führt etwa in einem Alter zwischen drei und fünf Jahren zur vollständigen Erblindung. Ophthalmoskopisch sind erst in einem Alter von 1-2 Jahren Veränderungen zu erkennen, morphologisch bereits ab einem Alter von 12 Monaten. (BARNETT 1970a, AGUIRRE und RUBIN 1971a, 1971b, BARNETT et al. 1983, ACLAND et al. 1989, MARTIN 1995, NAFSTRÖM und EKESTEN 1999). Eine zweite Form, die frühe Retinadegeneration (erd) beim Norwegischen Elchhund, basiert auf einer abnormen Entwicklung der Stäbchen und Zapfen und einer man- Literatur 51 gelnden Ausdifferenzierung terminaler Synapsen mit anschließender Degeneration des Rezeptors. Auch im direkten Vergleich durch Testkreuzungen zeigt sich, dass die Allele für die rcd1 des Irish Setters, rcd2 des Collies und die rd und erd des Norwegischen Elchhundes wahrscheinlich nicht durch den selben Genort verursacht werden (BARNETT 1970a, AGUIRRE und RUBIN 1971a, 1971b, BARNETT et al. 1983, , ACLAND und AGUIRRE 1987, ACLAND et al. 1989, MARTIN 1995, NAFSTRÖM und EKESTEN 1999). Eine Sonderform der PRA tritt beim Alaskan Malamute auf. Hier kommt es zu einer alleinigen Degeneration der Zapfen. Als Symptom zeigt sich ausschließlich eine Tagblindheit (Hemeralopie). Die Zapfen entwickeln sich zunächst normal, später kommt es dann zu einer Degeneration der Außensegmente (KOCH und RUBIN 1971, RUBIN 1971a, 1971b, AGUIRRE und RUBIN 1974, MARTIN 1995, NAFSTRÖM und EKESTEN 1999). Späte Photorezeptor-Degeneration Bei der später einsetzenden Form sind die Photorezeptorzellen normal angelegt und degenerieren mit zunehmenden Lebensalter, so dass erste Symptome mit drei bis fünf Jahren auftreten und die völlige Blindheit mit sechs bis neun Jahren eintritt. Die Degeneration beginnt im Randbereich der Retina, wobei auch die Regeneration von Stäbchen und Zapfen gestört ist. Die Zapfen degenerieren langsamer als die Stäbchen. Häufig treten sekundär auch andere Augenerkrankungen wie Katarakte auf (MARTIN 1995, NAFSTRÖM und EKESTEN 1999, NAFSTRÖM et al. 2001). Hiervon sind die Rassen Zwerg- und Toy-Pudel (BARNETT 1962, 1965a, 1988, BLACK 1972, RUBIN und FLOWERS 1972, KRÄHENMANN 1974, BARNETT et al. 1983, NAFSTRÖM und EKESTEN 1999, TRBOLOVÁ und LEDECKÝ 2000), Englischer und Amerikanischer Cocker Spaniel (BLACK 1972, KRÄHENMANN 1974, BARNETT et al. 1983, BARNETT 1988), Zwergschnauzer (PARSHALL et al. 1991, NAFSTRÖM und EKESTEN 1999), Labrador und Golden Retriever (GARMER 1986, NAFSTRÖM und EKESTEN 1999), Zwerg- und Langhaardackel (BARNETT et al. 1983, NAFSTRÖM und EKESTEN 1999), Akita Inu (O’TOOLE und ROBERTS 1984, PAULSEN et al. 1988), Samojede (DICE 1980), Tibet Spaniel (BJERKÅS u. NAFSTRÖM 1994) und der Entlebucher Sennenhund (KRÄHENMANN 1974, SPIESS 1994) betroffen. Literatur 52 PRA beim Tibet Terrier Erste Berichte über ein Auftreten der PRA beim Tibet Terrier kommen aus Schweden und Großbritannien (GARMER et al. 1974, BARNETT und CURTIS 1978). Es wird auch aus den USA, Australien und anderen europäischen Ländern über ein Auftreten der PRA beim Tibet Terrier berichtet (MILLICHAMP et al. 1988, NAFSTRÖM und EKESTEN 1999). Auch bei dieser Rasse liegt der PRA eine Degeneration der Stäbchen und Zapfen zu Grunde. Beim Tibet Terrier sind die klinischen Symptome jedoch früher zu beobachten als bei den anderen Rassen, die von der Photorezeptordegeneration betroffen sind. Erste Anzeichen von Nachtblindheit treten oft schon in einem Alter unter einem Jahr auf. Die Degeneration schreitet sehr schnell progressiv fort, so dass eine vollständige Blindheit bei betroffenen Hunden schon in einem Alter von nicht ganz zwei Jahren möglich ist. Es zeigt sich schon sehr früh ein verlangsamter und unvollständiger Pupillarreflex. Bereits ab einem Alter von vier Jahren läßt sich häufig auch eine kortikale Katarakt, die sich bis zur maturen Katarakt entwickelt, nachweisen. Auch die Katarakt tritt bilateral auf. Im peripheren Fundusbereich zeigt sich eine gräuliche Verfärbung, die sich mit Fortschreiten der degenerativen Prozesse in eine Hyperreflexie umwandelt. Bereits in diesem sehr frühen Stadium ist eine Verminderung der retinalen Blutgefäße zu beobachten. Die Hyperreflexie breitet sich dann auf das gesamte Tapetum lucidum aus und ist besonders deutlich im Bereich des N. opticus zu erkennen. Im Endstadium sind auch im Bereich des Tapetum nigrum depigmentierte Bereiche zu erkennen, die von hyperpigmentierten Spots umgeben sind. Mit fortschreitender Progression gehen die Stäbchen schneller zugrunde als die Zapfen (MILLICHAMP et al. 1988, NAFSTRÖM und EKESTEN 1999). Die kongenitale Tagblindheit beim Tibet Terrier (LOEW und RIIS 1983) steht in keinem Zusammenhang zur PRA. Vererbung Für alle unterschiedlichen Formen der PRA wurde ursprünglich bei den meisten Hunderassen bis auf wenige Ausnahmen ein monogen autosomal rezessiver Erbgang angenommen. Für einen monogen autosomal rezessiven Erbgang der PRA spricht, dass die Veränderungen, wie auch bei der Katarakt, bilateral auftreten, dass Literatur 53 das Alter der Tiere und die Progression rassespezifisch ist, und dass fast ausschließlich reinrassige Tiere betroffen sind (NAFSTRÖM und EKESTEN 1999). Der monogen autosomal rezessive Erbgang der Photorezeptor-Dysplasie (frühe Form) wurde für den Irish Setter, den Norwegischen Elchhund, den Collie, den Zwergschnauzer, den Belgischen Schäferhund und für den Alaskan Malamute beschrieben, jedoch scheinen für die unterschiedlichen Rassen verschiedene Mutationen zu Grunde zu liegen (ACLAND et al. 1989). Für diesem Nachweis wurden zum größten Teil Stammbaumanalysen und gezielte Testkreuzungen durchgeführt. Beim Irish Setter und beim Sloughi wurden die Genmutationen aufgeklärt (MILLICHAMP 1990, FARBER et al. 1992, RAY et al. 1994, 1995, CRISTPIN et al. 1995, MARTIN 1995, RAY et al. 1996, ZULEGER et al. 1999, NAFSTRÖM und EKESTEN 1999, PETERSEN-JONES 1999, DEKOMIEN et al. 2000, RUNTE et al. 2000, NAFSTRÖM et al. 2001). Beim Sibirischen Husky wurde anhand von Testkreuzungen und histopathologischen sowie molekulargenetischen Untersuchungen erstmals gezeigt, dass das für die Retinadegeneration verantwortliche Gen auf dem X-Chromosom liegt (BLACK 1972, RUBIN 1989, SMITH 1989, PARSHALL et al. 1991, ACLAND et al. 1994, NAFSTRÖM und EKESTEN 1999, ZEISS et al. 1999, 2000, ZHANG et al. 2001). Der Photorezeptor-Degeneration (späte Form) liegt ein monogen autosomal rezessiver Erbgang zugrunde, der beim Toy-Pudel, Zwergschnauzer und beim Englischen Cocker Spaniel durch Testkreuzungen und Pedigreeanalysen nachgewiesen wurde (BLACK 1972, PARSHALL et al. 1991, TRBOLOVÁ und LEDECKÝ 2000). Allerdings zeigt sich beim Zwergpudel eine Verzerrung in der Aufspaltung der Allele, welches durch Testkreuzungen zwischen betroffenen und nicht-betroffenen Probanden bemerkt wurde. Bei der Anpaarung von betroffenen Rüden und heterozygoten Hündinnen waren statt der erwarteten 50% nur 26% der Nachkommen betroffen, was auf eine Heterogenie oder multifaktorielle Einflüsse hinweist (ACLAND et al. 1990). Beim Tibet Terrier konnte für das Auftreten der PRA an Hand von Testkreuzungen und Pedigreeanalysen ebenfalls ein monogen autosomal rezessiver Erbgang postuliert werden (CURTIS und KEMP 1988, MILLICHAMP et al. 1988, ACVO 1999, NAFSTRÖM und EKESTEN 1999). Literatur 54 In neueren Studien wurde beim Mastiff und beim Bullmastiff eine dominante Form der PRA beschrieben. Allerdings beziehen sich die Berichte bisher auf Angaben in der Home-Page des Mastiff Club of America (www.mastiff.org) und der Firma Optigen (www.optigen.com). Laut diesen Angaben findet derzeit eine Studie am James A. Baker Institute for Animal Health, College of Veterinay Medicine der Cornell University in Ithaca, USA statt. In Testkreuzungen zwischen betroffenen Mastiffs und definitiv PRA-freien Beaglen aus deren Labor, trat bei zwei Welpen, sogenannten Meagles, ebenfalls eine PRA auf. Es soll sich in diesem Fall um eine Punktmutation im Gen für das Rhodopsin handeln (W ALL 2001a, 2001b, 2001c) Diese Mutation in dem entsprechenden Allel wurde jedoch bisher nur beim Menschen beschrieben (KIJAS et al. 2002). Die Firma Optigen bietet kommerziell verschiedene DNA-Tests für Material und Methoden 55 3 Material und Methoden 3.1 Datenquellen und Datenerfassung Das gesamte Datenmaterial wurde von dem Internationalen Klub für Tibetische Hunderassen e.V. (KTR) zur Verfügung gestellt. Die Datenquellen umfassen die Zuchtbücher des KTR der Jahre 1979-1999, außerdem weitere Ahnentafeln und Abstammungsangaben von Tieren, die nicht beim KTR registriert wurden. Vom KTR wurden desweiteren sämtliche Augenuntersuchungsergebnisse der Jahre 1994 bis einschließlich Februar 2001 in Form der „Befundbögen Augenuntersuchung“ zur Verfügung gestellt. Die Augenuntersuchungen wurden nur von Tierärzten durchgeführt und anschließend auf den dafür vorgesehenen Befundbögen festgehalten. Da der von dem Dortmunder Kreis, Gesellschaft für Diagnostik genetisch bedingter Augenerkrankungen bei Tieren e.V. (DOK) erstellte Untersuchungsbogen erst ab dem 01.03.1998 als ausschließliches Dokument für die vorgeschriebenen Augenuntersuchungen beim Tibet Terrier Verwendung fand, wurden die Daten auf zwei verschiedenen Untersuchungsbögen erfasst. Anhang 1 zeigt den vom VDH herausgegebenen Untersuchungsbogen, auf dem 1193 Befunde erfasst wurden, Anhang 2 den vom DOK herausgegebenen Untersuchungsbogen, auf dem 665 Befunde dokumentiert wurden. Die verschiedenen Datenquellen wurden zu einem Datensatz zusammengefasst. Dazu wurden sowohl die Zuchtbuch- und Abstammungsdaten als auch die Befundbögen der Augenuntersuchungen mit Hilfe des Datenbank-Programmes Microsoft Access 2000 und des Tabellenkalkulationsprogrammes Microsoft Excel 2000 erfasst und anschließend auf die Workstation SUN ULTRA Enterprise 450 des Instituts für Tierzucht und Vererbungsforschung der Tierärztlichen Hochschule Hannover transferiert. Die weiteren Auswertungen erfolgten dann mit den Programmen SAS (Statistical Analysis System, SAS-Institute, Cary, NC, USA), Version 8.2 und S.A.G.E. (Statistical Analysis for Genetic Epidemiology), Version 3.0. Für alle untersuchten Tiere wurde ein Datensatz erstellt, der folgende Angaben enthielt: Material und Methoden 56 Name und Zwingername, Zuchtverband, Zuchtbuchnummer, Wurfdatum, Geschlecht, Eltern mit Zuchtbuchnummer, Name und Zwingername, Wurfgröße, Zahl der untersuchten Welpen je Wurf, Inzuchtkoeffizient, Anzahl der Untersuchungen, Untersuchungsdaten (Datum der Untersuchung, Untersucher, Befunde, Alter bei Untersuchung). In den Fällen, in denen einige Angaben wie Inzuchtkoeffizient, das Geburtsdatum oder Angaben zum Wurf fehlten, wurde die betreffende Variable mit „unbekannt“ codiert, so dass der Datensatz nicht vollständig aus dem Datenmaterial herausgenommen wurde, aber in bestimmte Auswertungen nicht mit einfloss. 3.2 Struktur des Datenmaterials Aus den Zuchtbüchern des KTR der Jahre 1979-1999 gingen 1237 Würfe mit 6411 eingetragenen Welpen hervor. Die Wurfgröße lag zwischen einem und elf Welpen, bei einem Mittelwert von 5,19 ± 1,97. Weiterhin wurden 231 Tiere (81 Rüden und 150 Hündinnen) als Importtiere in das Zuchtbuch aufgenommen. Desweiteren lagen 52 Ahnentafeln mit 3-5 Generationen von Importhunden bzw. Hunden anderer Zuchtverbände vor. Außerdem waren weitere Angaben zu 464 sonstigen Tibet Terriern, die nicht dem KTR angehörten, verfügbar. Für die Auswertungen lagen somit insgesamt die Daten von 6743 Hunden (3250 Hündinnen und 3493 Rüden) vor. Von den insgesamt beim KTR registrierten 1468 Würfen wurden aus 441 Würfen 677 Hunde auf Augenkrankheiten untersucht. Diese Tiere stammten aus 107 Zwingern. Desweiteren wurden 172 aus dem Ausland importiere Tibet Terrier untersucht. Das Untersuchungsmaterial umfasste somit 849 Probanden, 342 Rüden (40,28%) und 507 Hündinnen (59,72%). Probanden sind Hunde der Rasse Tibet Terrier, die mindestens einmal opthalmologisch untersucht wurden, und deren Untersuchungen auf einem der beiden oben genannten Befundbögen dokumentiert Material und Methoden 57 wurden. Insgesamt lagen 1861 Untersuchungsbögen vor. Tabelle 2 vergleicht die Untersuchungen nach Geschlecht und Jahr der Untersuchung der Probanden. Die Untersuchungen stammen aus den Jahren 1987 bis Februar 2001. Da der größte Teil der Untersuchungen aus den Jahren 1994 bis 2000 stammt, wurden die Untersuchungen von 1987 bis 1994 sowie von 2000 und 2001 zu jeweils einer Gruppe zusammengefasst. Tabelle 2: Verteilung der Untersuchungen nach Geschlecht und Jahr der Untersuchung (n=1861) Untersuchungsjahr Geschlecht ≤1994 1995 1996 1997 1998 1999 ≥2000 Gesamt ♂ 105 99 101 123 107 88 128 751 ♀ 163 179 164 158 161 122 163 1110 Σ 268 278 265 281 268 210 291 1861 Die Verteilung der 849 Probanden nach den Geburtsjahren 1981-2000 zeigt die nachfolgende Tabelle 3. Zugleich enthält die Tabelle zum Vergleich die Gesamtzahl der in den entsprechenden Jahren geborenen Zuchttiere des KTR (n=1117). Material und Methoden 58 Tabelle 3: Anzahl der Probanden (n=849) und der Zuchttiere pro Geburtsjahr 1989- 1991- 1993- 1995- 1997- 1999- 1990 1992 1994 1996 1998 2000 67 92 133 196 185 142 34 23/44 20/72 57/96 85/111 76/109 61/81 20/14 - gesamt 382 107 134 166 151 122 55 ♂/♀ 144/238 34/73 43/91 58/108 49/102 44/78 18/37 untersuchung 86 80 94 144 119 91 24 ♂/♀ 34/52 30/50 33/61 46/98 41/78 35/56 9/15 Geburtsjahr Anzahl der Probanden ♂/♀ ≤1988 Anzahl der Zuchttiere des KTR: - mit Augen- Von diesen Zuchttieren weisen 638 Tiere selbst einen Augenuntersuchungsbefund auf, und kommen als Elterntiere für Probanden im Datenmaterial vor. Tabelle 4 zeigt die Altersverteilung der Probanden bei der ersten Augenuntersuchung in den jeweiligen Untersuchungsjahren. Ebenfalls aus den Zuchtbestimmungen resultiert der Umstand, dass die Tiere nicht im Welpenalter untersucht wurden. Außerdem wurden einige Tiere mehrfach untersucht, wie aus Tabelle 5 ersichtlich ist. Das Alter der Tiere bei allen Untersuchungen schwankt zwischen 52 Tagen und 12,5 Jahren und liegt im Durchschnitt bei 3,43 Jahren. Die meisten Zuchttiere wurden erwartungsgemäß im Alter von 2 bis 3 Jahren das erste Mal ophthalmologisch untersucht. Zu Beginn der Einführung der Augenuntersuchungen waren die älteren Tiere noch häufiger vertreten. Auch in den aktuelleren Untersuchungsjahren wurden 4-jährige und ältere Hunde zum ersten Mal ophthalmologisch untersucht. Material und Methoden 59 Tabelle 4: Verteilung des Alters der Hunde bei der Erstuntersuchung nach Untersuchungsjahr (n=849) Untersuchungsjahr Alter in ≤1994 1995 1996 1997 1998 1999 ≥2000 Gesamt 1 12 4 5 13 5 4 8 51 2 55 54 45 56 53 46 48 357 3 46 16 24 19 21 14 20 160 4 36 13 4 7 9 10 10 89 5 20 22 7 3 3 3 6 64 6 19 11 3 4 3 1 3 44 ≥7 38 12 18 5 6 0 5 84 3,56 3,07 3,13 2,19 2,35 1,96 2,41 849 Jahren Durchschnittsalter Die Tiere wurden mindestens einmal und maximal zwölfmal untersucht. Die Anzahl der untersuchten Tiere insgesamt und die Anzahl der jeweiligen Untersuchungen pro Tier sind aus Tabelle 5 zu ersehen. Tabelle 5: Anzahl der Untersuchungen pro Tier Anzahl der Untersuchungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Σ ♂ 194 57 29 22 15 6 6 7 4 0 1 1 342 ♀ 239 101 67 58 28 5 6 3 0 0 0 0 507 Σ 434 158 96 80 43 11 12 10 4 0 1 1 849 Aufgrund der Zuchtbestimmungen wurden nicht alle Welpen eines Wurfes untersucht, sondern nur Tiere, die zur Zucht eingesetzt werden sollten. Die Probanden Material und Methoden 60 stammen aus 441 Würfen mit ein bis zehn Welpen bei einem Mittelwert von 5,56 ± 1,9 (Tabelle 6). Die Anzahl der Tiere, die pro Wurf untersucht wurden, variierte zwischen ein und sieben Welpen. Tabelle 6: Verteilung der Probanden (n=677) nach der Wurfgröße Anzahl der Welpen pro Wurf Anzahl der Probanden Anzahl Würfe 1 2 3 4 5 8 9 10 unbekannt 6 26 51 81 127 148 138 56 36 8 172 6 21 36 59 23 8 - 86 6 99 7 72 31 Um das Verhältnis zwischen Wurfstärke und dem Anteil untersuchter Welpen je Wurf besser darstellen zu können, wurde der Prozentanteil der untersuchten Tiere je Wurf errechnet. Dieser bewegte sich zwischen 10 und 100 % untersuchter Tiere je Wurf. Durchschnittlich wurden 39,6 % der Tiere je Wurf untersucht. Zur besseren Übersicht wurde eine Unterteilung in Klassen durchgeführt (Tabelle 7). Für 172 Tiere lagen keine Angaben zur Wurfgröße vor. Tabelle 7: Prozent untersuchter Tiere je Wurf, eingeteilt in Wurfklassen Prozent Klasse untersuchter Tiere pro Wurf Anzahl der Probanden Anzahl der (n=849) / Würfe (n=441) Untersuchungen (n=1861) unbekannt - 172 / - 448 1 0 – 20 202 / 202 417 2 > 20 – 40 230 / 144 490 3 > 40 – 60 121 / 53 250 4 > 60 – 100 70 / 24 145 5 > 80 – 100 54 / 18 111 Material und Methoden 61 Ab dem Jahre 1998 stammen die Augenuntersuchungen ausschließlich von DOKMitgliedern. Die Tabelle 8 zeigt die Zahl aller Untersuchungen pro Jahr. Tabelle 8: Anzahl der Untersuchungen pro Jahr und Proband Untersuchungsjahr Gesamt Rüden Hündinnen ≤ 1994 268 105 163 1995 278 99 179 1996 265 101 164 1997 281 123 158 1998 268 107 161 1999 210 88 122 ≥ 2000 291 128 163 Um eine Unterscheidung zwischen DOK-Tierärzten und Nicht-DOK-Tierärzten treffen zu können, wurde eine Kennzeichnung für die beiden Gruppen von Tierärzten vergeben. An Hand der aktuellen Mitgliederliste wurden den Tierärzten, die Mitglied im DOK sind, eine Kennzeichnung vergeben, die sich von der Kennzeichnung der Mitglieder unterscheidet, die nicht dem DOK angehören. Diese Kennzeichnung wurde für alle Untersuchungsergebnisse beibehalten, daher wurde auch in den Untersuchungsjahren vor der Gründung des DOK die Bezeichnung DOK-Mitglied verwendet. Tabelle 9 zeigt die Anzahl der durchgeführten Augenuntersuchungen in den Untersuchungsjahren 1994-2000, verteilt auf DOK-Mitglieder, Nicht-DOKMitglieder und Untersuchungsbögen, denen keine Angaben zu dem untersuchenden Tierarzt zu entnehmen waren. Material und Methoden 62 Tabelle 9: Anzahl der durchgeführten Untersuchungen nach DOK- und Nicht-DOKMitgliedern ≤1994 1995 1996 1997 1998 1999 162 170 183 198 226 210 291 1440 96 87 67 79 37 0 0 366 10 21 15 4 5 0 0 55 DOK-Mitglieder Nicht-DOKMitglieder keine Angabe ≥2000 gesamt Die Augenuntersuchungen wurden von 56 DOK-Mitgliedern und 71 Nicht-DOKMitgliedern durchgeführt. Nur 14 Probanden wurden ausschließlich von Nicht-DOKMitgliedern untersucht, während die übrigen 835 Probanden mindestens ein Mal einem DOK-Tierarzt zur Untersuchung vorgestellt wurden. Die Anzahl der Untersuchungen pro Tierarzt unterliegt erheblichen Schwankungen (Tabelle 10). Tabelle 10: Zahl der Untersuchungen pro Tierarzt (n=127) Anzahl der Tierärzte Anzahl der Untersuchungen Zahl der Untersuchungen DOK Nicht-DOK DOK Nicht-DOK 1 13 18 13 18 2-5 13 25 37 73 6-10 8 11 61 74 11-20 6 6 89 91 21-50 8 4 260 110 51-100 4 0 293 - >100 4 0 687 - An Hand der Zuchtbuchangaben und der Ahnentafeln konnten Pedigrees erstellt werden, so dass die Angaben zur Abstammung bis zu neun Generationen umfassen. Für drei Generationen kann die Vollständigkeit der Probandenpedigrees der Abbildung 8 entnommen werden. Ausgehend von den 849 untersuchten Tiere ist die Anzahl der Probanden mit bekannten Vätern, Großvätern und Urgroßvätern in den Material und Methoden 63 Quadraten und die Anzahl der Probanden mit bekannten Müttern, Großmüttern und Urgroßmüttern in den Kreisen dargestellt. 318 318 319 693 311 518 518 703 693 512 504 700 841 843 849 Abbildung 8: Vollständigkeit des Pedigrees Die Probanden stammen von 226 Vätern, 166 Großvätern und 281 Großmüttern ab. Ein und der selbe Großvater stellt maximal 12 Väter im Datenmaterial. Auf der mütterlichen Seite verteilen sich die Probanden auf 407 Mütter. 22 Mütter haben den gleichen Vater. Die Tabelle 11 zeigt die Anzahl der jeweiligen Ahnen für das Probandenmaterial an. Material und Methoden 64 Tabelle 11: Struktur des Datenmaterials nach Familien und Zwingern Datensatz Anzahl Anzahl der Probanden insgesamt 849 Anzahl der Probanden beim KTR 677 Anzahl der bekannten Würfe 441 Anzahl der Zwinger beim KTR 107 Anzahl der Importtiere 172 Anzahl der Probanden mit bekannten Eltern 835 Anzahl der Väter 226 Anzahl der Mütter 407 Anzahl der Großväter väterlicherseits 82 Anzahl der Großmütter väterlicherseits 100 Anzahl der Großväter mütterlicherseits 121 Anzahl der Großmütter mütterlicherseits 217 Anzahl Großväter insgesamt 166 Anzahl Großmütter insgesamt 281 Anzahl Urgroßväter insgesamt 134 Anzahl Urgroßmütter insgesamt 194 Prozent untersuchter Welpen je Wurf (Durchschnitt) Anzahl der Vollgeschwisterfamilien 39,6 189 Die Diskrepanzen zwischen der Summe der väterlichen und mütterlichen Großvätern (n=166) und der errechneten Summe zwischen den Großvätern väterlicherseits und den Großvätern mütterlicherseits (n=203) ergibt sich dadurch, dass dasselbe Tier als Großvater sowohl auf der väterlichen als auch auf der mütterlichen Seite auftreten kann. In diesem Fall bedeutet dies, dass die Väter und Mütter von 37 Probanden Halbgeschwister sind. Bei den Großmüttern ergibt sich diese Diskrepanz zwischen der Summe der väterlichen und mütterlichen Großmütter (n=339) und der errechneten Summe zwischen Material und Methoden 65 den väterlichen und mütterlichen Großmüttern (n=281). Hier ergibt sich, dass bei 58 Probanden die Väter und Mütter Halbgeschwister sind. Die Anzahl der Vollgeschwisterfamilien ergibt sich aus den Familien aus den Zuchtbüchern des KTR und den bekannten Familien von Tieren aus anderen Zuchtverbänden oder dem Ausland. Der Inzuchkoeffizient wurde mit Hilfe der Prozedur INBREED von SAS, Version 8.2 auf der Basis von 9 Ahnengenerationen für 6116 Tiere berechnet. Der duchschnittliche Inzuchkoeffizient (F) für alle im Datenmaterial erfaßten Tiere betrug 0,89%, der maximale 28,125%, die Standardabweichung lag bei 3,34%. Bezogen auf die Probanden konnte ein Inzuchtkoeffizient für 761 Probanden errechnet werden. Für 88 Probanden konnte kein Inzuchtkoeffizient berechnet werden. Bei diesen Tieren handelt es sich um Importtiere, von denen lediglich die Elterngenerationen bekannt waren. Der durchschnittliche Inzuchtkoeffizient der 761 Probanden lag hier bei 0,59% mit einer Standardabweichung von 2,34%. Der maximale Inzuchtkoeffizient betrug 25%. Material und Methoden 3.3 66 Deskriptive Statistiken für die Augenuntersuchungsergebnisse Die Auswertung der Befundbögen für die Augenuntersuchung ergab, dass die in Tabelle 12 aufgeführten Diagnosen gestellt wurden. Tabelle 12: Gestellte Diagnosen auf den Befundbögen für die Augenuntersuchung VDH-Formulare DOK-Befundbögen (n=1193) (n=668) 1 0 Trichiasis 6 0 Entropium 1 0 Distichiasis 69 65 Linsenluxation 11 2 MPP 71 97 Katarakt 54 20 PRA 13 3 Retinadysplasie 0 1 Tränenpunktatresie/ Tränenpunktstenose Aufgrund der Häufigkeiten der Diagnosen wurden die Befunde für die Distichiasis, die primäre Linsenluxation, die Membrana pupillaris persistens (MPP), die Katarakt und die Progressive Retinaatrophie (PRA) ausgewertet. Bei der Katarakt wurde keine Unterscheidung bezüglich nicht-kongenitaler bzw. kongenitaler Katarakt getroffen, da die Tiere nicht direkt nach der Geburt untersucht wurden, bzw. auf den VDH-Formularen eine diesbezügliche Unterscheidung nicht getroffen wurde. Die Katarakte wird im weiteren Verlauf als nicht-kongenitale Katarakt angesehen und nur mit der Bezeichnung Katarakt genannt, die primäre Linsenluxation beim Tibet Terrier wird mit der Bezeichnung Linsenluxation genannt. Bei der Auswertung der einzelnen Befunde stellte sich das Problem, dass grundsätzlich die Befunde für die Berechnung in einem Schwellenwertmodell codiert werden mussten. Die in Worte gefassten Befunde mussten eine eindeutige nummerische Codierung erhalten. Eine zusätzliche Schwierigkeit bestand darin, dass im Laufe der Material und Methoden 67 Zeit zwei unterschiedliche Untersuchungsbögen verwendet wurden, auf denen sich die Beschreibung der einzelnen Befunde etwas unterschiedlich darstellt. Um die Daten in ein Schema zu fassen, mit dem gerechnet werden konnte, mussten die einzelnen Untersuchungsergebnisse so codiert werden, dass eine einheitliche Auswertung möglich war. Diese Codierung ist der Tabelle 13 zu entnehmen. Tabelle 13: Nummerische Klassifizierung der Befunde Befunde VDHUntersuchungsbogen Distichiasis Nein Ja Linsenluxation Membrana pupillaris persistens (MPP) kein Befund Nein Ja kein Befund Nein Ja kein Befund Katarakt frei zweifelhaft nicht frei kein Befund* Progressive frei Retinazweifelhaft atrophie nicht frei (PRA) kein Befund DOKUntersuchungsbogen frei vorläufig nicht frei nicht frei frei vorläufig nicht frei nicht frei frei zweifelhaft nicht frei frei vorläufig nicht frei nicht frei frei vorläufig nicht frei nicht frei Codierung 0 1 2 # 0 1 2 # 0 1 2 # 0 1 2 # 0 1 2 # Die Feststellung „kein Befund“ resultiert daraus, dass auf den Untersuchungsbögen zu diesem Punkt keine Angaben gemacht wurden, d. h. das Feld wurde nicht angekreuzt, bzw. auf diese Erkrankung wurde nicht untersucht. Auf den DOKUntersuchungsbögen trat die Angabe „kein Befund“ nicht mehr auf, da die DOKUntersucher verpflichtet sind, zu allen genannten Punkten Angaben zu machen. Material und Methoden 68 Zur Codierung der Krankheiten wurden die Befunde für jedes Tier in chronologischer Reihenfolge zusammengefasst. Alle Tiere, die zumindest einen positiven Befund bei MPP oder Distichiasis hatten, wurden für diese Krankheit als positiv eingestuft. Bei den Tieren mit der Diagnose Linsenluxation traten keine davon abweichenden Diagnosen auf, so dass alle betroffenen Tiere eindeutig positiv bewertet wurden. Bei den Hunden, die einen Befund „vorläufig nicht frei“ für Katarakt und PRA ohne weiteres bestätigendes Gutachten hatten, wurden als „frei“ gewertet. Tiere, die in einem Obergutachten einen positiven Befund zeigten, wurden als „nicht frei“ gewertet. Tiere, für die kein Befund vorlag, wurden mit „unbekannt“ eingestuft. Die Codierung erfolgte analog zu der Codierung in Tabelle 13. Positiv beurteilten Tieren wurde eine „1“ zugeordnet, negativ beurteilten Tieren eine „0“ und Tiere mit unbekanntem Krankheitsstatus wurden für die entsprechende Krankheit als fehlend behandelt. In Tabelle 14 ist zu erkennen, wieviele der insgesamt 849 Probanden von der jeweiligen Augenerkrankung betroffen sind. Tabelle 14: Anzahl der betroffenen Probanden pro Erkrankung Anzahl der Tiere mit Prozentsatz betrof- positivem Befund fener Tiere Distichiasis 97 11,43% MPP 109 12,84% Linsenluxation 11 1,29% Katarakt 40 4,71% PRA 12 1,41% Merkmal In dem Probandenmaterial zeigten 97 Tiere (33 Rüden, 64 Hündinnen) eine Distichiasis. Diese Tiere verteilten sich auf 62 Väter und 82 Mütter. Die Tiere kamen aus 61 Zwingern. 74 Tiere konnten Würfen aus dem Zuchtbuch des KTR zugeordnet werden, die anderen 23 Tiere waren Importtiere oder Tiere aus anderen Zuchtverbänden. Die Wurfgröße bei diesen 74 Tieren lag zwischen zwei und zehn Welpen. Von den vertretenen 97 Tieren mit Distichiasis waren 18 Tiere außerdem von Material und Methoden 69 der MPP betroffen, drei Tiere hatten zusätzlich eine Katarakt und vier Tiere zusätzlich einen Verdachtsbefund auf Katarakt. Von der MPP waren im Probandenmaterial 109 Tiere (60 Rüden, 49 Hündinnen) betroffen. Davon hatten 18 Tiere außerdem Distichiasis, zwei Tiere hatten zusätzlich eine Linsenluxation und fünf Tiere zeigten eine Katarakt. Bei einem Tier war die Abstammung unbekannt, die restlichen 108 Tiere verteilten sich auf 57 Zwinger mit 62 verschiedenen Vater- und 89 verschiedenen Muttertieren. Für 23 Tiere konnten keine Wurfdaten erhoben werden. Aus den Daten ging hervor, dass es sich bei diesen Tieren um Importtiere aus dem Ausland oder aus anderen Zuchtverbänden handelte. Bei den restlichen 86 Tieren betrug die Wurfstärke zwischen ein und zehn Welpen, die durchschnittliche Wurfstärke lag bei 5,43. Bei den Befunden der Linsenluxation zeigten elf Tiere einen eindeutig positiven Befund. Betroffen waren sechs Hündinnen und fünf Rüden. Zwei Tiere zeigten außerdem eine MPP und ein Tier einen zusätzlich eindeutigen Kataraktbefund. Die 11 Tiere mit Linsenluxation verteilten sich auf acht Väter und neun Mütter. Die Tiere kamen aus neun Zwingern. Sechs Tiere konnten Würfen aus dem Zuchtbuch des KTR zugeordnet werden, die anderen fünf Tiere waren Importtiere oder Tiere aus anderen Zuchtverbänden. Die Wurfgröße bei diesen sechs Tieren lag zwischen zwei und sechs Welpen. Im Probandenmaterial waren 40 Tiere (17 Rüden, 23 Hündinnen) vorhanden, die eine Katarakt bzw. einen Verdachtsbefund auf Katarakt zeigten. Sechs Tiere hatten außerdem eine MPP, ebenfalls sechs Tiere eine Distichiasis und ein Tier eine Linsenluxation. Bei zwei Tieren wurde zusätzlich eine PRA festgestellt, bei zwei weiteren Tieren ein Verdacht auf PRA. Die 40 Tiere mit Katarakt verteilten sich auf 29 Väter und 35 Mütter. Die Tiere kamen aus 29 Zwingern. Bei einem Tier war die Abstammung unbekannt. 35 Tiere konnten Würfen aus dem Zuchtbuch des KTR zugeordnet werden, die anderen fünf Tiere waren Importtiere oder Tiere aus anderen Zuchtverbänden. Die Wurfgröße bei diesen 35 Tieren lag zwischen zwei und acht Welpen. Material und Methoden 70 Bei der PRA zeigten sich 18 Tiere (zehn Rüden und acht Hündinnen), bei denen eine PRA positiv bzw. zweifelhaft befundet wurde. Bei zehn Tieren (drei Rüden, sieben Hündinnen) war der Befund eindeutig, zwei Tiere (ein Rüde, eine Hündin) waren zweifelhaft und wurden bei einer Nachuntersuchung als positiv eingestuft. Sechs Tiere mit zweifelhaften Befund wurden bei einer Nachuntersuchung als PRAfrei eingestuft. Insgesamt ergeben sich somit zwölf Tiere (vier Rüden und acht Hündinnen), die in der Auswertung berücksichtigt wurden. Fünf Tiere zeigten außerdem einen eindeutigen Kataraktbefund, ein Tier eine Distichiasis. Die zwölf Tiere mit PRA verteilten sich auf zwölf Väter und zwölf Mütter. Die Tiere kamen aus zehn verschiedenen Zwingern. Acht Tiere konnten Würfen aus dem Zuchtbuch des KTR zugeordnet werden, die anderen vier Tiere waren Importtiere oder Tiere aus anderen Zuchtverbänden. Die Wurfgröße bei diesen acht Tieren lag zwischen zwei und sieben Welpen. 3.4 Statistische Methoden Zunächst wurde eine Varianzanalyse durchgeführt, um einen Überblick über die Bedeutung systematischer Einflussfaktoren auf das Auftreten der Augenkrankheiten zu bekommen. Hierbei wurden die Einflüsse fixer und zufälliger Effekte berücksichtigt. Mittels komplexen Segregationsanalysen wurden im Anschluß daran Hypothesen bezüglich des Erbgangs geprüft. Die Ergebnisse der Tests in den statistischen Analysen gelten als signifikant, wenn die berechnete Irrtumswahrscheinlichkeit kleiner als 5% (p≤0,05) ist. 3.4.1 Varianzanalyse Die Varianzanalyse wurde mit Hilfe der Prozedur MIXED (SAS, Version 8.2) durchgeführt. Als Schätzmethode wurde Restricted Maximum Likelihood (REML) gewählt. Dabei wurden die nachfolgend erläuterten Effekte simultan für alle Probanden in einem linearen Modell berücksichtigt und mittels der verallgemeinerten linearen Hypothese auf Signifikanz geprüft. Die binominal verteilten Krankheitsmerkmale Material und Methoden 71 Distichiasis, Linsenluxation, MPP, Katarakt und PRA (0=nicht betroffen, 1=betroffen) wurden als quasi-kontinuierlich verteilt ausgewertet. Die nachfolgend beschriebenen Effekte wurden bei der Varianzanalyse berücksichtigt. Geschlecht: Das Geschlecht wurde als fixer Effekt betrachtet. Klasse Geschlecht Anzahl Probanden 0 Männlich 342 1 Weiblich 507 Inzuchtkoeffizient: Der Inzuchtkoeffizient wurde als fixer Effekt in drei Klassen betrachtet. Klasse Inzuchtkoeffizient (F) Anzahl Probanden 0 F=0 655 1 F>0 106 9 unbekannt 88 Geburtsjahr: Das Geburtsjahr wurde als fixer Effekt betrachtet und in 4 Klassen zusammengefasst. Anzahl der Klasse Geburtsjahr 1 < 1991 159 2 1991 – 1993 236 3 1994 – 1996 278 4 > 1996 176 Probanden Material und Methoden 72 Wurfgrößenklasse: Die Wurfgröße variierte zwischen 1 und 10 Welpen pro Wurf, die mittlere Wurfstärke lag bei 5,6 Welpen. Da die Wurfgröße bei importierten Tieren und den Tieren aus anderen Zuchtverbänden nicht bekannt war, wurden diese Tiere als unbekannt eingestuft. Anzahl der Klasse Wurfgröße 1 1-4 Welpen 164 2 5 Welpen 127 3 6-10 Welpen 386 9 unbekannt 172 Probanden Prozent untersuchter Tiere je Wurf Der Anteil der untersuchten Tiere in einem Wurf wurde in folgende fünf Klassen unterteilt: Prozent Klasse untersuchter Tiere je Wurf Anzahl der Probanden 1 1 – 20% 202 2 21 – 40% 230 3 41 – 60% 121 4 61 – 100% 124 9 unbekannt 172 Material und Methoden 73 Anzahl der Untersuchungen pro Tierarzt Die Anzahl der Untersuchungen pro Tierarzt, bezogen auf das Probandenmaterial wurde in folgende vier Klassen unterteilt Anzahl der Klasse Untersuchungen pro Tierarzt Anzahl der Probanden 1 1-20 153 2 21-50 136 3 51-100 131 4 >100 429 Dabei wurde für jeden Probanden der Tierarzt ausgewählt, der die höchste Anzahl von Untersuchungen aufwies. In der Auswertung wurden außerdem das Alter in Tagen bei der erstmaligen Diagnose einer Augenerkrankung als lineare und quadratische Kovariable berücksichtigt. Das Alter errechnet sich aus der Differenz zwischen dem Datum der Untersuchung und dem Geburtsdatum und muss deshalb nicht mit dem Manifestationsalter identisch sein. Modell 1: Yijklmnopqrst =µ + SEXi + INZKj + GJKk + PROKl +WGRm + UQAn + b1*AGEo + 2 p b2*(AGE) + Zwingerq +VZBr + MZBs + eijklmnopqrst mit Yijklmnopqrst: Krankheitsstatus des ijklmnopq–ten Tieres (jeweils für MPP, Distichiasis, Katarakt, Linsenluxation und PRA) SEXi fixer Effekt des Geschlechts (i = 1-2) INZKj fixer Effekt des Inzuchtkoeffizienten (j = 1-3) GJKk fixer Effekt des Geburtsjahres (k = 1-4) PROKl fixer Effekt Prozent untersuchter Tiere pro Wurf (l = 1-5) Material und Methoden 74 WGRm fixer Effekt der Wurfgrößenklasse (m = 1-4) UQAn fixer Effekt der Häufigkeit von Untersuchungen pro Tierarzt (n = 1-4) AGEo Alter des Tieres bei der Erstuntersuchung als lineare Kovariable 2 p (AGE) Alter des Tieres bei der Erstuntersuchung als quadratische Kovariable b1, b2 partielle Regressionskoeffizienten Zwingerq zufälliger Effekt des Zwingers (q = 1-203) VZBr zufälliger Effekt des Vaters (r = 1-226) MZBs zufälliger Effekt der Mutter (s = 1-407) eijklmnopqrst Resteffekte Die Anzahl der Zwinger unterscheidet sich von der Anzahl der Zwinger im KTR in Tabelle 11, da auch hier die Importhunde mit eigenem Zwingernamen als auch Hunde, die nicht dem KTR angehören mit jeweil eigenem Zwingernamen aufgeführt sind. 3.4.2 Varianzkomponentenschätzung Für die Schätzung der genetischen Parameter wurde das Programmpaket VCE Version 4.2.5 (Groeneveld Augenerkrankungen wurden 1998) verwendet. die Für additiv-genetische die verschiedenen Varianz, die Varianzkomponenten für die Wurfumwelt und die Residualvarianz mittels Restricted Maximum Likelihood (REML) geschätzt. Die Heritabilitäten und deren Standardfehler wurden aus den geschätzen Dispersionsparametern abgeleitet. Dazu wurde das nachfolgende Modell (Modell 2) verwendet. Modell 2: Yijklmnopqrst =µ + SEXi + WURFj + INZKk + GJKl + PROKm + WGRn + USTATUSo + 2 q b1*AGEp + b2*(AGE) + a + eijklmnopq mit Yijklmnopqrst: Krankheitsstatus des ijklmnopq–ten Tieres (jeweils für MPP, Distichiasis, Katarakt, Linsenluxation und PRA) Material und Methoden 75 SEXi fixer Effekt des Geschlechts (i = 1-2) WURFj zufälliger Effekt des Wurfes (j = 1-596) INZKk fixer Effekt der Inzuchtklasse (k = 1-3) GJKl fixer Effekt Geburtsjahrklasse (l = 1-4) PROKm fixer Effekt Prozent untersuchter Tiere pro Wurf (m = 1-5) WGRn fixer Effekt der Wurfgrößenklasse (n = 1-4) USTATUSo fixer Effekt der Häufigkeit der Untersuchungen pro Tierarzt (o = 1-4) AGEp Alter des Tieres bei der Erstuntersuchung als lineare Kovariable 2 q (AGE) Alter des Tieres bei der Erstuntersuchung als quadratische Kovariable b1, b2 partielle Regressionskoeffizienten ar additiv genetischer Effekt eijklmnopqr Resteffekte Die phänotypische Varianz ergibt sich aus Varianzkomponenten: 2 2 2 2 sp = sa + sw + se mit 2 sp : gesamte phänotypische Varianz 2 sa : additiv genetische Varianz 2 Varianzkomponente für die Wurfumwelt 2 Restvarianz sw : se : Die Heritabiliät berechnet sich nach der Formel: 2 2 2 2 2 h = sa / (sa + sw + se ) der Summe folgender Material und Methoden 76 3.4.3 Segregationsanalysen Mit Hilfe von regressiven Logit-Modellen (Prozeduren REGD und REGTL von S.A.G.E., Version 3.0) wurden folgende Erbgänge getestet: • Ein-Locus-Modell (Mendel) • dominant • rezessiv • willkürlich • Polygenes Modell • Gemischtes Modell mit Hauptgeneffekt und polygener Komponente • mit dominantem Hauptgeneffekt • mit rezessivem Hauptgeneffekt • mit willkürlichem Haupgeneffekt • Homogenität zwischen Generationen • keine genetischen Effekte, nur zufallsbedingte Umweltstreuung (µ-Modell) Die regressiven Logit-Modelle bei Verwendung der Prozedur REGTL berücksichtigen das Alter bei der Untersuchung und sind damit für Erkrankungen mit variablem Manifestationsalter besser geeignet als die Modelle, die mit Hilfe von REGD berechnet werden können. Die Erkrankungshäufigkeit wurd demnach als zensiertes Merkmal behandelt. Das Auftreten der verschiedenen Augenerkrankungen (Linsenluxation (LL), Progressive Retinaatrophie (PRA), Katarakt (KAT), Membrana pupillaris persistens (MPP) und Distichiasis (DISTI) wurde jeweils als dichotomes Merkmal (nicht betroffen = 0, betroffen = 1) in den Logit-Modellen getestet. Die Pedigrees wurden als zufällig ermittelt betrachtet, weswegen keine Korrektur für die Art der Ermittlung durchgeführt wurde. Dies erscheint gerechtfertigt, da nach der Zuchtordnung des KTR alle zur Zucht eingesetzten Tiere eine Augenuntersuchung durch den DOK nachweisen müssen und die Auswahl der Pedigrees aufgrund der Eltern und nicht der Nachkommen erfolgte. Material und Methoden 77 Die Modelle sind folgendermaßen definiert: Modell 1 – Allgemeines Modell kein Hardy-Weinberg-Gleichgewicht, zufällige Genotypfrequenzen (ΨAB = 1 - ΨAA ΨBB) willkürliche Transmissionswahrscheinlichkeiten (τAA, τAB, τBB) willkürlicher Hauptgeneffekt ohne Geschlechts- oder Klasseneffekte (βAA♂(y) = βAA♀(y); βAB♂(y)=βAB♀(y); βBB♂(y) = βBB♀(y)) Elterneffekte: Familiäre Korrelation = 1 gleiche Elterneffekte, gleiche Effekte für Vater und Mutter, gleiche Klasseneffekte, nicht betroffene Klasse entspricht in ihrem Effekt der betroffenen Klasse [δS(0) = -δS(1) und δM(0) = δF(0) = -δM(1) = -δF(1)] (S = Paarungspartner, F = Vater, M = Mutter, P = Eltern) → 2 Parameter: δS(betroffen), δP(betroffen) Familiäre Korrelation = 3 zufällige Elterneffekte, jeweils Effekte für Vater und Mutter, nicht betroffene Klasse entspricht in ihrem Effekt der betroffenen Klasse [δS(0) = -δS(1) und δM(0) = -δM(1) und δF(0) = -δF(1)] (S = Paarungspartner, F = Vater, M = Mutter, P = Eltern) → 3 Parameter: δS(betroffen), δF(betroffen), δM(betroffen) Familiäre Korrelation = 5 gleiche Elterneffekte, jeweils Effekte für die nicht betroffene Klasse und betroffene Klasse [δM(0) = δF(0) und δM(1) = δF(1)] (S = Paarungspartner, F = Vater, M = Mutter, P = Eltern) → 4 Parameter: δS(0), δS(betroffen), δP(0), δP(betroffen) Material und Methoden 78 Familiäre Korrelation = 7 willkürliche Elterneffekte, jeweils Effekte für Vater und Mutter und jeweils Effekte für die nicht betroffene Klasse und betroffene Klasse → 6 Parameter: δS(0), δS(betroffen), δM(0), δM(betroffen), δF(0), δF(betroffen) Modell 2 – Ein-Locus-Modelle, Mendelsche Vererbung a) dominanter Effekt b) rezessiver Effekt c) willkürlicher Effekt 2 2 Hardy-Weinberg-Gleichgewicht (ΨAB = qA und ΨAB = 2qA(1-qA) und ΨBB = (1-qA) , wobei qA die Frequenz des Allels A ist) Vererbung nach Mendel mit den Transmissionswahrscheinlichkeiten τ für einen autosomalen Erbgang: τAA = 1, τAB = 0,5 und τBB = 0 a) dominanter Hauptgeneffekt, klassenabhängiger Effekt, aber kein Geschlechtseffekt (βAA♂(y) = βAB♂(y) = βAA♀(y) = βAB♀(y) und βBB♂(y) = βBB♀(y)) b) rezessiver Hauptgeneffekt, klassenabhängiger Effekt, aber kein Geschlechtseffekt (βBB♂(y) = βAB♂(y) = βBB♀(y) = βAB♀(y) und βAA♂(y) = βAA♀(y)) c) willkürlicher Hauptgeneffekt ohne Geschlechts- oder Klasseneffekte (βAA♂(y) = βAA♀(y); βAB♂(y) = βAB♀(y); βBB♂(y) = βBB♀(y)) keine Elterneffekte, keine Effekte der betroffenen Klasse (δS(0) = -δS(1) = δM(0) = δF(0) = -δM(1) = -δF(1) = 0, S = Paarungspartner, F = Vater, M = Mutter) Modell 3 – Polygenes Modell kein Hardy-Weinberg-Gleichgewicht, zufällige Genotypfrequenzen (ΨAB = 1 - ΨAA ΨBB) keine Eltern-Nachkommen-Transmission (τAA = τAB = τBB = qA) Klasseneffekt, aber kein Hauptgen- und Geschlechtseffekt (βAA♂(y) = βAA♀(y) = βAB♂(y) = βAB♀(y) = βBB♂(y) = βBB♀(y) = β) Elterneffekte: siehe allgemeines Modell (Modell 1) Material und Methoden 79 Modell 4 – Gemischtes Modell mit Hauptgeneffekt und polygener Komponente a) dominanter Hauptgeneffekt b) rezessiver Hauptgeneffekt c) willkürlicher Hauptgeneffekt 2 2 Hardy-Weinberg-Gleichgewicht (ΨAB = qA und ΨAB = 2qA(1-qA) und ΨBB = (1-qA) , wobei qA die Frequenz des Allels A ist) Vererbung nach Mendel mit den Transmissionswahrscheinlichkeiten τ für einen autosomalen Erbgang: τAA = 1, τAB = 0,5 und τBB = 0 a) dominanter, klassenabhängiger Effekt, aber kein Geschlechtseffekt (βAA♂(y) = βAB♂(y) = βAA♀(y) = βAB♀(y) und βBB♂(y) = βBB♀(y)) b) rezessiver, klassenabhängiger Effekt, aber kein Geschlechtseffekt (βBB♂(y) = βAB♂(y) = βBB♀(y) = βAB♀(y) und βAA♂(y) = βAA♀(y)) c) willkürlicher Hauptgeneffekt ohne Geschlechts- oder Klasseneffekte (βAA♂(y) = βAA♀(y); βAB♂(y) = βAB♀(y); βBB♂(y) = βBB♀(y)) Elterneffekte: siehe Allgemeines Modell (Modell 1) Modell 5 – Homogenität zwischen den Generationen kein Hardy-Weinberg-Gleichgewicht, zufällige Genotypfrequenzen (ΨAB = 1 - ΨAA ΨBB) willkürliche Übertragungswahrscheinlichkeiten: τAA, τAB, τBB Klasseneffekt, aber kein Hauptgen- und Geschlechtseffekt (βAA♂(y) = βAA♀(y) = βAB♂(y) = βAB♀(y) = βBB♂(y) = βBB♀(y) = β) keine Elterneffekte, keine Effekte der betroffenen Klasse (δS(0) = -δS(1) = δM(0) = δF(0) = -δM(1) = -δF(1) = 0, S = Paarungspartner, F = Vater, M = Mutter) Material und Methoden 80 Modell 6 – keine genetischen Effekte, nur zufallsbedingte Umweltstreuung (µ-Modell) kein Hardy-Weinberg-Gleichgewicht, zufällige Genotypfrequenzen (ΨAB = 1 - ΨAA ΨBB) keine Eltern-Nachkommen-Transmission (τAA = τAB = τBB = qA) Klasseneffekt, aber kein Hauptgen- und Geschlechtseffekt (βAA♂(y) = βAA♀(y) = βAB♂(y) = βAB♀(y) = βBB♂(y) = βBB♀(y) = β) keine Elterneffekte, keine Effekte der betroffenen Klasse (δS(0) = -δS(1) = δM(0) = δF(0) = -δM(1) = -δF(1) = 0, S = Paarungspartner, F = Vater, M = Mutter) Die Segregationsanalysen mit dem Programm REGTL wurden mit den gleichen Modellannahmen durchgeführt. Das Programm REGTL berechnet die regressiven Logit-Modelle mit einem gestutzten Merkmal, das einer logistischen Verteilung folgt, wie das Ausbruchsalter einer Krankheit, oder der Empfänglichkeit für eine Krankheit. Die Krankheit ist auf diese Weise ein gesondertes Merkmal mit einem variablen Ausbruchsalter. In dem Modell 1 wird das gestutzte Merkmal der Krankheit analysiert. Es wird gemutmaßt, dass das Ausbruchsalter einer Krankheit einen Einfluß auf den Status der Genotypwahrscheinlichkeiten hat, aber nicht auf die Empfänglichkeit. Ergebnisse und Diskussion 81 4 Ergebnisse und Diskussion 4.1 Distichiasis 4.1.1 Systematische Effekte In den genetischen Analysen müssen systematische Effekte berücksichtigt werden, um genetische Parameter unverzerrt schätzen zu können. Aus diesem Grund wurden die aus der Datenerfassung hervorgehenden Faktoren varianzanalytisch untersucht. Die Signifikanz der systematischen Effekte auf das Auftreten von Distichiasis wurde mittels des Modells 1 überprüft. Die Tabellen 15 und 16 geben einen Überblick über die statistische Bedeutung der fixen und zufälligen Effekte auf die Häufigkeit der Distichiasis bei den Probanden. Tabelle 15: Varianzanalyse für das Auftreten von Distichiasis bei den Probanden Variationsursachen FG F-Wert p Geschlecht 1 2,54 0,1120 Inzuchtkoeffizient 2 1,68 0,1886 Geburtsjahr 3 0,88 0,4533 3 1,05 0,3722 Wurfgröße 2 1,43 0,2398 Untersucherklasse 3 4,28 0,0056 - linear 1 0,07 0,7869 - quadratisch 1 2,09 0,1492 Prozent untersuchter Tiere pro Wurf Alter bei Erstuntersuchung Aus Tabelle 15 geht hervor, dass der Effekt des Untersuchers einen signifikanten Einfluss auf das Auftreten der Distichiasis hat (p < 0,01). Die Effekte für den Inzucht- Ergebnisse und Diskussion 82 koeffizienten, das Geburtsjahr, den Prozentanteil untersuchter Tiere pro Wurf, die Wurfgröße und das Alter der Tiere bei Erstuntersuchung (linear und quadratisch) wiesen dagegen keinen signifikanten Einfluss auf. Tabelle 16 zeigt die Varianzen für die zufälligen Effekte des Zwingers, der Vater- und Muttertiere, den mittleren Restfehler und die Gesamtvarianz für das Auftreten der Distichiasis. Für den Effekt des Zwingers und des Vaters konnten keine Varianzen geschätzt werden. Tabelle 16: Varianzen der zufälligen Effekte für das Auftreten der Distichiasis Varianzen für die zufälligen Effekt 2 Effekte (s ) Zwinger 0 Vater 0 Mutter 0,008 Rest 0,091 Gesamtvarianz 0,099 Tabelle 17 zeigt, dass im Vergleich der LS-Mittelwerte sich die Untersucherklasse 1 mit 1-20 Untersuchungen pro Tierarzt signifikant von der Untersucherklasse 4 mit mehr als 100 Untersuchungen pro Tierarzt unterscheidet. Tabelle 17: LS-Mittelwerte und Untersucherklasse Effekt Klasse deren Standardfehler Anzahl der Untersuchungen für den Effekt Signifikanz der LSM ± SE Differenz zu 1 2 3 1 1-20 6,84 ± 3,11 - - - Untersucher- 2 21-50 13,06 ± 3,14 n.s. - - klasse 3 50-100 10,52 ± 3,26 n.s. n.s. - 4 >100 17,41 ± 2,19 *** n.s. * ns: p>0,05, *: p≤0,05, **:p≤0,01, ***:p≤0,001 der Ergebnisse und Diskussion 83 Die Differenz zwischen der Untersucherklasse 1 und der Untersucherklasse 4 beträgt 10,57%. Ebenso unterscheidet sich die Untersucherklasse 3 von der Untersucherklasse 4 signifikant, die Differenz beträgt hier 6,89%. Dies zeigt, dass deutlich mehr Untersucher mit mehr als 100 Untersuchungen die Distichiasis im Probandenmaterial diagnostiziert haben als Untersucher mit nur wenigen Untersuchungen. 4.1.2 Segregationsanalyse Für die Segregationsanalysen wurden die Probanden in Familien zusammengestellt. Die Pedigrees wurden in tannenbaumähnlicher Struktur aufgebaut. Dabei wurden, von dem Probanden ausgehend, im insgesamt zur Verfügung stehenden Datenmaterial die Gründertiere ermittelt. Von diesen Gründertieren ausgehend wurden dann die Pedigrees für die einzelnen Familien aufgebaut. Es wurde versucht, möglichst viele ophthalmologisch untersuchte Tiere in möglichst großen Pedigrees zusammenzufassen. Dabei entstanden jedoch aufgrund der Populationsstruktur des Datenmaterials unterschiedlich große Pedigrees. Die Pedigrees, die nur wenige Tiere umfassen, bestehen weitestgehend aus Tieren, die entweder aus dem Ausland zur Zucht eingesetzt wurden oder anderen deutschen Zuchtverbänden wie dem Internationaler Club für Lhasa Apso und Tibet Terrier e.V. (ILT) oder dem Club für Tibet Terrier und Lhasa Apso e.V. (CTA) angehören. In einigen Fällen, in denen die Tiere aus dem KTR in kleineren Pedigrees angeordnet wurden, war eine Anbindung an größere Familien nicht möglich, weil dann in den Pedigrees X-Strukturen entstanden wären, die mit dem Programm S.A.G.E. nicht zu berechnen sind. Im Datenmaterial für die Distichiasis befanden sich somit insgesamt 954 Tiere mit 756 untersuchten Tieren und 96 betroffenen Tieren, die sich auf 22 Familien verteilten. Für eine Hündin lagen keine Abstammungsdaten vor. In diesen Pedigrees befanden sich mehrere Inzucht-Schleifen. Aus diesem Grund wurden einige Tiere dupliziert und mit einer zweiten Tiernummer in das Pedigree eingebaut, um diese InzuchtSchleifen aufzuschneiden. Dies betrifft auch einige der Probanden, die sich als Mutter- oder Vatertiere in solchen Schleifen befanden. Die Tiere stammen aus 63 verschiedenen Zwingern und lassen sich auf 62 Vater- und 82 Muttertiere Ergebnisse und Diskussion 84 zurückführen. Die Familien bestanden aus mindestens drei bis maximal 294 Tiere in bis zu acht Generationen. Familien, die aus zwei bzw. fünf unbekannten Gründertieren und einem betroffenen Tier bestanden, wurden nicht berücksichtigt, da sie für die Segregationsanalyse keinerlei Informationen lieferten. Dadurch gingen die Daten von 32 Tieren in 10 Familien verloren. Für die Segregationsanalyse konnten somit 12 Familien berücksichtigt werden. Da auf Grund von Inzuchtloops mehrere Tiere dupliziert werden mussten, ergab sich eine Anzahl von 1106 Tieren für die Analyse. Unter den Betroffenen befanden sich 18 duplizierte Tiere, wordurch sich eine Gesamtzahl von 41 betroffenen Rüden und 73 betroffenen Hündinnen ergab. In diesen Familien befanden sich bis zu 38 erkrankte Tiere (Familie 1). Insgesamt befanden sich in den Familien 17 betroffene Voll- und 22 betroffene Halbgeschwister. Mit 51 betroffenen Tieren wurde weitergezüchtet. Eine Übersicht über die analysierten Familien gibt Tabelle 18. Ergebnisse und Diskussion 85 Tabelle 18: Übersicht über die Struktur der analysierten Pedigrees für das Merkmal Distichiasis Anzahl der Tiere Anzahl der Anzahl der im Pedigree betroffenen Tiere untersuchten Tiere im insgesamt (R/H) Pedigree 1 294 38 (10/28) 274 2 279 29 (11/18) 260 3 286 13 (6/7) 132 4 139 8 (3/5) 82 5 80 10 (5/5) 56 6 24 4 (1/3) 20 7 42 3 (1/2) 31 8 29 3 (0/3) 27 9 10 2 (1/1) 6 10 7 2 (1/1) 4 11 7 1 (1/0) 3 12 9 1 (1/0) 5 PedigreeNummer Die Pedigrees dieser 12 Familien sind in den folgenden Abbildungen 10 - 17 dargestellt. Bei den umfangreichen Familien (Familien 1-3) wurden aus Gründen der Übersicht nur ein Ausschnitt des Pedigrees dargestellt (Abbildungen 10 bis 17). Zu den Pedigrees waren folgende Symbole für die von Distichiasis betroffenen, ophthalmologisch untersuchten und nicht von Distichiasis betroffenen, sowie nicht ophthalmologisch untersuchte Tiere verwendet (Abbildung 9). Legende Betroffenes Tier (Rüde/Hündin) Untersuchtes Tier, nicht betroffen (Rüde/Hündin) Nicht untersuchtes Tier (Rüde/Hündin) Abbildung 9: Legende zu den Pedigrees Ergebnisse und Diskussion 86 Distichiasis Familie 1 1075 270 165 435 441 675 596 597 574 239 467 468 264 461 462 407 417 309 418 900 1062 545 402 548 1000 636 503 698 699 388 751 328 512 968 1099 434 350 443 331 285 1017 195 198 946 759 556 668 763 764 601 616 617 513 521 523 522 530 531 786 787 757 864 865 602 472 292 692 618 553 744 849 806 807 808 847 658 488 850 715 654 655 739 989 410 395 335 550 489 685 686 258 918 619 600 595 826 647 746 747 623 624 679 924 925 854 799 1151 800 720 1150 499 938 705 820 822 693 664 823 622 872 869 401 936 937 855 939 Abbildung 10: Pedigree der Familie 1 Distichiasis Familie 2 695 696 599 534 541 481 578 465 466 259 995 204 578 716 554 516 525 572 517 777 687 796 570 783 784 621 622 689 690 691 343 357 790 682 295 429 446 447 347 448 646 Abbildung 11: Pedigree der Familie 2 427 791 566 567 750 1131 852 644 641 659 428 Ergebnisse und Diskussion 87 Distichiasis Familie 3 Abbildung 12: Pedigree der Familie 3 Distichiasis Familie 4 54 130 134 176 132 129 75 100 98 1064 139 140 144 136 220 114 195 196 53 202 324 143 238 239 267 300 240 177 260 280 293 3 14 269 15 262 235 295 288 271 301 1097 204 208 214 215 374 227 363 631 250 218 287 351 325 413 667 809 Abbildung 13: Pedigree der Familie 4 344 381 265 454 632 Ergebnisse und Diskussion 88 Distichiasis Familie 5 993 211 1023 1015 248 176 194 221 144 171 249 102 101 948 1063 272 251 305 517 219 956 167 1136 285 306 308 309 252 263 264 207 226 230 200 310 1149 235 410 218 1157 550 863 960 1152 411 220 412 526 483 316 484 307 543 1020 677 23 678 657 785 811 812 540 813 611 814 815 414 415 633 816 Abbildung 14: Pedigree der Familie 5 Distichiasis Familie 6 Distichiasis Familie 7 Abbildung 15: Pedigrees der Familien 6 und 7 317 Ergebnisse und Diskussion 89 Distichiasis Familie 8 Abbildung 16: Pedigree der Familie 8 Distichiasis Familie 9 Distichiasis Familie 11 Distichiasis Familie 10 Distichiasis Familie 12 Abbildung 17: Pedigrees der Familien 9 bis 12 Tabelle 19 zeigt die Ergebnisse der Segregationsanalysen mit regressiven LogitModellen (REGD) für die Distichiasis. Ergebnisse und Diskussion 90 Tabelle 19: Segregationsanalyse mit regressiven Logit-Modellen für die Prävalenz von Distichiasis Getestete Hypothese Familiäre Korrelation FG -2 lnL AIC Differenz der FG* Allgemeines Modell 7 14 679,35 707,35 µ-Modell - 1 685,68 Mendel dominant - 3 Mendel rezessiv - Mendel willkürlich polygenes Modell gemischtes Modell mit dominantem Hauptgen gemischtes Modell mit rezessiven Hauptgen gemischtes Modell mit willkürlichen Hauptgen 2** p - - - 687,68 13 6,33 0,933 686,3 692,3 11 6,94 0,804 3 685,78 691,78 11 6,54 0,855 - 4 684,84 692,84 10 5,49 0,856 1 3 686,3 692,3 11 7,22 0,781 3 4 686,57 694,57 10 7,22 0,705 5 5 683,9 693,9 9 4,55 0,872 7 7 683,78 697,78 7 4,43 0,729 1 3 5 6 686,09 685,94 696,09 697,94 9 8 6,74 6,59 0,664 0,582 5 7 683,35 697,35 7 4,0 0,780 7 9 683,21 701,21 5 5,9 0,571 1 5 685,70 695,70 9 6,35 0,765 3 6 685,54 697,54 8 6,19 0,626 5 7 683,14 697,14 7 3,79 0,804 7 9 682,97 700,97 5 3,62 0,605 1 6 684,59 696,59 8 5,24 0,732 3 7 684,39 698,39 7 5,03 0,656 5 8 682,08 698,08 6 2,72 0,843 7 10 681,86 701,86 4 2,51 0,643 χ Homogenität zwischen 1 686,16 688,16 13 6,81 0,912 Generationen FG: Freiheitsgrade, AIC: Informationskriterium nach Akaike; -2lnL: -2 log Likelihood, p: Signifikanz * Differenz der FG d. Prüfmodells vom allg. Modell ** Differenz des –2 lnL des Prüfmodells vom allgemeinen Modell Aus den Ergebnissen geht hervor, dass sich keines der untersuchten Modelle signifikant (p<0,05) von dem allgemeinen Modell unterscheidet. Somit ist keines dieser Modelle gegenüber dem allgemeinen Modell abzulehnen. Der geringste Wert für die –2 log Likelihood wurde mit dem gemischten Modell mit willkürlichem Hauptgeneffekt erreicht. Zwischen den einzelnen Modellen bestanden keine signifikanten Unterschiede. Das Informationskriterium nach Akaike (AIC-Wert) stellt Ergebnisse und Diskussion 91 ein nichtparametrisches Testkiterium dar, das auch die Anzahl der geschätzten Parameter berücksichtigt. Das Modell mit dem geringsten AIC erklärt die Daten mit möglichst wenig geschätzten Parametern am besten. Der AIC-Wert für das µ-Modell war am kleinsten, so dass dieses Modell die vorliegenden Daten mit der geringsten Anzahl an Parametern am besten erklärte. Tabelle 20: Segregationsanalyse mit regressiven Logit-Modellen für die Prävalenz von Distichiasis mit der Kovariable für die Untersucherklasse Getestete Hypothese Familiäre Korrelation FG -2 lnL AIC Differenz der FG* Allgemeines Modell 7 18 652,29 670,29 µ-Modell - 5 667,50 Mendel dominant - 7 Mendel rezessiv - Mendel willkürlich polygenes Modell gemischtes Modell mit dominantem Hauptgen gemischtes Modell mit rezessiven Hauptgen gemischtes Modell mit willkürlichen Hauptgen 2** p - - - 677,50 13 15,21 0,2944 667,32 681,32 11 15,03 0,1811 7 666,69 680,69 11 14,40 0,2164 - 8 665,69 681,69 10 13,40 0,2022 1 7 666,52 680,52 11 14,23 0,2205 3 8 666,49 682,49 10 14,20 0,1641 χ 5 9 664,32 682,32 9 12,03 0,2116 7 11 664,16 686,16 7 11,87 0,1049 1 3 9 10 666,16 666,15 684,16 686,15 9 8 13,87 13,86 0,1270 0,0860 5 11 663,94 685,94 7 11,65 0,1127 7 13 663,78 689,78 5 11,50 0,0423 1 9 665,95 683,95 9 13,66 0,1349 3 10 665,94 685,94 8 13,65 0,0914 5 11 663,96 685,96 7 11,67 0,1120 7 13 663,81 689,81 5 11,52 0,0420 1 10 664,85 684,85 8 12,56 0,1279 3 11 664,85 686,85 7 12,56 0,0836 5 12 662,90 686,89 6 10,61 0,1012 7 14 662,74 690,74 4 10,45 0,0335 Homogenität zwischen 5 669,78 679,78 13 17,49 0,1779 Generationen FG: Freiheitsgrade, AIC: Informationskriterium nach Akaike; -2lnL: -2 log Likelihood, p: Signifikanz * Differenz der FG d. Prüfmodells vom allg. Modell ** Differenz des –2 lnL des Prüfmodells vom allgemeinen Modell Ergebnisse und Diskussion 92 Eine weitere Segregationsanalyse, die den Effekt der Untersucherklasse als Kovariable berücksichtigte (Tabelle 20), zeigte, dass sich bis auf einige gemischtmonogen-polygene Modelle keines der Modelle signifikant vom allgemeinen Modell unterschied. Auch hier lieferte das µ-Modell den geringsten AIC-Wert. 4.1.3 Diskussion In der vorliegenden Arbeit wurde mit Hilfe der Varianzkomponentenschätzung und komplexen Segregationsanalysen das Auftreten der Distichiasis beim Tibet Terrier untersucht. Es wurden dabei Hypothesen für monogene, gemischt-monogenpolygene und polygene Erbgänge sowie ein Modell mit umweltbedingter Streuung gegen saturierte Modelle getestet. Im Untersuchungsmaterial von 849 Probanden befanden sich 97 Tiere mit dem Merkmal Distichiasis. Damit waren 11,43 % der Tiere betroffen. Von diesen 97 Tieren waren 33 Probanden Rüden und 64 Hündinnen. Das Geschlecht hatte jedoch in Übereinstimmung mit LAWSON (1973) keinen signifikanten Einfluss auf das Auftreten der Distichiasis. In dem vorliegenden Material lag das Alter der Probanden mit Distichiasis bei deren Erstuntersuchung zwischen 50 Wochen und 6,8 Jahren. In der Studie von LAWSON (1973) lag das Alter der 58 untersuchten Tiere zwischen 8 Wochen und 10 Jahren. Die Altersspannweite beim Tibet Terrier hängt damit zusammen, dass bei den Augenuntersuchungen hauptsächlich Tiere vorgestellt werden, die zur Zucht eingesetzt werden sollen. Die Distichiasis ist allerdings bereits im Welpenstadium erkennbar (BEDFORD 1999). Laut ACVO (1999) ist der Tibet Terrier für die Distichiasis prädisponiert, jedoch wurde mit Ausnahme des ACVO (1999) in anderen Literaturstellen das Auftreten der Distichiasis bei Tibet Terriern bisher nicht beschrieben. Nach dem Eye-DiseaseReport der ACVO (1999) zeigten von 1379 untersuchten Tibet Terriern 26 Tiere (1,89%) eine Distichiasis. LAWSON (1973) beschrieb ein gehäuftes Auftreten der Distichiasis vor allem beim Amerikanischen Cocker Spaniel, Pekingesen, Zwergpudel, Shetland Sheepdog und Boxer, jedoch wird von keinem gehäuften Auftreten beim Tibet Terrier berichtet. Ergebnisse und Diskussion 93 Für das vorliegende Untersuchungsmaterial ist anzunehmen, dass wahrscheinlich nicht alle Fälle von Distichiasis in den Befundbögen dokumentiert wurden. Bei einigen Hunden, die mehrfach untersucht wurden, fiel auf, dass bei einigen Untersuchungen die Distichiasis von den Tierärzten dokumentiert wurde, bei anderen Untersuchungen wiederum nicht. Dieses könnte auch auf die Tatsache zurückzuführen sein, dass einzelne Zilien durch Epilation entfernt wurden bzw. ausgefallen waren und somit in einer nachfolgenden Untersuchung nicht mehr vorhanden waren. Ein Grund für unterschiedlich hohe Frequenzen zwischen den untersuchenden Tierärzten könnte auch sein, dass sehr häufig eine größere Anzahl von sehr feinen Härchen vorliegt und nach LAWSON (1973) in nur etwa 10% der Fälle wenige, dickere Zilien auftreten, die ohne Hilfsmittel gut erkennbar sind. Dagegen sind die sehr feinen Härchen nur mit einer sehr starken Vergrößerung zu diagnostizieren. Zusätzlich erschwert ist die Diagnose, wenn der Lidrand und damit auch die Härchen oder Zilien nicht oder nur wenig pigmentiert sind und die Reizung der Cornea nur geringgradig oder gar nicht ausgeprägt ist. Deshalb dürfte in Übereinstimmung mit SMITH (1989) anzunehmen sein, dass die Distichiasis bei der Untersuchung des Auges übersehen werden kann. Dafür spricht in der vorliegenden Analyse, dass der Effekt der Untersucherklasse eine signifikante Rolle spielte. Besonders niedrig war die Frequenz für Distichiasis bei den Tierärzten, die nur bis zu 20 Augenuntersuchungen durchgeführt hatten, ganz im Gegensatz zu den Tierärzten mit mehr als 100 Augenuntersuchungen. Unter der Annahme, dass die Tierärzte, die mehr als 100 Augenuntersuchungen im Gesamtmaterial vorweisen konnten, auch diejenigen sind, die in der Augendiagnostik die größte Erfahrung und Übung haben, wird ersichtlich, wie wichtig die Qualifikation der einzelnen Untersucher und die damit verbundene Qualitätssicherung für die Diagnostik der Augenerkrankungen sind. Ein Erbgang für Distichiasis wurde bisher bei Hunden nicht beschrieben. Beim Menschen wird die Distichiasis autosomal monogen dominant vererbt (BARNETT 1976). Obwohl SMYTHE (1958) einen rezessiven Erbgang annimmt, ist BARNETT (1976) der Ansicht, dass ein dominanter Erbgang auch beim Hund eher als wahrscheinlich anzusehen ist. In der Studie von LAWSON (1973) befanden sich auch einige Mischlinge (10%) unter den betroffenen Tieren, was diese Vermutung stützt. In der vorliegenden Segregationsanalyse war keine Differenzierung der getesteten Ergebnisse und Diskussion 94 Modelle möglich. Damit konnte auch keine Festlegung auf einen bestimmten Erbgang erfolgen. Die monogenen, polygenen, gemischt-monogen-polygenen Erbgänge sowie das umweltbedingte Modell erklärten die Pedigrees annähernd gleich gut. Somit kann auch keine Unterscheidung zwischen den genetisch und umweltbedingten Einflüssen getroffen werden. Auch die zusätzliche Einbeziehung des Effekts der Untersucherklassen führte zu keinen anderen Ergebnissen, auch wenn dadurch der Anteil der erklärten Streuung in den Daten zunahm. Da jedoch auf Grund der häufig sehr geringen Tierzahlen der untersuchende Tierarzt als direkter Effekt in den Modellen nicht berücksichtigt werden konnte, dürfte ein Teil der Varianz zwischen den Tierärzten nicht durch das verwendete Modell erklärt worden sein. Somit können erst weitere systematische Untersuchungen klären, ob eine genetische Komponente eine Rolle für das Auftreten von Distichiasis beim Tibet Terrier spricht. Die bisherigen Untersuchungen lassen diesbezüglich keine Aussage zu. Empfehlenswert für den Zuchtverband, den einzelnen Züchter und den DOK ist deshalb eine systematische und wiederholte Untersuchung der Hunde aus den einzelnen Familien, um eine zuverlässige Datenbasis für Segregationsanalysen zu schaffen. Dies beinhaltet auch eine genauere Dokumentation der Unter- suchungsergebnisse und der therapeutischen Eingriffe sowie die Forderung, dass vorhandene Untersuchungsergebnisse bei Folgeuntersuchungen vorliegen müssen. Ergebnisse und Diskussion 4.2 95 Membrana Pupillaris Persistens (MPP) 4.2.1 Varianzanalyse Für das Auftreten der MPP wurde zunächst eine Varianzanalyse durchgeführt, um die systematischen Effekte für das Auftreten der MPP beim Tibet Terrier zu untersuchen. Die Tabellen 21 und 22 zeigen die Ergebnisse der Varianzanalyse für das Auftreten der MPP. Tabelle 21: Varianzanalyse für das Auftreten von MPP bei den Probanden Variationsursachen FG F-Wert p Geschlecht 1 6,99 0,0086 Inzuchtkoeffizient 2 0,05 0,9531 Geburtsjahr 3 2,29 0,0783 3 0,63 0,5981 Wurfgröße 2 1,18 0,3093 Untersucherklasse 3 1,55 0,2008 - linear 1 0,15 0,699 - quadratisch 1 0,07 0,794 Prozent untersuchter Tiere pro Wurf Alter bei Erstuntersuchung FG: Freiheitsgrade Es zeigte sich, dass das Geschlecht der betroffenen Tiere einen signifikanten Einfluss (p<0,01) auf das Auftreten der MPP erreichte. Der Einfluss des fixen Faktors Geburtsjahr lag knapp über dem Signifikanzniveau. Die fixen Faktoren Inzuchtkoeffizient, Prozentsatz der untersuchten Tiere pro Wurf, Wurfgröße, Effekt der Untersucherklasse sowie Alter hatten keine signifikante Bedeutung. Ergebnisse und Diskussion 96 Tabelle 22: Varianzen für die zufälligen Effekte für das Auftreten der MPP 2 Effekt Varianzen für die zufälligen Effekte (s ) Zwinger 0,000 Vater 0,003 Mutter 0,011 Rest 0,097 Gesamtvarianz 0,111 Tabelle 22 zeigt die Varianzen für die zufälligen Effekte des Zwingers, der Vater- und Muttertiere, die Varianz für den Restfehler sowie die Gesamtvarianz. Der zufällige Effekt des Zwingers erklärte keine Varianz. Die männlichen Tiere zeigten eine signifikant höhere Häufigkeit von MPP als weibliche Tiere (Tabelle 23). Tabelle 23: LS-Mittelwerte und deren Standardfehler für die Häufigkeit von MPP nach Geschlecht Effekt Geschlecht **: p< 0,01 Klasse LSM ± SE männlich 15,51% ± 2,55 weiblich 9,24% ± 2,42 Signifikanz der Differenzen ** Ergebnisse und Diskussion 97 Tabelle 24: LS-Mittelwerte und deren Standardfehler für die Häufigkeit von MPP nach Geburtsjahrgangsklassen Effekt Klasse Geburtsjahre LSM ± SE Signifikanz der Differenz zu 1 2 3 1 < 1991 8,51% ± 4,77% - - - Geburts- 2 1991 – 1993 9,26% ± 3,19% n.s. - - jahr 3 1994 – 1996 17,53% ± 2,87% n.s. * - 4 > 1996 14,22% ± 3,16% n.s. n.s. n.s. ns: p>0,05, *: p≤0,05 Bei den LS-Mittelwerten zwischen den einzelnen Geburtsjahren zeigte sich, dass die meisten von MPP betroffenen Tiere aus den Geburtsjahren 1994 – 1996 stammten. Die Tiere aus der ältesten Geburtsjahrgangsklasse wiesen die geringste Häufigkeit von MPP auf. Daher ergab sich ein positiver Trend für die Frequenzen von MPP mit dem Geburtsjahr der untersuchten Hunde. 4.2.2 Segregationsanalyse Für die Segregationsanalyse der Häufigkeit von Membrana pupillaris persistens (MPP) wurden die Pedigrees in tannenbaumähnlicher Struktur aufgebaut. Dabei ergaben sich insgesamt 24 Familien mit 982 Tieren. Von diesen 982 Tieren lagen für 761 Tiere Augenuntersuchungsergebnisse vor, von denen 108 Tiere eine Membrana pupillaris persistens zeigten. In diesen Pedigrees befanden sich mehrere InzuchtSchleifen. Aus diesem Grund wurden einige Tiere dupliziert und mit einer zweiten Tiernummer in das Pedigree integriert. Damit umfassten die 24 Familien zusammen mit den Pseudotieren insgesamt 1175 Tiere, von denen 918 Hunde untersucht waren und 130 Hunde eine Membrana pupillaris persistens hatten. Das Datenmaterial für die Segregationsanalyse wurde auf 18 Familien gekürzt, da insgesamt sieben Familien nur aus drei bzw. vier Tieren bestanden, von denen, außer bei dem betroffenen Tier, keine Augenuntersuchungsergebnise vorlagen. Die kleinen Familien mussten separat behandelt werden, da durch die Einbindung in die Ergebnisse und Diskussion 98 großen Pedigrees X-Strukturen entstehen würden oder sich die Tiere aufgrund ihrer Abstammung nicht in die großen Pedigrees eingliedern ließen. Somit ergab sich für die Segregationsanalyse ein Datenbestand von 1157 Tieren in 18 Familien mit 124 betroffenen Tieren (68 Rüden und 56 Hündinnen). Die Familien bestanden aus vier bis maximal 294 Tieren. In den einzelnen Familien befanden sich bis zu 48 betroffene Tiere. Die Familien umfassten drei bis maximal sieben Generationen. Die Tiere stammen aus 57 Zwingern und lassen sich auf 93 Mutter- und 66 verschiedene Vatertiere zurückführen. Im Datenmaterial befanden sich 34 betroffene Halb- und neun betroffene Vollgeschwister, mit 44 betroffenen Tieren wurde weitergezüchtet (Tabelle 25). Tabelle 25: Übersicht über die Struktur der Analysieren Pedigrees für das Merkmal MPP PedigreeNummer 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 Anzahl der Anzahl der Tiere Anzahl der betroffenen Tiere untersuchten Tiere im Pedigree im Pedigree (Rüden/Hündinnen) insgesamt 294 279 200 71 103 26 28 11 5 28 47 15 14 9 9 7 7 4 48 (25/23) 29 (19/10) 17 (11/6) 6 (1/5) 3 (1/2) 4 (3/1) 3 (1/2) 3 (2/1) 2 (1/1) 1 (0/1) 1 (0/1) 1 (0/1) 1 (1/0) 1 (0/1) 1 (1/0) 1 (1/0) 1 (1/0) 1 (0/1) 274 260 131 55 65 20 12 8 3 26 16 11 10 6 6 3 4 2 Ergebnisse und Diskussion 99 Die Pedigrees der Familien mit von MPP betroffenen Tieren sind in den nachfolgenden Abbildungen 18 bis 27 dargestellt. Bei den großen Familien (Familien 1-3) wurde der Übersicht halber nur ein Ausschnitt des Pedigrees dargestellt. 1043 MPP Familie 1 465 231 480 261 1059 411 412 267 967 538 233 496 429 435 402 434 481 609 1000 398 461 391 1071 702 216 769 770 454 771 727 384 590 505 483 437 327 1092 535 1121 428 658 612 506 514 515 516 523 524 584 585 586 1125 331 482 248 351 883 884 885 757 758 759 248 687 820 589 674 642 741 742 688 587 594 895 906 588 505 853 871 739 588 802 803 655 659 739 681 547 255 845 587 397 843 848 849 816 817 818 819 851 849 734 868 869 649 938 863 826 826 947 Abbildung 18: Pedigree für die Familie 1 MPP Familie 2 1146 29 955 25 231 255 216 168 261 103 139 1074 200 957 623 527 246 714 624 530 466 405 766 244 242 243 327 328 352 357 358 329 330 337 364 365 366 367 368 348 349 403 419 622 598 737 964 431 567 767 732 733 227 881 387 397 1092 547 509 292 339 343 383 382 572 458 459 603 604 605 558 559 667 668 690 360 440 441 442 443 479 510 566 509 423 474 548 486 1057 534 551 525 526 527 616 617 684 685 686 535 666 638 507 641 561 562 539 973 665 825 826 713 444 310 564 698 736 711 577 578 579 676 787 578 Abbildung 19: Pedigree für die Familie 2 Ergebnisse und Diskussion 100 MPP Familie 3 56 62 100 166 51 144 132 72 92 167 55 123 63 124 70 77 97 102 95 96 94 60 136 130 131 105 129 126 103 217 999 294 176 122 272 111 118 121 132 156 157 74 174 354 258 119 234 152 360 213 115 428 195 183 162 50 173 278 237 279 495 496 256 280 200 235 236 257 211 212 321 347 205 277 259 247 959 224 206 391 263 215 12 290 297 262 1091 298 296 292 285 239 297 712 347 324 625 626 627 393 369 396 370 479 553 Abbildung 20: Pedigree für die Familie 3 MPP Familie 4 Abbildung 21: Pedigree für die Familie 4 554 555 325 326 Ergebnisse und Diskussion 101 MPP Familie 5 1128 74 98 112 155 150 173 71 148 1127 110 145 146 147 115 138 57 134 986 135 113 1001 143 158 60 159 80 17 152 153 154 109 160 91 128 1012 233 161 117 169 170 184 106 175 142 231 163 208 959 436 346 219 182 177 176 183 314 315 190 520 381 380 428 125 189 188 187 186 185 528 529 214 173 250 251 252 253 231 209 309 310 311 210 372 373 374 375 376 254 289 385 386 775 776 510 705 Abbildung 22: Pedigree für die Familie 5 MPP Familie 6 Abbildung 23: Pedigree für die Familie 6 706 773 774 387 388 389 Ergebnisse und Diskussion MPP Familie 7 Abbildung 24: Pedigree für die Familie 7 MPP Familie 10 Abbildung 25: Pedigree für die Familie 10 MPP Familie 11 Abbildung 26: Pedigree für die Familie 11 102 MPP Familie 16 MPP Familie 13 MPP Familie 8 MPP Familie 17 MPP Familie 14 MPP Familie 9 MPP Familie 18 MPP Familie 15 MPP Familie 12 Ergebnisse und Diskussion 103 Abbildung 27: Pedigree für die Familien 8 und 9 sowie 12-18 Ergebnisse und Diskussion 104 Mit diesem Datenbestand wurde eine Segregationsanalyse mit regressiven LogitModellen durchgeführt. Dabei wurden monogene, gemischt-monogen-polygene und polygene Modelle sowie ein umweltbedingtes Modell (µ-Modell) gegen ein allgemeines Modell getestet. Tabelle 26: Segregationsanalyse mit regressiven Logit-Modellen für die Prävalenz von MPP (REGD) Getestete Hypothese Familiäre FG Korrelation -2 lnL AIC Differenz der FG* χ p 2** Allgemeines Modell 7 14 701,51 - - - - µ-Modell - 1 721,95 723,95 13 20,44 0,085 - 3 722,23 728,23 11 20,72 0,036 - 3 722,09 728,09 11 20,59 0,038 - 4 722,08 730,08 10 20,57 0,024 1 3 5 7 3 4 5 7 720,52 719,24 714,51 712,58 726,52 727,24 724,51 726,58 11 10 9 7 19,01 17,73 13 11,07 0,061 0,06 0,163 0,136 1 5 720,18 730,18 9 18,67 0,022 3 6 718,91 730,91 8 17,4 0,026 5 7 714,41 728,41 7 12,90 0,075 Mendel dominant Mendel rezessiv Mendel willkürlich polygenes Modell gemischtes Modell mit dominantem Hauptgen gemischtes Modell mit rezessivem Hauptgen gemischtes Modell mit willkürlichem Hauptgen 7 9 712,5 730,5 5 10,99 0,052 1 5 720,23 730,23 9 18,73 0,028 3 6 718,96 730,96 8 17,45 0,026 5 7 713,77 727,77 7 12,26 0,092 7 9 711,88 729,88 5 10,37 0,066 1 6 720,21 732,21 8 18,70 0,017 3 7 718,94 732,94 7 17,43 0,015 5 8 713,76 729,76 6 12,25 0,057 7 10 711,87 731,87 4 10,36 0,035 Homogenität zwischen 1 1 723,09 725,09 13 21,58 0,059 Generationen FG: Freiheitsgrade, AIC: Informationskriterium nach Akaike; -2lnL: -2 log Likelihood, p: Signifikanz * Differenz der FG d. Prüfmodells vom allg. Modell ** Differenz des –2 lnL des Prüfmodells vom allgemeinen Modell Ergebnisse und Diskussion 105 Tabelle 26 zeigt die Ergebnisse der Segregationsanalyse mit dem Modul REGD für die Häufigkeit von MPP. Das polygene Modell mit der familiären Korrelation vom Typ 5 und Typ 7 (willkürliche Elterneffekte sowie willkürliche Effekte für betroffene und nicht betroffene Klassen) weichen nicht mehr signifikant (p > 0,05) vom allgemeinen Modell ab. Auch die AIC-Werte für die polygenen Modelle sind am kleinsten, so dass diese Modelle die vorliegenden Daten mit dem geringsten Parametersatz am besten erklären. Die Mendel’schen Modelle sowie die gemischten Modelle mit dominantem, rezessivem oder willkürlichen Hauptgeneffekt, jedoch mit Ausnahme der familiären Korrelation vom Typ 5 für die polygene Komponente sowie das Modell mit umweltbedingter Streuung, konnten dagegen abgelehnt werden (p<0,05). Die Varianzanalyse zeigte, dass das Geschlecht einen signifikanten Einfluss auf das Auftreten der MPP hat. Daher wurde eine weitere Segregationsanalyse durchgeführt, bei der in den einzelnen Analysen das Geschlecht mitberücksichtigt wurde (Tabelle 27). Die Differenz zwischen den saturierten Modellen ohne und mit Einfluss des 2 Geschlechts war signifikant (χ = 11,56; Freiheitsgrade = 3, p = 0,0091). Bis auf das gemischte Modell mit willkürlichem Hauptgeneffekt und der familiären Korrelation vom Typ 1 und 3 waren alle getesteten Modelle nicht mehr signifikant verschieden vom saturierten Modell. Den geringsten AIC-Wert wies das µ-Modell auf. Die geringste –2 log Likelihood erreichte das gemischte Modell mit willkürlichem Hauptgeneffekt und der familiären Korrelation vom Typ 7. Ergebnisse und Diskussion 106 Tabelle 27: Segregationsanalyse mit regressiven Logit-Modellen für das Merkmal MPP unter Berücksichtigung der Geschlechtsabhängigkeit (REGD) Getestete Hypothese Familiäre Korre- FG lation -2 lnL AIC Differenz der FG* χ p 2** Allgemeines Modell 7 17 689,85 - - - - µ-Modell - 2 709,17 713,17 15 19,32 0,1996 Mendel dominant Mendel rezessiv Mendel willkürlich - 5 708,43 718,43 12 18,58 0,0992 - 5 707,52 717,52 12 17,67 0,1261 - 7 706,98 720,98 10 17,13 0,0722 polygenes Modell 1 3 5 7 4 5 6 8 708,25 706,79 703,25 701,73 716,25 716,79 715,25 717,73 13 12 11 9 18,4 16,94 13,4 11,88 0,1429 0,1519 0,2680 0,2202 1 7 706,62 720,62 10 16,77 0,0796 3 8 705,84 721,84 9 15,99 0,0671 5 9 702,24 720,24 8 12,39 0,1346 gemischtes Modell mit dominantem Hauptgen gemischtes Modell mit rezessivem Hauptgen gemischtes Modell mit willkürlichem Hauptgen 7 11 700,76 722,76 6 10,91 0,0912 1 7 706,10 720,10 10 16,25 0,0927 3 8 705,30 721,30 9 15,45 0,0793 5 9 701,10 719,10 8 11,25 0,1879 7 11 699,49 721,49 6 9,64 0,1407 1 9 705,55 723,55 8 15,7 0,0469 3 10 704,77 724,77 7 15,92 0,0370 5 11 700,30 722,30 6 10,45 0,1069 7 13 698,73 724,73 4 8,88 0,0642 Homogenität zwischen 1 2 710,31 714,31 15 20,46 0,1550 Generationen FG: Freiheitsgrade, AIC: Informationskriterium nach Akaike; -2lnL: -2 log Likelihood, p: Signifikanz * Differenz der FG d. Prüfmodells vom allg. Modell ** Differenz des –2 lnL des Prüfmodells vom allgemeinen Modell Wie aus Tabelle 28 hervorgeht, ergibt ein Vergleich zwischen dem umweltbedingten Modell (µ-Modell) und den Modellen für einen monogenen, einen polygenen Erbgang und den gemischten Modellen mit dominantem, rezessivem oder willkürlichem Hauptgeneffekt keine signifikanten Differenzen. Einzige Ausnahme bilden die Ergebnisse und Diskussion 107 gemischten Modelle mit willkürlichem Hauptgeneffekt und der familiären Korrelation vom Typ 1 und 3. Tabelle 28: Vergleich zwischen dem Modell mit umweltbedingter Streuung und den Mendel’schen Modellen sowie dem polygenen Modell und den gemischten Modellen mit Hauptgeneffekt Getestete Hypothese Familiäre FG Korrelation µ-Modell -2 lnL Differenz der FG* χ p 2 709,17 - - - 2** Mendel dominant Mendel rezessiv Mendel willkürlich - 5 708,43 3 0,74 0,8638 - 5 707,52 3 1,65 0,6481 - 7 706,98 5 2,19 0,8223 polygenes Modell 1 3 5 7 4 5 6 8 708,25 706,79 703,25 701,73 2 3 4 6 0,92 2,38 5,92 7,44 0,6313 0,4974 0,2052 0,2821 gemischtes Modell mit dominantem Hauptgen 1 3 5 7 7 8 9 11 706,62 705,84 702,24 700,76 5 6 7 9 2,55 3,33 6,93 8,41 0,7690 0,7664 0,4362 0,4934 gemischtes Modell mit rezessivem Hauptgen 1 7 706,10 5 3,07 0,6892 3 8 705,30 6 3,87 0,6943 5 9 701,10 7 8,07 0,3265 7 11 699,49 9 9,68 0,3770 1 9 705,55 7 3,62 0,8224 3 10 704,77 8 4,40 0,8194 5 11 700,30 9 8,87 0,4494 7 13 698,73 10 10,44 0,4028 FG: Freiheitsgrade, AIC: Informationskriterium nach Akaike; -2lnL: -2 log Likelihood, p: Signifikanz * Differenz der FG d. Prüfmodells vom allg. Modell ** Differenz des –2 lnL des Prüfmodells vom allgemeinen Modell gemischtes Modell mit willkürlichem Hauptgen Ergebnisse und Diskussion 108 In einem weiteren Test wurde geprüft, welche dieser Modellkomponenten zu der Modellanpassung am meisten beiträgt (Tabelle 29). Dazu wurde das polygene Modell mit der familiären Korrelation für die willkürlichen Elterneffekte (Typ 5) mit den gemischten Modellen mit rezessivem bzw. dominantem Hauptgeneffekt verglichen. Tabelle 29: Vergleich des polygenen Modells mit den Mendel’schen Modellen, den polygenen Modellen und den gemischtem Modellen mit Hauptgeneffekt Getestete Hypothese polygenes Modell Familiäre FG Korrelation -2 lnL Differenz der FG* χ p 2** 5 6 703,25 - - - Mendel dominant Mendel rezessiv Mendel willkürlich - 5 708,43 1 5,18 0,0229 - 5 707,52 1 4,27 0,0388 - 7 706,98 1 3,73 0,0534 polygenes Modell 1 3 7 4 5 8 708,25 706,79 701,73 2 1 2 5,00 3,54 1,52 0,0821 0,0599 0,4677 gemischtes Modell mit dominantem Hauptgen 1 3 5 7 7 8 9 11 706,62 705,84 702,24 700,76 1 2 3 5 3,37 2,59 1,01 2,49 0,0664 0,2739 0,7988 0,7780 gemischtes Modell mit rezessivem Hauptgen 1 7 706,10 1 2,85 0,0914 3 8 705,30 2 2,05 0,3588 5 9 701,10 3 2,15 0,5419 7 11 699,49 5 3,76 0,5845 1 9 705,55 3 2,30 0,5125 3 10 704,77 4 1,52 0,8231 5 11 700,30 5 2,95 0,7077 7 13 698,73 7 4,52 0,7183 FG: Freiheitsgrade, AIC: Informationskriterium nach Akaike; -2lnL: -2 log Likelihood, p: Signifikanz * Differenz der FG d. Prüfmodells vom allg. Modell ** Differenz des –2 lnL des Prüfmodells vom allgemeinen Modell gemischtes Modell mit willkürlichem Hauptgen Ergebnisse und Diskussion 109 Der Vergleich (Tabelle 29) zeigte, dass die Mendel’schen und polygenen Modelle mit der familiären Korrelation des Typs 1 und 3 signifikant weniger Streuung erklärten als das polygene Modell mit der familiären Korrelation vom Typ 5. Die gemischten Modelle bringen ebenfalls keine signifikant bessere Datenanpassung als das polygene Modell vom Typ 5. Aufgrund des niedrigen AIC-Wertes des polygenen Modelles mit der familiären Korrelation vom Typ 5 erklärt dieses die Streuung der Daten mit weniger Parametern besser als alle anderen Modelle und eignet sich somit als Erklärungshypothese für die Segregation von MPP in den analysierten Pedigrees. 4.2.3 Diskussion Bei der Analyse der vorliegenden Daten ergab sich eine hohe Häufigkeit für eine MPP. Insgesamt waren 109 Tiere (60 Rüden, 49 Hündinnen) betroffen. Dies entspricht einem Prozentsatz von 12,84%. Auch in dem Eye-Disease-Report der ACVO (1999) wird für den Tibet Terrier eine Prädisposition für die MPP angegeben. Jedoch lag die Häufigkeit für MPP 1379 untersuchten Tieren mit 3,12% (43 Tiere) deutlich niedriger als in der vorliegenden Untersuchung. Von der Membrana pupillaris persistens (MPP) beim Hund wurde bereits Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts berichtet. ÜBERREITER (1957) beschrieb mehrere Fälle beim Cocker Spaniel, Boxer, Pudel, Bedlington-Terrier und bei zwei französischen Bulldoggen. Durch die Entwicklung der Spaltlampe war es möglich, das Auge am lebenden Tier mit einer sehr starken Vergrößerung zu untersuchen und auch kleinste Veränderungen detailliert festzustellen. Jedoch war zu dem Zeitpunkt der Untersuchung von ÜBERREITER (1957) die Rasse Tibet Terrier in Europa noch sehr jung, so dass anzunehmen ist, dass es damals noch nicht viele Tiere in Europa bzw. Deutschland gab. ROBERTS und BISTNER (1968) stellten ein gehäuftes Auftreten der MPP bei Basenji in den USA fest. In den Ergebnissen der Varianzanalyse zeigte sich ein signifikanter Einfluss des Geschlechts auf das Auftreten von MPP beim Tibet Terrier. Da in dieser Arbeit nur Hunde untersucht wurden, die zur Zucht eingesetzt werden sollten, sind in den Ergebnisse und Diskussion 110 wenigsten Fällen komplette Würfe untersucht worden. Allerdings sind mehr Hündinnen als Rüden untersucht worden. Für die höhere Frequenz von MPP bei den Rüden als bei den Hündinnen gibt es in der Literatur keine Hinweise. In dieser Arbeit weisen die Ergebnisse der komplexen Segregationsanalyse deutlich auf einen komplexen oder polygenen Vererbungsmodus hin. Ob wirklich ein polygener Erbgang mit einer sehr großen Anzahl von Genorten vorliegt, oder ob mehrere Genorte für das Entstehen von MPP eine Rolle spielen, oder ob Mutationen in verschiedenen Genen durch Gründertiere in die Population der Tibet Terrier hineingetragen wurden und dort je nach Größe der verschiedenen Familien aufeinander treffen, kann nicht differenziert werden. Der sowohl von BISTNER et al. (1971) und MASON (1976) bei den Basenjis als auch von VEITH (1970) und STRANDE et al. (1988) beim Cocker Spaniel vermutete polygene Erbgang ist deshalb nur als eine mögliche Hypothese für den Tibet Terrier anzusehen. Damit zeigte sich zum einen, dass für das Auftreten der MPP beim Tibet Terrier ein genetischer Einfluss vorliegt, zum anderen erscheint es sehr wahrscheinlich, dass beim Tibet Terrier, wie beim Basenji oder Cocker Spaniel vermutet, ein komplexer Vererbungsmodus verantwortlich ist. ROBERTS und BISTNER (1968) sind der Meinung, dass die MPP beim Basenji in den USA als erblich anzusehen ist, jedoch ist nach ihren Angaben der Vererbungsmodus nicht bestimmbar. Sie vermuteten, dass auf Grund der Häufigkeit des Auftretens ein autosomaler, geschlechtsunabhängiger Erbgang mit variabler Expression naheliegt. Dieses konnte in dieser Arbeit nicht bestätigt werden. Ein Jahr später berichteten BARNETT und KNIGHT (1969) in einer Studie über das Auftreten der MPP in der Basenji-Population in Großbritannien und vermuteten beim Basenji, ähnlich wie beim Menschen, einen monogenen, autosomal dominanten Erbgang mit großer Varianz in der Expressivität und unvollständiger Penetranz. In weiteren Untersuchungen griffen BISTNER et al. (1971) auf Testkreuzungen zurück und resümierten, dass anhand dieser Untersuchung kein monogener Erbgang wahrscheinlich ist. Eher ist ein polygener Erbgang mit unvollständiger Penetranz anzunehmen. Betrachtet man die vorliegenden Pedigrees, zeigt sich, dass auch in diesem Untersuchungsmaterial kein monogener Erbgang anzunehmen ist, was dann auch durch die Segregationsanalyse bestätigt wurde. MASON (1976) beschrieb einen polygenen Ergebnisse und Diskussion 111 Erbgang der MPP bei den Basenjis in Australien, während VEITH (1970) und STRANDE et al. (1988) unabhängig voneinander einen polygenen Vererbungsmodus für das Auftreten der MPP beim Cocker Spaniel in Norwegen und den USA vermuteten. In fünf Fällen war die MPP mit einer Katarakt gemeinsam aufgetreten. In der Literatur wird häufig beschrieben, dass es bedingt durch MPP-Reste, die von der Iris zur Linse ziehen, zu stationären Eintrübungen der Linse kommt. Diese werden als sekundäre Katarakte bezeichnet (BARNETT 1979, 1988, W HITLEY u. GILGER 1999, NAFSTRÖM et al. 2001). Da im Untersuchungsmaterial keine weitere Differenzierung getroffen wurde, kann keine Aussage darüber gemacht werden, ob die mit der MPP verbundenen Katarakte als sekundäre Katarakte gelten, oder ob sie unabhängig von der MPP entstanden sind. Ergebnisse und Diskussion 4.3 112 Linsenluxation 4.3.1 Systematische Effekte Für das Auftreten der Linsenluxation beim Tibet Terrier wurde mittels Varianzanalyse (Modell 1) zunächst getestet, ob systematische Effekte eine signifikante Bedeutung für das Auftreten der Linsenluxation haben. Die Ergebnisse sind in den Tabellen 30 und 31 dargestellt. Tabelle 30: Varianzanalyse für das Auftreten von Linsenluxation bei den Probanden Variationsursachen FG F-Wert p Geschlecht 1 0,52 0,471 Inzuchtkoeffizient 2 5,39 0,005 Geburtsjahr 3 0,59 0,623 3 1,31 0,270 Wurfgröße 2 0,18 0,840 Untersucherklasse 3 6,05 0,0005 - linear 1 2,99 0,085 - quadratisch 1 1,41 0,238 Prozent untersuchter Tiere pro Wurf Alter bei Erstuntersuchung FG: Freiheitsgrade In diesem Modell zeigte der Effekt der Untersucherklasse und des Inzuchtkoeffizienten eine signifikante Bedeutung. Die weiteren Faktoren wie Geschlecht, Geburtsjahr, Prozent untersuchter Tiere pro Wurf, Wurfgröße und Alter (linear und quadratisch) hatten dagegen keine signifikante Bedeutung. Ergebnisse und Diskussion 113 Tabelle 31: Varianzen für die zufälligen Effekte für das Auftreten der Linsenluxation 2 Effekt Varianzen für die zufälligen Effekte (s ) Zwinger 0 Vater 0,0046 Mutter 0,0004 Rest 0,0090 Gesamtvarianz 0,0134 Tabelle 31 zeigt die Varianzen der zufälligen Effekte des Zwingers, der Vater- und Muttertiere, die Restvarianz sowie die Gesamtvarianz. Der zufällige Effekt des Zwingers erklärte keine Varianz. Tabelle 32: LS-Mittelwerte und Standardfehler koeffizienten bei der Linsenluxation Effekt Inzuchtkoeffizient Inzuchtkoeffizient Klasse für den LSM ± SE Effekt des Inzucht- Klasse 0 1 0 0 1,14 ± 0,803 - - >0 1 1,98 ± 1,361 n.s. - unbekannt 9 6,38 ± 1,599 ** ** n.s: p>0,05 **:p≤0,01 Beim Inzuchtkoeffizient zeigte sich, dass Tiere mit unbekanntem Inzuchtkoeffizienten die signifikant (p<0,01) höchste Prävalenz von Linsenluxation hatten (Tabelle 32). Die Unterschiede zwischen Tieren ohne Inzucht (Klasse 0) und mit Inzucht (Klasse1) waren dagegen nicht signifikant verschieden. Ergebnisse und Diskussion 114 Tabelle 33: LS-Mittelwerte und deren Standardfehler Untersucherklasse bei der Linsenluxation Effekt Klasse für den Effekt der Signifikanz der Anzahl der Untersuchungen LSM ± SE Differenz zu 1 2 3 1 1-20 6,388 ± 1,177 - - - Untersucher- 2 21-50 1,793 ± 1,199 ** - - klasse 3 21-100 2,110 ± 1,220 * n.s. - 4 >100 2,359 ± 0,938 ** n.s. n.s. ns: p>0,05; *: p≤0,05; **:p≤0,01 Tierärzte mit einer geringen Anzahl von ophthalmologischen Untersuchungen registrierten eine signifikant höhere Frequenz von Linsenluxation. Zwischen den anderen Untersucherklassen waren die Unterschiede in der Häufikeit von dokumentierten Linsenluxation-Befunden nicht signifikant (Tabelle 33). 4.3.2 Segregationsanalyse Für die Segregationsanalyse der Häufigkeit der Linsenluxation mit elf betroffenen Tieren (fünf Rüden und sechs Hündinnen) wurden die Pedigrees in tannenbaumähnlicher Struktur aufgebaut. Das Datenmaterial ergab für die Linsenluxation 388 Tiere in drei Familien. Die Familien umfassen 20 (Familie 3) bis 269 Tiere (Familie 1) mit zwei bis fünf betroffenen Tieren in bis zu acht Generationen. Die Tiere kamen aus neun verschiedenen Zwingern und stammen von neun verschiedenen Müttern und sechs verschiedenen Vätern ab. Da beim Tibet Terrier bereits gegen das Auftreten der Linsenluxation selektiert wird, ist mit keinem der betroffenen Tiere weitergezüchtet worden. In einem Fall waren Vollgeschwister betroffen (Familie 1), in drei Fällen Halbgeschwister (Familie 1 und 2) (Tabelle 34). Ergebnisse und Diskussion 115 Tabelle 34: Übersicht über die Struktur der analysierten Pedigrees für das Merkmal Linsenluxation Anzahl der Tiere Pedigree- im Pedigree Nummer Anzahl der Anzahl der betroffenen Tiere untersuchten Tiere insgesamt (Rüde/Hündin) im Pedigree 1 99 5 (1/4) 69 2 269 4 (2/2) 217 3 20 2 (2/0) 11 Die Pedigrees sind in den nachfolgenden Abbildungen 28 bis 30 dargestellt. 858 Linsenluxation Familie 1 12 56 41 44 40 78 22 226 2 227 245 240 4 247 195 250 388 91 245 106 37 76 83 82 81 178 172 252 126 844 135 447 150 190 95 192 411 158 878 649 387 251 291 62 142 5 473 305 51 424 242 243 331 332 333 334 335 336 239 533 534 535 437 296 347 583 290 523 193 315 316 379 380 381 382 363 249 544 460 390 548 480 481 482 591 775 Abbildung 28: Pedigree der Familie 1 582 663 664 665 666 513 514 515 Ergebnisse und Diskussion 116 Linsenluxation Familie 2 897 28 29 65 109 118 119 120 79 58 116 102 114 348 94 833 896 73 137 81 138 80 141 100 40 101 111 112 77 113 104 43 89 839 842 121 194 283 6 179 70 269 129 366 367 292 398 399 138 268 48 124 187 160 156 149 142 143 148 151 152 153 154 155 140 228 199 200 201 161 253 254 255 192 158 139 1 317 214 244 234 235 233 216 173 174 210 211 212 213 183 308 309 159 368 369 384 224 318 319 320 321 123 92 164 163 339 340 345 346 306 195 177 223 276 277 342 278 215 371 341 322 523 325 307 310 311 312 313 314 215 360 293 819 601 327 361 337 326 615 396 645 606 607 411 507 687 473 474 475 653 437 450 451 452 524 688 525 Abbildung 29: Pedigree der Familie 2 Linsenluxation Familie 3 Abbildung 30: Pedigree der Familie 3 Die Ergebnisse der Segregationsanalyse mit Berücksichtigung des Untersuchungsund Manifestationsalters (REGTL) sind in Tabelle 35 dargestellt. Der Inzuchtkoeffizient und der Untersuchereffekt wurden zunächst nicht als Kovariable in der Analyse berücksichtigt. Ergebnisse und Diskussion 117 Tabelle 35: Segregationsanalyse mit regressiven Logit-Modellen für die Häufigkeit der Linsenluxation beim Tibet Terrier unter Berücksichtigung des Manifestationsalters (REGTL) Getestete Hypothese Familiäre KorreFG lation -2 lnL AIC Differenz der FG* χ p 2** Allgemeines Modell 1 14 84,92 - - - - µ-Modell - 5 102,35 112,35 9 17,43 0,0424 - 7 109,55 123,55 7 24,63 0,0009 - 7 92,64 106,64 7 7,72 0,358 - 8 92,64 108,64 6 7,72 0,2594 1 3 5 7 8 9 94,86 94,75 94,86 108,86 110,75 112,86 7 6 5 9,94 9,83 9,94 0,1919 0,1318 0,0769 Mendel dominant Mendel rezessiv Mendel willkürlich polygenes Modell gemischtes 1 9 90,78 108,78 5 5,86 0,3199 Modell mit 3 10 90,76 110,76 4 5,84 0,2111 dominantem 5 11 90,78 112,78 3 5,86 0,1185 Hauptgen gemischtes 1 9 82,78 100,78 5 2,14 0,8302 Modell mit 3 10 82,5 102,5 4 2,42 0,6586 rezessiven 5 11 82,78 104,78 3 2,14 0,5448 Hauptgen gemischtes 1 10 82,89 102,89 4 2,03 0,7308 Modell mit 3 11 82,5 104,5 3 2,42 0,4895 willkürlichem 5 12 82,79 106,79 2 2,13 0,3446 Hauptgen Homogenität zwischen 5 102,27 112,27 9 17,35 0,0436 Generationen FG: Freiheitsgrade, AIC: Informationskriterium nach Akaike; -2lnL: -2 log Likelihood, p: Signifikanz * Differenz der FG d. Prüfmodells vom allg. Modell ** Differenz des –2 lnL des Prüfmodells vom allgemeinen Modell Die gemischten Modelle mit rezessivem oder willkürlichem Hauptgeneffekt und der familiären Korrelation vom Typ 3 erreichten den geringsten Wert für die –2 log Likelihood und sind somit als wahrscheinliche Hypothesen anzunehmen. Der AICWert ist beim gemischten Modell mit rezessivem Hauptgeneffekt und der familiären Korrelation vom Typ 1 am niedrigsten. Jedoch sind auch die übrigen gemischten Modelle nicht abzulehnen. Ebenso weichen auch die polygenen Modelle und die Modelle für einen autosomal monogenen Erbgang mit rezessivem oder willkürlichem Geneffekt nicht signifikant vom allgemeinen Modell ab. Jedoch ist der AIC-Wert bei all diesen Modellen höher als beim gemischten Modell mit rezessivem Ergebnisse und Diskussion 118 Hauptgeneffekt und der familiären Korrelation vom Typ 1. Das umweltbedingte Modell und das Modell für einen autosomal monogenen dominanten Erbgang unterscheiden sich signifikant (p < 0,05) vom allgemeinen Modell und sind somit abzulehnen. Wird in der Segregationsanalyse der Effekt der Untersucherklasse als Kovariable berücksichtigt (Tabelle 36), sind der Mendel’sche Erbgang mit dominanter Genwirkung, die gemischten Modelle mit dominantem Hauptgen, das Modell für die Homogenität zwischen den Generationen und das polygene Modelle mit der familiären Korrelation vom Typ 5 abzulehnen. Das µ-Modell einschließlich des Effektes der Untersucherklasse liegt knapp über der Signifikanzgrenze von 5%. Der Effekt der Untersucherklasse führte zu einer signifikant verbesserten Erklärung der 2 Datenstreuung, wie der Vergleich der saturierten Modelle zeigte (χ = 26,65; Freiheitsgrade = 4, p < 0,001). Das gemischte Modell mit rezessivem Hauptgeneffekt und der familiären Korrelation vom Typ 1 erreichte den geringsten AIC-Wert und erklärt somit die Daten mit der geringsten Anzahl an Schätzparametern am besten. Ergebnisse und Diskussion 119 Tabelle 36: Segregationsanalyse mit regressiven Logit-Modellen für die Prävalenz von Linsenluxation unter Berücksichtigung des Manifestationsalters (REGTL) und dem Untersuchereffekt als Kovariable Getestete Hypothese Familiäre KorreFG lation -2 lnL AIC Differenz der FG* χ p 2** Allgemeines Modell 1 18 58,27 - - - - µ-Modell - 9 74,49 92,49 9 16,22 0,063 - 11 74,97 96,97 7 16,69 0,019 - 11 67,48 89,48 7 9,20 0,239 - 12 67,48 91,48 6 9,20 0,163 1 3 5 11 12 13 69,79 67,98 69,79 91,79 91,98 95,79 7 6 5 11,51 9,70 11,51 0,118 0,138 0,042 Mendel dominant Mendel rezessiv Mendel willkürlich polygenes Modell gemischtes 1 13 70,59 96,59 5 12,31 0,031 Modell mit 3 14 69,12 97,12 4 10,85 0,029 dominantem 5 15 70,59 100,59 3 12,31 0,006 Hauptgen gemischtes 1 13 61,59 87,59 5 3,32 0,651 Modell mit 3 14 61,58 89,58 4 3,31 0,508 rezessiven 5 15 61,59 91,59 3 3,32 0,346 Hauptgen gemischtes 1 14 61,59 89,59 4 3,32 0,506 Modell mit 3 15 61,58 91,58 3 3,31 0,347 willkürlichem 5 16 61,59 93,59 2 3,32 0,191 Hauptgen Homogenität zwischen 9 75,18 93,18 9 16,90 0,050 Generationen FG: Freiheitsgrade, AIC: Informationskriterium nach Akaike; -2lnL: -2 log Likelihood, p: Signifikanz * Differenz der FG d. Prüfmodells vom allg. Modell ** Differenz des –2 lnL des Prüfmodells vom allgemeinen Modell Um die Modelle weiter voneinander abzugrenzen, wurden sie gegen das Modell mit der umweltbedingten Streuung (µ-Modell) getestet. Die Ergebnisse sind in der Tabelle 36 dargestellt. Ergebnisse und Diskussion 120 Tabelle 37: Vergleich des umweltbedingten Modells (µ-Modell) gegen die Mendel’schen, die polygenen und die gemischten Modelle mit Hauptgeneffekt Getestete Hypothese Ergebnisse ohne Ergebnisse mit Familiäre Berücksichtigung der Kovariablen Berücksichtigung der Kovariablen KorreDifferenz Differenz 2** 2** lation p p χ χ der FG* der FG* µ-Modell - - - - - - - Mendel dominant 1 2 7,20 0,0273 2 0,48 0,7866 Mendel rezessiv 1 2 9,71 0,0078 2 7,01 0,0301 Mendel willkürlich 1 3 9,71 0,0212 3 7,01 0,0716 1 4 11,57 0,0209 4 3,90 0,4197 3 5 11,59 0,0409 5 5,37 0,3724 5 6 11,59 0,0723 6 6,90 0,6902 1 4 19,57 0,0006 4 12,90 0,0118 3 5 19,85 0,0013 5 12,91 0,0242 5 6 19,57 0,0033 6 12,90 0,0447 1 5 19,46 0,0016 5 12,90 0,0243 3 6 19,85 0,0029 6 12,91 0,0445 5 7 19,56 0,0066 7 12,90 0,0746 1 3 2 3 7,49 7,60 0,0237 0,0551 2 3 4,70 6,51 0,0954 0,0893 gemischtes Modell mit dominantem Hauptgen gemischtes Modell mit rezessiven Hauptgen gemischtes Modell mit willkürlichem Hauptgen polygenes Modell 5 4 7,49 0,1122 4 4,70 0,3195 FG: Freiheitsgrade, AIC: Informationskriterium nach Akaike; -2lnL: -2 log Likelihood, p: Signifikanz * Differenz der FG d. Prüfmodells vom allg. Modell ** Differenz des –2 lnL des Prüfmodells vom allgemeinen Modell Bei dem Vergleich des µ-Modells mit den monogenen, polygenen und gemischtmonogen-polygenen Modellen ohne Berücksichtigung der Kovariablen für den Untersuchereffekt unterschieden sich die getesteten Modelle signifikant vom umweltbedingten Modell. Lediglich das polygene Modell mit der familiären Korrelation vom Typ 5 und das gemischte Modell mit dominantem Hauptgeneffekt und der familiären Korrelation vom Typ 5 unterschieden sich nicht signifikant vom µModell. Unter Berücksichtigung der Kovariablen ergab der Vergleich zum umweltbedingten Modell, dass sich die gemischten Modelle mit rezessivem und willkürlichem Hauptgeneffekt sowie das Mendel’sche Modell mit rezessivem Erbgang Ergebnisse und Diskussion 121 signifikant vom umweltbedingten Modell unterschieden. Die Mendel’schen Modelle mit dominanter oder willkürlicher Genwirkung und die gemischt monogen-polygenen Modelle für das dominante Hauptgen und die polygenen Modelle zeigten dagegen keine signifikanten Unterschiede zum µ-Modell. Tabelle 38: Vergleich des gemischten Modells mit rezessivem Hauptgeneffekt gegen die Mendel’schen Modelle, die gemischten Modelle mit dominantem und willkürlichem Hauptgeneffekt und das polygene Modell Getestete Hypothese Ergebnisse ohne Berücksichtigung der Familiäre Kovariablen Korrelation Differenz 2** p χ der FG* Ergebnisse mit Berücksichtigung der Kovariablen Differenz 2** p χ der FG* gemischtes Modell mit rezessiven Hauptgen 1 - - - - - - Mendel dominant 1 2 26,77 <0,001 2 13,38 0,0012 Mendel rezessiv 1 2 9,85 0,0073 2 5,89 0,0526 Mendel willkürlich 1 1 9,85 0,0017 1 5,89 0,0152 gemischtes Modell mit dominantem Hauptgen gemischtes Modell mit rezessivem Hauptgen gemischtes Modell mit willkürlichem Hauptgen polygenes Modell 1 0 8,0 - 0 9 - 3 1 7,98 0,0047 1 7,53 0,0061 5 2 78,0 0,0183 2 9 0,0111 3 1 0,29 0,5921 1 0,01 0,9203 5 2 0 1 2 0 1 1 1 0,11 0,7426 1 0 1 3 2 0,29 0,8663 2 0,01 0,9950 5 3 0,01 0,9999 3 0 1 1 2 12,08 0,0024 2 8,20 0,0166 3 1 11,97 0,0005 1 6,39 0,0115 5 0 12,08 0 8,20 FG: Freiheitsgrade, AIC: Informationskriterium nach Akaike; -2lnL: -2 log Likelihood, p: Signifikanz * Differenz der FG d. Prüfmodells vom allg. Modell ** Differenz des –2 lnL des Prüfmodells vom allgemeinen Modell Das gemischte Modell mit rezessivem Hauptgeneffekt und der familiären Korrelation vom Typ 1 erklärte signifikant mehr Varianz in den Daten als die Mendel’schen Modelle (Tabelle 38), so dass diese Modelle gegenüber dem gemischten Modell Ergebnisse und Diskussion 122 abzulehnen sind. Ebenso waren die gemischten Modelle mit dominantem Hauptgeneffekt abzulehnen. Das gemischte Modell mit willkürlichem Hauptgeneffekt unterschied sich nicht signifikant vom gemischten Modell mit rezessivem Hauptgeneffekt. Jedoch zeigte das gemischte Modell mit rezessivem Hauptgeneffekt den kleineren AIC-Wert und stellt somit die beste Erklärungshypothese mit der geringsten Anzahl von Schätzparametern für den Erbgang der Linsenluxation dar. 4.3.3 Diskussion Die Linsenluxation ist beim Tibet Terrier schon seit längerem als erbliche Augenerkrankung bekannt. Aus diesem Grund wurde auch für dieses Merkmal mit Hilfe der Varianzkomponentenschätzung und einer komplexen Segregationsanalyse versucht, den Vererbungsmodus anhand des vorliegenden Materials zu analysieren. Im Gesamtdatenbestand von 849 Probanden befanden sich elf Tiere (fünf Rüden und sechs Hündinnen), bei denen eine Linsenluxation nachgewiesen werden konnte. Damit waren insgesamt 1,29% der Tiere von dieser Augenerkrankung betroffen. Dieser niedrige Anteil an betroffenen Tieren resultiert aus der Tatsache, dass der Klub für Tibetische Hunderassen e.V. (KTR) schon seit Ende der 70er Jahre empfiehlt, betroffene Tiere mit Linsenluxation von der Zucht auszuschließen. Seit 1987 sind offiziell bekannte Genträger von der Zucht ausgeschlossen. Als Defektallelträger werden betroffene Tiere sowie deren Eltern und eventuelle Nachfahren betrachtet. Auch mit diesen elf Tieren wurden nicht weitergezüchtet. Der Einfluss der bisherigen züchterischen Maßnahmen ist auch anhand der dargestellten Pedigrees ersichtlich, da sich in den großen Familien nur wenige betroffene Tiere befinden und mit diesen nicht weitergezüchtet wurde. Anhand des vorliegenden Datenmaterials konnte mittels der Segregationsanalyse ein gemischt-monogen-polygener Erbgang mit rezessivem Hauptgeneffekt als wahrscheinlich ermittelt werden. Viele Autoren berichten von einem gehäuften Auftreten der Linsenluxation, vor allem bei Terrier-Rassen, vor allem bei Fox-, Sealyham- und Jack-Russel-Terriern (MAGRANE 1977, CURTIS und BARNETT 1980, CURTIS et al. 1983a, 1983b, MARTIN 1995, ACVO 1999) und beim Border-Collie Ergebnisse und Diskussion 123 (FOSTER 1996), aber auch beim Tibet Terrier (BARNETT und CURTIS 1978, W ILLIS et al. 1979). Während einige Autoren einen monogen autosomal dominanten Erbgang annehmen (KNIGHT 1957, BARNETT 1976), sind BARNETT und CURTIS (1978) der Meinung, dass die Linsenluxation beim Tibet Terrier auf einen monogen autosomal rezessiven Erbgang zurückzuführen sei. Im Gegensatz zu dieser Arbeit wurden in der Regel Testkreuzungen durchgeführt und an Hand der Häufigkeiten des Auftretens von Linsenluxation auf den Erbgang geschlossen. In einer Studie von W ILLIS et al. (1979) wurden die Untersuchungsergebnisse und Pedigree-Informationen von 20 betroffenen Tibet Terriern aus Großbritannien und weiteren sieben betroffenen Hunden aus Schweden, deren Pedigree sich auf britische Herkunft zurückführen lässt, mit einfachen Segregationsanalysen untersucht. Unter Annahme eines monogen autosomal rezessiven Erbganges ergab die Aufspaltung der Pedigrees für homozygot betroffene Tiere eine Häufigkeit von 15,2%, was unter dem Erwartungswert von 25% lag. Der Inzuchtkoeffizient lag für die betroffenen Tiere im Durchschnitt bei 14,4% und somit relativ hoch im Vergleich zu den anderen Erkrankungen. Alle diese Pedigrees konnten auf drei Gründertiere, eine Hündin und zwei Rüden zurückgeführt werden. Einer der Rüden wurde auf Grund seines äußeren Erscheinungsbildes in das Zuchtbuch des Britisch Kennel Clubs aufgenommen. Die Abstammungsdaten waren unbekannt. W ILLIS et al. (1979) vermuteten daher, dass es beim Tibet Terrier zu einer Einkreuzung anderer Rassen, eventuell auch Terrier-Rassen gekommen ist. CURTIS et al. (1983b) vermuteten gleiches für das Auftreten der Linsenluxation beim Zwerg-Bullterrier, während FOSTER et al. (1986) beim Border Collie ebenfalls von Terrier-Einkreuzungen berichteten. Das pathologische Erscheinungsbild und das Ausbruchsalter der Linsenluxation ähnelt nach den Angaben beider Autoren dem des Tibet Terriers. Die vorliegenden Pedigrees wurden jedoch nicht so weit zurückverfolgt, dass hier eine Aussage über entsprechende Einkreuzungen von Terriern getroffen werden konnte. Für das Auftreten der Linsenluxation beim Tibet Terrier sind W ILLIS et al. (1979) der Meinung, dass ein monogen autosomal rezessiver Erbgang am wahrscheinlichsten ist. Sie beschreiben auch, dass mit Hilfe von Testkreuzungen diese Annahme bestätigt werden könnte, die Problematik bestünde allerdings darin, dass auf Grund des hohen Manifestationsalters dieser Test sich über viele Jahre hinziehen würden. Des Ergebnisse und Diskussion 124 weiteren ließe sich der laut W ILLLIS et al. (1979) der als wahrscheinlich angenommene autosomal rezessive Erbgang der Linsenluxation beim Tibet Terrier nicht auf andere Hunderassen übertragen, zumal andere Autoren ((MAGRANE 1977, BARNETT 1976, CURTIS und BARNETT 1980, CURTIS et al. 1983a, 1983b) beim Fox-, Sealyhamund Jack Russel-Terrier von einem dominanten Vererbungsmodus sprechen. Vergleicht man die Studie von W ILLIS et al. (1979) mit den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit, so zeigt sich, dass ein gemischt-polygen-monogener Erbgang mit rezessivem Hauptgeneffekt am wahrscheinlichsten ist. An Hand der Ergebnisse der Varianzanalyse scheint zunächst der Inzuchtkoeffizient einen signifikanten Einfluss zu besitzen. Jedoch lies sich der Inzuchtkoeffizient nicht für alle Tiere im Gesamtdatenbestand ermitteln, da viele Tiere aus der Gründungszeit des KTR-Zuchtbuches stammten oder es sich um Importtiere handelte. Bei genauerer Betrachtung der LS-Mittelwerte erwies sich die Klasse mit unbekanntem Inzuchtkoeffizienten als signifikant. Somit konnte hier keine Aussage über den Einfluss des Inzuchtkoeffizienten gemacht werden. Der Inzuchtkoeffizient wurde deshalb in den Segregationsanalysen nicht berücksichtigt. Willis et al. (1979) gaben in ihrem Datenmaterial einen durchschnittlichen Inzuchtkoeffizienten von 14,4% an, während in der vorliegenden Arbeit der durchschnittliche Inzuchtkoeffizient bei 1,29% lag. Bei rezessiven Erbgängen ist der Inzuchtkoeffizient dahingehend von Bedeutung, dass, bedingt durch die Inzucht, die Genfrequenz des mutierten Allels bei der Verwendung von Genträgern bei der Zucht erhöht wird. Mit dem Effekt des Untersuchers, der sich in der Varianzanalyse als signifikant für das Merkmal der Linsenluxation erwies, sollte der Einfluss der einzelnen Tierärzte des Dortmunder Kreises e.V. (DOK) und die damit verbundene Qualifikation der untersuchenden Tierärzte auf das Untersuchungsergebnis berücksichtigt werden. Der überwiegende Teil der Probanden wurde von den Tierärzten mit nur einer bis 20 Augenuntersuchungen untersucht. Dieser Effekt zeigte dann auch eine deutliche Signifikanz bei der Ermittlung der LS-Mittelwerte. Nur sieben dieser Untersuchungen stammen aus der Zeit vor der Gründung des DOK (12.10.1995) und vor der Bestimmung des KTR, dass nur DOK-Tierärzte Augenuntersuchungen zur Zuchtzulassung durchführen dürfen. Daraus ist ersichtlich, dass die Qualifikation der Ergebnisse und Diskussion 125 Tierärzte durchaus einen Einfluss auf die Diagnosesicherheit bei den einzelnen Befunden hat und trotz DOK große Unterschiede zwischen den einzelnen Untersuchern bestehen. Die Qualifikation der Tierärzte durch den DOK und die Festlegung in der Satzung des KTR, dass die Augenuntersuchungen zur Zuchtzulassung nur durch DOK-Mitglieder zu erfolgen hat, trägt somit zur Qualitätssicherung und sicheren Diagnostik der erblich bedingten Augenerkrankungen bei. Dieser Effekt wurde als Kovariable für die Segregationsanalyse berücksichtigt. Es zeigte sich in der Segregationsanalyse mit der entsprechenden Kovariable, dass dieser Effekt zu einer besseren Erklärung der Daten beitrug. Das Alter der Tiere bei der Feststellung der Linsenluxation im vorliegenden Datenmaterial lag im Durchschnitt bei etwa 5,91 Jahren, wobei das jüngste Tier 2,74 Jahre und das älteste Tier 8,24 Jahre alt war. In Übereinstimmung dazu gibt BARNETT (1976) an, dass die Linsenluxation in den meisten Fällen in einem Alter zwischen vier und acht Jahren auftritt und dieses sich in allen Terrier Rassen ähnlich zeigt. Anhand der Segregationsanalysen und der Pedigrees ist erkennbar, dass ein gemischt monogener-polygener Vererbungsmodus mit rezessivem Hauptgeneffekt am wahrscheinlichsten ist. Bedingt durch die Häufigkeit des Auftretens der Linsenluxation im Datenmaterial ist ersichtlich, Zuchtbestimmungen des KTR erfolgreich waren. dass die bisherigen Ergebnisse und Diskussion 4.4 126 Katarakt 4.4.1 Varianzanalyse Für das Auftreten der Katarakt wurde mittels einer Varianzanalyse getestet, ob systematische Effekte einen signifikanten Einfluss auf das Auftreten der Katarakt beim Tibet Terrier haben. Dabei wurde keine Differenzierung hinsichtlich unterschiedlicher Kataraktformen getroffen. Die Ergebnisse für die getesteten Effekte sind in den Tabellen 39 und 40 dargestellt. Tabelle 39: Varianzanalyse für das Auftreten der Katarakt bei den Probanden Variationsursachen FG F-Wert p Geschlecht 1 0,32 0,5728 Inzuchtkoeffizient 2 1,27 0,2814 Geburtsjahr 3 1,69 0,1696 3 1,03 0,3783 Wurfgröße 2 2,13 0,1201 Untersucherklasse 3 1,43 0,2353 - linear 1 1,0 0,3192 - quadratisch 1 2,45 0,1186 Prozent untersuchter Tiere pro Wurf Alter bei Erstuntersuchung FG: Freiheitsgrade Die Faktoren Geschlecht, Inzuchtkoeffizient, Geburtsjahr, Prozent untersuchter Tiere pro Wurf, Wurfgröße, Untersucher und das Alter bei Erstuntersuchung (linear und quadratisch) hatten keine signifikante Bedeutung (p>0,05) für das Auftreten der Katarakt beim Tibet Terrier. Ergebnisse und Diskussion 127 Tabelle 40: Varianzen für die zufälligen Effekte für das Auftreten der Katarakt 2 Effekt Varianzen für die zufälligen Effekte (s ) Zwinger 0,0005 Vater 0,0002 Mutter 0,0012 Rest 0,0416 Gesamtstreuung 0,0435 Die Tabelle 40 zeigt die Varianzen der zufälligen Effekte des Zwingers, der Vaterund Muttertiere, die Varianz für den Rest sowie die Gesamtvarianz. 4.4.2 Segregationsanalyse Im Datenmaterial waren insgesamt 40 Tiere (17 Rüden und 23 Hündinnen) von der Katarakt betroffen. Für diese Tiere wurden Pedigrees in tannenbaumähnlicher Struktur aufgebaut. Somit flossen in diese Pedigrees die Daten von insgesamt 940 Tieren ein. Davon waren 741 Tiere untersucht und von diesen zeigten 39 Tiere eine Katarakt. Von einem ophthalmologisch untersuchten und betroffenen Tier waren die Abstammungsdaten nicht bekannt, so dass dieses Tier nicht berücksichtigt wurde. Da sich auch in diesen Pedigrees mehrere Inzucht-Schleifen befanden, wurden einige Tiere dupliziert und mit einer zweiten Tiernummer in das Pedigree eingebaut, um diese Inzucht-Schleifen aufzuschneiden. Darunter waren auch Tiere mit einer Katarakt. Da versucht wurde, die ophthalmologisch untersuchten Hunde in möglichst große Pedigrees zu integrieren, resultieren aufgrund der Populationsstruktur sehr verschieden große Pedigrees. Die nur wenige Tiere umfassenden Pedigrees kommen dadurch zustande, dass zum einen in der Verwandtschaft keine weiteren untersuchten Tiere vorhanden waren und somit eine Anbindung an größere Pedigrees nicht möglich war. Diese Tiere stammen zum großen Teil von anderen Zuchtverbänden wie dem ILT oder dem CTA oder es handelt sich um aus dem Ausland importierte Tiere. Zum anderen konnten kleinere Pedigrees nicht an die großen Pedigrees angebunden werden, da sonst in den Pedigrees X-Strukturen Ergebnisse und Diskussion 128 entstehen würden, die mit S.A.G.E. nicht berechnet werden können. Daraus ergaben sich mit duplizierten Tieren insgesamt 15 Familien mit 1144 Tieren und 47 betroffenen Tieren (Tabelle 41). Die Familien umfassten 3 (Familie 15) bis 323 Tiere (Familie 1) mit ein bis 11 betroffenen Tieren in bis zu acht Generationen. Die Tiere kommen insgesamt aus 29 verschiedenen Zwingern. Sie stammen von 35 verschiedenen Müttern und 29 verschiedenen Vätern ab. In 4 Fällen waren Vollgeschwister betroffen, in 11 Fällen Halbgeschwister, mit 18 betroffenen Tieren wurde weitergezüchtet. Tabelle 41: Übersicht über die Struktur der analysierten Pedigrees für das Merkmal Katarakt PedigreeNummer Anzahl der Tiere im Pedigree Anzahl der Anzahl der betroffenen Tiere untersuchten Tiere insgesamt (Rüde/Hündin) im Pedigree 1 323 11 (5/6) 308 2 196 9 (4/5) 158 3 147 6 (3/3) 134 4 93 3 (0/3) 74 5 14 3 (1/2) 11 6 133 2 (1/1) 86 7 115 3 (2/1) 61 8 24 2 (1/1) 20 9 5 2 (0/2) 2 10 44 1 (0/1) 12 11 14 1 (1/0) 11 12 16 1 (1/0) 10 13 7 1 (1/0) 5 14 10 1 (0/1) 3 15 3 1 (0/1) 1 Ergebnisse und Diskussion 129 Die Pedigrees sind in den nachfolgenden Abbildungen 32 bis 39 dargestellt. Bei den Familien 1-3 wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit nur ein Teil der Tiere dargestellt. Katarakt Familie 1 18 919 194 595 358 709 557 274 507 297 488 106 425 183 426 214 410 106 234 399 125 378 1052 199 329 237 308 272 309 310 311 112 318 218 319 586 364 153 333 228 332 338 339 916 571 922 184 238 382 344 344 345 346 347 348 494 362 648 649 688 304 540 541 485 444 650 517 523 670 996 466 486 577 578 467 468 481 453 437 438 611 377 291 510 589 533 743 546 458 590 501 502 515 439 733 503 615 534 550 551 552 553 334 439 638 462 767 768 1034 756 661 662 757 758 631 878 807 685 385 527 391 737 738 490 392 492 499 542 500 703 657 658 359 478 479 480 302 704 702 701 474 475 476 477 877 499 888 889 890 891 570 460 214 893 895 896 482 653 654 772 535 774 773 902 660 901 689 783 899 711 816 819 721 861 906 897 817 898 900 Abbildung 31: Pedigree der Familie 1 Katarakt Familie 2 963 986 943 227 199 126 182 173 113 84 142 153 201 85 140 157 909 1000 191 158 175 915 224 228 210 243 242 251 233 234 235 218 219 205 206 274 231 230 283 284 286 287 288 187 202 183 192 193 263 262 264 363 362 341 215 221 161 385 458 918 161 382 463 214 343 1053 827 379 380 371 245 514 1045 149 293 470 544 434 435 436 430 198 456 1058 398 519 752 562 753 382 512 386 391 387 487 455 456 226 200 285 392 601 629 630 454 389 390 273 539 528 529 530 439 1056 967 642 574 575 568 713 714 419 603 420 324 421 422 277 401 386 402 625 715 511 570 851 777 778 779 780 781 782 614 535 536 866 616 645 Abbildung 32: Pedigree der Familie 2 646 617 618 537 Ergebnisse und Diskussion 130 984 Katarakt Familie 3 983 686 444 214 459 460 462 179 176 525 726 788 828 472 305 718 666 667 199 637 998 741 742 632 948 312 514 740 414 1040 382 439 440 393 304 249 524 416 829 216 409 412 413 261 424 135 403 433 404 604 797 584 1055 558 559 609 564 565 461 799 699 862 147 643 639 680 506 669 582 754 372 543 327 965 812 1009 585 407 733 924 569 769 563 511 1021 1054 724 725 728 729 730 863 731 560 628 689 765 270 636 525 899 686 766 809 764 1041 626 627 717 811 907 582 449 469 461 267 259 385 1016 527 516 312 940 837 838 673 647 621 591 592 587 588 1030 844 802 803 1044 847 849 790 879 880 881 923 887 Abbildung 33: Pedigree der Familie 3 Katarakt Familie 4 980 117 220 199 194 326 151 160 198 207 216 385 215 388 428 357 358 1021 138 208 209 935 321 951 1 223 222 221 159 177 497 417 628 280 106 125 159 1006 184 273 1008 1010 1015 281 282 313 314 921 372 289 297 298 300 315 316 317 156 508 509 406 405 126 323 214 153 349 697 100 244 400 147 236 350 465 441 442 395 397 407 275 698 672 431 572 573 Abbildung 34: Pedigree der Familie 4 351 373 374 375 376 418 208 209 Ergebnisse und Diskussion 131 Katarakt Familie 6 1046 99 96 44 109 15 949 59 98 62 124 133 128 67 121 120 143 144 130 131 167 407 95 191 103 84 954 145 89 148 137 138 139 127 160 154 155 168 135 146 216 166 496 114 918 178 174 170 171 172 190 115 360 361 173 291 292 236 270 415 366 367 368 369 370 268 269 593 176 352 353 354 355 356 486 259 238 182 77 214 161 290 505 92 570 169 504 47 140 327 162 296 939 132 179 295 101 142 112 260 527 261 111 677 678 679 744 745 746 747 457 341 305 306 217 196 197 307 278 561 644 458 325 674 594 473 651 652 Abbildung 35: Pedigree der Familie 6 Katarakt Familie 7 38 83 80 122 60 91 78 113 58 112 51 88 42 82 65 89 43 947 47 49 86 81 117 116 115 129 119 97 37 104 275 126 109 110 105 254 151 469 107 240 142 182 334 335 176 177 407 10 248 279 278 250 271 273 9 277 3 266 301 184 241 118 108 159 194 195 471 471 472 793 609 188 304 302 867 868 207 229 239 258 443 586 452 447 458 340 265 610 1020 808 427 558 599 429 805 806 775 830 381 600 17 556 Abbildung 36: Pedigree der Familie 7 123 200 220 141 1001 776 136 Ergebnisse und Diskussion Katarakt Familie 10 Abbildung 37: Pedigree der Familie 10 Katarakt Familie 11 Abbildung 38: Pedigree der Familie 11 132 Katarakt Familie 12 Katarakt Familie 14 Katarakt Familie 13 Katarakt Familie 15 Katarakt Familie 8 Katarakt Familie 9 Katarakt Familie 5 Ergebnisse und Diskussion 133 Abbildung 39: Pedigrees der Familien 5, 8 ,9, 12 sowie 13-15 Ergebnisse und Diskussion 134 Da beim Tibet Terrier das Alter, in dem erste klinische Symptome bei der Katarakt beobachtet werden, eine bedeutende Rolle spielt, wurde bei den Segregationsanalysen das Alter der Tiere bei der Untersuchung und das Manifestationsalter der Katarakt mitberücksichtigt. Die Ergebnisse sind in Tabelle 42 dargestellt. Tabelle 42: Segregationsanalyse mit regressiven Logit-Modellen für das Auftreten der Katarakt unter Berücksichtigung des Manifestationsalters (REGTL) Getestete Hypothese Familiäre Korrelation FG -2 lnL AIC Differenz der FG* χ p Allgemeines Modell 7 18 452,63 - - - - µ-Modell - 5 474,86 484,86 13 22,22 0,052 - 7 469,04 483,04 11 16,40 0,1269 - 7 468,28 482,28 11 15,64 0,1549 - 8 466,78 482,78 10 14,14 0,1665 1 3 5 7 8 9 468,58 468,46 463,89 482,58 484,46 481,89 11 10 9 15,95 15,83 11,26 0,1432 0,1047 0,2586 7 11 463,64 485,64 7 11,00 0,1385 1 9 468,08 486,08 9 15,45 0,0794 3 5 10 11 467,99 463,03 487,99 485,03 8 7 15,35 10,4 0,0526 0,1672 7 1 3 5 7 1 3 5 7 13 9 10 11 13 10 11 12 14 462,83 468,98 468,13 463,76 463,43 466,91 466,66 462,09 461,78 488,83 486,98 488,13 485,76 489,43 486,91 488,66 486,09 489,78 5 9 8 7 5 8 7 6 4 10,2 16,34 15,5 11,13 10,8 14,28 14,03 9,46 9,14 0,0699 0,0601 0,0502 0,1816 0,0555 0,0748 0,0507 0,1493 0,0576 Mendel dominant Mendel rezessiv Mendel willkürlich polygenes Modell gemischtes Modell mit dominantem Hauptgen gemischtes Modell mit rezessivem Hauptgen gemischtes Modell mit willkürlichem Hauptgen 2** Homogenität zwischen 1 5 476,79 486,79 13 24,16 0,0297 Generationen FG: Freiheitsgrade, AIC: Informationskriterium nach Akaike; -2lnL: -2 log Likelihood, p: Signifikanz * Differenz der FG d. Prüfmodells vom allg. Modell ** Differenz des –2 lnL des Prüfmodells vom allgemeinen Modell Ergebnisse und Diskussion 135 Aus der Tabelle 42 geht hervor, dass sich bei der Segregationsanalyse nur das Modell mit einer umweltbedingten Streuungsursache (µ-Modell) und das Modell für die Homogenität zwischen den Generationen signifikant vom allgemeinen Modell unterscheiden und somit abzulehnen sind. Die gemischten Modelle mit Hauptgeneffekt und den familiären Korrelationen vom Typ 1, 3, und 7 liegen im Bereich der Signifikanzgrenze von 5%. Dagegen sind die Modelle für monogene und polygene Erbgänge sowie die gemischten Modelle mit Hauptgeneffekt und der familiären Korrelation vom Typ 5 vom allgemeinen Modell nicht signifikant verschieden. Den geringsten Wert für das –2 log Likelihood von allen getesteten Modellen weist das gemischte Modell mit willkürlichem Hauptgeneffekt und der familiären Korrelation vom Typ 7 auf. Von den getesteten Hypothesen liefern das monogen autosomal rezessive Modell und das polygene Modell mit der familiären Korrelation vom Typ 5 die beste Anpassung an die Daten, wenn die Anzahl der zu schätzenden Parameter berücksichtigt wird. Diese Modelle haben die niedrigsten AIC-Werte. Die Tabelle 43 zeigt, dass sich das Modell mit der umweltbedingten Streuung (µModell) von den Modellen für einen monogen-rezessiven oder monogen-willkürlichen Erbgang signifikant unterscheidet. Am deutlichsten wird dieser Unterschied jedoch im Vergleich zwischen dem µ-Modell und dem polygenen Modell mit der familiären Korrelation für unterschiedliche Elterneffekte (Typ 5). Alle gemischten Modelle erklären keine signifikant höheren Varianzanteile als das µ-Modell. Aus diesen Vergleichen ergibt sich, dass das polygene Modelle und die Mendel’schen Modelle mit rezessiver oder willkürlicher Genwirkung die Daten signifikant besser erklären als ein Modell mit nur einer umweltbedingten Streuung. Die gemischt monogenenpolygenen Modelle hingegen sind auf Grund der hohen Anzahl von benötigten Parametern dem umweltbedingten Modell nicht signifikant überlegen. Ergebnisse und Diskussion 136 Tabelle 43: Vergleich zwischen dem umweltbedingten Modell und den Mendel’schen Modellen sowie den gemischten Modellen Getestete Hypothese Familiäre Korrelation FG -2 lnL AIC Differenz der FG* χ P µ-Modell - 5 474,86 484,86 - - - Mendel dominant - 7 469,04 483,04 2 5,82 0,0545 - 7 468,28 482,28 2 6,58 0,0373 - 8 466,78 482,78 3 8,07 0,0444 1 7 468,58 482,58 2 6,28 0,0433 3 8 468,46 484,46 3 6,4 0,0938 5 9 463,89 481,89 4 10,97 0,0269 7 11 463,64 485,64 6 11,22 0,0818 1 9 468,08 486,08 4 6,78 0,1481 3 10 467,99 487,99 5 6,87 0,2305 5 11 463,03 485,03 6 11,83 0,0660 Mendel rezessiv Mendel willkürlich polygenes Modell gemischtes Modell mit dominantem Hauptgen gemischtes Modell mit rezessivem Hauptgen gemischtes Modell mit willkürlichem Hauptgen 2** 7 13 462,83 488,83 8 12,03 0,1500 1 9 468,98 486,98 4 5,88 0,2084 3 10 468,13 488,13 5 6,73 0,2305 5 11 463,76 485,76 11,1 0,0656 7 13 463,43 489,43 6 8 11,42 0,1789 1 10 466,91 486,91 5 7,95 0,1592 3 11 466,66 488,66 6 8,19 0,2243 486,09 7 12,76 0,0781 5 12 462,09 9 7 14 461,78 489,78 13,08 0,1591 FG: Freiheitsgrade, AIC: Informationskriterium nach Akaike; -2lnL: -2 log Likelihood, p: Signifikanz * Differenz der FG d. Prüfmodells vom allg. Modell ** Differenz des –2 lnL des Prüfmodells vom allgemeinen Modell In einem weiteren Test wurde das polygene Modell mit der familiären Korrelation vom Typ 5 mit den polygenen Modellen mit den familiären Korrelationen vom Typ 1, 3 und 7 sowie mit den gemischten Modellen mit dominantem, rezessivem bzw. willkürlichem Hauptgeneffekt und den Mendel’schen Modellen verglichen. Die Ergebnisse sind in Tabelle 44 dargestellt. Ergebnisse und Diskussion 137 Tabelle 44: Vergleich zwischen dem polygenen Modell und den gemischten Modellen Getestete Hypothese polygenes Modell Mendel dominant Mendel rezessiv Mendel willkürlich polygenes Modell gemischtes Modell mit dominantem Hauptgen gemischtes Modell mit rezessivem Hauptgen Familiäre Korre- FG lation -2 lnL AIC Differenz der FG* χ P 2** 5 9 463,89 481,89 - - - - 7 469,04 483,04 2 5,15 0,0763 - 7 468,28 482,28 2 4,39 0,1115 - 8 466,78 482,78 1 2,89 0,0892 1 7 468,58 486,08 2 4,69 0,0958 3 8 468,46 487,99 1 4,57 0,0325 7 11 463,64 485,64 2 0,25 0,8813 1 9 468,08 486,08 0 4,19 - 3 10 467,99 487,99 1 4,1 0,0429 5 11 463,03 485,03 2 0,86 0,6507 7 13 462,83 488,83 4 1,06 0,9006 1 9 468,98 486,98 0 5,11 - 3 10 468,13 488,13 1 4,24 0,0395 5 11 463,76 485,76 2 0,13 0,9372 7 13 463,43 489,43 4 0,46 0,9777 1 10 466,91 486,91 1 3,02 0,0821 gemischtes 3 11 466,66 488,66 2 2,77 0,2498 Modell mit willkürlichem 5 12 462,09 486,09 3 1,79 0,6162 Hauptgen 7 14 461,78 489,78 5 2,11 0,8337 FG: Freiheitsgrade, AIC: Informationskriterium nach Akaike; -2lnL: -2 log Likelihood, p: Signifikanz * Differenz der FG d. Prüfmodells vom allg. Modell ** Differenz des –2 lnL des Prüfmodells vom allgemeinen Modell Sowohl das polygene Modell mit der familiären Korrelation vom Typ 3 als auch die gemischten Modelle mit dominantem bzw. rezessivem Hauptgeneffekt und der familiären Korrelation jeweils vom Typ 3 unterscheiden sich signifikant (p<0,05) vom polygenen Modell mit der familiären Korrelation vom Typ 5. Diese Modelle sind somit als Erklärungshypothese auszuschließen, da sie signifikant weniger Datenstreuung erklären. Alle übrigen Modelle mit einer polygenen Komponente und der familiären Korrelation vom Typ 5 und 7 sowie alle gemischten Modelle mit einem dominantem oder rezessiven Hauptgeneffekt und einer familiären Korrelation vom Typ 5 und 7 wie auch alle gemischte Modelle mit willkürlichem Hauptgeneffekt sind nicht signifikant verschieden. Sie erklären somit keine signifikant höheren Anteile der Streuung Ergebnisse und Diskussion 138 der Daten. Deshalb kommen auch diese Modelle als Erklärungshypothese in Betracht. 4.4.3 Diskussion Eines der Ziele dieser Studie war es, herauszufinden, ob die Katarakt als genetische Augenerkrankung beim Tibet Terrier eine Rolle spielt. Im Laufe der vom KTR eingeführten Reihenuntersuchungen beim Tibet Terrier traten immer häufiger die Befunde der Katarakt auf. Im vorliegenden Datenmaterial waren insgesamt 40 Tiere betroffen. Bei einem Gesamtbestand von 849 Probanden entspricht das einem Prozentsatz von 4,71%. Laut ACVO (1999) besteht beim Tibet Terrier eine Prädisposition für die Katarakt, was mit der vorliegenden Untersuchung übereinstimmt. Weitere Rassen, bei denen eine Prädisposition vermutet wird, sind unter anderem der Amerikanische und Englische Cocker Spaniel, Welsh Springer Spaniel, Boston Terrier, Golden und Labrador Retriever, Deutscher Schäferhund und Dobermann (BARNETT 1978, 1986, MARTIN 1995, ACVO 1999). Eine fast ähnlich hohe Prävalenz wie in der vorliegenden Arbeit wurde in dem Eye-Disease-Report mit 49 (3,55%) von 1379 untersuchten Tibet Terriern festgestellt. Die hereditären Katarakte unterscheiden sich je nach Rasse in ihrer Form, Ausprägung, Progression und im Alter, bei dem erste Symptome opthalmologisch festgestellt werden. Bei den meisten Hunderassen wie dem Welsh Springer Spaniel (BARNETT 1980), dem Amerikanischen und Englischen Cocker Spaniel (Barnett 1978) und dem Zwergschnauzer (Barnett 1985b) wurde für die Katarakt über Testkreuzungen ein monogen autosomal rezessiver Erbgang als sehr wahrscheinlich ermittelt. OLESEN et al. (1974) vertraten jedoch die Ansicht, dass beim Cocker Spaniel auch ein komplexer Vererbungsmodus für das Auftreten der Katarakt verantwortlich sein könnte. Einzige Ausnahmen sind der Golden und Labrador Retriever, bei denen in den Studien von RUBIN (1974) und CURTIS und BARNETT (1989) ein autosomal monogen dominanter Vererbungsmodus als wahrscheinlich gehalten wurde. Da in dieser Arbeit das polygene Modell mit der familiären Korrelation vom Typ 5 die beste Erklärungshypothese liefert, scheint beim Tibet Ergebnisse und Diskussion 139 Terrier ein komplexer Vererbungsmodus vorzuliegen. Es ließen sich jedoch auch die monogenen Modelle sowie die gemischt monogen-polygenen Modell mit Hauptgeneffekt nicht ausschließen. Für das Auftreten der Katarakt beim Tibet Terrier ist auf jeden Fall eine genetische Komponente sehr wahrscheinlich. Die Ergebnisse der komplexen Segregationsanalyse lieferten jedoch keine eindeutige Differenzierung hinsichtlich der Art des Erbgangs. SPIESS (1994) führte eine Studie an 276 Entlebucher Sennenhunden durch, von denen 117 Hunde (42,4%) eine Katarakt zeigten. Dabei handelte es sich um Tiere, die in einem Zeitraum von 1987 bis 1992 an der Veterinär-Chirurgischen Klinik der Universität Zürich und während einer Hundeausstellung untersucht wurden. Die Erhebung der Daten dürfte annährernd mit der in der vorliegenden Arbeit vergleichbar sein, da 72% der Tiere anlässlich einer Vorsorgeuntersuchung vorgestellt wurden und nur 28% der Tiere auf Grund offensichtlicher Augenprobleme. Unter Annahme eines monogen autosomal rezessiven Erbgangs und von Hardy-WeinbergGleichgewicht werden die Genotyphäufigkeiten geschätzt. Demnach wären in der Studie von SPIESS (1994) 12% homozygot gesund, 45,6% der untersuchten Tiere heterozygote Genträger und 42,4% der untersuchten Tiere homozygot befallen. GELATT et al. (1983a, 1983b) ermittelten in Testkreuzungen über die kongenitalen Katarakte beim Zwergschnauzer eine Übereinstimmung zwischen der beobachteten 2 und erwarteten Segregation für einen autosomal monogen rezessiven Erbgang (χ = 2 0,11; p< 0,90). Hier zeigte sich, dass anhand der χ -Teststatistiken der vermutete rezessive Erbgang bestätigt werden konnte, jedoch wurden keine weiteren alternativen Erbgänge getestet. In allen Studien zeigte das Alter der Tiere bei der Untersuchung einen eindeutig einen signifikanten Einfluss auf die Prävalenz der Katarakt. Je älter die Tiere sind, desto häufiger zeigt sich ein positiver Befund der Katarakt. Das Alter der Tibet Terrier bei der Feststellung der Katarakt in dieser Studie lag im Durchschnitt bei 3,89 Jahren, wobei das jüngste Tier in einem Alter von 52 Tagen eine mature Katarakt zeigte und das älteste Tier bei Erstfeststellung der Katarakt bereits 11,6 Jahre alt war. Die Ergebnisse der Varianzanalyse ergaben jedoch, dass in dem vorliegenden Datenmaterial das Alter bei der Untersuchung keinen signifikanten Einfluss auf das Auftreten der Katarakt hatte. Damit die Prävalenzen zwischen den Altersstufen Ergebnisse und Diskussion 140 vergleichbar sind, muss der Effekt des Manifestationsalters in dem Modell berücksichtigt werden. Dieses Modell der Alterskorrektur ist allerdings nicht optimal, da die genetischen Effekte nur über die Effekte von Vater oder Mutter berücksichtigt und weitere Verwandtschaften vernachlässigt wurden. Anderenfalls würden die Teststatistiken durch das altersabhängige Auftreten der Katarakt beim Tibet Terrier beeinflusst und damit verzerrte Ergebnisse liefern. Die Berücksichtigung des Manifestationsalters in der Segregationsanalyse ermöglicht es daher, alle verfügbaren Daten zu verwenden und nicht nur die Daten von Hunden ab einem bestimmten Alter. In vielen Fällen wird in der Literatur berichtet, dass die Katarakt häufig gemeinsam mit anderen Augenanomalien auftritt (DAVIDSON und NELMS 1999). Sehr häufig ist die kongenitale Katarakt mit einem Mikrophthalmus, wie beim Zwergschnauzer (BARNETT 1985b, GELATT et al. 1983a, 1983b), oder mit einer PRA verbunden (SPIESS 1984, TROBOLOVÁ und LEDECKÝ 2000). Im Probandenmaterial zeigten von den 40 Tieren, die eine Katarakt hatten, sechs Tiere außerdem eine MPP (15%) und zwei Tiere eine PRA (5%). Mikrophthalmie wurde in keinem Fall festgestellt. Für das Auftreten der Katarakt beim Tibet Terrier ist somit eine komplexe genetische Komponente anzunehmen. Die Ergebnisse deuten auf einen Vererbungsmodus hin, bei dem mehrere Genorte innerhalb der Population der Tibet Terrier eine Rolle spielen können, wie dies von OLESEN et al. (1974) und YAKELY (1978) beim Cocker Spaniel und BARNETT (1986) beim Deutschen Schäferhund ebenfalls angenommen wurde. OLESEN et al. (1974) schlossen beim Cocker Spaniel einen monogenen Vererbungsmodus aus, nachdem bei einer Testkreuzung zwischen betroffenen Tieren von fünf Welpen zwei Tiere keine Katarakt entwickelten. Die komplexe Segregationsanalyse ist im Gegensatz zu den Testkreuzungen von OLESEN et al. (1974), YAKELY (1978) und BARNETT (1986) eine sehr genaue und differenzierte Analysemöglichkeit. Mit ihrer Hilfe können die einzelnen genetischen Einflussfaktoren gezielt betrachtet werden, so dass hier zwischen monogenen, polygenen und gemischt-monogen-polygenen Erbgängen differenziert werden kann. Bei Testkreuzungen kann nur sehr schwierig auf einen oligo- oder polygenen Erbgang getestet werden, wenn keine umfassenden Pedigreeinformationen und Merkmalswerte für die Tiere im Pedigree vorliegen. Ergebnisse und Diskussion 4.5 141 Progressive Retinaatrophie (PRA) 4.5.1 Varianzanalyse Für das Auftreten der PRA wurde eine Varianzanalyse durchgeführt, um den Einfluss systematischer Effekte für das Auftreten der PRA beim Tibet Terrier zu ermitteln. Die Ergebnisse für die fixen und zufälligen Effekte sind in den Tabellen 45 und 46 dargestellt. Tabelle 45: Varianzanalyse für das Auftreten von PRA bei den Probanden Variationsursachen FG F-Wert p Geschlecht 1 0,15 0,6974 Inzuchtkoeffizient 2 1,49 0,2262 Geburtsjahr 3 0,6 0,6123 3 2,1 0,1007 Wurfgröße 2 0,44 0,6465 Untersucherklasse 3 0,33 0,8016 - linear 1 0,16 0,6592 - quadratisch 1 0,03 0,8681 Prozent untersuchter Tiere pro Wurf Alter bei Erstuntersuchung FG: Freiheitsgrade Die Ergebnisse zeigen, dass keiner der fixen Effekte für das Geschlecht, den Inzuchtkoeffizienten, das Geburtsjahr, den Prozentanteil untersuchter Tiere pro Wurf, Wurfgröße, Untersucher und Alter bei der Erstuntersuchung einen signifikanten Einfluss auf das Auftreten der PRA hat. In der Tabelle 46 sind die Varianzen für die zufälligen Effekte des Zwingers, der Vater- und Muttertiere, sowie den Restfehler für das Auftreten der PRA beim Tibet Terrier dargestellt. Ergebnisse und Diskussion 142 Tabelle 46: Varianzen für die zufälligen Effekte für das Auftreten der PRA Effekt Varianzen für die zufälligen Effekte 2 (s ) Zwinger 0,0002 Vater 0,0010 Mutter 0,0001 Rest 0,0130 Gesamtvarianz 0,0143 4.5.2 Segregationsanalyse PRA Für die Segregationsanalyse der Häufigkeit des Auftretens der Progressiven Retinaatrophie (PRA) beim Tibet Terrier wurden die Pedigrees in tannenbaumähnlicher Struktur aufgebaut. Da sich in diesen Pedigrees mehrere Inzucht-Schleifen befanden, mussten einige Tiere dupliziert werden. Der Datensatz konnte in insgesamt acht Familien mit 841 Tieren unterteilt werden, wobei 12 Tiere PRA-positiv waren. Einige Familien konnten in der Segregationsanalyse nicht berücksichtigt werden, da sie lediglich aus einem betroffenen Tier und dessen nicht untersuchten Elterntieren bestanden. Somit wurde in der Segregationsanalyse ein reduzierter Datensatz mit fünf Familien und neun von PRA betroffenen Tieren sowie insgesamt 829 Tieren verwendet. Die Familien umfassen 60 (Familie 4) bis 256 Tiere (Familie 2) mit ein bis fünf betroffenen Tiere in bis zu acht Generationen. Die Tiere insgesamt kommen aus 10 verschiedenen Zwingern, stammen von 12 verschiedenen Müttern und 11 verschiedenen Vätern ab. In zwei Fällen wurde mit den betroffenen weiblichen Tieren weitergezüchtet, wobei in einem Fall ein Nachkomme ebenfalls von PRA betroffen war. Ergebnisse und Diskussion 143 Tabelle 47: Übersicht über die Struktur der analysierten Pedigrees für das Merkmal PRA Anzahl der Tiere Anzahl der Anzahl der unter- im Pedigree betroffenen Tiere suchten Tiere im insgesamt (Rüde/Hündin) Pedigree 1 241 5 (2/3) 214 2 256 1 (1/0) 241 3 203 1 (0/1) 138 4 60 1 (0/1) 45 5 72 1 (0/1) 34 PedigreeNummer Die Pedigrees sind in den nachfolgenden Abbildungen 40 bis 44 dargestellt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde bei den großen Familien 1-3 nur ein Ausschnitt der Pedigrees dargestellt. PRA Familie 1 890 65 178 165 105 256 257 160 226 189 853 221 64 185 141 180 181 907 169 170 886 137 159 121 132 246 205 175 136 206 161 193 140 421 390 199 152 194 207 208 209 119 210 179 176 217 218 859 220 190 420 93 339 348 212 353 263 292 248 288 245 350 452 310 332 366 287 312 313 314 315 316 306 307 356 406 368 369 386 387 388 389 330 397 531 532 445 630 552 631 401 402 403 358 359 456 462 276 296 474 430 639 431 432 454 455 423 365 711 571 495 496 497 427 302 588 488 293 489 490 589 464 465 466 465 450 438 796 797 677 681 610 701 231 700 546 547 499 664 Abbildung 40: PRA, Pedigree der Familie 1 463 510 654 747 439 440 441 442 443 444 Ergebnisse und Diskussion 144 PRA Familie 2 11 189 594 154 930 163 199 200 856 201 212 413 132 301 244 300 279 272 278 92 297 298 299 176 286 276 406 86 277 912 346 351 266 267 377 392 326 393 470 171 392 203 528 642 663 858 862 162 916 743 744 331 330 213 374 449 458 309 916 457 404 428 418 405 506 935 540 930 500 423 595 501 596 603 572 483 527 469 350 473 568 581 573 574 575 479 450 930 581 644 645 646 647 648 234 508 509 510 511 612 533 586 587 534 613 614 535 589 550 734 735 736 737 Abbildung 41: Pedigree PRA Familie 2 PRA Familie 3 20 63 39 101 61 908 23 28 71 24 60 58 32 69 30 81 41 68 281 102 96 95 98 133 92 66 93 89 90 46 130 108 136 215 166 19 77 408 409 240 88 241 116 62 87 120 97 177 84 270 43 103 105 223 3 243 157 227 195 247 138 175 158 249 85 121 131 2 876 182 155 156 302 303 216 4 126 219 162 374 140 146 171 248 245 214 230 250 213 309 173 435 436 273 274 275 190 291 166 268 196 204 319 272 410 296 590 271 417 317 114 725 237 915 293 423 231 232 233 341 342 343 344 751 437 555 556 557 Abbildung 42: Pedigree PRA Familie 3 752 775 Ergebnisse und Diskussion 145 PRA Familie 4 80 117 294 183 184 191 870 395 175 196 197 211 198 384 176 385 1 352 190 460 879 85 251 252 253 281 282 283 284 373 471 910 258 267 269 912 105 650 529 909 472 188 132 104 285 372 861 461 429 362 364 363 530 651 374 512 627 Abbildung 43: Pedigree PRA Familie 4 PRA Familie 5 21 14 43 15 42 903 33 53 78 81 871 29 49 50 52 51 113 86 56 112 70 55 190 122 45 61 37 407 40 143 870 259 129 140 91 174 82 83 75 304 526 305 883 124 186 295 98 144 187 188 147 134 133 168 189 459 333 334 335 336 337 338 651 652 450 696 697 698 699 Abbildung 44: Pedigree PRA Familie 5 In den Pedigrees der Familien 2 bis 5 befindet sich trotz der Größe der Familien nur ein betroffenes Tier. In diesen Familien wurden alle ophthalmologisch untersuchten Tiere berücksichtigt, um eine nicht zufällige Auswahl der Daten zu vermeiden. Eine Anbindung dieser Familien an andere Familien war nicht möglich, da dadurch XPedigree-Strukturen entstanden wären, die nicht ausgewertet werden können. Ergebnisse und Diskussion 146 Da die PRA beim Tibet Terrier sich altersabhängig manifestiert und das Untersuchungsalter ebenfalls variabel ist, wurden die Segregationsanalysen mit dem Modul REGTL durchgeführt, welches das Alter bei der Manifestation bzw. bei der ophthalmologischen Diagnose der PRA berücksichtigt. Die Ergebnisse der Segregationsanalysen sind in Tabelle 48 dargestellt. Tabelle 48: Segregationsanalyse für die Prävalenz von PRA mit regressiven LogitModellen unter Berücksichtigung des Manifestationsalters (REGTL) Getestete Hypothese Familiäre Korre- FG lation -2 lnL AIC Differenz der FG* χ p 2** Allgemeines Modell 1 14 94,5 - - - - µ-Modell - 5 112,28 122,28 9 17,7852 0,0378 - 7 112,85 126,85 7 18,354 0,0170 - 7 113,22 127,22 7 18,7178 0,0133 - 8 112,90 128,90 6 18,4054 0,0053 1 5 7 9 110,19 97,89 124,19 115,89 7 5 1536908 3,3924 0,0281 0,6397 Mendel dominant Mendel rezessiv Mendel willkürlich polygenes Modell gemischtes 1 9 111,07 129,07 5 16,5731 0,0054 Modell mit 3 10 105,16 125,16 4 10,6577 0,0307 dominantem 5 11 98,47 120,47 3 3,9669 0,2651 Hauptgen gemischtes 1 9 113,19 131,19 5 18,69 0,0022 Modell mit 3 10 103,59 123,59 4 9,0947 0,0588 rezessiven 5 11 98,76 120,76 3 4,2592 0,2348 Hauptgen gemischtes 1 10 112,88 132,88 4 18,3794 0,0010 Modell mit 3 11 103,22 125,22 3 8,7174 0,0333 willkürlichem 5 12 99,35 123,35 2 4,8474 0,0886 Hauptgen Homogenität zwischen 1 5 112,28 122,28 9 17,7852 0,0378 Generationen FG: Freiheitsgrade, AIC: Informationskriterium nach Akaike; -2lnL: -2 log Likelihood, p: Signifikanz * Differenz der FG d. Prüfmodells vom allg. Modell ** Differenz des –2 lnL des Prüfmodells vom allgemeinen Modell Anhand der Auswertung zeigt sich, dass sich das polygene Modell mit der familiären Korrelation vom Typ 5 sowie die gemischten Modelle mit dominantem, rezessiven und willkürlichen Hauptgeneffet jeweils mit der familiären Korrelation vom Typ 5 nicht signifikant von dem allgemeinen Modell mit der familiären Korrelation vom Typ 1 Ergebnisse und Diskussion 147 unterscheiden. Das polygene Modell zeigt den niedrigsten Wert für die –2 log Likelihood und den niedrigsten AIC-Wert. Da jedoch das Modell für einen polygenen Erbgang und der familiären Korrelation vom Typ 3 nicht konvergiert war, wurden weitere Segregationsanalysen durchgeführt. In dieser Analyse wurden die Werte für betroffene Paarungspartner und betroffene Vatertiere in den jeweiligen familiären Korrelationen fixiert, da an Hand der Pedigrees ersichtlich ist, dass diese Konstellationen nicht auftreten. Die Ergebnisse dieser Segregationsanalyse sind in Tabelle 49 dargestellt. Tabelle 49: Segregationsanalyse mit regressiven Logit-Modellen mit REGTL mit fixierten Effekten für betroffene Paarungspartner und Vatertiere Getestete Hypothese Familiäre Korre- FG lation -2 lnL AIC Differenz der FG* χ p 2** Allgemeines Modell 1 14 94,50 108,50 - - - µ-Modell - 5 112,28 122,28 9 17,7852 0,0378 - 7 112,85 126,85 7 18,354 0,0170 - 7 113,22 127,22 7 18,7178 0,0133 - 8 112,90 128,90 6 18,4054 0,0053 1 3*** 5**** 7 6 8 110,19 112,20 105,78 124,19 124,20 121,78 7 8 5 15,6906 17,7027 11,2804 0,0281 0,0236 0,0801 Mendel dominant Mendel rezessiv Mendel willkürlich polygenes Modell gemischtes 1 9 111,07 129,07 5 16,5731 0,0054 Modell mit 3*** 8 112,78 128,78 6 18,2818 0,0056 dominantem 5**** 10 99,90 119,90 4 5,3944 0,2491 Hauptgen gemischtes 1 9 113,19 131,19 5 18,69 0,0022 Modell mit 3*** 8 113,13 129,13 6 16,0318 0,0048 rezessiven 5**** 10 99,74 119,74 4 5,2453 0,2630 Hauptgen gemischtes 1 10 112,88 132,88 4 18,3794 0,0010 Modell mit 3*** 9 112,83 130,83 5 18,33 0,2560 willkürlichem 5**** 11 98,28 120,28 3 3,78 0,2900 Hauptgen Homogenität zwischen 1 5 112,28 122,28 9 17,7852 0,0378 Generationen FG: Freiheitsgrade, AIC: Informationskriterium nach Akaike; -2lnL: -2 log Likelihood, p: Signifikanz * Differenz der FG d. Prüfmodells vom allg. Modell ** Differenz des –2 lnL des Prüfmodells vom allgemeinen Modell *** Effekte der Regressionskoeffizienten für den betroffenen Paarungspartner und betroffenes Vatertier fixiert auf Null **** Effekte der Regressionskoeffizienten für betroffenen Paarungspartner fixiert auf Null Ergebnisse und Diskussion 148 Das Ergebnis der Segregationsanalyse, bei der die Effekte für betroffene Paarungspartner und/oder betroffene Vatertiere fixiert wurden, zeigten, dass das gemischte Modell mit rezessivem Hauptgen und der familiären Korrelation vom Typ 5 mit der geringsten Parameterzahl die beste Erklärung für die Streuung der Daten lieferte. Dieses Modell zeigte den niedrigsten AIC-Wert. Den niedrigsten Wert für die –2 log Likelihood hatte allerdings das gemischte Modell mit willkürlichem Hauptgeneffekt und der familiären Korrelation vom Typ 5. Die gemischten Modelle mit dominantem Hauptgeneffekt und der familiären Korrelation vom Typ 5 und willkürlichem Hauptgeneffekt und der familiären Korrelation vom Typ 3 sind ebenfalls nicht abzulehnen. Die Wahrscheinlichkeit für das polygene Modell mit der familiären Korrelation vom Typ 5 liegt knapp über der Signifikanzgrenze von 5%. Dagegen sind die Modelle für die Mendel’schen Erbgänge, die polygenen Modelle mit der familiären Korrelation vom Typ 1 und 3 und die gemischt monogenen-polygenen Modelle mit der familiären Korrelation vom Typ 1 und 3 mit Ausnahme des gemischt monogen-polygenen Modelles mit willkürlichem Hauptgeneffekt und mit der familiären Korrelation vom Typ 3 sowie das umweltbedingte Modell und das Modell für die Homogenität zwischen den Generationen abzulehnen. Für diese Segregationsanalyse wurde ein Vergleich zwischen dem umweltbedingten Modell und den Modellen für einen Mendel’schen Erbgang sowie den polygenen und gemischten Modellen mit Hauptgeneffekt durchgeführt. Die Ergebnisse sind in Tabelle 50 zusammengefasst. Ergebnisse und Diskussion 149 Tabelle 50: Vergleich zwischen dem umweltbedingten Modell und den polygenen und gemischten Modellen mit Hauptgeneffekt mit fixierten Regressionskoeffizienten für Vatertiere und Paarungspartner Getestete Hypothese Familiäre Korrelation FG -2 lnL AIC Differenz der FG** µ-Modell - 5 112,28 122,28 - 7 112,85 - 7 - Mendel dominant Mendel rezessiv Mendel willkürlich polygenes Modell 2*** p - - - 126,85 2 0,57 0,752 113,22 127,22 2 1,51 0,470 8 112,90 128,90 3 0,62 0,892 1 7 110,19 124,19 2 2,09 0,352 3*** 6 112,20 124,20 1 0,08 0,778 χ 5**** 8 105,78 121,78 3 6,5 0,090 gemischtes 1 9 111,07 129,07 4 1,21 0,877 Modell mit 3*** 8 112,78 128,78 3 0,5 0,919 dominantem 5**** 10 99,9 119,9 5 12,38 0,030 Hauptgen gemischtes 1 9 113,19 131,19 4 0,91 0,923 Modell mit 3*** 8 113,13 129,13 3 0,85 0,837 rezessiven 5**** 10 99,74 119,74 5 12,54 0,028 Hauptgen gemischtes 1 10 112,88 132,88 5 0,6 0,988 Modell mit 3*** 9 112,83 130,83 4 0,55 0,969 willkürlichem 5**** 11 98,28 120,28 6 14 0,030 Hauptgen FG: Freiheitsgrade, AIC: Informationskriterium nach Akaike; -2lnL: -2 log Likelihood, p: Signifikanz * Differenz der FG d. Prüfmodells vom allg. Modell ** Differenz des –2 lnL des Prüfmodells vom allgemeinen Modell *** Effekte der Regressionskoeffizienten für den betroffenen Paarungspartner und betroffenes Vatertier fixiert auf Null **** Effekte der Regressionskoeffizienten für betroffenen Paarungspartner fixiert auf Null Bei dem Vergleich zwischen dem umweltbedingten Modell und den Modellen nach Mendel, den gemischten Modellen mit Hauptgeneffekt und dem polygenen Modell zeigt sich, dass sich die gemischten Modelle mit dominantem, rezessivem und willkürlichem Hauptgeneffekt und der familiären Korrelation vom Typ 5 signifikant vom umweltbedingten Modell unterschieden. Die gemischten Modelle mit den familiären Korrelationen vom Typ 1 und 3 konnten dagegen nicht abgelehnt werden, ebenso wie die Modelle nach Mendel und alle polygenen Modelle. Das polygene Modell vom Typ 5 lag knapp über der Signifikanzgrenze. Ergebnisse und Diskussion 150 Tabelle 51: Vergleich zwischen dem polygenen Modell und den gemischten Modellen mit Hauptgeneffekt mit fixierten Werten für Vatertiere und Paarungspartner Getestete Hypothese Familiäre Korrelation FG -2 lnL AIC Differenz der FG** gemischtes Modell mit rezessiven Hauptgen 5**** 10 99,74 119,74 1 7 110,19 3*** 6 112,2 polygenes Modell 2*** p - - - 124,19 3 10,45 0,0151 124,2 4 12,46 0,0142 χ 5**** 8 105,78 121,78 2 6,04 0,0488 gemischtes 1 9 111,07 129,07 1 11,33 Modell mit 3*** 8 112,78 126,78 2 13,04 0,0014 dominantem 5**** 10 99,9 119,09 0 0,16 Hauptgen gemischtes 1 9 113,19 131,19 1 13,45 0,0003 Modell mit rezessiven 3*** 8 113,13 129,13 2 13,39 0,0012 Hauptgen gemischtes 1 10 112,88 132,88 0 13,14 Modell mit 3*** 9 112,83 130,83 1 13,09 0,0003 willkürlichem 5**** 11 98,28 120,28 1 1,46 0,2269 Hauptgen FG: Freiheitsgrade, AIC: Informationskriterium nach Akaike; -2lnL: -2 log Likelihood, p: Signifikanz * Differenz der FG d. Prüfmodells vom allg. Modell ** Differenz des –2 lnL des Prüfmodells vom allgemeinen Modell *** Effekte der Regressionskoeffizienten für den betroffenen Paarungspartner und betroffenes Vatertier fixiert auf Null **** Effekte der Regressionskoeffizienten für betroffenen Paarungspartner fixiert auf Null Im direkten Vergleich zwischen dem gemischten Modellen mit rezessivem Hauptgeneffekt und der familiären Korrelation vom Typ 5 und den polygenen Modellen sowie den gemischten Modellen mit dominantem und willkürlichem Hauptgeneffekt zeigt sich, dass sich die polygenen Modelle vom Typ 1 und 3 und die gemischten Modelle mit dominantem und willkürlichem Hauptgeneffekt signifikant von dem gemischten Modell mit rezessivem Hauptgeneffekt und der familiären Korrelation vom Typ 5 unterscheiden und abzulehnen sind. Das polygene Modell mit der familiären Korrelation vom Typ 5 liegt knapp unter der Signifikanzgrenze von 5%. Einzige Ausnahme stellt das gemischte Modell mit willkürlichem Hauptgeneffekt und der familiären Korrelation vom Typ 5 dar, welches sich nicht signifikant vom gemischten Modell mit rezessivem Hauptgeneffekt unterscheidet. Ergebnisse und Diskussion 151 4.5.3 Diskussion Die Progressive Retinaatrophie ist beim Tibet Terrier schon seit längerem als erbliche Augenerkrankung bekannt. Erste Berichte stammen aus Schweden (GARMER et al. 1974) und Großbritannien (BARNETT und CURTIS 1978). Aus diesem Grund wurde auch für dieses Merkmal mit Hilfe der Varianzkomponentenschätzung und einer komplexen Segregationsanalyse versucht, den Vererbungsmodus anhand des vorliegenden Materials zu analysieren. Im Gesamtdatenbestand von 849 Probanden befanden sich 12 Tiere (vier Rüden und acht Hündinnen), bei denen eine PRA nachgewiesen werden konnte. Damit waren insgesamt 1,41% der Tiere von dieser Augenerkrankung betroffen. Dieser niedrige Anteil an betroffenen Tieren resultiert aus der Tatsache, dass der Klub für Tibetische Hunderassen e.V. (KTR) schon seit Ende der 70er Jahre empfiehlt, betroffene Tiere mit PRA, ebenso wie Tiere mit Linsenluxation, von der Zucht auszuschließen. Seit 1987 sind offiziell bekannte Genträger (betroffenes Tier sowie Eltern und eventuelle Nachfahren eines betroffenen Tieres) von der Zucht ausgeschlossen. Auch mit diesen Tieren wurde, mit zwei Ausnahmen, nach der Feststellung der PRA nicht weitergezüchtet. Die Veränderungen zeigen klinisch bei den meisten Hunderassen ein ähnliches Erscheinungsbild, jedoch unterscheiden sich die einzelnen Veränderungen zum einen darin, dass es sich zum Teil um Dystrophien, zum anderen um Degenerationen handelt. Des weiteren ist für jede betroffene Hunderasse das Alter, in dem erste Veränderungen registriert werden, charakteristisch. Demnach wird von einer Unterteilung in eine Early-onset- und Late-onset-Form der PRA gesprochen (NAFSTRÖM und EKESTEN 1999). Der Tibet Terrier nimmt einen Zwischenstatus zwischen diesen beiden Formen ein. Jedoch wird auch die beim Tibet Terrier auftretende PRA-Form zu den späten Formen der PRA gezählt, da es sich laut MILLICHAMP et al. (1988) um eine Degeneration handelt. Abweichend von dieser Studie, in der das Auftreten erster Symptome bereits in einem Alter von 12-15 Monaten beschrieben wird, lag das durchschnittliche Alter der untersuchten Tibet Terrier bei 4,3 Jahren, wobei das jüngste Tier bei der Feststellung 1,55 Jahre alt war und das älteste Tier 11 Jahre. Damit weicht das durchschnittliche Alter bei der Erstfeststellung deutlich von dem in von MILLICHAMP et al. (1988) und NAFSTRÖM und Ergebnisse und Diskussion 152 EKESTEN (1999) beschriebenen Alter ab. Jedoch zeigt die Varianzanalyse, dass das Alter bei der Diagnose keinen signifikanten Einfluss hat. Das höhere Alter der Tiere bei der Erstfeststellung liegt zum einen daran, dass überwiegend Tiere vorgestellt werden, die zur Zucht eingesetzt werden sollen. Bei Rüden ist das ein Alter von 12 Monaten, bei Hündinnen ein Alter von 18 Monaten, in dem die Tiere zum ersten mal in der Zucht verwendet werden dürfen. Zum anderen liegt es daran, dass, wie bereits beschrieben, schon seit längerer Zeit im KTR gegen die PRA selektiert wird. Es ist durchaus möglich, dass die Tiere, bei denen der Halter Auffälligkeiten im Sehvermögen feststellt, nicht den DOK-Tierärzten vorgestellt werden, vor allem dann, wenn diese Tiere von vorneherein nicht zur Zucht eingesetzt werden sollten. Damit dürften diese Tiere in der vorliegenden Studie nicht erfasst worden sein. Häufig treten im Verlauf der Veränderungen auch sekundäre Katarakte auf (NAFSTRÖM und EKESTEN 1999). Im Datenmaterial waren von den PRA-positiven Tieren fast die Hälfte der Tiere (41,67%) zusätzlich von einer sekundären Katarakt betroffen, womit hier auch eine Übereinstimmung bestätigt werden kann. Bei den meisten der bisher beschriebenen Rassen wurde ein monogen autosomal rezessiver Erbgang postuliert. Allerdings zeigten die Studien von ACLAND et al. (1989) und RAY et al. (1996), dass den einzelnen unterschiedlichen Formen bei den verschiedenen Rassen auch unterschiedliche Genmutationen zugrunde liegen. ACLAND et al. (1989) führten Testkreuzungen zwischen Norwegischen Elchhunden (erd) und Irischen Settern (rcd1) und Collies (rcd2), sowie zwischen Irish Settern und Collies durch. Alle Welpen in dieser Studie zeigten einen normalen Augenbefund. Bei der biochemischen Untersuchung des Blutes der Tiere in dieser Studie zeigte sich, dass die Norwegischen Elchhunde im Gegensatz zu den Irischen Settern und den Collies keine Veränderung im cGMP-Metabolismus zeigten. Somit scheint sich die Mutation für die erd an einem anderen Genort zu befinden. MILLICHAMP et al. (1988) berichteten auch, dass die cGMP-Konzentrationen beim Tibet Terrier im frühen Krankheitsstadium nicht verändert. Daraus schließt er, dass der pathogenetische Mechanismus sich beim Tibet Terrier, ebenso wie bei den Norwegischen Elchhunden, von dem der Irish Setter unterscheidet. In einer molekulargenetischen Studie von DEKOMIEN et al. (2000) wurde beim Sloughi eine Mutation in dem Gen für die β-Untereinheit der Phosphodiesterase gefunden. Auch in diesem Fall ist somit Ergebnisse und Diskussion 153 der cGMP-Stoffwechsel betroffen. In dieser Studie wurden insgesamt Hunde aus 14 verschiedenen Rassen getestet, darunter auch der Tibet Terrier, jedoch wurde diese Insertionsmutation nur beim Sloughi gefunden. Anhand der Ergebnisse in seiner Studie über die PRA halten MILLICHAMP et al. (1988) einen autosomal monogen rezessiven Erbgang für wahrscheinlich. Es konnte jedoch durch die komplexe Segregationsanalyse kein monogen autosomal rezessiver Erbgang bestätigt werden. Die Ergebnisse deuten eher auf einen polygenen Erbgang mit rezessivem Hauptgeneffekt hin. Eine Ausnahme von diesem autosomal rezessiven Erbgang stellt die XLPRA beim Sibirischen Husky und Samojeden dar, wie von verschiedenen Autoren berichtet wird (ACLAND et al. 1994, ZEISS et al. 1999, 2000, ZHANG et al. 2001, ZANGERL et al. 2002). Da jedoch bei einem X-chromosomalen Erbgang fast ausschließlich männliche Nachkommen betroffen sind und in der vorliegenden Arbeit das Verhältnis zwischen Rüden und Hündinnen annähernd gleich ist, ist ein X-chomosomaler Erbgang beim Tibet Terrier sehr unwahrscheinlich. Dies wird auch durch die Varianzanalyse bestätigt, bei der für das Geschlecht kein signifikanter Einfluss festgestellt werden konnte. Neuere Berichte aus dem James A. Baker Institute for Animal Health, College of Veterinray Medicine der Cornell University in Ithaca, USA, weisen auch auf eine dominant vererbte Form der PRA hin. In Testkreuzungen zwischen betroffenen Mastiffs und definitiv PRA-freien Hunden der Rasse Beagle, trat bei zwei Welpen, sogenannten Meagles, ebenfalls eine PRA auf (W ALL 2001). Jedoch fehlen hier noch wissenschaftliche Berichte. Auf der Web-Site des Mastiff Club of America (http://mastiff.org/exhibit-hall/health) werden jedoch die Züchter aufgerufen, sich an dieser Studie zu beteiligen. Die Firma Optigen (www.optigen.com ) bietet bereits einen Gen-Test für die dominante Form der PRA beim Mastiff an (www.optigen.com/opt_page.taf?page=test). Wie jedoch anhand der vorliegenden Ergebnisse der Segregationsanalyse und auch an den Pedigrees ersichtlich ist, kann für den Tibet Terrier ein dominanter Vererbungsmodus nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Die gemischten Erbgänge mit dominantem Hauptgeneffekt konnten nicht abgelehnt werden. Wie im Pedigree der Familie 1 ersichtlich, ist auch ein direkter Nachfahre eines betroffenen Tieres PRA- Ergebnisse und Diskussion 154 positiv. Dies scheint jedoch ein zufälliger Befund zu sein. Die Mutter wurde am 02.05.1995 untersucht und bei ihr wurde eine PRA und eine Katarakt festgestellt. Der Sohn wurde jedoch bereits am 18.12.1992 geboren. Bei ihm wurde am 25.11.1994 bei einer Untersuchung die PRA festgestellt. Daher ist in diesem Fall davon auszugehen, dass die Mutter zum Zeitpunkt der Zuchtzulassung noch PRA-frei war. Erst zu einem späteren Zeitpunkt und auch erst nachdem für den Sohn ein positiver PRA-Befund vorlag, wurde die Mutter ebenfalls PRA-positiv befundet. Es läßt sich aber auch hier eher auf eine rezessive Genwirkung schließen, da in allen anderen Pedigrees keine weiteren betroffenen Tiere in direkter verwandtschaftlicher Linie zu finden waren. Wie bereits erwähnt, konnte in der vorliegenden Arbeit kein monogen autosomal rezessiver Erbgang festgestellt werden. Ursache dafür könnte sein, dass, wie auch bei der Linsenluxation, bereits seit vielen Jahren selektiert wird. Damit wird bereits seit geraumer Zeit eine Auswahl an Tieren getroffen, um möglichst mit PRA-freien Tieren weiter zu züchten und eventuelle Anlageträger auszuschließen. Dadurch wurde auch die Wahrscheinlichkeit für das Vorkommen von Anlage- und Merkmalsträgern vermindert und damit die Möglichkeit, die Übertragung der Defektallele zu beobachten. Allerdings berichteten ACLAND et al. (1990) von einer unregelmäßigen Aufspaltung der Allele bei der PRA beim Zwergpudel. Demnach wurden in vier Vergleichsgruppen die Erwartungswerte für einen rezessiven Mendel’schen Erbgang bestätigt, in der fünften Vergleichsgruppe, in der betroffene Rüden mit heterozygoten Hündinnen angepaart wurden, traten weniger betroffene Welpen auf, als erwartet wurden. Die beobachtete Häufigkeit von Merkmalsträgern lag bei ϑ=0,26 und wich damit signifikant vom Erwartungswert ϑ=0,5 ab. ACLAND et al. (1990) waren der Meinung, dass diese Abweichung auch nicht auf pre- oder postnatale Welpenverluste zurückgeführt werden kann, da Wurfgröße und Überlebensrate der Testgruppe denen der Vergleichsgruppen entsprachen. Eventuell könnte dies auch auf eine unvollständige Penetranz und damit auf polygene Einflüsse hindeuten. Da in der vorliegenden Arbeit keine vollständigen Würfe untersucht wurden, kann hinsichtlich der Wurfgröße und Überlebensrate der Probanden keine Aussage getroffen werden. Jedoch zeigte auch die Wurfgröße und auch der Prozentsatz der untersuchten Tiere pro Wurf keinen signifikanten Einfluss. Ergebnisse und Diskussion 155 Wenn ein genügend großes Familienmaterial, in dem die PRA segregiert, zur Verfügung stünde, dann könnte die Aussicht bestehen, anhand molekulargenetischer Untersuchungen die kausale/n Mutation/en festzustellen. Allerdings muss dabei bedacht werden, dass eventuell mehrere Gene von Bedeutung sein könnten und diese in einer unterschiedlichen Frequenzen bei den einzelnen Familien vorkommen könnten. Das würde bedeuten, dass die Entwicklung eines Gentests sehr aufwendig sein würde. Wenn es aber möglich wäre, die kausale/n Mutation/en für die PRA beim Tibet Terrier aufzuklären, so könnten alle Zuchttiere auf Defektallele getestet werden. Anhand dieser Ergebnisse könnte dann eine vollständige Eliminierung der Defektallele angestrebt werden. Die bisherigen Zuchtbestimmungen zeigen jedoch bereits jetzt einen guten Erfolg in der Eliminierung der PRA beim Tibet Terrier. Schlussfolgerung 5 156 Schlussfolgerung Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigten, dass für alle der fünf analysierten Augenerkrankungen eine genetische Komponente sehr wahrscheinlich ist. Mittels Varianz2 komponenten konnte für alle getesteten Augenerkrankungen eine Heritabilität (h ) geschätzt werden. Für die Prävalenz der Distichiasis konnte zwar in der Varianzkomponentenschätzung eine sehr niedrige Heritabilität ermittelt werden, jedoch war mit den komplexen Segregationsanalysen keine Differenzierung zwischen den einzelnen Erbgangshypothesen und der Hypothese einer umweltbedingten Ursache möglich. In den Modellen für die Heritabilitätsschätzung mittels Restricted Maximum Likelihood (REML) wurden die fixen Effekte für das Geschlecht, den Inzuchtkoeffizienten, das Geburtsjahr, den Prozentsatz untersuchter Tiere pro Wurf, die Wurfgröße, die Anzahl der Untersuchungen pro Tierarzt sowie die Wurfumwelt und der additivgenetische Einfluss des Tieres als zufällige Effekte berücksichtigt. In der Analyse des additiv-genetischen Effektes des Tieres gingen bis zu 11 Generationen mit 1306 2 Tieren ein. Die Tabelle 52 zeigt die Gesamtvarianz (sp ), die Varianz für die Wurf2 2 2 umwelt (sw ), die additiv-genetische Varianz (sa ) und die Residualvarianz (se ) sowie 2 die Heritabilität und deren Standardfehler (h ± SE) für die univariate Auswertung. 2 Tabelle 52: Geschätzte Varianzen und Heritabilitäten (h ) mit ihren Standardfehlern (SE) für die Prävalenz der Augenerkrankungen beim Tibet Terrier (univariates Modell) 2 2 2 2 2 Augenerkrankung sp sw sa se h ± SE Distichiasis 0,099 0,011 0,004 0,084 0,039 ± 0,032 MPP 0,111 <0,001 0,019 0,092 0,170 ± 0,041 Linsenluxation 0,017 <0,001 0,017 <0,001 1 Katarakt 0,044 0,006 0,004 0,034 0,099 ± 0,050 PRA 0,016 0,001 0,008 0,007 0,490 ± 0,102 Die Heritabilitäten für die Distichiasis und die Katarakt waren im Vergleich zu den anderen Augenerkrankungen niedriger. Die Heritabilität für die Linsenluxation im Schlussfolgerung 157 univariaten Modell dürfte überschätzt worden sein. Dies ist bei den wenigen betroffenen Tiere damit zu erklären, dass sechs betroffene Tiere zu einem Pedigree gehören. Weiterhin stammen drei betroffene Tiere von dem gleichen Vatertier ab und sind somit Halbgeschwister. Die Varianzen für die Wurfumwelt scheinen, mit Ausnahme der Distichiasis und der Katarakt, für das Auftreten der untersuchten Augenerkrankungen beim Tibet Terrier keine größere Rolle zu spielen. In einer weiteren Analyse wurden alle fünf Augenerkrankungen in einem multivariaten Modell untersucht. Die Heritabilitäten unterscheiden sich nur im geringen Maßen von denen im univariaten Modell (Tabelle 53). 2 Tabelle 53: Geschätzte Heritabilitäten (h ) mit Standardfehlern (SE, auf der Diagonalen) sowie die additiv-genetischen (rg, unterhalb der Diagonalen) und residualen Korrelationen (re, oberhalb der Diagnonalen) mit Standardfehlern (multivariates Modell) Augen- PRA -0,069 ± 0,023 ± 0,017 ± 0,031 0,287 0,038 0,051 -0,042 ± 0,171 ± 0,396 ± -0,117 ± -0,098 ± 0,213 0,038 0,337 0,040 0,058 Linsen- -0,164 ± 0,162 ± 0,993 ± 0,955 ± -0,124 ± luxation 0,063 0,096 0,005 0,107 0,196 -0,175 ± 0,190 ± -0,204 ± 0,133 ± -0,123 ± 0,261 0,186 0,124 0,037 0,078 -0,121 ± -0,428 ± <0,001 ± 0,758 ± 0,491 ± 0,196 0,140 0,044 0,106 0,083 Distichiasis MPP Katarakt PRA MPP 0,043 ± 0,093 ± 0,028 Linsen- Katarakt erkrankung Distichiasis luxation Schlussfolgerung 158 Zwischen der Katarakt und der PRA zeigt sich eine hohe additiv-genetische Korrelation, des weiteren bestehen geringere additiv-genetische Korrelationen zwischen MPP und Linsenluxation sowie MPP und Katarakt. Insbesondere für das Auftreten von Katarakt und PRA dürften gemeinsame oder genetisch eng gekoppelte Gene verantwortlich sein. Eine gewisse Erklärung für diese hohe additiv genetische Korrelation zwischen der PRA und der Katarakt dürfte darin zu sehen sein, dass im Gefolge von PRA eine sekundäre konsekutive Katarakt eintritt. In dem vorliegenden Material kam dies bei drei Tieren von insgesamt 12 an PRA betroffenen Tieren vor. Wenn nur die Tiere in die Analyse genommen wurden, bei denen entweder eine Katarakt oder eine PRA auftrat, dann ergaben sich folgende Schätzwerte: h 0,064 ± 0,03, h 2 (PRA) 2 (Katarakt) = = 0,047 ± 0,044 sowie rg= 0,275 ± 0,411 und re = -0,031 ± 0,055. Die phänotypische Korrelation zwischen der isoliert auftretenden Katarakt und PRA betrug rp = 0,0523. Dieses wurde auch in der Literatur als konsekutive sekundäre Katarakt im Verlauf der PRA beschrieben (BARNETT 1978, 1980, 1985a, 1986, GELATT et al. 1983a, BARNETT und STARTUP 1985, STRANDE et al. 1988, MARTIN 1995, LOHMANN 1997, DAVIDSON und NELMS 1999, NAFSTRÖM und EKESTEN 1999, NAFSTRÖM et al. 2001). Zwischen der MPP und der Katarakt lag die phänotypische Korrelation bei rp = -0,2316. Somit ist in diesem Datenmaterial ein phänotypischer Zusammenhang zwischen diesen beiden Erkrankungen nicht nachzuweisen, auch wenn in der Literatur beschrieben wird, dass durch MPP-Residuen auf der Linse stationäre sekundäre Katarakte entstehen können (MARTIN 1995, DAVIDSON und NELMS 1999, NAFSTRÖM und EKESTEN 1999, NAFSTRÖM et al. 2001). Zwischen der MPP und der Linsenluxation lag der Wert für die phänotypische Korrelation bei rp = 0. Dagegen besteht zwischen der PRA und der MPP eine negative additiv-genetische Korrelation, was darauf schließen lässt, dass in dem vorliegenden Datenmaterial eine hohe Prävalenz für MPP und gleichzeitig eine geringe familiäre Prävalenz für PRA vorliegt. Dies könnte durch eng gekoppelte Gene bedingt sein, die einerseits prädisponiert für PRA wirken und andererseits die Entstehung von MPP verhindern und umgekehrt. Des weiteren könnten pleiotrope Effekte von Genen eine Rolle spielen, wobei diese Effekte eine unterschiedliche Wirkung hinsichtlich der Entwicklung von MPP und PRA haben. Auch besteht zwischen der Katarakt und der Linsenluxation eine geringe negative additiv-genetische Korrelation, so dass auch hier Schlussfolgerung 159 unterschiedlich genetisch wirksame Gene für diese Erkrankungen vorzuliegen scheinen. Die hohe residuale Korrelation zwischen diesen Augenerkrankungen dagegen zeigt, dass jedoch auf Grund der verbleibenden zufälligen Resteffekte diese beiden Augenerkrankungen sehr häufig gemeinsam auftreten. Auch zwischen der MPP und der Linsenluxation besteht eine höhere residuale und phänotypische Korrelation. In weiteren Analysen sollte der Einfluss der Befunderhebung auf die Heritabilitätsschätzwerte untersucht werden. Deswegen wurden vier Teildatensätze erstellt. Im ersten Datensatz wurden nur Augenbefunde berücksichtigt, die ab dem Jahr 1995 registriert wurden. Der zweite Datensatz enthielt die Augenbefunde ab Juni 1998, der Einführung des DOK-Befundbogens (Anlage2). In zwei weiteren Datensätzen wurde zwischen der Häufigkeit der Augenuntersuchungen der beteiligten Tierärzte unterschieden. Im dritten Datensatz wurden nur die Augenbefunde von Tierärzten aufgenommen, die mehr als 20 Augenuntersuchungen beim Tibet Terrier durchgeführt hatten, im vierten Datensatz wurde diese Grenze auf 50 Augenuntersuchungen erhöht (Tabelle 54). Schlussfolgerung 160 2 Tabelle 54: Geschätzte Varianzen und Heritabilitäten (h ) und Wurfumwelteffekten 2 (c ) für die Prävalenz der verschiedenen Augenerkrankungen beim Tibet Terrier unter Berücksichtigung des Untersuchungsdatums ab 1995, ab Einführung des DOK-Befundbogens im Juni 1998 sowie unter Berücksichtigung der Häufigkeit von Untersuchungen pro Untersucher (multivariates Modell) Schätz- Distichiasis MPP 11,15% 13,57% 2 0,096 2 sa 1995 sw 2 (n=619) 2 se 2 2 Linsen- Katarakt PRA 0,97% 3,88% 1,13% 0,116 0,011 0,036 0,014 0,004 0,010 0,011 0,003 0,001 0,006 <0,001 <0,001 <0,001 0,010 0,086 0,106 <0,001 0,033 0,003 0,001 0,067 <0,001 0,009 0,714 h 0,043 0,089 0,990 0,093 0,076 Frequenz 10,0% 15,42% 0,83% 3,33% 0,83% 2 sp 0,082 0,136 0,010 0,038 0,010 2 sa 0,010 0,026 <0,001 0,009 <0,001 Juni 1998 sw 2 0,018 0,027 0,010 0,002 0,010 (n=240) 2 se 0,054 0,083 <0,001 0,027 <0,001 2 0,223 0,198 >0,999 0,063 >0,999 2 h 0,118 0,191 <0,001 0,231 <0,001 Frequenz 12,88% 14,04% 0,43% 4,78% 1,45% 2 sp 0,111 0,121 0,006 0,046 0,018 2 sa 0,004 0,021 0,006 0,002 0,011 2 0,014 0,002 <0,001 0,009 0,007 2 se 0,093 0,098 <0,001 0,035 <0,001 2 0,127 0,021 <0,001 0,190 0,389 h 2 0,040 0,170 0,998 0,043 0,595 Frequenz 13,31% 13,49% 0,54% 5,40% 1,44% 2 sp 0,113 0,118 0,007 0,051 0,019 2 sa 0,005 0,020 0,007 0,006 0,011 2 0,009 0,002 <0,001 0,017 0,005 2 se 0,099 0,096 <0,001 0,028 0,002 2 0,015 0,083 >0,999 0,338 0,284 2 0,042 0,174 0,998 0,113 0,614 Datensatz werte Frequenz sp Befunde ab c Befunde ab c Befunde von Untersuchern mit mehr als 20 Untersuchungen (n=691) Befunde von Untersuchern mit mehr als 50 Untersuchungen (n=556) sw c sw c h luxation Schlussfolgerung 161 Es zeigte sich im Vergleich der Untersuchungen ab 1995 und ab der Einführung des DOK-Befundbogens im Juni 1998, dass die Heritabilitäten für die Distichiasis, die MPP und die Katarakt anstiegen, während die Heritabilität der Linsenluxation deutlich absank. Für die PRA konnte in dem ersten Datensatz eine geringe Heritabilität ermittelt werden, während im Datensatz ab Juni 1998 keine Heritabilität mehr zu ermitteln ist. Es ist anzunehmen, dass vor der Einführung des DOK-Befundbogens und der Festlegung in der Zuchzulassungsordnung des KTR, dass nur noch Befunde der DOK-Mitglieder anerkannt werden, in vielen Fällen nur speziell auf die bekannten Augenanomalien beim Tibet Terrier, die Linsenluxation und die PRA, untersucht wurde. Erst durch die Festlegung des DOK, dass das gesamte Auge mit seinen Adnexen in einem definierten Untersuchungsgang untersucht werden muss und die Befunde in einem festgelegten Untersuchungsbogen dokumentiert werden müssen, ist auch ein häufiges Auftreten andere Augenerkrankungen wie die MPP und Distichiasis festzustellen. Besonders deutlich wird dies für die Katarakt. Deshalb befinden sich unter den von Katarakt betroffenen Tieren überwiegend Tiere, die erst in den 90er Jahren geboren wurden. Demnach wurde diese Augenerkrankungen bei den Tibet Terriern vorher nicht diagnostiziert. Dagegen wird bereits seit den 70er Jahren bezüglich der PRA und der Linsenluxation selektiert, was an den Heritabilitäten der Befunde ab 1995 und ab 1998 erkennbar ist. Die hohe Heritabilität der Linsenluxation bei den Befunden ab 1995 ist auf eine Familie zurückzuführen, die insgesamt sechs betroffene Tiere enthält von denen sich drei direkt auf ein gemeinsames Vatertier zurückführen lassen. Fallen diese betroffenen Familienmitglieder aus dem Datensatz, so sinkt die Heritabilität auf einen Wert gegen Null. Bezüglich der PRA ist bereits ein früherer Selektionserfolg zu verzeichnen, zehn der zwölf betroffene Tiere sind vor 1995 geboren. Deswegen ist in den Datensätzen, die die Untersuchungsjahre berücksichtigen, keine Heritabilität mehr zu finden. In der Gegenüberstellung von Untersuchern mit mehr als 20 Augenuntersuchungen mit Untersuchern mit mehr als 50 Augenuntersuchungen zeigen sich für die Katarakt und die PRA deutliche Anstiege der Heritabilitätsschätzwerte, während für die Distichiasis, MPP und Linsenluxation keine Unterschiede auszumachen sind. Diese Differenzen in den Heritabilitätsschätzwerten dürfte mit der Erfahrung der Untersucher zusammenhängen, da zwischen Diagnosesicherheit und Anzahl von Untersu- Schlussfolgerung 162 chungen an den Augen eine wechselseitige Beziehung bestehen dürfte, die dem Renommé des Untersuchers hinsichtlich Augenerkrankungen entspricht. Weiterhin könnte die Beteiligung von einzelnen besonders erfahrenen DOK-Tierärzten an Obergutachten und Untersuchungen auf Zuchtschauen hier eine Bedeutung haben. Daher weisen einige Tierärzte eine besonders hohe Anzahl von untersuchten Tibet Terriern auf. Demnach sind für die höheren Heritabilität der Katarakt in den Datensätzen mit Augenbefunden ab Juni 1998 und mit Tierärzten mit mehr als 50 Augenuntersuchungen bei Tibet Terriern verschiedene Einflussfaktoren verantwortlich. Zum einen wird diese Augenkrankheit erst in den letzten Jahren vermehrt diagnostiziert. Demnach scheint sich die Katarakt bei den Tibet Terriern in Deutschland erst in den letzten Jahren vermehrt auszubreiten oder wird infolge der gestiegenen Qualifikation der Untersucher besser erkannt. Zum anderen steigt durch die Qualifikation und Spezialisierung der Tierärzte durch den DOK die Diagnosesicherheit und Erfahrung für die Diagnose der Katarakt bei den Tibet Terriern, weswegen höhere Prävalenzen und Heritabilitätsschätzwerte im Untersuchungsmaterial ab Juni 1998 gefunden wurden. Für die Erstellung eines Zuchtprogramms stellt sich die Frage, in wie weit züchterische Maßnahmen für die einzelnen Augenerkrankungen zu empfehlen sind. Sinnvoll wäre es, wie bei allen monogen autosomal-rezessiv bedingten Erkrankungen, die betroffenen Tiere sowie deren Eltern, Geschwister und Nachkommen von der Zucht auszuschließen, wie das bereits in der Zuchtzulassungsordnung des KTR niedergeschrieben ist. Damit wird das Risiko minimiert, dass Anlageträger in der Zucht verwendet werden, allerdings werden auch anlagefreie Geschwister und Nachkommen aus der Zucht entfernt. Die Zuchtbasis der in Europa noch relativ jungen Hunderasse ist jedoch recht schmal. Diese Maßnahmen würden die Zuchtbasis weiter einengen, was dann zu einer Steigerung der Inzucht führt, welches wiederum zur Folge hätte, dass sich eventuell andere erbliche Erkrankungen besser ausbreiten könnten. Hinsichtlich der bereits bekannten erblichen Augenerkrankungen beim Tibet Terrier, PRA und Linsenluxation, erwiesen sich die ergriffenen züchterischen Restriktionen als erfolgreich. In dem vorliegenden Datenmaterial waren nur wenige Tiere von diesen Erkrankungen betroffen, wobei es sich hauptsächlich um Tiere Schlussfolgerung 163 handelte, die Ende der 80er bzw. Anfang der 90er Jahre geboren wurden. Mit diesen Tieren wurde nicht weitergezüchtet. Durch die systematische Untersuchung von betroffenen Tieren und deren gesamten Familien könnte eine bessere Datenbasis geschaffen werden, womit dann komplexe Analysen bessere Informationen bezüglich der entsprechenden Erbgänge liefern könnten. Bei Zuchttieren, die stärker eingesetzt werden sollen, sollte generell die Auflage gemacht werden, dass ein bestimmter Prozentsatz von zufällig ausgewählten Geschwistern und Nachkommen zur Augenuntersuchung vorgestellt wird. Die Untersuchung der Voll- und Halbgeschwister sollte im Alter von 2, 4 und 6 Jahren erfolgen, um einen Großteil der erblichen Augenerkrankungen zu erfassen. Jedoch spielt auch hier die Problematik eine Rolle, dass laut den Zuchtbestimmungen des KTR nur Tiere zu Augenuntersuchungen vorgestellt werden, die zur Zucht eingesetzt werden sollen. Des weiteren lag für viele Tiere im Gesamtdatenmaterial nur ein einziger Augenuntersuchungsbefund vor, da Tiere, die nur einmalig zur Zucht eingesetzt wurden, nicht weiter untersucht wurden. Auch wurden oft nur einzelne Tiere eines Wurfes untersucht. Sinnvoller wäre es sicherlich, die Augenuntersuchungen generell in einem jährlichen Rhythmus zu wiederholen, um den Verlauf der Augenveränderungen besser beurteilen zu können, da z. B. die nicht-kongenitalen Katarakte sich erst im Laufe des Heranwachsens entwickeln. Des weiteren kann so auch eine senile Katarakt ohne genetischen Hintergrund besser abgegrenzt werden. Außerdem wäre es für genetische Analysen notwendig im Falle eines betroffenen Tieres auch die Wurfgeschwister auf Augenveränderungen zu untersuchen, wenn möglich auch über einen größeren Zeitraum hinweg. Die meisten Informationen würden sicherlich systematische und wiederholte Untersuchungen gesamter Würfe liefern. Für die Merkmale Distichiasis und MPP ist hinsichtlich der Relevanz für die Züchtung wichtig, in wie weit diese Veränderungen eine Beeinträchtigung des Sehvermögens und des Wohlbefindens der Tiere im Laufe des Lebens bewirken. In den meisten Fällen bestand keine Beeinträchtigung des Sehvermögens. Eventuell ist es sinnvoll, nur hochgradig betroffene Tiere, bei denen das Sehvermögen durch die Distichiasis oder die MPP selbst oder durch sekundär entstandene Veränderungen wie die Katarakt bei MPP beeinträchtigt ist, von der Zucht auszuschließen. Auf Grund der Schlussfolgerung 164 geringen Leidensrelevanz ist ein akutes züchterisches Einschreiten nicht zwingend erforderlich, das Auftreten der MPP und Distichiasis sollte jedoch bei den Augenuntersuchungen weiter kontrolliert und dokumentiert werden. Durch die Auflage, dass beim Auftreten einer erblichen Augenerkrankung bei einem Einzeltier, welches bei den DOK-Tierärzten vorgestellt wird, die Wurfgeschwister ebenfalls untersucht werden sollten bzw. generell systematisch ganze Familien untersucht werden sollten, könnten die Zuchtprogramme erheblich verbessert und für nachfolgende Untersuchungen umfangreichere und wesentlich aussagekräftigere Daten gewonnen werden. Mit diesen Daten wäre es möglich, wesentlich präzisere Aussagen zu den Zuchtwerten und Hauptgenotypwahrscheinlichkeiten zu machen. Auch sollten die Ergebnisse bereits erfolgter Augenuntersuchungen bei weiteren Untersuchungen vorliegen. Die Schwierigkeit liegt wahrscheinlich jedoch darin, den Züchtern und Tierhaltern die Notwendigkeit dieser Untersuchungen darzulegen, wobei die professionellen Züchter wahrscheinlich ein größeres Interesse zeigen dürften. Dagegen wird der Hobby-Züchter, der lediglich einmal einen Wurf groß zieht oder der Hundehalter, der keine Ausstellungen besucht und auch sonst keine Ambitionen in züchterischer Hinsicht zeigt, die Notwendigkeit dieser Augenuntersuchungen bei einem DOK-Spezialisten mit den dazugehörigen Kosten eher nicht einsehen. Hier wäre die Möglichkeit darin zu sehen, dass stichprobenartig die Nachkommen einiger Würfe untersucht werden. Auch sind die Möglichkeiten zu überlegen, dass beim Erwerb eines Welpen die Untersuchungskosten zum Teil in den Kaufpreis integriert werden und bei einer Untersuchung dieses Tieres bei einem DOK-Mitglied diese Kosten an den Besitzer zurückerstattet werden. Dazu müssten dann feste Verträge zwischen dem Zuchtverband und dem DOK entwickelt werden. In diesem Zusammenhang wäre es wichtig, dass möglichst viele Tierärzte die Qualifikation als DOK-Mitglied erwerben, um ein dichtes Netz von qualifizierten Untersuchern zur Verfügung zu haben. Damit hätten die Hundebesitzer die Möglichkeit, die Augenuntersuchung ohne großen Aufwand durchführen zu lassen. Zusammenfassung 6 165 Zusammenfassung Karina Ketteritzsch Untersuchung zur Vererbung von Augenkrankheiten beim Tibet Terrier mit komplexen Segregationsanalysen Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Art des Erbganges für das Auftreten der häufigsten Augenerkrankungen beim Tibet Terrier zu analysieren. Dazu wurden systematische Effekte auf Signifikanz geprüft, Varianzkomponenten geschätzt und komplexe Segregationsanalysen durchgeführt. Die Daten für die Analysen wurden von dem Klub für Tibetische Hunderassen e.V. (KTR) und dem Dortmunder Kreis, Gesellschaft für Diagnostik genetisch bedingter Augenerkrankungen e.V. (DOK) zur Verfügung gestellt. Es standen die Zuchtbücher des KTR von 1979 – 2000 sowie die Augenuntersuchungsergebnisse von 849 Tibet Terriern aus den Jahren 1994 – 2000 zur Verfügung. Von den untersuchten Tieren zeigten 97 Tiere (11,43%) eine Distichiasis, 109 Tiere (12,84%) eine Membrana pupillaris persistens (MPP), 10 Tiere (1,18%) eine Linsenluxation, 40 Tiere (4,71%) eine Katarakt und 12 Tiere (1,41%) eine Progressive Retinaatrophie (PRA) zeigten. Folgende systematische Einflussfaktoren wurden für die Prävalenz der einzelnen Augenerkrankungen mittels Varianzanalysen auf Signifikanz überprüft: Geschlecht, Inzuchtkoeffizient, Geburtsjahr, Prozentsatz untersuchter Tiere pro Wurf, Wurfgröße, Untersucherklasse und Alter der Tiere bei Erstuntersuchung als fixe Faktoren; Zwinger, Vater und Mutter als zufällige Faktoren. Die nachfolgenden Heritabilitätswerte wurden für die untersuchten Augenerkrankungen mittels Restricted Maximum Linkelihood (REML) ermittelt: 0,039 ± 0,032 für die Distichiasis, 0,170 ± 0,041 für die MPP, 0,099 ± 0,050 für die Katarakt und 0,490 ± 0,102 für die PRA. Für die Linsenluxation wurde die Heritabilität wahrscheinlich überschätzt, da nur wenige Tiere betroffen waren und sich sechs Tiere einer Familie zuordnen ließen. Zusammenfassung 166 Die Pedigreeanalyse für 12 Familien mittels regressiven Logit-Modellen ergab, dass die Prävalenz für das Auftreten von Distichiasis allein durch umweltbedingte Einflussfaktoren erklärt werden kann. Für die MPP erwies sich das Geschlecht (männlich) als signifikant. Die Segregationsanalyse mit 18 Familien und zeigte, dass die Prävalenz von MPP mit einem polygenen Erbgang am besten erklärt werden kann. Die Häufigkeit von Linsenluxation wurde signifikant von den fixen Effekten für den Inzuchtkoeffizienten und die Untersucherklasse beeinflusst. Die Segregationsanalysen für 3 Familien zeigten, dass ein gemischt monogenes-polygenes Modell mit einem rezessivem Hauptgeneffekt die Daten am besten erklärt. Bei der Katarakt erwies sich keiner der in der Varianzanalyse getesteten Einflussfaktoren als signifikant. Hier ergab die Segregationsanalyse mit 15 Familien, dass das polygene Modell die Daten besser erklärt als die übrigen Modelle. Für die PRA konnten in der Varianzanalyse keine signifikanten fixen Effekte gefunden werden. In den Segregationsanalysen mit 5 Famlien erklärten die gemischten Modelle mit willkürlichem Hauptgeneffekt die Daten am besten. Die bisherigen züchterischen Maßnahmen bezüglich der Linsenluxation und der PRA waren erfolgreich. Generell ist zu erwarten, dass durch wiederholte systematische Untersuchungen der kompletten Würfe oder zumindest einer Stichprobe von 2-3 Tieren pro Wurf aus den Familien, in denen mindestens ein betroffenes Tier auftrat, der Zuchtfortschritt gesteigert werden kann. Summary 7 167 Summary Karina Ketteritzsch Study on the inheritance of eye diseases in Tibetan Terrier dogs using complex segregation analysis The objective of the present study was to find the mode of inheritance of eye diseases in Tibetan Terrier dogs. Genetic and non-genetic effects were tested for significance. Segregation analysis using regressive logistic models was employed to test for different modes of inheritance. Data for the analysis were obtained from the kennel club of Tibetan dog breeds (Klub für Tibetische Hunderassen, KTR) and the Dortmunder Kreis, Society for diagnostic of inherited eye diseases (DOK). Results from 849 examined dogs and the studbooks of the KTR from the years 1979-2000 were available for the analysis. The results of the eye examination showed that 97 dogs (11,43%) had a distichiasis, 109 dogs (12,84%) had a persistent pupillary membrane (MPP), 10 dogs (1,18%) had a lens luxation, 40 dogs (4,71%) had a cataract and 12 dogs (1,41%) had a progressive retinal atrophy (PRA). The following systematic effects were tested separately for each eye disease using analysis of variance: sex, inbreeding coefficient, year of birth, percentage of examined dogs per litter, litter size, number of examinations performed by each veterinary expert (CNE) and the age of examination as fixed factors; the kennel, sires and dams were included in the analysis of variance as random factors. The following heritabilities were found for the prevalence of the examined eye diseases using Restricted Maximum Likelihood (REML): 0,039 ± 0,032 for distichiasis, 0,170 ± 0,041 for MPP, 0,099 ± 0,050 for cataract and 0,490 ± 0,102 for PRA. The heritability for lens luxation were overestimated, because only ten animals were affected and six animals can belonged to one family. Summary 168 The pedigrees of 12 families were analysed for the prevalence of distichiasis using regressive logit models of segregation analysis. The segregation analysis revealed that none of the genetic models explained the segregation of affected animals sufficiently well. The model with one environmentally caused distribution explained the pedigrees best. For the prevalence of the MPP, the fixed effect of the sex (male) was significant. The segregation analysis for 18 families showed that the models assuming a polygenic inheritance were best suited to explained the segregation of the affected animals. The analysis of variance for the prevalence of the lens luxation showed that the fixed effects for the inbreeding coefficient and the CNE were significant. The results of the segregation analyses for three families indicated that the mixed model including a recessive major gene effect explained the segregation of the animals in the pedigrees best. None of the fixed effects testet had a significant influence on the prevalence of the cataract. The segregation analysis for 15 families showed that the polygenic model fitted the data best. The analysis of variance for the prevalence of the PRA showed no fixed effect as significant. The segregation analysis for five families revealed that the mixed models with an arbitrary major gene effect explained the segregation best. The breeding programmes for the Tibetian Terriers to eradicate the eye diseases lens luxation and PRA appeared successfully. Similar breeding programmes should be performed to lower the prevalence of the cataract in this breed. For the eye diseases distichiasis and MPP, it is questionable which effects these diseases have on the vision and the well being of the dogs and if breeding programmes are necessary for these eye diseases. It is expected that a larger progress in breeding programmes against eye diseases can be achieved if all families, in which one or more affected animals are segregating, could be identified. Then in these ascertained families the complete litters or at least a sample of 2-3 animals per litter would be repeatedly and in a more systematic manner examined by veterinary experts. . Literatur 8 169 Literaturverzeichnis ACLAND, G. M. u. G. D. AGUIRRE (1987): Retinal degenerations in the dog: IV. Early retinal degenerations (erd) in the Norwegian Elkhounds. Exp. Eye Res., 44, 491-521 ACLAND, G. M., R. T. FLETCHER, S. GENTLEMAN, G. J. CHADER u. G. D. AGUIRRE (1989): Non-allelism of three gens (rcd1, rcd2 and erd) for early-onset hereditary retinal degeneration. Exp. 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Ohne ihre Hilfe wäre ich in den dunklen und unergründlichen Tiefen der Statistikprogramme SAS und S.A.G.E. hoffnungslos verloren gewesen. Herrn Dr. Brahm und Herrn Dr. Grußendorf vom DOK danke ich für die Betreuung und die vielen Informationen zum klinischen Bereich dieser Dissertation. Frau Gudrun Schroth und Frau Angela Brüggemann vom KTR danke ich für die Überlassung der Zuchtbücher und Augenuntersuchungsergebnisse und für die weiteren Informationen über die Zuchtbestimmungen der Tibet Terrier. Dank ihnen habe ich eine wunderschöne und sehr liebenswerte Hunderasse kennengelernt, die mich sicherlich noch weiter begleiten wird. Auch bei meinen Kollegen und Kolleginnen vom Intstitut für Tierzucht und Vererbungsforschung möchte ich mich für die freundliche Unterstützung während meiner Arbeit bedanken. Ganz besonderen Dank gilt dabei Heidi Kuiper und Svenja Petri für das Lesen der Korrekturfahnen und für viele hilfreiche Informationen, und Axel Bormann für die viele didaktischen Hinweise. Vielen Dank sage ich auch meiner Freundin Wiebke Köhl. Ganz besonders möchte ich mich jedoch bei meinen Eltern und meiner Oma für die finanzielle und vor allen Dingen moralische Unterstützung während meiner Studienund Doktorandenzeit bedanken, insbesondere bei meiner am 22.02.2002 verstorbenen Mutter. Sie haben mir immer sehr viel Rückhalt gegeben und sehr viel Geduld aufgebracht, obwohl sie eigentlich mehr noch meine Unterstützung gebraucht hätten. Ich hoffe, es einmal zurück geben zu können. Auch bei meinem Freund Detlef möchte ich mich für seine unermüdliche Geduld und seelische Unterstützung bedanken. Mit ihm zusammen und mit Hazel habe ich immer mal wieder abschalten und ausspannen können, um mich dann mit neuer Kraft dieser Arbeit zu widmen.